Sonntag, 28. August 2022

Vorbei

Allein für sich genommen wäre schlimm genug, dass der Sommer in seine letzte Runde geht. Zusätzlich endeten gestern die zügellosen Wochen meiner Sturmfreiheit. Der Sohn kehrte aus seinen Jetset-Urlauben zurück. Dank großmütterlicher Fürsorge eröffnete er seine Rückkehr nicht gleich mit den Worten, was es Leckeres zu essen gebe. Obwohl ich ausnahmsweise darauf vorbereitet war. Stattdessen lieferte er mir Nahrung mit den bald tiefgründigen Worten: „Es war nicht wie immer, aber die Mosel war wie immer.“ Dann war auch noch das Datum schwierig. Gestern wäre unser 24. Hochzeitstag gewesen, gäbe es diese Verbindung noch. Ein Trost ist das vielfältige Ablenkungsangebot der Hansestadt beziehungsweise unseres beschaulichen Dorfes. Da fällt die Entscheidung schwer, aber das ist ein anderes Thema.



Donnerstag, 25. August 2022

Aliens?

In letzter Zeit denke ich immer häufiger, ein Gutteil meiner Nachbarn könnten Außerirdische sein. Hinter einer vermeintlich sozialkompatiblen Fassade oder Silikonhaut verbergen sich Krachschläger und Krachschlägerinnen (am Ende gar Krachschlagende - Uah!) aus dem Weltall. Nur wenn sie sich unbemerkt glauben, reißen sie ihre Maske ab, hinter der sich körpereigene Posaunen, Triangeln und Schlaginstrumente tarnen. Das erklärte beispielsweise, warum mir die Nachbarstochter (zumindest nehme ich an, dass sie es war) in einer Gruppe von etwa zehn unbekannten Jugendlichen den Rücken zuwandte, als ich sie alle letzten Freitag aus dem Keller unter meinem Wohnzimmer zu vertreiben versuchte. Freudestrahlend verkündete mir eines der Mädchen: „Wir machen hier Gym Session!“ Ein Argument, mit dem sie bei fitnessbewussten Eltern immer gut durchkommt, das bei mir jedoch abprallte. Es hätte mir nichts egaler sein können. Für mich machten sie vor allem nach Mitternacht Krach. Ins gleiche Bild passt das Elektroauto der Nachbarn, das gerne nachts oder morgens früh beim Rangieren vor meinem Schlafzimmer so eindringlich vor sich hin bimmelt, dass jeder handelsübliche Wecker grün vor Neid wird. Natürlich kann man sagen: „Was können die Menschen dafür, dass das Auto eine akustische Parkhilfe hat?“ Der Einwurf hätte eine gewisse Berechtigung, ginge nicht jedem Ausparken unter meinen Schlafzimmerfenstern ein menschgemachtes Türenschlagen, Getrampel und Telefonieren (das selbst bei Ferngesprächen kein technisches Gerät benötigt) voraus. Ähnliches beherrschen auch die Nachbarn, die erst Türenknallen, dann vehement das beste Vorgehen diskutieren, anschließend den Motor ihres Autos vorglühen lassen (röhrend, versteht sich) und zu guter Letzt einen Anhänger daran installieren, um sodann das Gespann mit viel Hin und Her vom beengten Hof zu zirkeln. Sinnlos zu erwähnen, dass der Ort des Geschehens direkt an mein Schlafzimmer grenzt und die Aktionen vor dem Morgengrauen stattfinden. Sonst liefen die Aliens schließlich Gefahr erkannt zu werden. Sie alle stecken vermutlich im Bunde mit den Glascontainerleerern. Soweit meine Weltverschwörungstheorie. Ich wende mich in Zukunft  lieber wieder Handarbeiten zu, das soll beruhigen.



Dienstag, 16. August 2022

Sommerfreuden

Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin Team Pfirsich. Mein Einkaufserfolg vom Wochenende musste gefeiert werden. Endlich hatte ich kugelrunde, weiße Pfirsiche ergattert. Zur Feier dessen trug ich gestern mein Obstkleid. Nichts gegen platte Pfirsiche, geschmacklich ist gegen sie auch nichts zu sagen, aber die fleischig-saftige Konsistenz ihrer runden Verwandtschaft erreichen sie eben nicht. Ebenso kein Hate gegen Nektarinen, zumal nicht die weißen, doch das pflaumig Feste verbessert die Frucht nicht gegenüber dem Ursprungsmodell. Ich weiß, mit diesem Standpunkt stehe ich alleine da. Der firmeninterne Battle ‚Nektarine vs. Pfirsich‘ ging etwa 5:1 aus. Klar ist, wer die Eins war. Wenn ich das Gejaule nur höre: „Aber die Schale, mimimi!“ Dann macht sie doch ab wie jeder normale Mensch aus Italien oder Frankreich! Daher also das Obstkleid gestern. Einziger Makel: Die Birnen sind darauf zu prominent - und Birnen sind bekanntlich „schlechte Äpfel“ (der Sohn). Da wären wir wieder.



Montag, 8. August 2022

Safety First

Für alle, die sich sorgten: Ich habe wieder ausreichend Tetanus-Schutz. Sollte man bei all‘ der anderen Impferei schließlich nicht vernachlässigen. Eigentlich war geplant, das Wochenende ganz ins Zeichen der Gartenarbeit zu stellen. Um den Plan effizient zu verwirklichen, hatten wir nicht nur Profi-Werkzeug am Start, sondern auch hohe Standards der Sicherheitsbeauftragten zu erfüllen. Diese besagten, dass ich mit meiner ehernen Regel „Offene Schuhe von Anfang Mai bis Ende September“ brechen musste. „Meine klaustrophoben Füße“ (der Sohn) litten und ich mit ihnen. Anfänglich fand ich die Vorsichtsmaßnahme zudem völlig übertrieben, bestand doch der Rest der Arbeitskleidung aus Shorts und ärmellosen Tops. Später musste ich Abbitte leisten, weil das Wespenaufkommen am Boden so hoch war, dass offene Schuhe einer herzlichen Einladung zum mehrfachen Stechen gleichgekommen wäre. Der marode Apfelbaum ist den Wespen als Tummelplatz nicht nur wegen der reifen, unreifen und faulen Früchte willkommen. Er besticht (!) auch durch leicht abzutragendes Holz für Nestreparaturen. Wir kappten Äste, zerlegten sie zu Brennholz und verarbeiteten alles Restliche in biotonnentaugliche Stücke. Nach einigen Stunden Arbeit war klar, dass uns selbst die anständige Profisäge ebensolchen Muskelkater bescheren würde. Daher sah der Plan vor, bis zum ersten Abend bereits alle Sägearbeiten erledigt zu haben, um am Folgetag nicht in den Schmerz hineinarbeiten zu müssen. Unserer schwindenden Konzentration war zuzuschreiben, dass sich das Sägeblatt am Ende doch noch im Nagelbett meines linken Mittelfingers verfing. Ich gab das abgestochene Schwein, zitierte jedoch aus dem Kriegsroman: „Macht euch keine Gedanken, es ist nur ein Kratzer.“ Obwohl ich wirklich weit entfernt von Amputation oder gar Notschlachtung war, attestierte man mir, ich sei blass geworden. Während ich also auf dem Sofa lag, und mich bemühte, dort fingerbedingt keine Flecken zu hinterlassen, hatte ich Gelegenheit über meinen Impfstatus nachzudenken. Die anschließende Überprüfung meines gelben Heftchens ergab ein deutlich anderes Bild als meine Erinnerung. Auch in diesem Zusammenhang gilt: die Jahre vergehen schneller, als man gedacht hätte. Eine Impfung vor siebzehn Jahren stellt keinen ausreichenden Schutz dar. Es kam demnach zum Beschluss, dem Personal des kleinstädtischen Krankenhauses den Samstagabend des ersten Bundesligaspieltages zu verhageln, um eine Spritze abzugreifen - und wenn man schon mal da ist, auch den kleinen Schnitt professionell verpflastern zu lassen. Gesagt, getan - vorher nur noch schnell anständige Schuhe anziehen. Wenn ich irgendjemand von irgendetwas abgehalten habe, hat es mich niemand spüren lassen. Alle, von der Rezeption bis zur Notaufnahme, waren extrem freundlich. Mein Ansinnen nach einer Tetanusspritze wurde zustimmend quittiert. Positive Überraschung gar über meinen mitgebrachten Impfausweis. Etwas ungläubige Blicke erntete ich lediglich, als ich richtigstellte, dass ich mich nicht wie angenommen mit der Gartenschere verletzt habe, sondern mit einer amtlichen Säge. Bereits vorher war entschieden worden, dass ich noch beim diensthabenden Chirurgen vorstellig werden sollte. Kanonen nach Spatzen fand ich. Besagter Chirurg arabischen Migrationshintergrunds erkundigte sich zunächst, durchaus ehrfürchtig, wer die Pflaster (drei Stück übereinander) verklebt habe. Als ich wahrheitsgemäß, „Meine Mutter.“, sagte,  kommentierte er mit mindestens so viel Ehrfurcht: „Ach, Mutti!“. Um die Wunde als solche mit einem lapidaren „Ist nicht schlimm!“ abzutun. My words exactly. Inkongruent lediglich, dass er mir anschließend eindringlich zum Röntgen riet. Das wiederum brachte wie erwartet nichts zutage. Offenbar wurde beim Impfen stattdessen, dass meine Rechts-Links-Schwäche eine veritable ist, quasi rechts-links-blöd 3.0. Die Frage, ob ich Rechts- oder Linkshänderin sei, konnte ich erst nach längerer Überlegung fehlerfrei beantworten. Das muss man mir erstmal nachmachen.
In den Genuss eines Wespenstichs am Fuß bin ich dennoch gekommen. Zum Frühstück auf der Terrasse erschien ich ohne Schuhe. „Barfuß und blind“ sei eine blöde Kombination, beschied die Gartenarbeitsbegleitung. Wahrscheinlich zu recht.