Sonntag, 26. Juni 2022

Noch ein Wochenende

Wieder einmal hielt sich die Lust in Grenzen, auf den Teil der Nachbarn zu treffen, denen es nicht merkwürdig vorkommt, an unserem Haus - das gleichermaßen von Mietern und Eigentümern bewohnt wird - ein Transparent (schief) anzubringen, auf dem gefordert wird, Wohnbestände seien in Mieter:innenhände zu geben. Fun Fact am Rande zur Gestaltung: auf dem Plakat hat die hausanmutende Mieter:in gar keine brauchbaren Hände. Als Eigentümerin fühle ich mich auf eine Ebene gebracht mit diesen Immobilienhaien unseres Stadtteils, gegen die aktuell sicherlich zurecht demonstriert wird. Da nun ebendiese Nachbar:innengruppe plante, gestern Abend ein gemeinschaftliches Fest auf unserem Hof zu begehen, musste eine Exit-Strategie her. Die besagte, Vorglühen in meiner kalten Küche und ein anschließender Besuch beim Griechen in der Nähe. Es kam mir ein wenig vor wie in dieser französischen Geschichte, in der ein Kind wegen Fehlverhaltens ohne Abendessen ins Bett geschickt wird und als einziges Familienmitglied überlebt, weil es zum Diner Giftpilze gab. Nicht nur, dass wir gut aßen (Fleisch auch noch! Und kein Pilze.) wir fanden dort auch Schauspielerinnen an, die man aus verschiedenen, geschätzten Krimiserien kennt und deren eine Stimme nicht nur von hartem Zigaretten- sondern vermutlich auch Hartsprit-Konsum herrührt. Da störte überhaupt nicht mehr, dass vom rauschenden Fest, wenn es überhaupt stattgefunden hatte, bei der Rückkehr, noch vor Einbruch der Dunkelheit, nichts mehr zu sehen war.

(Gruß aus der kalten Küche. Nicht nur die eigenen Witze, auch die eigenen Sträuße sind einfach die besten.)

Donnerstag, 23. Juni 2022

Wochenendnachlese

Nachdem wir das vorangegangene Wochenende en route zwischen Spanien und Deutschland verbracht hatten, waren wir zum letzten in Ostfriesland. Ein stimmiges Konzept. Anders als in der Vorwoche mussten wir uns nicht auf klimatische Veränderungen einstellen. Das Ziel lag lediglich gut 200 Kilometer westlich. Dort herrschte die gleiche Sommerfrische wie in Hamburg. Die Sonne ging, wenn sie sich denn zeigte, lediglich ein paar Minuten später auf und unter als bei uns. Also auch kein Umgewöhnen nötig. Emden besticht durch unaufdringlichen Charme. Ein schiefer Kirchturm, der zwar im Guinnessbuch geführt wird, weil er sich mehr neigt als der in Pisa, dessen Schräglage sich auf Fotos jedoch kaum dokumentieren lässt. Eine Schleusenkreuzung aus dem späten 19. Jahrhundert, die wenig prominent neben einem Freibad liegt. Restaurants, die 1A-Fisch anbieten, aber sämtliche Gäste spätestens um 22 Uhr - vor Sonnenuntergang! - vor die Tür setzen. Fahrräder überall und auch entsprechend große Fahrradläden (die selbstverständlich Samstagmittag schließen), vor denen man wunderbare Konversationen hören kann. Wie zum Beispiel diesen Anfang: „Ich denke, wir haben unser Mobilitätskonzept grundlegend geändert…“ Wenn das nicht zum Verweilen einlädt! Alles inmitten einer Landschaft, die die Harburger Berge hochalpin erscheinen lässt. Fischbuden, an denen Menschen klaglos lange anstehen und am Ende doch nicht das Angebot kennen, auf dessen Beschreibung sie ausreichend lange gucken konnten: „Welche Soße dazu?“ - „Welche gibt’s denn?“ - „Remoulade, Knoblauch, Holländische Remoulade.“ - „Die holländische ist gelb?“ - „Ja.“ - „Dann nehm‘ ich die!“



Sonntag, 12. Juni 2022

Quelle soirée

Auf halbem Weg zwischen Valencia und Deutschland schlugen wir unser Lager südlich von Valence (!) auf. Anders als auf dem Hinweg befanden wir uns in zahlreicher Gesellschaft und wurden auch erwartungsgemäß - ach, was sage ich? standesgemäß! - bewirtet. Trotz mindestens ebenso zahlreicher Mücken ein wunderschöner Hochsommerabend auf der Restaurant-Terrasse. Im Nebensatz noch eine Theorie dazu: Während ich noch immer an meinen bald eine Woche alten Stichen von der Ostsee herumlaboriere, hatte ich aus Spanien viel mehr mitgenommen, die mich aber im wahrsten Sinne kaum kratzten. Die Faustformel lautet, je südlicher, desto mehr Mücken, doch desto harmloser die Stiche. Aber zurück zum eigentlichen Thema, dem Sommerabend. Auf der einen Seite blökte der weibliche Part eines grauhaarigen Paares die Belegschaft notorisch an, sie sei laktoseintolerant, ob dieses oder jenes wirklich keine Milch enthalte und warum es nicht auf der Karte ausgewiesen sei. Ein Genörgel, das ich in der Form nicht aus Frankreich, sondern mehr aus dem meckeraffinen Deutschland kenne. Frankreich scheint aufzuholen. Passend auch, als die gleiche Dame ihrem Partner - man schien noch nicht seit Ewigkeiten zusammen - erklärte, wie sich ihre Rente entwickele, wenn sie mit 60 oder 62 aufhöre zu arbeiten. Mich wunderte bei ihrer Darstellung lediglich das Futur. 
Auf der anderen Seite wurde zwar auch lautstark kundgetan, doch es klang insgesamt weniger nach verbotenen Lebensmitteln und Rentenentwicklung. Hier schrie plötzlich ein junger Mann auf: „Elle a dit oui!“ Woraufhin ein Großteil der Menschen anfing zu klatschen, ein paar Holländer verständnislos guckten, der angehende Ehemann anfing zu weinen und sich erstmal eine Zigarette ansteckte. Seine zukünftige Braut tat es ihm nach, also das Rauchen. Sie schienen für einander geschaffen. Beide mussten ihre Zigaretten allerdings zeitweilig zur Seite legen, da die Menge nach dem „bisou“ verlangte. Sehr schön auch ihr anschließendes Geständnis, sie habe (wahrscheinlich zur Feier des Abends) keine Brille aufgesetzt, daher habe sie den Ring, den er ihr in den Aperitif getan hatte, nicht ohne Hinweis erkannt. Diese Seite gefiel uns in jedem Fall um Längen besser.



Dienstag, 7. Juni 2022

Frohe Pfingsten

Was anderen Menschen erst nach drei Wochen gelingt, schaffe ich bereits an einem verlängerten Wochenende: lange über mein Job-Kennwort nachdenken zu müssen, ehe ich es eingeben kann. Ich nenne es Feiertagsdemenz, glaube ich. Es war nun auch ein Pfingstwochenende mit viel Ablenkung.
Am Freitagabend eine Einladung zum Geburtstag, am Samstag eine Gartenparty (wenn auch nicht die große im Stadtpark), am Sonntag dann ein Konzert und am Montag einen Wandertag. Mehr lässt sich nicht herausholen aus drei freien Tagen. Wenngleich ich mich schwertue mit der Highlight-Definition, war der Sonntag sicherlich am spektakulärsten.
Schön ist es, wenn uns die Tochter zum Konzert begleitet. Wenig überraschend ist es, wenn sie gesteht, sich vorher die Setlist angesehen zu haben (ich kenne die Tochter schließlich schon länger; warum sollte sie bei den Pet Shop Boys eine Ausnahme machen?). Süß ist es, wenn sie zu mir meint, sie „wolle nicht spoilern, aber es werde genau meine Playlist“. Recht hatte sie, denn es wurden unter anderen „Bangern“ sowohl „Rent“ als auch „You Only Tell Me You Love Me When You‘re Drunk“ dargeboten. Und rührend, als sie meinte, ihr Highlight sei gewesen, als sich Neil Tennant die Akustikgitarre umgebunden habe, um Letzteres zu spielen. Wenn das nicht die Definition von spektakulär ist, weiß ich auch nicht.