Sonntag, 30. Dezember 2018

Jetzt aber!

Wenn nicht jetzt, wann dann (wer jetzt einen Ohrwurm hat, dem ist auch nicht zu helfen)? Es wird Zeit zu resümieren. Hier also mein Jahresrückblick 2018. Ein überraschend aufregendes Jahr, fand ich.
Januar 
Die Tochter wird schon 19 und der Sohn absolviert mündliche Prüfungen. Seine Eloquenz kennend machten sie mir keinen Puls. Ihm stattdessen schon etwas mehr. Am Ende ohne Not, denn er hat alles bestens gemeistert.
Februar 
Der Sohn verreist zum ersten Mal ganz alleine. Dass er allein fliegt, war weniger aufregend. Dass er mehr als drei Wochen für sich im Ausland verbringt, schon mehr. Natürlich habe ich mir vollkommen umsonst Gedanken gemacht, er hat alles bestens gemeistert.
März 
Ein 120 Liter-Oster-Beagle stößt zu uns. Nach Ostern übt er sich in Klavieretüden.

April 
Der Schnee schmilzt endlich. Dennoch kehre ich anlässlich meines Geburtstages Hamburg den Rücken zu und verbringe eine Woche in Spanien. Sogar mit den Kindern. Zum Ende des Monats gab es  überraschend noch ein Konzert-Highlight: Element of Crime in Lübeck. Zu meinen Jahreshöhepunkten gehörte das Trucker-Lesbenpaar, das hinter uns stand, von denen die eine wohl nur wegen Sven Regeners Trompetenspiel vor Ort war. Jedenfalls skandierte sie gleich zu Beginn lautstark - damit er es auch hören möge: „Sven, blas‘ mir einen!“
Mai
Es verdichten sich die Hinweise, dass meine Hüfte ausgetauscht werden muss. Wenn das Röntgenbild bei den Profis wahlweise „Ach, du Scheiße!“ oder „Damit hätten wir Sie schon vor 5-10 Jahren hier erwartet“ hervorruft, könnte es Zeit werden. Ich mache einen OP-Termin für Ende des Sommers aus. 
Juni
Was als Feierzeitraum geplant war, entpuppt sich als Rohrkrepierer. Trotz blamabler Fußballmomente entwickelt sich der Monat zum Ende hin doch noch hervorragend. Während des Ausscheidens der deutschen Nationalmannschaft habe ich besseres Programm, zumal ich abends noch dem Once-In-Your-Lifetime-Konzert beiwohnen darf: David Byrne ist zwar auf dem Papier nicht mehr der Jüngste, aber seine Bühnenshow ist unbeschreiblich gut.

Und dann werde ich auch noch zum ersten Mal in meinem Leben Trauzeugin - ach, was sag‘ ich: Schirmherrin! Mehr geht in einem Monat nicht.
Juli
Wer jetzt denkt, nun kann nichts mehr kommen, der hat nicht mit dem Blutmond gerechnet. Optisch gar nicht so spektakulär, aber das Drumherum ist dann doch erste Klasse.
August
Nachdem das Rekonvaleszentenbett unter Mühen und Fluchen aufgebaut ist, und ich mich von der schlechteren Hälfte meiner Haare getrennt habe, kann ich mich zum Ende des Monats mehr oder weniger beruhigt unters Messer begeben.

September 
Den Bombensommer darf ich an der Ostsee noch verlängern. Nicht unbedingt Urlaub, aber auch nicht ganz schlecht. Selbst wenn Publikum und Setting größtenteils gewöhnungsbedürftig sind, entschädigt der Blick für vieles. Und fit geworden bin ich außerdem.

Oktober 
Während Muddie in der Muckibude Muskeln trainiert, wird der Sohn volljährig. Jetzt habe ich also zwei erwachsene Kinder. Mit meinem Alter hat das bestimmt gar nichts zu tun.

November 
Per se ein Unmonat kann er dieses Jahr wenigstens mit ein paar schönen Literatur- und Kulturveranstaltungen aufgewertet werden. Hinzukommt mein erstes echtes Date nach dem Besuch des Ersatzteillagers. Außerdem habe ich meine Eingliederung zur Arbeit aufgenommen. 2018 hatte überraschenderweise schlechtere Zeiten als den November.
Dezember 
Das furiose Finale eines aufregenden Jahres. Es beginnt mit einer langen Sonntag-/Montagnacht erst mit zweien, dann mit einem der Lieblingsautoren. Dann Rückschläge bei der Arbeit. Direkt danach endlich Urlaub. Dort überraschend viele Sonnenstunden. Genau das Richtige als Vorbereitung auf die Feiertage daheim. Und schwupps ist das Jahr schon wieder um.


Samstag, 29. Dezember 2018

Neu

Der Weihnachtsmann oder so brachte mir ein neues Telefon. Dank tatkräftiger Unterstützung eines technisch versierteren Bruders ging der Tausch - ich korrigiere mich: die Rochade - vergleichsweise unproblematisch. Wäre nicht ein blödes Update dazwischen gekommen, hätte es ruckzuck geklappt, indem man alt und neu nebeneinander legt. 
Mit der Zeit zeigen sich jetzt die Hürden. Dass die Gesichtserkennung am Morgen nicht funktioniert - Schwamm drüber. Bestätigt nur meine (und Gary Larsons) Vermutung. Meine spannende N = 1-Studie zeigt übrigens: ab etwa Teetasse 2 geht‘s wieder.

Ärgerlicher hingegen, dass wie bei jedem größeren Update sämtliche Musik unwiederbringlich vom Gerät gelöscht wurde. Ich verbringe gerne meine Samstagvormittage bei Tee und Musikladen. 

Freitag, 28. Dezember 2018

Zwischendrin

Auch wenn man  - mehr aus Pflichterfüllung, denn aus Leidenschaft - arbeiten muss, schliddert man von den einen Feiertagen zu den anderen. Meine Vorbereitungen für die späteren sind ausnahmsweise aufwendiger als für die früheren. Dieses Jahr gilt es auch besondere Herausforderungen zu meistern: Das Kernkompetenzteam hat sich leider ins Kantonesische abgesetzt und lässt uns mit unseren Pflichten allein. Ausgewählte Nachbarn hatten per Dekret („Die Partei, die Partei, die hat immer recht...“) unser Haus zur böllerfreien Zone erklärt. Für kindliche Gemüter wie mich eine Steilvorlage, um wider meine Natur und zum ersten Mal in meinem Leben Feuerwerkskörper zu besorgen. So viel zu „Ab einem gewissen Alter gibt es keine ersten Male mehr“. Auf der Habenseite: die Altersbeschränkung stellte nun wirklich keine Hürde für mich dar. Meine Kaufkriterien waren schlichter Natur. Wenn der Titel passte, landete das Paket in meinem Korb. So wundert es nicht weiter, dass ich unter anderem Premium-Produkte wie „Noise Maker“, „Ultra Sound“ oder „Scream Machine“ erstanden habe. Schwierig wird das Initiieren dieser Wunderwaffen werden. In diesem Bereich kann ich nicht einmal mit Raucherexpertise aufwarten. Es wird mir mehr wehtun als dir. Aber was echt preußisches Pflichtgefühl ist... Vielleicht gereicht mir zumindest zum Vorteil, (wenn auch als eines der schwarzen Schafe) aus einer Pyro-Familie zu entstammen. 
In Vorbereitung auf diese aufregenden Zeiten hatte ich avisiert, heute bereits um 20 Uhr im Bett zu liegen. Kurz vor 21 Uhr wies mich der Sohn darauf hin, ich sei wohl wortbrüchig geworden. Recht hatte er. Normalerweise kenne ich den Hinweis nur, wenn meine Anwesenheit nicht mehr zwingend erwünscht bzw. sogar hinderlich ist. Heute jedoch sprach er es und verabschiedete sich im Anschluss direkt selbst ins Bett. Verkehrte Welt.

Mittwoch, 26. Dezember 2018

Rochieren

Das Fest der Liebe stand dieses Jahr eher unter dem Motto des Post-Titels. Alles wurde eifrig rochiert: Teller, Telefone, Parkplätze, Präsente. Einfaches Tauschen kann jeder. 
Die Erkenntnis dieser Tage: Geschenke Einpacken wird besser, wenn es nicht unter Zeitdruck geschieht. Nach einem guten halben Tag im Schweinsgalopp blieb ich Heiligabend in dieser Disziplin unter meinen Möglichkeiten. Das das Verpacken begleitende Fluchen war wenig besinnlich. Im Verlauf des Einwickelns tröstete ich mich mit dem Gedanken an saisonal übliches Schummerlicht. Dennoch konnte ich nicht aufhören, mich selbst über meine aktuelle Einpackschwäche zu ärgern. Dann kam der Sohn in gleicher Mission hinzu. Aus dem Augenwinkel auf die Referenzptäsente schielend stellte ich - wieder einmal - übertriebene Selbstkritik an mir fest. Er hingegen war zufrieden mit seinem Werk, schien es. „Gut geworden“, befand er, „... für einen Vierjährigen“. Für uns Mütter bleiben sie doch immer klein.

(„Der Konzeptbaum“ so die Nachbarin)

Sonntag, 23. Dezember 2018

Bonjour Tristesse

Es begab sich, dass ich wenige Stunden nach der Rückkehr in die hiesige Dunkelheit auf eine Geburtstagsparty eingeladen war. Schön, wenn man auch hier Lichtblicke hat. Während wir im Schweinsgalopp den Transfer zu unserem Anschlussflug gerade noch schafften, hatte mein Gepäck - wenig überraschend - weniger Glück. Es blieb noch etwas länger in Frankfurt. Anfangs fand ich es nicht weiter schlimm. Habe ich doch relativ viel Erfahrung mit verschollenem Reisegepäck und richte mich somit auf diese Eventualität ein. Erst nach und nach fiel mir auf, was ich doch ganz gerne sofort bei mir gehabt hätte. Unter anderem das Geburtstagsgeschenk für den Jubilar, das ich am Vortag nach viel reiflicher Überlegung flügelschlagend besorgt hatte. So ging es also im Räuberzivil und mit leeren Händen zur Party. Der Zufall wollte es - naja, nicht ganz -, dass die Geburtstagsfeier direkt unter der neuen Wohngemeinschaft der Tochter stattfand. Die wiederum zufällig am gleichen Datum ihre Einweihungsparty beging. Lange hin- und hergerissen zwischen Neugier und Nicht-Lästig-Fallen-Wollen traute ich mich schließlich doch nach oben. Dort traf ich neben der Tochter nicht nur den Sohn (der vorher schon die Einkaufshilfe für die drei WG-Genossen gab, weshalb seine Anwesenheit nicht allzu überraschend für mich kam) sondern auch meinen Neffen und meine Nichte. Die Tochter ist von jeher sehr integrativ. Als ich nach kurzer Führung wieder zur Stammparty gehen wollte, trug mir die Tochter auf, ich solle dem Vater ihres Mitbewohners sagen, wenn er auch auf der älteren Veranstaltung auftauche, er solle auch zur Besichtigung hochkommen. Da war es wieder, ihr integratives Bestreben. Ganz Dienstleister erfüllte ich ihren Auftrag. Besagter Vater stellte mich, wenn auch namenlos, so doch zumindest in meiner mütterlichen Funktion seiner Freundin vor. Diese Transferleistung war nicht allzu groß, da ich ja im Auftrag der Tochter agierte. Und wer kann sich schon diese blöden Namen merken? Wahrscheinlich um die Peinlichkeit zu überbrücken, begann er etwas unbeholfen Smalltalk. Meine Tochter habe also einen neuen Freund. Diesen Umstand hatte ich mir zwar schon gedacht, aber offiziell wusste ich noch nichts davon. Egal, die Situation erforderte Pokerface und verhalten bestätigende Reaktion. Beides gelang mir trotz ermüdender Reise, Gepäcklosigkeit und verstopften Ohren. Manchmal beeindrucke ich mich selbst. Andere sowieso.

Freitag, 21. Dezember 2018

V8

Heute heißt es Abschied nehmen. Von der Sonne, von Farben (für den Rest des Jahres vermutlich), vom Fiat 500 und meiner klimatisch ansprechenderen Büro-Außenstelle. Ab heute heißt Temporada wieder Saison und besteht aus Keksen, Geschenkbeschaffung und All-Wetter-Kleidung. Doch Erinnerung und ein wenig Bräune nehme ich mit.



V7

Am Ende hat es mich doch überrascht, als die Supermarkt-Kassiererin mir heute - an einem strahlenden Sonnentag - „Bons festes!“ wünschte. Die Verwunderung kam weniger durch die Tatsache, dass sie das hiesige Idiom mit mir sprach. Vielmehr daher, dass es sich um das nahende Weihnachtsfest handeln soll. Pfingsten wäre insgesamt passender, finde ich. Deshalb ist es wahrscheinlich stimmig, dass ich noch kaum Geschenke parat habe. Noch treiben mich ohnehin die Geburtstage vor den anderen Feiertagen um.
Ansonsten muss ich meine Mail-Signatur ergänzen. Kniffel Coaching alleine reicht nicht mehr aus. Meine Tipps sind derart altruistisch, dass ich dem Coach auch noch einen Loser hinzugesellen muss.
Egal. So lange es die schwulen Sonnenuntergänge gibt. Dies wird wohl der letzte seiner Art für dieses Jahr - ich hör‘ ja schon auf!



Mittwoch, 19. Dezember 2018

V5+6 in 1

Seit gestern hält man uns endgültig für die schwachgeistigen Touristen, die wir vermutlich sind. Bei empfindlicher Kälte von etwa 16° - selbstredend über null - wagten wir, mit nackten Füßen durchs Meerwasser zu laufen. Während die endemischen Menschen mit Fellstiefeln und Daunenjacken unterwegs sind. Die Hunde ihre dringend benötigten Mäntelchen noch etwas fester um ihre zitternden Körper gewunden bekommen und die Möwen gar auf ihr übliches Seebüffet verzichten - vermutlich weil sie auf der Suche nach ihren Stiefeln und Wintermänteln sind. Heute finden wir es fast etwas schwül-warm und sitzen anders als der Rest der Passagiere im T-Shirt im Zug auf dem Weg in die große Stadt. Wunderte mich nicht, wenn wir dort zufällig CR7 träfen. Habe ich so im Gefühl. Währenddessen läuft meine juristische und organisatorische Schaltzentrale in der spanischen Außenstelle weiter. Mit Organisation meine ich nicht einmal Weihnachtsgeschenke, so weit bin ich noch nicht. Immerhin bin ich halbwegs zufrieden mit dem bisher Erreichten. Am Ende wird es doch noch ein vollwertiger Urlaub.

(proxima parada: Cullera)

Montag, 17. Dezember 2018

V4

Wir vernachlässigen unsere Pflichten. Das liegt nicht ausschließlich am guten Wetter. Auch nicht an der Vernachlässigung preußischer Tugenden. Etwas weniger dessen  wünschte man übrigens dem Herrn, der akustisch wie olfaktorisch belastend die hiesigen Hecken schneidet. Ich glaube, der Grund liegt darin, dass ich müde bin, an allen Fronten zu kämpfen. Arbeit, Scheidung, Wohnung, nichts geht von selbst - und wenig so, wie ich es mir wünschte. Eigentlich geht Urlaub anders, dachte ich. Immerhin, die Sonnenuntergänge sind 1A.





Sonntag, 16. Dezember 2018

V3

Das schöne, warme Wetter hielt uns von allem möglichen ab. Auch gut. Zwischenzeitlich war meine Stimmung jedoch etwas gedrückt. Mich packte das Gefühl, eine Rabenmutter zu sein: das erstgeborene Kind zieht aus - und ich bin nicht einmal vor Ort. Doch Sonne und Lektüre halfen, schnell wieder in den Zweckoptimismusmodus zu kommen: am Ende besser, wenn ich uns den Auszug nicht nur noch schwerer mache. Dann die Vermutung, nicht alles falsch gemacht zu haben, wenn man noch solche Nachrichten bekommt:

Genau genommen sind wir - nach meiner Rückkehr - auch nur 4,3 km voneinander entfernt.

Samstag, 15. Dezember 2018

V2

Hier ist Lesen angesagt. Lesen auf der Überholspur. The story of my life. Ich bin auf Umwegen dorthin gekommen. Nicht, dass ich es erst spät beherrscht hätte. Genau wie der Sohn habe ich es mir mit etwa fünf Jahren selbst beigebracht - ich dabei vielleicht noch ein wenig mehr mit der Unterstützung des größeren Geschwisters. Für mich übte es einen Reiz aus, auch in diese Welt verschwinden zu können, in der sich mein Bruder befand, wenn sich nur ein irgendwie bedrucktes Objekt in seiner Nähe befand. Von Zeitschriften, Zeitungen oder Büchern wollen wir gar nicht sprechen. Ich habe mir wohl zu hohe Ziele gesetzt, als das Dechiffrieren von Joghurtbechern über Bilder hinaus („Da-no-ne Will-i-ams-Christ-Bir-ne“ stand da auf dem sich nach oben verjüngenden Pappbecher mit wulstigem Rand) nicht mehr ausreichte. Ein Buch sollte es sein. Am besten eines, das den großen Bruder noch mehr als jedes andere Druckerzeugnis in den Bann zog: ein Kaamai. Keine gute Idee meinerseits. Zunächst einmal nicht mein Genre (so viel weiß ich jetzt), doch viel schwerwiegender: quälend langweilige Landschaftsbeschreibungen, die sich am Anfang über viele Seiten hinwegzogen. Doch so weit kam ich gar nicht. Spätestens auf Seite fünf gab ich auf. Dass es ihnen auch an Authentizität mangelte, da sich der Autor nicht ernsthaft aus Sachsen entfernt hatte, blieb mir somit verborgen. Auch gut. Was mein Bruder an diesem Lesen fand, war höchst rätselhaft. Aber nicht so sehr, dass man es wieder versuchen müsste. Ich muss wohl in jungen Jahren schon einen gewissen Hang zur Effizienz gehabt haben. Der hielt mich ein paar Jahre vom Lesen über den Hausgebrauch hinaus ab. Wichtig ist es, zu erkennen, ob es sich bei einer Marmelade um Schwarze Johannisbeer (eklig) oder Schattenmorellen (lecker) handelt. Aber ob das Oeuvre von Karl May oder Stanislaw Lem besser ist: geschenkt! Die gesamte Grundschulzeit habe ich mich aus dem Büchergeschäft herausgehalten. Gut, man musste diese blöden Schreibschriftbücher über sich ergehen lassen. Sonst hätte es Ärger mit der mindestens genauso blöden Klassenlehrerin gegeben. Oder diese Bücher, die wir lesen mussten und deren Autorin ich vergessen habe, die mich nur ärgerten, weil die Illustrationen perspektivisch vollkommen falsch waren. Man bekam sie in den Siebzigern von wenig wohlmeinenden Menschen sogar zum Geburtstag geschenkt. Erst als Bilderbücher gar nicht mehr altersgemäß waren, bin ich über sie wieder ins Lesegeschäft eingestiegen. Dann gleich richtig und nicht einmal langsam. Dieser Tage liegt die Quote bei etwa einem pro Tag. Und die haben nicht einmal Bilder.
A propos Bilder: dies ist mit einer leichten Verzögerung eines von V1:

(Wenig erhellend, ich weiß. Nur so viel: wir haben Gnade vor Recht ergehen lassen.)

Freitag, 14. Dezember 2018

V1

Heute ist bereits Bettenwechsel. Hier gehen die Uhren eben doch anders. Die neue Reisebegleitung fand, ich solle meinen Posts ebendiese Titel geben. Man merkt, ich bin Dienstleister durch und durch. Außerdem passiert nicht viel. Ich fahre zum Flughafen. Die erste Reisebegleitung fliegt 40 Minuten später, als die neue ankommt. Nicht nur Dienstleisterin sondern auch Planerin durch und durch. Komisch, dass ich dennoch an der einen oder anderen Stelle nur als Mittelmaß wahrgenommen werde. Ich fahre vom Flughafen nach Hause - sogar fast auf dem kürzesten Weg. Anschließend noch ein Spaziergang. Der Blick aufs Telefon sagt: gut 12.000 Schritte. Und ich dachte, außer Lesen und Essen betreibe ich hier nur Nichtstun.



Donnerstag, 13. Dezember 2018

Seven of Nine

In meiner Timeline teilen mir unterdessen einige meiner Kontakte mit, sie seien am Cher-Konzert im Herbst 2019 interessiert. Das löst bei mir automatisch eine akustische Assoziationskette aus, deren Folge ein andauerndes Summen ist. „If I Could Turn Back Time...“ Wenn das ginge, hätte ich zum Beispiel nichts gegen den 9. Dezember 2018. Weniger um gegen 6 Uhr morgens immer wieder „I’ve Got You, Babe“ zu hören. Mehr um dauerhaft Sonne und Nichtstun zu genießen. 
Ich selbst bin übrigens am singenden Ersatzteillager - meine Wurfkraft steigert sich im Glashaus ins Unermessliche - nicht allzu interessiert.

Dienstag, 11. Dezember 2018

Schön

Leben wie Gott in Frankreich ist ein Dreck gegen Leben wie ein König in Spanien. Das Zweibeste an letzterem ist, dass der Hermelinumhang gar nicht nötig ist, weil es auch Dezember im T-Shirt ausreichend warm ist. Das Beste: sogar das Strippenziehen funktioniert aus der Sommerfrische. Mehr geht kaum.



Sonntag, 9. Dezember 2018

Alles wird gut

Die Erkenntnis der letzten 24 Stunden: Wundenlecken fällt leichter, wenn es in weniger grauem Umfeld gepflegt werden kann. Allein der Ortswechsel schafft schon einiges. Noch besser, wenn der Transport in den Süden in bester Drei-Wetter-Taft-Manier erfolgt: Hamburg, Nieselregen, 7°. Zürich, Wind, 5°. Valencia, Sonnenschein, 18°. Die Frisur sitzt. Umso schöner, wenn dann noch etwas Amüsement hinzukommt: Eine goldene Regel besagt, sich nicht über Namen lustig zu machen. Und sowieso immer die political correctness im Auge zu behalten. Aber bemerkenswert war’s schon, als ich entdeckte, dass der freundliche Flugbegleiter der Swiss („Mein äußerst schwer erziehbarer, schwuler Schwager aus der Schweiz“ wie der gute, alte Max Goldt-Titel besagt) auf seinem Namensschild „N. Hintermann“ stehen hatte. Das durfte der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden - und darüber könnte ich schon gar nicht hinwegsehen. Zu dem Zeitpunkt machte es auch nichts mehr aus, dass mir gewahr wurde, was ich alles vergessen hatte mitzunehmen.
Noch schöner wird es, wenn die Autovermietung DAS Auto für mich bereithält. Als Fashionista goutiere ich, dass es sich dieses Mal um eins in leicht metallischem, dunklem Meerblau (!) handelt. Pure Lebensfreude kommt auf, wenn das eigene Device ohne Probleme an die Fahrgast-Dolby Surround-Anlage angeschlossen werden kann und das iPhone automatisch in den Schnulzenmodus verfällt. Leid höchstens beim Mitinsassen wegen meines anhaltenden Mitsingens („If you leave me now...“ trallala).
Endgültig geschafft war die Entspannung, als ich den Nachbarn ihren „Stammparkplatz“ abluchsen konnte. Jeder andere zwingt sie dazu, sich etwas mehr zu bewegen. 

Einziger Kritikpunkt: mein erstes Mal Fliegen mit Ersatzteilen war unspektakulärer als gedacht. Das Sicherheitspersonal interessierte sich nicht für einen Sechser für meinen „Access-All-Areas-Ausweis“, den andere als der Sohn „Endoprothesen-Pass“ nennen. Abzüge in der B-Note verkrafte ich.

Samstag, 8. Dezember 2018

Nennt mich Gary

Mit einem Besuch bei der Kosmetikerin dachte ich gestern noch die Kurve zu bekommen, um einem mehr als bescheidenen Tag noch eine positive Wendung zu geben. Es war vermutlich nur folgerichtig, dass beim Pimpen der Fußnägel - ich hatte mich aus saisonalen Gründen für ein leicht metallisches, echtes Rot entschieden - den Nagel des linken großen Zehs verlor. Vor Monaten war mir ein nicht ganz leichter Mann mit Sicherheitsschuh (ich stattdessen leider nicht) vollwuchtig auf ebendiesen Zeh getreten, was erst Schmerzen, dann einen Bluterguss und jetzt das zur Folge hatte. Statt eines weihnachtlich roten Nagels nun gar keinen und dafür ein wenig kleidsames, aber notwendiges Pflaster. Die Welt ist nicht gerecht. 
Aus multiplen Sicherheitsgründen ziehe ich mich also besser in mein Schneckenhaus zurück. Besser gesagt: ich verlagere mein Häuschen an einen wärmeren Ort. Oder zumindest das, was von meinem Schneckenhaus noch übrig ist - in der Hoffnung, dass alles Fehlende wieder nachwächst.



Freitag, 7. Dezember 2018

Glaskugel

Es muss wohl weissagend gewesen sein, dass mir Facebook heute als Erinnerung ein Foto von vor über zehn Jahren ausgespielt hat. Eine Weissagung erstens, weil die Gelegenheit eine Brigitte-Veranstaltung in der Agentur war. Zweitens, weil ich mich dank Facebook daran erinnerte, dass der damals noch amtierende Gatte mich nach dem professionellen Schminken mit den Worten begrüßte, ich sehe ja aus wie eine Eule. Ich hätte es also damals schon wissen können.



Mittwoch, 5. Dezember 2018

Insomnia

Schlaf beziehungsweise das Fehlen dessen scheint momentan mein Sujet zu sein. Wenn ich nicht so müde wäre, trällerte ich Tag und Nacht den oben genannten Neunziger Jahre- Dancefloor-Banger von Faithless. Ein Lied, das der Sohn mit entsprechendem Tonfall als „Deine DJ-Musik von 1996“ abkanzelt. Wunderte mich nicht, wenn er mit der Jahreszahl sogar richtig läge. Während meine Schlaflosigkeit in der Nacht von Sonntag auf Montag wenigstens ein selbst gewähltes Schicksal war, hielt mich gestern Nacht wohl meine gedankliche Nachbereitung des vorangegangenen, unfreiwilligen Kommunikations-Pingpong mit dem Ex-Mann in spe ab. Nicht zu vergessen die zwischendrin eingeschobenen Anfragen an meine Anwältin bzw. deren Antworten. Das ganze Thema lässt mich auch nächtens mit der modernen Jurisdiktion hadern. Im Grunde wünsche ich mir die gute, alte Schuldfrage zurück. Einziger Lichtblick neben der Schokolade aus meinem Adventskalender (natürlich nicht mehr nach dem Zähneputzen verzehrt!): geteiltes Leid und so. Der Sohn zwang sich, die Nacht durchzumachen, „damit er endlich wieder den richtigen Tagesrhythmus annehme“. Ginge dies Ansinnen nicht mit nächtlichem Gerumpel einher, stünde die Mutter hundertprozentig hinter seinem Projekt. So - und aus Schlafmangel - trotzte er mir nur ein müdes „Finde ich gut“ ab. Meine Glaubwürdigkeit als Motivationscoach stand auch schon mal besser da.

Dienstag, 4. Dezember 2018

Immerhin

Das gestrige Projekt „Nachtruhe um 18 Uhr“ ging schief. Nicht etwa, weil ich zu spät im Bett lag. Das habe ich bereits davor geschafft. Das Einschlafen war das Problem. Gegen die fortwährenden Nachrichten des angehenden Ex-Mannes mit dem Ansinnen, eine Scheidung nach vorne zu peitschen, konnte ich mich zumindest partiell wehren. Einfach früher als sonst das Telefon in den Flugmodus bringen. Gegen Telefonterror auf dem Festnetz kann diese Maßnahme jedoch auch nichts ausrichten. Schlafverhindernd wirkte sich zusätzlich aus, dass es (nach dem Telefon) laufend an der Tür klingelte, weil die Kinder Besuch bekamen. Wenn die Tochter schon einmal zuhause ist, muss es sich auch lohnen. Vor Freude und Rührung nicht schlafen konnte ich, da der Sohn bei Wind, Wetter und Dunkelheit abends noch einkaufen ging und mir einen Milka-Adventskalender mitbrachte. Später ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich feststellen musste, ein Buch nicht nur als eBook sondern auch als echtes besorgt zu haben. Die Bestellungen natürlich schon länger her, so dass ich das traditionelle Buch nicht mehr zurückgeben kann. Dann musste ich doch über mein Missgeschick lachen, denn besagtes Buch/besagte Bücher trägt/tragen den Titel „The Punishment She Deserves“. Mehr geht nicht.

Montag, 3. Dezember 2018

Preußentum reloaded

Vielleicht bin ich doch die ideale Arbeitnehmerin. Obwohl ich wochenlang ausgefallen bin. Das gesamte Wochenende schleppe ich mich - so wenig wie möglich - mit Schmerzen durch die Gegend. Selbst zum Saisonhöhepunkt eiere ich wenig groupiegemäß mit Stützen, die ich doch eigentlich seit Wochen in die hinterste Ecke verbannt hatte. Allenfalls der Drogengehalt in meinem Blut kommt dem eines klassischen jugendlichen Fans gleich. Wenn auch Ibuprofen nicht zu den typischen Modedrogen gehören dürfte. Aber wer weiß schon, was bei den jungen Menschen heutzutage hip ist? 

Doch zum kulturellen Highlight: Wir standen tatsächlich auf der Gästeliste („Antje von Garnier (Künstler)“). Meine Sorge im Vorfeld war also unbegründet. Die Lesung war toll, trotz der hohen Erwartungen an sie. Anschließend bekam ich eine nette (Erfolgsroman) und eine sehr nette Widmung (Anmut und Feigheit) in die jeweiligen Buchexemplare. Wiederum anschließend zog die Autor- (Top Act) und Groupie-Karawane weiter durchs Dorf, in die etwas weniger beschaulichen Ecken. Die Uhrzeit, bis zu der wir uns ins Bett aufmachten (getrennt, wohlgemerkt!), war dem Groupietum, nicht aber dem Angestelltenleben angepasst. Der Nachtschlaf reduzierte sich damit auf etwa vier Stunden. Der erste, zweite und dritte Blick in den Spiegel sagte: „Ich sehe aus, wie ich mich fühle.“ 
Egal, denn pünktlich zum viel zu frühen Montagmorgen ist der Schmerz in der Hüftperipherie nur noch ein müdes kleines Wimmern, dessentwegen ich mir albern vorkäme, zum Arzt zu gehen. Also stattdessen in die Galeere. Auf dem Weg dorthin murmele ich mantramäßig im Wechsel die Worte: „Heute Abend gehe ich um 18 Uhr ins Bett.“ und „Nie wieder trinke ich etwas - und schon gar nicht Wein zweifelhafter Provenienz.“

Freitag, 30. November 2018

Tatort fällt aus

Dass ich dem 2. Dezember entgegenfiebere, liegt nur bedingt am ersten Advent. Da sich zwei der lebenden Lieblingsautoren in unser Dorf begeben, wird die übliche Sonntagabendbeschäftigung mit Freuden ausfallen. Als ob das nicht Aufregung genug wäre: wir stehen auf der Gästeliste und duzen uns mit beiden. Wenn dieser Abend das Groupieherz nicht höher schlagen lässt, ist der Groupie tot, denke ich. In die Vorfreude - noch zweimal nachts schlafen! - mischt sich allerdings auch etwas Sorge. Was, wenn der neu hinzugekommene Blutsbruder, der auch noch der Top Act des Ganzen sein wird, sich nicht mehr erinnert? Wenn man unwissend angesehen oder, noch schlimmer, als klebriges Ärgernis eingeschätzt wird? Oder man doch nicht auf der Gästeliste steht? So gut ich ohne Falten könnte, weiß ich in diesen Momenten des Zweifelns, warum ich meine Teenagerzeit nicht vermisse. Was ich nicht weiß: was ziehe ich bloß an?

Donnerstag, 29. November 2018

Schwacher Geist in schwachem Körper

Die Zeiten mögen sich ändern, der Muskelkater nicht. Zumindest nicht zum Besseren. Daher beschließe ich, mein heutiges Sportprogramm auf exzessives Treppensteigen zu beschränken. Allein das Telefon hat bis 16 Uhr 26 Stockwerke erfasst, aber das habe ich - anders als die Generation X, Y, Z oder wie sie jetzt heißt - nicht ständig dabei. Also widme ich mich mehr dem Denksport. Mich beschäftigt seit längerem die Frage, ob in Deutschbüchern für Nicht-Muttersprachler (auf dem englischen Markt heißen die Standardwerke wahrscheinlich „Kraut 1-3“, in Frankreich „Ersatz 1-3“ und im spanischen Sprachraum vielleicht „Knackwurst 1-3“) als Replik auf „Danke“ unterdessen „Gerne“ gelehrt wird. Mit Freude nahm ich heute wahr, dass ein zugegeben nicht mehr blutjunger Mann in der U-Bahn auf mein Dankeschön mit Bitteschön antwortete. Ja, ich weiß, Sprache lebt, entwickelt und verändert sich. Doch mir gefällt nun mal das aussterbende „Bitte“ besser als „Gerne“. Vielleicht weil ersteres durch Betonung mehr (ironische) Spielarten zulässt. Meinen armen Kindern habe ich mit dem Einbleuen (nicht Einbläuen!) von „Ja, bitte!“ und dem als Objekt verpflichtenden Endungs-N bei Herrn sowie den korrekten Konjunktivformen eine vollends antiquierte Sprechweise eingetrichtert. Wie sollen sie da in der Gegenwart bestehen? Doch vielleicht brauche ich mir keine Gedanken zu machen, solange sie - wie beispielsweise letzthin der Sohn - aphoristische Sätze heraushauen wie: „Ein Freundeskreis ist keine Subkultur.“

Mittwoch, 28. November 2018

Zusatznutzen

Tiefes Graben in meiner Erinnerung ist notwendig, um zu ermitteln, wann ich das letzte Mal Muskelkater von echtem Sport hatte. Genau genommen kann ich es nicht rekonstruieren. Heute ist es aber so, dass sich die zitternden Muskeln des gestrigen Tages in einen anständigen Muskelkater verwandelt haben. Das Gute daran: wenn ich Gänge entlang und Treppen hoch oder runter schleiche, kann es weder auf mein Alter noch auf meinen postoperativen Zustand geschoben werden. Es liegt einzig und allein am exzessiven Sportprogramm. Schon diese Erklärung sorgt in mir für eine - wenn auch ausschließlich mentale - Frische.
Einen ähnlichen Effekt erziele ich an anderer Stelle mit Instagram-Postings: Wenn ich etwas hochlade, folgt meist postwendend - ach nein, im virtuellen Zeitalter heißt das ja instantan - ein Like der Tochter. So bekomme ich doch noch Lebenszeichen von ihr, obwohl sie aushäusig übernachtet. Außerdem empfinde ich den Bruch nach ihrem Auszug nicht so stark, wenn sie jetzt schon nur noch sehr sporadisch Präsenz zeigt. Die neuen Zeiten bringen eben nicht nur Schlechtes mit sich.

Dienstag, 27. November 2018

Das Übliche

Hach, man kommt vor lauter Steuererklärungeneintüten, Adventskränzen und Essen auch zu nichts! Förderlich ist es dann auch nicht, wenn die berufliche Wiedereingliederung als „In-Bestzeit-Auf-Vollzeit“ interpretiert wird. Von mir selbst am allermeisten. Wen wundert es da, dass ich am Ende meiner Trainingseinheit nur noch aus zitternden Muskeln zu bestehen scheine. Was mich viel mehr wunderte: dass der Obdachlose, dem ich gestern zwar kein Geld, aber immerhin ein Lächeln schenkte, mir „Gute Besserung!“ wünschte, als ich an ihm vorbeilief. Hatte ich doch am Wochenende so viele Komplimente für meinen ungewohnt geraden Gang bekommen, dass ich glaubte, man sehe mir Asymmetrien beim Laufen kaum noch an. Wahrscheinlich lag es einfach nur an den schweren Adventskränzen, die ich zu Fuß von A nach B transportierte. Das muss es gewesen sein. Immerhin hat sich der Einsatz gelohnt.



Samstag, 24. November 2018

Verbindung unterbrochen

Milde verwundert war ich, als ich gestern gegen 11 Uhr eine Nachricht der Tochter erhielt. Ein wenig auch deswegen, weil es keine Sprachnachricht war. Vor allem aber, weil sie den Inhalt enthielt, Veronika komme aus Solingen. Das wiederum löste bei mir keine Verwunderung aus, weil ich es schon wusste. Dennoch dachte ich darüber nach, ob die akademische Agenda Alkoholkonsum schon am Vormittag vorsieht.
Restlos besorgt bin ich nun, seit ich bei der Fahrt in die Gegend von Frau Ferres‘ Heimat feststellen musste, dass die Porträts von Carsten Maschmeyer und der Vroni als Sperrbildschirme des töchterlichen Telefons herhalten. Das geht in meinen Augen schon nicht mehr als Ironie durch. Ich befürchte, die Tochter driftet in die Masochismus-Szene ab. Wobei die Ferressche Geburtsgegend wiederum unbestritten viele Reize bereithält.



Donnerstag, 22. November 2018

Träume in Adverbien

Letzthin erschien mir in der Nacht das Baby einer ehemaligen Kollegin, die tatsächlich schwanger war. Ich fand es in meinen Träumen „enttäuschend hellhäutig“; kommt die Familie der Ex-Kollegin originär aus Ghana. Der Kindsvater wirkt eher europäischen Ursprungs. Ich befand diesen Teil meines Traumes für so amüsant, dass ich ihn am nächsten Tag dem Sohn erzählte. Der hielt ihn mit der entsprechenden Entrüstung für „rassistisch und politisch unkorrekt“. Konnte ich nicht nachvollziehen. Die betroffene Mutter übrigens auch nicht. Und selbst wenn: Ist es unterdessen soweit gekommen, dass ich auch politisch korrekt träumen muss? Dann lasse ich es in Zukunft besser ganz. Oder erzähle zumindest nicht davon.

Dienstag, 20. November 2018

Yin und Yang

Seit der Sohn wieder im Besitz eines Controllers ist, verbringt er etwa 90% des Tages (und wahrscheinlich auch der Nacht) damit, auf der PS4 das Westernspiel zu daddeln, das aktuell an jeder Ecke beworben wird. Altersbeschränkung 18 (!). Als ich letzthin ein herzzerreißendes Quieken aus seinem Zimmer hörte, erklärte er mir, er müsse ein Wildschwein erlegen. Ich, immer the big picture im Blick, so: „Richtig vegan ist das Spiel aber nicht!“ Er, nur kurz aufblickend (immerhin!) mit dem üblichen Unverständnis Jugendlicher ihren Eltern gegenüber: „Fiktion, Mama!“ Als nächstes wird er mir bestimmt erklären, das Spiel habe besonders für Veganer katharsische Wirkung.
Die Tochter hingegen plant akribisch ihre neue Wohnstätte. Sie geht eifrig mit ihrer Freundin und baldigen WG-Partnerin auf Flohmärkte und - wie gestern - in „ranzige Second Hand-Läden“. Als sie vom letzten Ausflug zurückkehrten, fragte ich sie, ob sie erfolgreich gewesen seien. Ja, erklärten mir beide strahlend. Die Freundin habe kleine Weingläser mit ihrem Initialbuchstaben erstanden und sie selbst einen Bildband über Tabak und die Freuden des Rauchens. Vielleicht ganz gut, dass ich mich eher um Kirschen auf der Torte wie Besteck, Decken und Wasserkocher für die Kinder kümmere.
Mein eigener Ausgleich fand nur in der Traumwelt statt. Immerhin. Nachdem der langjährige Ex-Chef mir irgendwann tatsächlich steckte, ich müsse aufpassen, „dass ich nicht vollkommen vertonne“, konstatierte der neue ehemalige Vorgesetzte zumindest in einem meiner letzten Träume, ich habe „erschreckend abgenommen“. In echt habe ich vielleicht abgenommen, aber erschreckend kann der Gewichtsverlust bei mir schon lange nicht mehr sein. Die vermeintliche Äußerung ist umso unrealistischer, als der Bis-Vor-Kurzem-Chef nicht für hiesige Klimaverhältnisse gemacht zu sein scheint: bei jedem etwas böigen Windstoß - und die gibt es hier öfter - befürchtet man, dass er umgepustet wird. Egal, für ein wenig virtuelle Nettogerechtigkeit reicht es allemal.

Sonntag, 18. November 2018

So schön ist die Heimat

Der nahende Auszug der Tochter verlangt von mir, in noch höhere Regionen des Zweckoptimismus‘ vorzustoßen. Nachdem ich in der Champions League zuhause bin, also jetzt die Superliga. Immer wenn mich also der Muddie-Blues überkommt, zwinge ich mich, gedanklich Listen aufzustellen, denen ich Vorteilhaftes entnehmen kann. Zum Beispiel:
1. Eier, Käse und Milch sind im Kühlschrank so lange vorrätig, bis ich sie selbst vernichtet habe. 
2. Kekse und Schokolade können wieder zu meiner Inzentivierung eingesetzt werden und müssen nicht als Belohnung für anstrengende 9,5 Wochenstunden universitärer Anwesenheit  herhalten.
3. Wimperntusche, Concealer und Nagellack verschwinden nicht - oder nur selten - nach dem Kauf unwiederbringlich.
4. Kein creme-, mascara-, make-up- und/oder nagellackverschmiertes Badezimmer (wenn man großzügig die Altlasten außer Acht lässt).
5. Strumpfhosen können wieder damit planen, ihr restliches Dasein in meinem Kleiderschrank oder an meinem Körper zu fristen.
6. Keine Waschmaschine, die ausschließlich mit der Wäsche einer Person läuft.
7. Kein empörtes Schmollen, wenn ich etwas mehr Mithilfe und Sozialverträglichkeit im Haushalt einfordere.
8. Kein Meckern mehr darüber, dass der Bruder so wenig im Haushalt helfe.
9. Um mindestens 50% reduzierte Stolpergefahr im Flur, da dort weniger Schuhe herumfliegen.
10. Weniger Jacken, Skripte, Verpackungen, Taschentücher, die außer mir niemand wegzuräumen gedenkt.
11. Seltener Sorge, wenn die Tochter nachts nicht nach Hause kommt (denn sie ist ja fortan woanders zuhause).
Eine Liste mit Nachteilen aufzustellen, ist mir aus Gründen verboten.

Freitag, 16. November 2018

Stolz

Lange ist es her, dass ich nicht meinen Kindern sondern mir selbst auf die Schulter geklopft habe, weil etwas geschafft ist. Heute geht es mal wieder. Nicht nur die erste Arbeitswoche - zugegeben in Light-Variante - liegt hinter mir, auch ebendiese ersten fünf Tage, die ich komplett ohne Stützen unterwegs war. Immerhin mit einem Schnitt von knapp sechs Kilometern und etwas weniger als zwanzig Stockwerken täglich, wie die Gesundheits-App des Telefons zu berichten weiß. Hinzukommen also noch die Aktivitäten, die ohne das iPhone stattfanden (ja, liebe Kinder, die gibt es in meiner Altersgruppe noch!) und das Workout. An einer Stelle ist jedoch kein Stolz angebracht: was die Einhaltung der Arbeitszeiten angeht. Da überreize ich es etwas. Hier ist noch Optimierungspotential. Doch warum sollte mir mit drei Stunden gelingen, was ich schon mit acht nicht schaffe?
Als halbwegs gute Mutter bin ich natürlich auch angemessen stolz auf das, was meine Brut fertigbringt. Zumal das hier aufgeführte Beispiel naturgetreue Psychogramme meiner Kinder liefert. Links die Tochter, das Arbeitstier; rechts der Sohn, der Künstler.

Warum vermerken die iPhones eigentlich nicht  auch irgendwo den Kopfhörerverschleiß? Da läge unser Haushalt im internationalen Vergleich sicher weit vom.

Donnerstag, 15. November 2018

Ach, was?

Obwohl oder vielleicht gerade weil es zu einem Medium für ältere Menschen verkommen ist, unterhält mich Facebook derzeit vortrefflich. Es gibt in meiner Timeline Artikel mit hohem Fun-Faktor, von meinen dortigen Bekannten werden amüsante Beiträge aufgetan und veröffentlicht. Wie beispielsweise den, in dem eine Online-Dating-Agentur die angeblich drängende Frage vieler nicht mehr ganz taufrischer Ungebundener beantwortet, wie man beim ersten Date peinliche Stille umgehe oder überwinde. Der ebenso lösungsorientierte wie überraschende Vorschlag besteht darin, Small Talk zu führen und sich beispielsweise über das Wetter zu unterhalten. Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen! Doch wundersamerweise kenne ich das Problem auch nicht. Hängt vielleicht damit zusammen, dass es bei mir eher ein Erstes-Mal-Date als tatsächlich ein erstes ist. Bei ersterem jedenfalls finde ich, sind Münder anderweitig besser eingesetzt als fürs seichte Reden. 
Die echte Welt kommt mir dagegen weniger unterhaltsam vor. Die ganze Zeit während des Muskeltrainings musste ich überlegen, ob ich nicht doch den Aufzug nehmen sollte, damit niemand denken könnte, ich nähme den Fahrstuhl wegen dieser Perle des Schilderdesigns:






Dienstag, 13. November 2018

Klammheimlich

In letzter Zeit ist an dieser Stelle wenig Bewegung zu verzeichnen. Recht selten veröffentliche ich einen neuen Beitrag. Das liegt weniger an meinem Sportprogramm oder an der seit gestern wieder praktizieren Light-Variante des Frondienstes. Der Grund ist eher die graue Alltagssuppe, die sich euphemistisch Herbst nennt. Golden, dass ich nicht lache! Dunkel trifft es eher, da könnte die Sonne zwischendrin scheinen wie sie wollte. Beim Aufstehen ist es stockfinster und am Nachmittag gegen 17:30 Uhr auch. Wer kann da schon Sinnstiftendes in die Tasten tippen? Und doch haben sich die Aufrufe dieses Blogs letzthin still und leise in sechsstellige Dimensionen, ja richtig: über 100.000 (in Worten: mehr als Einhunderttausend), katapultiert. Unglaublich.

Montag, 12. November 2018

Toll!

Mein Arbeitgeber hat ein Nachsehen mit meiner Situation: anders als erwartet kann ich nun doch wie gestern zwischendrin eine Waschmaschine starten. Obwohl ich mich morgens extra noch angekündigt hatte, ehe ich mich auf den Weg machte, unterließ man es, mir mitzuteilen, dass meine Anwesenheit eher am Nachmittag erforderlich sei. So arbeite ich heute auf Raten: erst morgens eine gute Stunde, dann nach Hause und anschließend am Nachmittag nochmal zweieinhalb Stunden. Macht in Summe etwas mehr als drei Stunden, ist aber abwechslungsreicher. Und der Wäscheberg wird auch abgebaut. So viel 360°-Denken hätte ich ihnen doch nicht zugetraut.

Sonntag, 11. November 2018

Hurra!

Heute um 14:35 Uhr war es vollbracht: die Formulare der Steuererklärungen 2016 und 2017 waren ausgefüllt. Na, gut - noch nicht ganz vollständig. Die Wohngeldabrechnung des Jahres 2016 muss ich irgendwie verbuddelt haben. Wie das in einem derart ordentlichen Haushalt passiert sein kann, ist mir unerklärlich. Zwei Beträge fehlen also noch zum Rückzahlungsglück. Wer jetzt denkt „Cool, sie hat es tatsächlich geschafft mit Apple-Devices eine Online-Steuererklärung oder gar zwei zu schaffen!“, dem sei ein bestimmtes „Nichts da!“ erwidert. Es funktionierte nur dank des Hinweises der Nachbarin, man könne sich die Formulare auch selbst ausdrucken und dann ganz klassisch mit dem Stift ausfüllen. Gesagt, getan. Und das Ganze in etwa zwei Stunden netto. Außerdem war es ein guter Testlauf für den Arbeitseinstieg, der für morgen geplant ist. Zumindest von meiner Seite und der des Arztes. Ich werde ganz verwegen dorthin gehen, auch wenn die Krankenkasse bisher nicht gezuckt und noch nicht ihr finales Go gegeben hat. Mal was Verrücktes tun. Ein Unterschied zwischen heute und morgen liegt darin, dass ich am Arbeitsplatz zwischen 2016 und 2017 nicht noch eine Waschmaschinenladung  einlege. Das wird wahrscheinlich der einzige Grund sein, weswegen die Brut die Wiedereingliederung kritisch sieht. Sind sie doch auffällig genervt von der Dauerpräsenz der ewig - grundlos, versteht sich - nörgelnden Mutter. Jedes Kind löst das Mutterproblem auf seine Weise. Die Tochter probt mit Dauerabwesenheit ihren nahenden Auszug. Von dieser Seite also nichts Neues. Der Sohn hingegen übt sich in einer neuen Rolle: Augenrollen und pampige Kommentare auf meine - vollkommen unberechtigte - Kritik. Irgendjemand muss diesen Part wahrscheinlich übernehmen. Und wenn es die Schwester aus Gründen nicht wie gewohnt kann, dann muss wohl oder übel er einspringen. Ist doch klar. It‘s a dirty job but somebody has got to do it.

Donnerstag, 8. November 2018

Nicht lustig!

Dachte ich schon, verdammenswert seien die Ikea-Nasen, die für Aufbau bzw. Anleitung zuständig sind, muss ich jetzt den für sie gedachten Platz in der Hölle den Elster-Machern reservieren. Meine private Verschwörungstheorie lautet, das Online-Steuerprogramm wurde von Steuerberatern entwickelt. Wer sich an Elster probiert, wird nahezu zwangsläufig in die Arme der Steuerprofis getrieben. 
Bei mir ging es damit los, dass der zugesandte Zugangscode die falsche Anzahl an Stellen hatte. Zum Glück stand auf dem Brief eine Telefonnummer. Die freundliche Dame vom Hamburger Finanzamt war leider keine große Hilfe: „Von Elster habe ich keine Ahnung. Bei mir hat das super geklappt. Hat mir aber auch mein Mann eingerichtet.“ Immerhin konnte sie mir die 0800er Nummer der Elster-Hotline geben. Nach nur etwa fünf Versuchen dirfte ich dort mit jemandem sprechen, einer nicht ganz so freundlichen ostdeutschen Dame. Deren substanzieller Beitrag bestand darin, mir zu erklären, ich solle mich beim bayerischen Finanzministerium beschweren, auf dessen Mist sei das Ganze gewachsen. Eine solche Beschwerde mag vielleicht katharsische Wirkung haben, kann aber ansonsten nicht viel. 
Heute kam ein neuer Code, der zahlenmäßig passte. Der Zugang klappt nun zwar nicht über die App und nicht auf dem MacBook, aber auf dem Browserfenster des iPhones. Das ist wahnsinnig benutzerfreundlich. Umso schöner, dass das Speichern der mühsam eingegebenen Daten nur im Ausnahmefall funktioniert. Nach mehreren Stunden hing ich immer noch an der Anlage Kind, die ich bekanntlich zweimal beharken muss. Eben genau der richtige Ausgleichssport neben schmerzender Hüftperipherie und Terminen im Zusammenhang mit Scheidungsanbahnung.

Dienstag, 6. November 2018

Mal etwas Klerikales

Es steht nach wie vor nicht zu befürchten, dass ich ins fanatisch Religiöse abdrifte. Auch wenn ich mich heute Abend in der Katharinenkirche befinde, in der ich mich normalerweise nur zum Weihnachtsoratorium aufhalte. Keine Sorge, es ist lediglich eine Lesung für eine gute Sache.

Im übrigen bin ich der Meinung, der Reformationstag als Feiertag hier in Norddeutschland ist die beste Errungenschaft seit Einführung der Fünftagewoche. Auch dieses Votum ist weniger lutherisch oder sonstwie religiös motiviert. Es geht mir mehr darum, dass ich dieses Jahr Anfang November zum ersten Mal seit Menschengedenken, naja, zumindest seit unserem Einzug, keine Eierpampe nebst zerbrochenen Schalen an unseren Fensterscheiben und in unserer Wohnung kleben habe. War klar, dass dieses Phänomen genau in dem Jahr auftreten würde, in dem sicher war, dass ich das Fensterputzen an die Brut würde delegieren müssen. In jedem Fall ist es einfach erklärt: es waren niemals missratene Wohlstandskinder, die am 31.10. mit Eiern warfen. Es waren wohl immer die an unserer Fensterfront vorbeimarodierenden Abendschüler. Diese haben wir nicht zu erwarten, solange der letzte Oktobertag wegen irgendwelcher an Kirchentüren genagelter Kürbisse schulfrei bleibt.

Montag, 5. November 2018

Bonusprogramm

Falls bei irgendwem Neid aufkommen sollte, dass ich an diesem grauen Novembermontag nicht in die Galeere muss, dem sei zur Beruhigung gesagt: ich konnte heute, zumindest bisher, mein Muckibudenprogamm nicht durchziehen, weil ich den Weg dorthin nicht geschafft habe. Das Hüftgelenk kann mir zwar keine Schmerzen mehr bescheren, aber das Drumherum schafft es gerade großartig, diesen Mangel zu kompensieren. Auf der Hälfte des Weges musste ich abbrechen. Rekonvaleszenz im Herbst kann also blöder sein als ein normales Arbeitnehmerdasein zur gleichen Zeit. Hilft das?

Sonntag, 4. November 2018

Vertauscht

Am Samstagmorgen empfing mich die Tochter mit dem leicht indignierten Vorwurf, ich sei am Vorabend aber sehr spät nach Hause gekommen. Nur weil sie einmal abends nicht aus war. Aber sie hatte ja recht. Nur wäre das doch mein Part gewesen.
Dabei ging es am Freitag recht harmlos los. Ich war auf einer Lesung im Hamburger Outback. Nachdem es beim Heimspiel schon einmal so gut geklappt hat, erweiterte ich also meinen Lesungsradius. Aber musste es gerade eine Schule sein? In Niendorf? Obwohl der Ort eigentlich egal war. Es war dieses beklemmende Gefühl, das die typischen Schulgebäude in mir auslösen. Dass ich gleich ein ewig gleiches Elterngespräch über den Sohn führen werde. Und dass ich wieder nicht wissen werde, wie ich die pädagogischen Anmerkungen zu seinen Defiziten quittieren soll. Ganz offensichtlich ein größeres Trauma als die eigene Schulzeit. Die Aufarbeitung dessen war nicht mit einer 1A-Lesung in der Aula getan. Es brauchte noch eine Nachbearbeitung in nicht-schulischem Umfeld. Und die brauchte ihre Zeit.

Nur gut, dass zu Hause die Verhältnisse jetzt wieder in geordneten Bahnen laufen. Die Tochter genießt das Nachtleben, während ich meine Abende vor dem Fernseher friste.

Freitag, 2. November 2018

Goldene Regeln

Heute habe ich wieder einmal gegen die guten Sitten verstoßen: in meinem Ärger habe ich mich beim Frühstück im Beisein der Tochter ungehalten über ihren Vater geäußert. Macht man nicht, weiß ich selbst. Als ich meinem Unmut Luft gemacht hatte, tat es mir auch sofort schon leid. Hätte aber gar nicht sein müssen, denn die Tochter forderte daraufhin, ich solle aufhören, mich über ihren Vater aufzuregen (eine Strategie, die sie trotz ihrer jungen Jahre offenkundig schon ganz gut beherrscht). Zusammenfassend meinte sie: „Mama, du brauchst ein Date!“ 
Dann will ich mal.

Donnerstag, 1. November 2018

Tots Sants

Wer mal so richtig Bock auf eine Herbst- oder Winterdepression hat, dem empfehle ich im November einen gemeinsamen Termin mit dem angehenden Ex-Mann bei der eigenen Anwältin. Nur richtig ist es allerdings, wenn er, also die Gegenseite, auf altruistischen Sympathieträger macht (plötzlich kann man Charme) und die Dringlichkeit des Projekts damit erklärt, er lebe in einer Beziehung und sie, also die Dame, belaste sein Verheiratetsein. Meines Wissens ist „sie“ übrigens diejenige, deren Geschlechtskrankheiten ich damals dankenswerterweise erbte. Ihr Seelenheil liegt mir damit sehr am Herzen.
Dunkle Stimmung kommt richtig auf, wenn man postoperativ mit der eigenen Begehrlichkeit hadert. Die volle Runde zur Depression nimmt man allerdings erst, wenn die bunte Zufallsmischung der Playlist mindestens „Hurt“ von Johnny Cash, Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ und „I Grieve“ von Peter Gabriel zum Besten gibt. Muddie hat eben die tollsten Tipps.

Mittwoch, 31. Oktober 2018

Happy Reformationstag!

Am rasend schnellen Verbrauch der Teepackungen merkt man, es muss wohl Herbst sein. So sehr das schöne Wetter heute erfreut, es ist mit Winterlicht und -luft verbunden. Selbst ein Alster-Spaziergang um die Mittagszeit bringt nur wenige Sonnenplätze mit sich. Das ewige Schönste-Stadt-Der-Welt-Geseihere geht mir zwar furchtbar auf den Wecker, doch entre moi muss ich eingestehen, schön ist Hamburg manchmal schon. Vielleicht bin ich einfach nur Superlativ-Allergikerin (die sind halt immer am blödesten). Besonders schön wird der Spaziergang dadurch, dass er mir hilft, mich vor den Steuererklärungen 2016 und 2017 zu drücken, die mehr als überfällig sind. Das Aufschieben lässt sich wunderbar im portugiesischen Café fortführen. Erst ein Kaffee. Dann ein Croissant mit Käse - plattgedrückt im Sandwichtoaster, bis der Käse leckerste Gummikonsistenz erreicht. Auf dem Weg zur Toilette entdecke ich unter den Gratispostkarten mein aktuelles Motto:

Dann will ich wohl mal die Steuer feiern.

Dienstag, 30. Oktober 2018

Scheckheftgepflegt

Kaum dreht man der Arbeit den Rücken zu, da ändert sich einiges. Umso wichtiger, nach zwei Monaten Abwesenheit mal wieder Präsenz zu zeigen. Unglaublich, die viele nette Resonanz auf mein Erscheinen! So häufig und eindringlich allerdings wie ich gestern von den Kollegen gehört habe, viel abgenommen zu haben, muss ich befürchten, vor dem Besuch des Ersatzteillagers eine Tonne gewesen zu sein (Ich bin zwei Öltanks?). Die Waage zeigt wenig Veränderung an. Einzig mögliche Erklärung: erfolgreich Fett in Muskeln umgewandelt. Darauf meine erste Kantinenmahlzeit nach Monaten! Fast so zahlreich wie die Äußerungen zum Gewicht - und das freut mich wirklich! - kam die Aussage, das Laufen sehe gut aus. Mein Favorit: „Ich kenne dich seit 1999; so habe ich dich noch nie gesehen.“ Heutzutage ist doch nicht alles schlechter als früher.

Montag, 29. Oktober 2018

Access All Areas

Auf der Suche nach anderen wichtigen Unterlagen stieß ich letzthin auf meinen Endoprothesenpass. Warum fühle ich mich in Angesicht dessen gleich wie einer der Greise auf der Bank aus „Asterix bei den Korsen“? Man weiß es nicht. In jedem Fall blieb ich nicht die Einzige, die den Pass entdeckte. Für den Sohn ist das Thema Ausweis gerade ein recht prominentes. Bewegt er sich doch im Spannungsfeld zwischen altersgemäßer Faulheit und dem Wunsch, sich endlich des (wenn auch noch bis Januar gültigen) Kinderausweises zu entledigen, von dem es im Vergleich mit dem Original schon vor über zwei Jahren in den USA hieß: „He changed a lot?“ Nicht verwunderlich, zeigt er doch einen süßen Dreizehnjährigen der Größenangabe 157 cm. 
So griff er meinen Ausweis begierig auf. Blätterte ihn ähnlich begeistert wie ein ostdeutscher Grenzer durch. Strahlte mich dann im Gegensatz zu diesem an und meinte: „Damit kommst du in alle Clubs der Stadt!“ Bestimmt. Und wahrscheinlich auch noch zu vergünstigten Konditionen. 



Samstag, 27. Oktober 2018

Auf der Suche nach Hindö

Mein Rehabilitandenprogramm des gestrigen Tages war einigermaßen vielseitig. Erst kamen die Besprechungen mit der Anwältin zum Thema Scheidung (erwähnte ich, dass Dir andere Partei Druck erzeugt?), dann die übliche Muckibude. Wieder zuhause versuchte ich, aus den Inhalten der Kältegeräte etwas Essbares zu erstellen. Dem Vernehmen der Tochter nach war es gelungen. Der Sohn äußerte sich - einzig aufgrund der optischen und olfaktorischen Reize - anders lautend. Weswegen ich ihm die Reste des Vortages aufbriet. Die gute Mutter. Danach folgte eine kurze Rekreationsphase (laut Reha genau so wichtig wie das Training). Um anschließend von Nachbarin Nummer eins im Auto zum nächstgelegenen Ikea mitgenommen zu werden. Lange Zeit sah es so aus, als schafften wir den Alltime-Ikea-Lowscore mit einem Bon von 0,79€ für einen weiteren Omsorg-Schuhlöffel (wer den bloß braucht?). Was nicht daran lag, dass wir nicht noch weitere Wünsche gehabt hätten. Nein. Der Grund war vielmehr, dass die bereits in unserer Genmasse verankerte Topologie der schwedischen Möbelhäuser in Altona nicht greift. Wir fanden die Objekte unserer Begierde schlichtweg nicht. Stattdessen erfreuten wir uns am mehrfachen Gebrauch der Einkaufswagenrolltreppen - magische Momente. Diese funktionieren leider nur bergan, herab mussten wir immer wieder den Fahrstuhl bemühen. Dieser bzw. seine freundliche Stimme hatte uns schon bei unserer ersten Fahrt zu einem 1a-synchron geäußerten „Schnauze!“ bewogen, mit dem wir auftreten könnten, bekämen wir es auch geprobt so unisono hin. Als kleiner Downer: der Mitfahrende guckte eher betreten und applaudierte nicht. Ignoranten gibt es überall. In unserer eigenen Unwissenheit sprachen wir am Ende Mitarbeiter Dennis an, der eigentlich den Feierabend herbeisehnte. Er half uns, erstens den Namen des gewünschten Regals zu ermitteln, zweitens zu erfahren, in welchem Gang/Fach wir es finden. Danach sackten wir außerdem noch ein paar Kissen ein und waren reif für die Kasse. Auf dem Weg zum Auto schnell jede noch ein Kilo vegane Köttbullar mitgenommen und ab nach Hause. Die Suche hatte uns leider länger aufgehalten als gedacht. Eigentlich war mein anschließender Tagesordnungspunkt nicht mehr zu halten. Denn wer sich wundert, warum ich hier in epischer Breite über Nichtigkeiten plaudere: ich wollte zum Meister. Doch die beherzte Nachbarin nahm mein Projekt (selbstlos, da sie selbst anderweitig verabredet war) unter ihre Fittiche. Ich solle schnell loslaufen, dann gehe das schon. Wie recht sie hatte. 20:05 Uhr war ich vor Ort und wurde auch noch in den Saal gelassen, in dem die Performance bereits angefangen hatte. Aus den dunklen Sitzreihen wurde ich erfreut begrüßt: Nachbarin Nummer zwei hatte vorher noch bei mir geklingelt, jedoch erfolglos, um mich zu fragen, ob ich Lust habe, mit ihr zu Fil zu gehen. Es stand wohl so in den Sternen.



Donnerstag, 25. Oktober 2018

Encore hier

Neulich schaltete der Sohn ganz klassisch den Fernseher an. Voreingestellt war ZDF neo. Ja, ich gestehe, dass ich manchmal altersgemäß fernsehe. Man gab die obligatorische Wiederholung von „Bares für Rares“. Was sonst? Einzig mögliche Alternative wäre schließlich die Wiederholung von Inspector Barnaby gewesen. Da verkündete der Sohn in 1a rheinischer Zunge (nichts anderes hatten wir von ihm erwartet): „Hochst Lischterr ist ein Achschlochhh.“ Ich verstand, es ging weniger um den Wahrheitsgehalt des Gesagten als mehr darum, den Klang der Worte auszuprobieren. Manche Dinge haben sich in den letzten 17 Jahren doch nicht so sehr verändert. Da können Kalender und Spiegel sagen, was sie wollen.



Dienstag, 23. Oktober 2018

Warum?

Es gibt Momente, in denen weiß ich noch mehr als sonst, warum sich der Aufwand mit der Brut gelohnt hat. Es war nicht unbedingt der heute früh, als der Sohn konstatierte, Fisherman‘s Friends „schmecken wie Lakritz mit Brühe“. Es war vielmehr der heute Mittag, als er mich eindringlich bat, ich solle auf meinem Weg zur Muckibude ganz vorsichtig sein wegen des Laubs, des Regens und des Sturms. Daraufhin drückte er mir bestimmt die Stützen in die Hand. Nicht dass ich auf abstruse Ideen komme... Trotz Rührung fragte ich mich, warum die Kinder ihre eigenen Ratschläge allerdings selbst so selten beherzigen. Von mir haben sie das nicht!

Montag, 22. Oktober 2018

Läuft

Wer in unserem Dorf in der Dunkelheit des frühen Herbstabends heute eine Frau mit starrem Blick auf den Boden gesehen hat, ja, das war ich. Es ist überraschend, wie unterschiedlich und uneben der kurze Weg zum Supermarkt sein kann. Auch eine momentane Gehbehinderung hat zur Folge, dass das Geläuf hohes Gewicht hat. Da empfiehlt sich der Blick nach unten. Vor allem ohne Gehilfen. Denn heute war ein weiteres erstes Mal: mit freien Händen zum Einkaufen. 

Samstag, 20. Oktober 2018

Zusammenhänge

Am Tag 1 nach der 1A-Bayern-Pressekonferenz unterhielten sich die Kinder beim Frühstück überraschend wenig darüber. Mit meinen Äußerungen erntete ich eher müdes Lächeln („Dass sich Hoeneß als verurteilter Fiskalstraftäter überhaupt traut zu sagen, die Börsennachrichten auf n-tv seien besser als die Sportberichterstattung.“) und empörtes Luftanhalten („Wenn sich Hoeneß und Co über Respektlosigkeit gegenüber Spielern aufregt, ist das wohl ein Fall von „Ficken für die Jungfräulichkeit““). Stattdessen proklamierte der Sohn, er habe nach seinem Herbstspaziergang, von dem er dankenswerterweise Brötchen mitbrachte, „seine Religion in Buddhismus geändert“. Er sei an einem blonden Kleinkind vorbeigekommen und habe gedacht: „Was für ein hässliches Baby!“ Kurz darauf sei ihm „als Strafe eine Nuss auf den Kopf gefallen“. Die Tochter echauffierte sich, er habe den Buddhismus nicht verstanden, wenn er glaube, dass die Zusammenhänge linear seien; das große Ganze zähle. Ich stieß mich - wie üblich - eher an der Vokabel „geändert“. Nach meinen sprachlichen Entgleisungen vorher wurde diese Kritik jedoch weitgehend ignoriert. Irgendwie beruhigend, dass meine politische Unkorrektheit sich nicht in einer negativen Karmabilanz niederschlägt.

Freitag, 19. Oktober 2018

Oben und unten

Eben noch im siebten Himmel und schon kam der tiefe Fall. Ist es doch (fast) das Maximalziel eines jeden Groupies vom Star sowohl ein Getränk als auch das Du angeboten zu bekommen. Und dann noch auf die Gästeliste der nächsten Veranstaltung gesetzt zu werden. Lief also richtig gut auf der Heimspiellesung des Lieblingsautors. Doch nach diesem denkwürdigen Abend kam eine ebenso denkwürdig schlechte Nacht. Ob es das eine oder andere Gläschen war, das die Erkältung beförderte, ob es die Mischung aus Aufregung, Aufgekratztsein und Alkohol war oder die Grippeimpfung den Kater katalysierte, wer weiß das schon. Wir waren gleichermaßen unpässlich. Ob sich Gerd am nächsten Morgen auch so krank fühlte?

Mittwoch, 17. Oktober 2018

Erstes Mal

Heute Abend ist ein Novum  geplant, ein weiteres erstes Mal in einer vermutlich noch länger fortzuführenden Reihe. Meine erste Lesung mit Ersatzteil. Im vielfältigen Damper Unterhaltungsprogramm war eine solche Veranstaltung nicht vorgesehen. Was wahrscheinlich gleichermaßen mit den Zielgruppenpräferenzen wie mit deren mangelndem Sitzfleisch zu tun hat. Doch wenn einer der lebenden Lieblingsschriftsteller in der dörflichen Nachbarschaft auftritt, muss Letzteres unbedingt im Selbstversuch auf die Probe gestellt werden. Ob es für zwei Stunden oder so reicht? Ob ich den kurzen Weg gar ohne die wenig vorteilhaften Gehhilfen antrete? Oder ob ich durch sie immerhin Mitleidsaufmerksamkeit errege? Fragen über Fragen. Ähnlich bedeutsam wie die Frage, warum in Barnhouses Apfel-Zimt-Müsli 2% eklige Rosinen enthalten sein müssen?

Dienstag, 16. Oktober 2018

Neue Wege

Mein Arbeitsweg ist momentan weniger spektakulär als sonst. Statt Elbe, Touristenfolklore und Elbphilharmonie bietet sich mir etwas, das man im besten Fall Working Class Charme nennen könnte. Ein Fußweg von Steindamm bis Berliner Tor. Vorbei an Bussen, S- und U-Bahn, die für meine Fortbewegung nichts tun, aber dafür laut und abgasreich sind. Auch das Panorama ist mit herbstlich noch sehr vorteilhaft beschrieben. Der Hinweg zum Reha-Zentrum geht recht flott. Der Rückweg einigermaßen schleppend. Nicht weiter überraschend nach zwei Stunden körperlicher Ertüchtigung an Geräten und im Bewegungsbad. Letzteres verdient den Namen ob seiner Größe nur bedingt. Goldene Zeiten, als ich noch das im anderen Dorf besuchen durfte. Wahrscheinlich fünfmal so groß, mit passender Wassertiefe und Blick auf die Ostsee. Im Nachhinein bin ich froh über eine stationäre Reha in der Sommerfrische. Was ich hier jedoch genieße: keiner Gruppe anzugehören, Smalltalk auslassen zu können und stumm mein Programm durchzuziehen. Mein Bedarf an Krankengeschichten, Beschwerden und platten Weltbildern ist für, sagen wir, die nächsten fünf Jahre mehr als ausreichend gedeckt.
Was ich jedoch anprangere: ohne Sonne geht alles schwerer von der Hand. Meinetwegen bedarf es keiner Wolken und schon gar keiner Regentropfen. Um diese Jahreszeit muss man schließlich nicht einmal an die Landwirtschaft denken. Glaube ich.

Sonntag, 14. Oktober 2018

Time to Say Goodbye

Im Gegensatz zu ihnen selbst glaube ich nicht an eine Spontanheilung der Nachbarn am Altpapiercontainer. Diverse Begegnungen der letzten Zeit halten mich von einem solchen Optimismus ab.

Doch hier ist nicht die Bild-Zeitung, so dass ich uns Details erspare.
Was allerdings heute in der BamS wohl groß aufgemacht sein wird (ich wüsste es, hätte ich bereits das Haus verlassen; aber das geht gegen die heiligen Sonntagsregeln), ist die 0:3-Niederlage gegen die Niederlande. Anders als von manchem gedacht bin ich eben nicht masochistisch veranlagt. Wusste ich doch schon vor dem Spiel, dass das Wort „Auch“ in der leidlich modernen Spieler-, Trainer- und Funktionärsphrase „Die anderen Mannschaften können auch Fußball spielen.“ bereits seit längerem zu streichen ist.
Im übrigen ist der Sohn der Meinung, Liverpool habe gestern Abend 2:0 gewonnen. Ein weiterer Oranje, der sich freut.

Freitag, 12. Oktober 2018

Nachwehen

Der Ernüchterung, dass das Leben in Volljährigkeit die gleichen Pflichten und real existierend wenig neue Rechte mit sich bringt, folgte die, dass die Familie väterlicherseits den 18. Geburtstag nicht für wichtig genug nimmt, um Grüße, Glückwünsche oder Geldscheine zu schicken. So hatte sich der Sohn das nicht vorgestellt.
Meine Ernüchterung besteht altersgemäß eher darin, dass vegane Sahne in der Schüssel bzw. der Spülmaschine eine Standfestigkeit hinlegt, von der man auf Teller oder Torte nur träumen kann. Immerhin kann ich mich mit dem Gedanken trösten, dass die Geburtstagstorte gut geschmeckt hat. Sie wurde noch in der Nacht vom Jubilar vollständig eliminiert. Und das auf eine vegane Jumbo-Pizza am Abend (keine Faulheit meinerseits sondern Wunsch des Geburtstagserwachsenen). Ich finde außerdem Trost darin, dass sich dieser Herbst gut aushalten lässt, wenn es kein Problem ist, seit Tagen in T-Shirt und Sandalen von A nach B zu gehen. Wenn da nicht die ständig fallenden Blätter und die frühe Dunkelheit wären.

Mittwoch, 10. Oktober 2018

Neues aus der Weltraumforschung

Ein Gerücht ist, dass sich die entsprechend beworbene, vegane Sahne schlagen lässt. Ihre Aufschlagqualität liegt ungefähr auf dem Niveau von Milch, zugegeben Vollmilch. Geschmacklich erinnert das Endprodukt, bösartige Menschen nennten es Suppe, übrigens mit einer Übereinstimmung von 100% an Nestlés Sinlac Babybrei.
Was vegane Sahne hingegen sehr gut kann, ist eine riesige Sauerei (Widerspruch, ich weiß!) zu hinterlassen. Wenn nämlich die beständig flüssige Sahne literweise aus der verzweifelt gegenarbeitenden Küchenmaschine ausläuft und sich auf etwa zwei Quadratmetern Küche ergießt. 
Es ist wie immer: erst wenn es nicht mehr so ist, weiß man das zu schätzen, was man einmal hatte. Die 16 konventionellen Geburtstage waren leichter zu bewerkstelligen als die zwei veganen. Wie gut, dass der Jubilar noch schläft (wahrscheinlich so wie ich vorgab zu schlafen, als um Mitternacht erst die Tochter lustige Geräusche von sich gab und dann sein Timer ihn an den Anlass erinnerte) und die verbalen Entgleisungen seiner Mutter anlässlich des morgendlichen Chaos‘ nicht mitbekam.



Dienstag, 9. Oktober 2018

Atheismus 3.0

Es kann keinen Gott geben. Sonst hätte er nicht in der Woche um den 18. Geburtstag des Sohnes schönstes Sommerwetter veranstaltet. Mit nicht mal einem Tropfen Regen. So viel kann der Jubilar schließlich verlangen. Immerhin werden ihm weltliche Freuden zugestanden. Sieht doch das Gesetz vor, dass er mit Volljährigkeit seinen Unterhalt selbst einfordern kann. Die Freude über den Geldsegen riss ihn am Vorabend des großen Ereignisses zu der strahlenden Äußerung hin, er werde damit „leben wie Gott in Albanien“. Immerhin für Bilder kann Er also herhalten.
Ich frage mich eher, wo Er die letzten 18 Jahre gelassen hat.

Montag, 8. Oktober 2018

Nacht oder Tag?

Derzeit passiert nicht viel in meinem Leben. Neben Binge-Watching, EoC-Hören, auf dem Balkon Sitzen und auf die Anschlussbehandlung Warten beschäftigt mich der Gedanke, was in aller Welt ich als Geburtstagstisch und -geschenk (übermorgen!) für den Sohn aus dem Hut zaubern kann. Seine Wünsche zu diesem Anlass sind wahlweise vage oder virtuell. Und meine Möglichkeiten noch immer eingeschränkt. Wen wundert es da, dass ich lieber von meinen nächtlichen Phantasien berichte? Heute Nacht träumte ich, wir versuchten das Auto meiner Eltern, einen dunkelblauen Ford Granada Kombi, in ihrer Garage zu beladen. Irgendwer kam mit Unmengen von Buletten an, die dort auch ihren Platz finden mussten. Wie praktisch, dass es eine Art riesiges Backblech gab, das man in die Ladefläche (umgeklappte Rücksitzbank) schieben konnte. Meine Mutter bot sich an, sich zwischen die Fleischklopse auf ebendieses Backblech zu legen. Gesagt, getan - und schon hatte sie die erste Bulette im Mund. Während mich kurzzeitig ihre Haare und Kleidung umtrieben, die in Bratfett vielleicht nicht optimal aufgehoben sind, störte sich mein Vater wie üblich daran, wie man Frikadellen kalt essen könne. Ich verwarf meine Kritik unerwähnt, da ich den entrückt begeisterten Gesichtsausdruck meiner Mutter sah. Buletten stechen Klaustrophobie. Ich wachte auf, noch ehe meine Mutter nach exzessivem Fleischabusus nach einem Schnaps verlangen konnte. Das wäre schließlich die sinnvolle Weiterführung meines Traums gewesen. Anders als bei Netflix-Serien bringen Cliffhanger in Träumen nichts.

Freitag, 5. Oktober 2018

Schon wieder!

Es ist wieder soweit. Heute ist das neue Album von Element of Crime herausgekommen - und es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Kinder mit ebendieser Dauerbeschallung zu quälen. Die Tochter wird den akustischen Terror beherrscht durchstehen. Ihre Contenance wurde wahrscheinlich etwas aufgebaut, als sich ihre beste Freundin letzthin euphorisch über das literarische und neutral über das musikalische Oeuvre Sven Regeners äußerte. In jedem Fall hat sie erst einmal die Flucht ergriffen und übernachtet bei ihrem Freund.
Der Sohn wird sich weniger wacker halten. Ich weiß es, denn ich kenne ihn nun schon seit bald 18 Jahren. Er wird die Augen rollen, entnervt aufstöhnen, lautstark meckern und selbst Spott-EoC-Texte erfinden, indem er gleichermaßen sinnlos wie phantasievoll Wörter aneinander reihen wird. Auch das kenne ich schon. Letzteres hat immerhin Unterhaltungswert. Ungefähr wie seine Übersetzung eines Liedes „von 50 Pfennig“, die er uns gestern vortrug: „Verdammt, Heimi, du warst der Mann in der Hochschule, Heimi.“
Ein Trost bleibt auch ihm. Er hat die geliebte Pfeffermühle. Zu dieser pflegt er eine innige Beziehung. Er fragt jeden und jede, ob er oder sie nicht noch Pfeffer auf seinem oder ihrem Essen benötige. Knäckebrot mit Nougatcreme? Egal, ein Angebot, das man nicht ablehnen kann! Eigentlich ist die Mühle, die nicht wirklich eine ist (eher ein Kratzer, den man mit dem Daumen betätigt), gar nicht Teil unseres Haushaltes. Sie gehört in den meiner Eltern. Also riet ich dem Sohn vor ein paar Tagen, er möge die Mühle doch zurückbringen. Er antwortete: „Wieso? Warum sollen wir nicht auch etwas Spaß haben, wenn Oma und Opa nicht da sind?“
Er hat ja recht. Und wenn es ihm über diese schwere Phase hilft...




Mittwoch, 3. Oktober 2018

Nachlese

Ja, ich bin froh, wieder in unserem beschaulichen Dorf zu sein. Auch wenn es meinetwegen kein so herbstliches Setting sein muss. Die Tristesse beginnt spätestens dann, wenn der Blumenladen nur noch Alpenveilchen- und Heidekrautpflanzen anbietet, und ich mich dabei ertappe, aus Gründen fortwährend „Autumn Leaves“ zu summen. C’est une chanson qui nous ressemble. Moi, qui t’aimai, toi, qui m’aimais... la la la. 
Ich erfreue mich daran, wieder von Menschen umgeben zu sein, die gerade Sätze herausbekommen. Und ganz besonders daran, dass es sich um die eigenen Kinder handelt. Die Rückschau klingt hochnäsig und elitär, dabei ist sie nur realistisch. Es geht gar nicht darum, dass Bingoabende nicht die höchste Form der Unterhaltung seien. Ich zitiere auch nur, wenn ich sage, ein Tisch der Cafeteria hätte nicht mit „Kontaktgruppe Niere“ markiert sein sollen, sondern mit „Kontaktgruppe Psychatrie“. Ich hatte nicht damit gerechnet, während der Freizeit angeregte Diskussionen über Kierkegaard, Kant und die Kritik der reinen Vernunft zu führen. Aber eben auch nicht damit, dass mir dort so viel Kleingeist, Borniertheit und Ausländerfeindlichkeit begegnet. Anfangs habe ich noch auf sie eingeredet, Argumente gebracht. Durch die stetige Wiederkehr der gleichen krausen Ideen habe ich irgendwann erkannt, meine rhetorischen oder pädagogischen Fähigkeiten sind nicht ausreichend ausgebildet, um irgendetwas zu bewegen. Zugegeben, Bewegung fällt in der Reha schwer - und ganz besonders, wenn es mentale meint. Was mir wiederum bis heute nicht in den Kopf will, ist folgender Widerspruch: Ausländern immer und überall Schmarotzen vorzuwerfen, während man selbst mindestens drei Wochen in jedweder Hinsicht auf Kosten der Allgemeinheit lebt. Wenn ersteres zuträfe, müsste die ganze Bude doch voll mit Menschen mit Migrationshintergrund sein. Ist sie aber nicht. So überhaupt nicht. Ich behaupte, es sind mehr Sachsen als andere Ausländer in Damp. Wobei auch deren Anteil im einstelligen Bereich liegen dürfte.
Ein besonderes Highlight war zum Ende des Aufenthalts die Veranstaltung „Die Geschäftsführung lädt ein“. Nachdem ich meine anfängliche Enttäuschung überwunden hatte, dass dazu keine Schnittchen und Getränke gereicht wurden, entwickelte sich das Ganze recht aufschlussreich. Die Geschäftsführung war vertreten durch die Chefärztin für Psychosomatik und eine Dame aus der Qualitätssicherung. Erstere strich sich nervös durch die strähnigen langen Haare, Zweitere schrieb eifrig in ihrem Notizbuch mit, wenn Beschwerden geäußert wurden. Und sie wurden geäußert. Das Bett sei dem Schlaf nicht förderlich (stimmt, aber es muss auch Gründe geben, derentwegen man sich auf zuhause freut), warum es nur zwei Kopfkissen gebe, das Hin und Her-Laufen zwischen den Gebäuden anstrengend, das Klo im Bewegungsbad stinke (stimmt auch, dann hält man sich vielleicht fern?), ständig habe man andere Therapeuten und das Essen! Warum es zum Frühstück kein frisches, geschnittenes Obst gebe, dass es an Gesundem mangele, dass der Nachtisch zumeist ein gesüßtes Produkt aus dem Becher sei, dass das Mittagessen zu heiß aufgewärmt werde, dass es zu kalt serviert werde, dass das Essen zu den falschen Zeiten stattfinde und - jetzt kommt das Grauen! - dass es immer den gleichen Salat gebe. Shocking! Bei dem sich das Dressing auch noch unten befinde (dafür hat der Herrgott die Gabel erschaffen). Meine Nachbarin raunte mir zu: „Hier meckern sie und zuhause essen sie den Kitt von den Fenstern.“ Dem konnte ich ausnahmsweise zustimmen, auch wenn die Quellenlage der heimischen Essgewohnheiten nicht eindeutig ist. 
Wie gesagt, alles in allem bin ich sehr froh, diesem Quatsch entkommen zu sein und ihn durch einen anderen zu ersetzen. Und doch gibt es Dinge, die ich vermisse. Da ist zum einen der Panoramablick auf die See aus meinem Zimmerfenster, der sich zu jeder Tageszeit lohnte. Und da ist zum anderen die dufte Tagesstruktur, die sich genau unserem Biorhythmus anpasste.

Sie nennen es Abendessen, wenn die Kinder aufstehen.

Montag, 1. Oktober 2018

Jetzt geht’s los

Die Vorfreude steigt. Endlich die Rückkehr zu mehr Hirn. Obwohl bereits die Rückfahrt eine wohltuende Abwechslung zum Reha-Einerlei bietet. Anders als bei der Hinfahrt werde ich nicht exklusiv chauffiert, sondern befinde mich - neben dem Fahrer, einer norddeutschen Antwort auf Ion Tiriac - in Gesellschaft einer älteren Dame aus Henstedt-Ulzburg, die sich hauptsächlich durch lautlose Schmerzgrimassen hervortut, und einem Bauer (in echt, nicht wertend!) aus Lüchow-Dannenberg, der die Felder Schleswig-Holsteins kritisch beäugt. Er habe seine Reha früher beendet, da bis zum 15. die Wintergerste gedrillt sein müsse. Auf meine bange Frage, das (wenn ich auch nicht genau weiß, was es bedeutet) müsse er doch nicht selbst erledigen, antwortete er, er müsse nur den Drill einfüllen. Ach, so. Aber seinem Assistenten assistieren, das sei so ein junger Bengel. Die Kartoffeln seien zum Glück schon alle aus der Erde. Die Konversation erfordert erste zerebrale Aktivität seit langem und kann ausnahmsweise nicht im intellektuellen Blindflug absolviert werden. Das wirft allerdings die Frage auf, ob ich meinen Kindern noch folgen können werde. Zu meinem Glück werden sie ob meiner frühen Ankunftszeit noch etwas retardiert sein. Das gibt mir wahrscheinlich zwei Stunden zum Akklimatisieren. Thank God for His small mercies. Wo wir gerade dabei sind: zum Abschied hätte Er ja auch mal für einen anständigen Sonnenaufgang sorgen können!



Samstag, 29. September 2018

An der Ostseeküste

Kaum verständlich, dass ich hier das Großstadtleben vermissen sollte. Bieten mir doch Damp und die Rehaklinik ein derart buntes Programm.

Das Meer ständig vor Augen, geschäftiges Kommen und Gehen im Yachthafen, heute Abend Bingo, gestern Abend Irish Folk mit Gerry Doyle. Auch wenn es nicht meine Musik ist, war Gerald Doyle aus Tipperary überraschend hörenswert. Leider komplett an der hiesigen Zielgruppe vorbei. Seine Zwischenansagen und Liedtexte hätte er genauso gut auf gälisch, finnisch oder turkmenisch vortragen können; das Verständnis im Publikum wäre ähnlich gering gewesen. Einzig die Aufforderungen zum Schunkeln („A little bit more schunkeling.“) und zum Mitsingen von „Wild Rover“ wurden erhört. Letztere wurde jedoch nur im deutschen „Original“ erfüllt („An der Nordseeküste...“), dann gar begleitet vom obligatorischen Klatschen. 
Was ich in jedem Fall ab übermorgen am Leben in unserem beschaulichen Dorf entspannend finden werde: nicht alle dreißig Sekunden aufspringen zu müssen, weil sich die Farben der See wieder so fotogen verändert haben.





Freitag, 28. September 2018

Jetzt ist aber mal gut!

Heute plagt mich die Sehnsucht. Nach den Liebsten, nach ihren Stimmen, nach körperlicher Nähe, nach der Großstadt, nach Zuhause, ja, selbst nach meiner pütschernden Teekanne. Auf wundersame Weise muss ich an die Werbung einer vor ein paar Jahren großflächig tapezierten Kampagne gegen Erektionsstörungen denken: „Weil Sehnsucht nicht einfach aufhört“. So ist es wohl. Und doch weiß ich, was ich ab Montag alles vermissen werde. Den Zimmerservice, fertige Mahlzeiten, dass ich nicht als Einzige langsam durch die Gegend eiere (obwohl, wie rief mir letzthin eine Rehabilitandin ohne Stützen hinterher, als ich sie auf dem Weg zu einer Behandlung überholte: „Du zitterst aber ganz schön ab auf deinen Krücken!“ Wenn sie meint...), die kreischenden Möwen, ansonsten die Ruhe und natürlich den Blick aus dem neunten Stock. Denn merke: in der Bausünde lebt es sich meist schöner als mit dem Blick darauf.



Donnerstag, 27. September 2018

Scha-La-La-La

Bisher ging ich davon aus, die hiesigen Physiotherapeuten (oder „Psychotherapeuten“ wie die junge Kollegin sagt) wollten nur unser Bestes. Wieso auch nicht? Schließlich sind sie nett, hilfsbereit, zuvorkommend und wohlgelaunt. Doch seit kurzem weiß ich es besser. Seit uns der eine von ihnen - ich nenne hier keine Namen - zur „Erwärmung“ (ein Begriff, den ich bisher nur von Himmelskörpern, nicht von menschlichen kannte; in der schlechten alten Zeit nannten wir es „Aufwärmen“) aus Gründen seine Oktoberfest-Compilation abspielte und ich seit dem in schlafarmen Nächten - also in jeder Nacht - „Wie heißt die Mutter von Niki Lauda? Mamma Lauda!“ in Dauerschleife im Ohr habe. Dagegen ist die Foltermethode aus einem meiner Lieblingsfilme „Eins, Zwei, Drei“, die der arme Hotte Buchholz durchleben muss, ein Streichelzoo.

Dienstag, 25. September 2018

Kleiner Luxus

Oft höre ich von Menschen, deren Schönstes Frühstück im Bett sei. Auch hier in der Reha habe ich diese Meinung schon wiederholt zugetragen bekommen. So sehr ich dem Bett in vielerlei Hinsicht verbunden bin und auch eine durchaus innige Beziehung zu ihm hege, ein Frühstück darin gehört nicht zu meinen Wünschen. Ganz im Gegenteil. Wenn auch verhasst zu viel wäre, doof finde ich es. Die selbst küchenpsychologisch einfache Erklärung: ich habe einfach zu viel Zeit liegend im Krankenhaus verbracht, um bei Mahlzeiten im Bett nicht an Genuss sondern an Notwendigkeit zu denken. Außer irgendwelchen kranken Fetischisten wünscht sich meines Wissens schließlich niemand von Herzen, sein Geschäft im Bett zu verrichten. Mir wäre auch neu, dass die Bettpfanne den gleichen Begehrlichkeitsstatus erreicht hätte wie das Frühstückstablett fürs Bett.
Luxusgefühle stellen sich bei mir ein, wenn ich das Frühstück (mit Ausnahme von literweise Tee) am Wochenende einfach auslasse. Und gleich mit warmem Essen zur Mittagszeit einsteige.

Montag, 24. September 2018

Irgendwie Mainstream

Körperlich ein wenig zurückgeworfen zu sein, kann auch Vorteile in sich bergen. Nun lese ich schon das zweite Buch in Folge, das vom NDR als aktuelles „Buch des Monats“ gekürt wurde. Wenn auch, um den Bahn-Duktus zu gebrauchen, in umgekehrter Reihung. Sollte die August-Empfehlung auf ihre Weise genauso gut sein wie die des Septembers - und davon gehe ich stark aus -, sollte ich überlegen, auch dem Rat der kommenden Monate zu folgen. Bei entsprechendem Lesevergnügen kann es mir egal sein, ganz offenkundig einen literarischen Allerweltsgeschmack zu besitzen. Auf jeden Fall versöhnt mich die NDR-Auszeichnung damit, dass beide Bücher in den von mir genutzten Medien keine Erwähnung fanden. Außerdem mache ich meinen Frieden mit den schlafarmen Nächten, solange ich so lesenswerte Bücher zur Hand habe wie die Premiumlektüre von Gerhard Henschel und Frank Schulz.



Freitag, 21. September 2018

Stormy Weather

Sich auf den heutigen Tag zu freuen, ist nicht ungewöhnlich. Markiert doch der Freitag gemeinhin den Beginn des Wochenendes. Mich allerdings erfreute dieser Tag besonders. Da war zum Beispiel die frohe Erwartung eines weiteren dynamischen Therapietags. Da stand außerdem ein Pediküre-Termin an. Dinge, über die ich mir im Vorfeld nicht so richtig im Klaren war: dass ich nun mindestens ein halbes Jahr nicht mehr an meine Füße heranreichen würde. Willkommen im Leben eines Menschen mit 50+ BMI. Da hilft ein Termin beim Profi ungemein beim Projekt „Menschwerdung“. Da war zusätzlich die Aussicht auf das Abendprogramm „Einführung ins Plattdeutsche“. (Auf den Besuch des Tanzabends mit Bine und Matze konnte ich großherzig verzichten.) Am wichtigsten jedoch: heute gab es die letzte Heparinspritze, die ich mir in den Bauch jagen musste. Wenn das kein Traumfreitag ist!
Doch am allerbesten: ich verpasste daheim die turnusmäßige Eigentümerversammlung. Oder: Wie heißt es doch in etwa bei Asterix? „Sie sind alle so dumm und ich bin ihr Nachbar!“



Donnerstag, 20. September 2018

Hardship in Damp

Noch macht der Ort seinem (englischen) Namen zwar keine Ehre, aber das muss er meinetwegen auch nicht. Mir reichte die fiebrige Aufregung des heutigen Vormittags. Der ewigen Koronargruppen überdrüssig hatte ich vorgestern beim Arzttermin um die Versetzung in die Bootcamp-Therapieform gebeten. Dem wurde stattgegeben. Doch nun machte sich in mir Angst vor der eigenen Courage breit. Sollte sich die „Dynamische Trainingstherapie“ als mieses Schleifen herausstellen? Und ich aus dem akzentuierten „Yes, Sir!“-Rufen nicht mehr herauskommen? Heute Nachmittag kam die Auflösung. Bei besagter Maßnahme, von uns Kennern DTT genannt, handelt es sich um eine zweistündige Trainingseinheit, die durch eine knapp halbstündige Anwendung unterbrochen wird. Angeleitet wird die Gruppe von drei furchtbar netten Physiotherapeuten, die mit Engelsgeduld erklären, nicht mit aufmunternden Worten sparen, wie die Kindergartentante wohlgelaunt beim Schuhean- und ausziehen helfen, und zu allem Überfluss auch noch aus einer großen Schüssel Gummibärchen anbieten. Mit dem Ergebnis, dass ich mich zum ersten Mal seit Wochen traute, ohne Stützen zu laufen (nicht wegen der Süßwaren) und mich  überraschend gut dabei schlug (was nicht nur ich sondern auch der nette Profi fand). Warum habe ich nicht viel früher von dieser Perle des Rehawesens erfahren? Wahrscheinlich, weil ich sie an Tag eins nicht ausreichend zu goutieren gewusst hätte.

Mittwoch, 19. September 2018

Auftragsarbeit

Zurückgeworfen auf die Informationsmedien Welt (Tageszeitung als Teil des Wahlleistungspakets) und ZDF (vorgegebener Tagesablauf) habe ich den Eindruck, neben Personalien beim Verfassungsschutz bzw. Innenministerium wird das Thema „Lesen durch Schreiben“ besonders begierig aufgegriffen. Bestätigt doch die gern zitierte neue Studie genau das, was man hören möchte bzw. ohnehin schon wusste: mit dieser Drecksmethode lernen Kinder keine anständige Rechtschreibung mehr. Seit der Abschaffung des BDM können Mädchen auch keine ordentlichen Zöpfe mehr flechten. Und seit es Staubsauger gibt, kann auch niemand mehr richtig Teppiche ausklopfen. Das Argument, Kinder gewöhnten sich in den ersten beiden Jahren des Schreibens falsche Rechtschreibung an, die sie anschließend nicht mehr aus dem Kopf bekommen, finde ich besonders einleuchtend. Weiß man doch, dass Kinder im Gegensatz zu alten Menschen Änderungen gegenüber so starr wie Brechstangen sind. 
So oder so, alle vorangegangenen Studien, die zeigten, in der Orthografie gebe es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den verschiedenen Methoden, verlieren jetzt natürlich ihre Gültigkeit. Weil Welt, ZDF, CDU und die anderen es so wollen. Irgendwie erinnert das Ganze fatal an Mengenlehre.
Was mir an der Argumentation besonders quer liegt, ist die Vernachlässigung des Faktors Spaß. Den werden Grundschullehrer mit immer heterogeneren ersten Klassen (ein Teil Kinder stark frühgeförderter Kinder, ein Teil eher vernachlässigter Kinder, ein Teil Kinder mit anderen Muttersprachen) mit einer Fibel garantiert nicht haben. Der wird auch all‘ den Kindern abgehen, die sich wochenlang - obwohl zum Teil seit Jahren befähigt - mit „Fara ruft Fu“ oder ähnlichem Schwachsinn abgeben müssen. Ein Teil gelangweilter, herumkaspernder Schüler wiederum erhöht die Unterrichtfreude der Lehrer bestimmt auch nochmal um ein Vielfaches. Aber um Spaß geht es ja bekanntlich nicht. Niemals.

Dienstag, 18. September 2018

Back to 1990

Nachdem ich dem dubeligen e-Reader nun doch alle fünf Teile (vollständig!) der Cazalets abtrotzen konnte, belohne ich mich nun zusätzlich mit dem neuen Gerhard Henschel. Das bedeutet, ich befinde mich aktuell im Sommer 1990. Auch eine Form des Eskapismus‘. Es ist schön, bei dieser Buchreihe langsam zu Zeiten vorzudringen, in denen auch das eigene Leben mehr bereit hielt als Schule, Hausaufgaben, Mag-er-mich? oder Mittagessen.
Ich habe die dunkle Erinnerung, mich zur Währungsunion am 1. Juli 1990 mit meinem damaligen Freund  - oder: „mein damaliger Ex-Freund“ wie meine jugendliche Mit-Rehabilitandin zu sagen pflegt - an der Ost-Ostsee befunden zu haben. Auf dem Darß. Es war ein Wochenende. Alles, von Unterkunft bis Sprache, war wunderbar zonal. Die Servicekräfte verstanden zwar bestens den Umgang mit der neuen West-Mark, fanden es aber übertrieben, für diese auch Leistung zu erbringen oder gar freundlich zu sein. Die Sonne schien und die Ostsee schwapperte gemächlich vor sich hin. Im Grunde alles wie zu Hause in Berlin.
Eine weitere Erinnerung an jenen Sommer ist - wie sollte es anders sein - das Finale der Fußball-WM. Nach dem Spiel wollte ich zu besagtem, damals amtierenden Freund fahren, der in Spandau lebte. Da ich auch damals noch nicht hundertprozentig wieder von einer Hüftoperation genesen war, fuhr ich von Kreuzberg mit dem Auto dorthin. Der Weg führte mich über die Budapester Straße am Breitscheidplatz vorbei. Dort staute sich der Verkehr wegen der Autokorsos und des tobenden Mobs. Besoffene Trikotträger versuchten unter anderem auch mein Auto durch ihr nicht unerhebliches Lebendgewicht ins Wippen und Kippen zu bringen. Gruselig. Damals beschloss ich wegen dieser Penner, nie wieder solle Deutschland Weltmeister werden. 2014 revidierte ich meinen Beschluss, weil ich dachte, seitdem sei vieles besser geworden. Wie man sich täuschen kann.

Montag, 17. September 2018

Beobachtungen

Mein Zeug aus den letzten Wochen war deutlich zu selbstzentriert. Diese Schweinerei muss eine andere werden. Deswegen lasse ich lieber an meinen Erkenntnissen der letzten Tage teilhaben.
Es scheint - zumindest hier im Norden - eine relativ hohe Korrelation zwischen Reha-Aufenthalt und harter Musik zu geben. Selten habe ich eine derartige Häufung von Iron Maiden-, Metallica- und Wacken-Shirts gesehen wie im Foyer oder Speisesaal des Haus‘ Passat der Helios Rehaklinik Damp. Unter den hiesigen Wacken-Fans dominieren übrigens die Jahre 2013 und 2014. Wahrscheinlich sind Heavy Metal-Fans qua Namen Endoprothesen-affin. Schade nur, dass das interne Metall nicht so richtig rasseln will.
Eine weitere Beobachtung aus meinem aktuellen Umfeld: Orthopäden scheinen Patienten deutlich lieber künstliche Gelenke einzubauen, als ihnen die Wahrheit über ihr Übergewicht zu sagen. Der Grund dafür liegt wahrscheinlich darin, dass der Arzt an ersterem verdienen kann, während er bei letzterem ziemlich häufig Patienten verliert.
So. Wenn das nicht viel außenorientierter ist, dann weiß ich auch nicht.

Sonntag, 16. September 2018

What is a Weekend?

Es ist soweit. Meine Anpassungsfähigkeit stößt an ihre Grenzen. Nicht, dass ich Ruhe oder gute Laune hätte aufgeben müssen, als ich gestern beim Bingoabend wiederholt erklären musste, was waagerecht und senkrecht bedeuten (von diagonal wollen wir gar nicht sprechen). Nicht, dass meine schon fast asiatische Gesichtsbeherrschung verloren gegangen wäre, als ich mehrfach Worte wie “Endoprothese” nahebringen musste. Obwohl ich gedacht hätte, das Wort begegne uns, die wir nun welche haben, in ausreichender Frequenz, um spätestens jetzt auch den Sinn zu entnehmen.
Nein, es ist eher die (ernst gemeinte) Aufforderung meiner jugendlichen Kollegin, heute Abend gemeinsam das Konzert zu besuchen, das wie folgt angekündigt wird:
“19:30 - 21:00  Das Akkordeonorchester Eckernförde (bis hierhin fett gedruckt) präsentiert Ihnen ein Konzert der Extraklasse. Viel Spaß. Der Eintritt ist frei.”
Ich glaube, ich werde den Tatort vorschützen. Auch wenn ich mir NIE einen mit Meret Becker ansehen werde.
Immerhin musste ich anders als ein Kollege hier noch nicht die Fassung verlieren. Er bekam als gelernter Tischler eine Ergotherapiestunde verordnet, in der er lustige Laubsägearbeiten anfertigen sollte. “Die hamse doch nicht alle! Ich geh’ zum Arzt und beschwer’ mich!” So geht’s natürlich auch.

Samstag, 15. September 2018

Wochenende

Seit heute 8:30 Uhr habe ich Freizeit. Im besten Fall ungewohnt, samstags rechtzeitig zum Frühstück um 7:00 Uhr aufstehen zu müssen, um dann um 8:00 Uhr ein bisschen Physiotherapie Hüftgruppe zu absolvieren und kurze Zeit später ins Wochenende entlassen zu werden. Insgesamt scheint meine Vorstellung, man müsse sich in einer Reha hauptsächlich körperlich anstrengen, nicht ganz den Tatsachen zu entsprechen. In Wirklichkeit nimmt die geistige Anstrengung einen viel größeren Part ein. Da ist zum einen das Problem, beim Aufeinandertreffen mit Mit-Rehabilitanden (letzteres neu gelernte Vokabel) zielsicher geeignete Platitüden abzurufen (“Man muss ausreichend trinken.”; “Haben Sie heute auch so viele Anwendungen?” etc.). Zum anderen ist meine jugendliche Kollegin nicht davon abzuhalten, gemeinsam mit mir am heutigen Bingoabend (“Frau Meierkord freut sich auf Ihren Besuch.”) teilzunehmen. Nun musste ich - schließlich durfte ich mir keine Blöße geben - erst einmal auf Wikipedia nach den Regeln gucken. Ist immerhin mein erstes Mal. Ich glaube jetzt allerdings, das Regelwerk lässt sich beherrschen. Scheint nicht Bridge oder Cricket zu sein.
Doch nun heißt es erst einmal, sich sputen fürs Abendessen!