Dienstag, 30. Januar 2018

Baustelle

Es wird Zeit, den Themenschwerpunkt umzustellen. Damit trage ich endlich der umgedrehten Bevölkerungspyramide Rechnung. Es sollte hier einfach mehr um Zipperlein gehen als um das Zusammenleben mit Teenagern. Mit dieser Ausrichtung könnte ich sicherlich den Vater meiner Kinder an meine Texte binden, handelt es sich bei diesem Thema - zumindest, was die eigenen Malessen angeht - doch um seine Masterfrage.
Mein Entschluss reifte folgendermaßen: Gestern Abend wollte ich Bügeln und Fernsehen. Allein die Ankündigung behagte dem Sohn nicht sonderlich. Ist seine Programmauswahl doch selten identisch mit meiner. Am Ende konnten wir uns einigen: statt blödem linearen Fernsehen eine Netflix-Serie. Nicht schwer zu erraten, wer von uns der nachgiebigere Part war. Bügeln allerdings schaffte ich nicht mehr. Ich quälte mich auf dem Sofa. So sehr, dass ich selbst der Serie nicht mehr richtig folgen konnte. Der Sohn fragte, was los sei. Der gesamte Brustkorb schmerze. Verziehen sei ihm die Retourkutsche für den Vorabend. Da hatte er über Rückenschmerzen geklagt und ich ihm geraten, er solle sich zur Abwechslung aufrecht halten bzw. setzen. War klar, dass mir das gestern auch eingeschenkt wurde. Man bekommt so viel zurück. Ich erklärte, gleich ins Bett zu gehen. Dann fesselte mich Fargo doch mehr - auch wenn ich mich weiter wand. Kurz Zeit später wurde ich ermahnt, ich habe mich doch vor einer halben Stunde hinlegen wollen. Ja, doch. Vor 22 Uhr lag ich im Bett, ausreichend versorgt mit Gute-Nacht-Wünschen des Sohnes.
So viel zum Experiment: Heute fühle ich mich etwas besser, aber nicht wacher. 

Freitag, 26. Januar 2018

Es wird ernst

Schmerzlich wurde mir in den letzten Tagen bewusst, dass meine edukativen Maßnahmen selten kompatibel sind mit der political correctness der Millenniumskinder, mit denen ich hier zusammenlebe. Wenn ich versuche, den Sohn vor mündlichen Prüfungen zu beruhigen und aufzubauen, indem ich ihm sage, er solle sich bewusst machen, dass er sprachlich und rhetorisch besser aufgestellt sei, wird das umgehend mit bösen Blicken quittiert. Sofort muss ich mich erklären: ich meine mit dem Komparativ doch niemanden im Speziellen. Immer diese Gratwanderungen.
Am Ende kann ich nicht alles falsch gemacht haben, wenn ich im Nachgang folgende Nachricht von ihm bekomme:
„Wooow.... I'm so overwhelmed right now....
First of all, I would like to thank God... Then of course my family: my mother and sister who've always supported me through thick and thin. And lastly,my man, the director Keith Allison. Thank you very much!“

Mittwoch, 24. Januar 2018

Held des Alltags

In letzter Zeit war ich genervt, da mich der Krach des halbstarken Nachbarsjungen im Keller unter unserer Wohnung abends wirklich stört. Männlichen Teenagern beim Pumpen, Ächzen, Gewichte-durch-die-Gegend-Werfen, Schief-zu-Musik-Mitsingen zuzuhören, gehört ohnehin nicht zu meinen bevorzugten akustischen Genüssen. Große Lautstärke macht es nicht besser. Sonntagabend nahm ich mir ein Herz und erklärte ihm (wieder einmal), dass er laut und bei uns sehr gut zu hören sei. Er gelobte Besserung. Montag traute ich mich nicht. Erstens wollte ich nicht die meckernde Alte geben, zweitens fand ich, das Erinnerungsvermögen Sechzehnjähriger müsse eine längere Halbwertszeit als zwei Stunden haben (q.n.e.d.). Dann sollte ich eben ein Magengeschwür bekommen. Dienstagabend warf ich die pädagogischen Bedenken des Vorabends über Bord. Ich wollte gerade in den Keller gehen, da hielt mich der Sohn ab. Ich rechnete damit, dass er aus Solidarität bekunden würde, es sei gar nicht laut, ich solle mich nicht so anstellen. Doch über die Störung herrschte Konsens zwischen Mutter und Sohn. Dennoch wollte er die Peinlichkeit einer mütterlichen Intervention nicht. In einem lichten Moment kam ich auf die Idee, ihn vor die Wahl zu stellen: entweder er oder ich. Nach einem de-Funès-gleichen Entscheidungsprozess ging er. Erkenntnis: Peinlichkeit der Mutter schlägt die eigene. Kurze Zeit später (weitere Erkenntnis: man kann die metallene Kellertür sogar lautlos öffnen und schließen. Na gut, man vielleicht nicht, Sohn schon.) war nahezu Ruhe. Der Sohn kehrte zufrieden zurück. „So löst man das deeskalierend, Mama!“
Seitdem frage ich mich, ob es statthaft ist, dass Stolz Zufriedenheit schlägt.

Montag, 22. Januar 2018

Ungeklärte Phänomene

Es wird wohl ein ewiges Mysterium bleiben, wieso auf Putzmittelflaschen „Außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahren“ steht. Eine vollkommen überflüssige Aufschrift. Machen doch Kinder naturgemäß einen großen Bogen um Reinigungsmittel (einzige Ausnahme: die für die eigene Körperpflege). Sich ihnen zu nähern, ist schließlich völlig unnötig. Herrscht doch in ihrem Haushalt ohnehin die mammalytische Selbstreinigung. Diese schließt übrigens auch die Wäsche ein, deren Metamorphose von einer Melasse auf dem Fußboden des Zimmers in duftende, gefaltete Einzelstücke selbsttätig vonstatten geht.

Donnerstag, 18. Januar 2018

Winter Wonderland

Die Sorgen hätte ich mir sparen können. Wir hatten bis vorgestern Besuch aus Spanien. Mich beunruhigte, wie Spanier mit der hiesigen Wintertristesse klarkommen sollten. Als wir nach ihrer Ankunft vom Flughafen mit S- und U-Bahn nach Hause fuhren, dachte ich fortwährend, wie grau und hässlich im Januar (und November und Dezember und Februar und März) alles aussieht. Ich wollte mich schon fast schämen und wortreich um Entschuldigung bitten: Spanien empfängt mich (fast immer) mit Sonne, knalligen Farben und Wärme - und hier ist es SO. Wie gesagt die Sorge war unbegründet. Die Kinder fanden alles auch in grau spannend. Sie wunderten sich, warum die Türen beim Schließen piepen, warum oben auf Schildern an den S-Bahnhöfen Spieße angebracht sind, wie viele Baustellen es in Hamburg gibt. Sie bekamen leuchtende Augen, als ich ankündigte, wir müssten in die U-Bahn umsteigen („¿subterráneo?“). Als wir aus dem heimatlichen U-Bahnhof herauskamen, dachte ich noch, wie grässlich grau, unwirtlich und karg selbst „unser“ Park um diese Jahreszeit aussieht. Vorher in der S-Bahn hatte ich schon Erwartungsmanagement betrieben, indem ich ankündigte, heller werde es an diesem Tag - und vermutlich auch an den folgenden - leider nicht. Nicht nur die Kinder waren begeistert, als das Erste, dessen sie überirdisch ansichtig wurden, ein Eichhörnchen (gähn!) war. Eine Familie in heller Aufregung. Noch nie haben sie eines gesehen, man müsse unbedingt Fotos von ihm machen. Warum es hier sei, lebe es nicht eigentlich im tiefen Wald? Als es weghoppelte, einen Nadelbaum hochkletterte, verschwand und sie enttäuscht zurückließ, konnte ich alle Besucher beruhigen: es werde noch mehr Gelegenheiten zur Eichhörnchensichtung geben. Sie kommen schließlich auch auf unsere Balkons. Und nicht zu meiner Freude - das verschwieg ich, man will ja nicht als teutonischer Unmensch gelten. Das Grau hielt an, aber die Begeisterung der Besucher auch. Ihnen gefiel, dass es in jedem Laden, in jedem Café und in jeder Wohnung so schön warm sei. Ja, die Vorteile einer Zentralheizung sind nicht von der Hand zu weisen. Ihnen gefielen die Gebäude. Selbst den Hauptbahnhof in grau fanden sie „muy bonita“. Einzige Enttäuschung: dass die Alster nicht zugefroren sei. Ihnen kam es wohl kalt genug vor. Große Überraschung bei allen Besuchern, als ich erklärte, dafür brauche es zwingend Minusgrade. Diesen Zusammenhang kannten sie nicht. Ihnen war es auch so draußen sehr kalt. Die Kinder klagten, es sei so frostig, dass die Gesichtshaut wehtue. Zur Erinnerung: wir hatten untere einstellige Plusgrade. Ob der Kälte und der Klagen ihrer Kinder fragte sich die Mutter kurzzeitig, wie man hierzulande den Winter mit Kindern überstehe. Das frage ich mich auch immer noch. Doch diese Zweifel machten schnell wieder der allgemeinen Begeisterung Platz. Verwunderung lediglich darüber, dass die (echten!) Weihnachtsbäume hier so frühzeitig entsorgt werden, die seien doch noch gut - was wahrscheinlich bedeutet, sie haben noch mehr als 50% ihrer ursprünglichen Nadeln.


Vermutlich lässt sich der hiesige Winter in kurzen Spannen durchaus ertragen. Wenn man weiß, dass man nach drei Tagen wieder 20 Grad plus und Sonnenschein hat. Die Handschuhe behält man dort zur Sicherheit trotzdem an.

Montag, 15. Januar 2018

Kenne deine Grenzen

Es ist nicht immer leicht zu akzeptieren, doch am Ende ist es die Wahrheit: andere können oftmals Dinge besser als ich selbst.
Das Sparschwein beispielsweise kann mit dem Partyhütchen noch besser aussehen als ich. Ist leider so. Muss ich neidlos oder neidvoll anerkennen.

Der Sohn ist - auch wenn er es vehement abstritte - der größte Partylöwe unserer Familie, da kann selbst die Tochter nicht mithalten; von mir brauchen wir gar nicht zu reden. Unterhält der Sohn doch selbst an ereignislosen Abenden seine beiden Damen mit lustigen Ankündigungen wie diesen: "Platz 1 der deutschen Charts: Mesut Özil mit 'Die Eine von Monrose ist meine Frau - featuring Die Eine von Monrose'“
Immerhin habe ich Sonntagabend - wenn auch in den Augen des Sohnes mit einem Tag Verspätung - eine mehr als essbare, vegane Variante von Mash & Bangers with Gravy and Peas hinbekommen. Das muss mir auch erstmal jemand nachmachen.

Mittwoch, 10. Januar 2018

So kann‘s gehen

Letzthin rief der Sohn meiner Kollegin um die Mittagszeit seine Mutter an. Wir fanden es gleichermaßen belustigend wie verwunderlich, als er sie fragte, wo sie sei. Auf ihre Antwort, sie sei natürlich bei der Arbeit, erkundigte er sich, was sie denn da mache. Mutter und professionelles Umfeld amüsierten sich.
Als ich heute folgende Nachrichten meines Sohnes bekam, fragte ich mich, ob Teenagerjungs eventuell sehr ähnliche Gehirnwindungen haben:

Ich glaube, ja.

Dienstag, 9. Januar 2018

Luxus ist, wenn man im Hellen aufsteht

Es gibt Momente, in denen wünschte ich mir, meine Kinder wären wieder klein und niedlich und erfreuten mich wie damals durch ihre Wortschöpfungen. Es ist ein Allgemeinplatz, aber was man dabei verdrängt, ist das Schlafdefizit, das mit kleinen Kindern einhergeht. Als ich heute Nacht wach lag, weil mich Bauchschmerzen plagten, dachte ich daran, wie schön es ist, ganz allein selbst für die Schlaflosigkeit verantwortlich zu sein. Ich kann nicht schlafen, weil ich mich unwohl fühle. Wie anders doch, als: ich kann nicht schlafen, weil mindestens eines meiner Kinder die gesamten Bettwäschevorräte vollkotzt. Man sollte Luxus erkennen, wenn er einem begegnet.

Montag, 8. Januar 2018

Hanseatischer Winter

Obwohl ich nun schon seit über zwanzig Jahren (unglaublich!) in Hamburg wohne, gibt es manchmal Momente, in denen ich mich fremd fühle. In letzter Zeit war es dieses Bemühen, möglichst schnell den Weihnachtsbaum loszuwerden. Man spricht vor Ort davon, es sei Tradition, den Baum spätestens zum 6. Januar nach draußen zu expedieren. Nicht dass ich es mit katholischen Traditionen hätte, aber das erscheint mir sehr früh. Bereits am 27. Dezember findet man hier herrenlose Tannen auf der Straße. Manchmal kommt es mir vor, als ob es einen Wettbewerb gäbe, wer sich als erstes des Baumes entledigt hat. Pfeffersäcke, lasst euch sagen: Anfang Januar hat sich die Investition für den Tannenbaum noch lange nicht amortisiert - er muss noch bis mindestens Mitte Januar stehen, damit er schwarze Zahlen schreibt.

Freitag, 5. Januar 2018

Forever Young

Wenn man sich mal wieder wie früher richtig jung fühlen möchte, sollte man einfach nur zusehen, in ein Zusammentreffen bekannter, jedoch nicht wirklich befreundeter Menschen zu kommen. Dann kann man beobachten, wie unter dem Tisch oder anderswie unauffällig Umschläge zugesteckt werden. Und es stellt sich automatisch das gleiche Gefühl wie damals als Teenager ein. Wenn alle zu den coolen Parties eingeladen wurden. Der Sohn sagte an dieser Stelle, dass wir zu meiner Zeit doch „Fêten“ gesagt haben - ich fürchte, er springt dabei eine Generation zu weit zurück. Doch das ist am Ende egal. Meine Outgroup-Identität verkörpere ich seit Schulzeiten mit Stolz. Daran hat sich nichts geändert.

Dienstag, 2. Januar 2018

Das ist neu 2018!

Neu ist, dass man dieses Jahr nicht mehr "in 2018" sagt, sondern wieder zu der guten, alten Variante Jahreszahl ohne Präposition zurückkehrt. Klappt nicht? Egal, man wird sich am 2. Januar ja wohl noch etwas wünschen dürfen.
Neu ist, dass es angeblich pro Kind 2 (in Worten: zwei) Euro mehr Kindergeld im Monat gibt. Ich wage zu bezweifeln, dass diese Erhöhung selbst einer Hartz IV-Familie mit vielen Kindern etwas bringt.
Neu ist außerdem, dass der Sohn den "Maharadscha von Göteborg" in seinen Reden erwähnt. Mein Kind kennt wirklich illustre Persönlichkeiten.
Neu ist zusätzlich, dass ich iMessages vom Sohn bekomme, in denen steht: "Mama, weißt du was wir brauchen: Duschschwämme!" Meine Kollegen konnten sich deshalb heute gegen 14 Uhr an meinem fragenden Gesichtsausdruck nach Erhalt der Nachricht freuen.
Wie immer ist, dass ich nach wie vor nicht wieder an geschlossene Schuhe gewöhnt bin. Beim gestrigen Neujahrsspaziergang um die Alster habe ich mir trotz ausgetretener Schuhe eine fette Blase an den Zehen geholt.