Donnerstag, 29. Februar 2024

Unruhe

Manchmal braucht es nicht einmal die frühmorgendliche Altglasleerung, um mich vom Schlaf abzuhalten. Dann genügt eine Reizüberflutung, um den Job zu übernehmen. Erst nicht einschlafen können, obwohl es mitten in der Woche nach 1 Uhr ist, danach nur kurzzeitig einschlafen und am frühen Morgen in irgendeiner Form wach sein. Weil es immer so schön ist, einen Buhmann zu benennen: Ich gebe Kai Pflaume die Schuld. Das kam so. Am Dienstagmorgen im Schweinsgalopp zur Arbeit, dort wie üblich - und mehr als im Home Office - mit der Technik kämpfen. Anschließend aus dem Großraumbüro ins Großraumtaxi, um einmal quer durch die Stadt zu fahren. Im Studio der Aufzeichnung einer Quizshowfolge beizuwohnen und vorher wie nachher mit den Akteuren sprechen zu dürfen. Danach wieder in die Agentur. Dort festzustellen, dass alle meine Schlüssel weg sind. Nicht nur der Chip für die Arbeit, auch die für zu Hause, fürs Fahrrad und so weiter. Sie tauchen nicht auf, nachdem ich den gesamten Rucksack sowie alle Jackentaschen einmal ausgeleert habe. Netterweise werde ich bei der Arbeit von den letzten Kollegen, die Feierabend machen, eingelassen. Meine Vorstellung, das Gesuchte prominent auf dem Schreibtisch vorzufinden, bewahrheitet sich auch nicht. Panik macht sich breit. Ich überlege, welche Nummern ich anrufen soll. Erstmal räume ich meine Sachen zusammen. Und siehe da! Hinter dem nun nicht mehr aufgeklappten Laptop tauchen die Schlüssel wieder auf. Nach diesem Intermezzo schnell zu einer Podiumsdiskussion, an der ich nur als unbeteiligte Zuschauerin teilnehme. In meinem Tunnel ignoriere ich bekannte Gesichter, was in meinem etwas wirren Zustand vermutlich besser ist, und erkläre/entschuldige mich hinterher telefonisch. Von dort aus nach kurzem Pitstop nach Hause, in das ich zum Glück komme, obwohl außer mir niemand vor Ort ist (der Sohn bereitet mich schon einmal auf den nahenden Empty-Nest-Status vor, indem er - wenn überhaupt - nur zur Unzeit kurz in der Wohnung auftaucht). Selten habe ich so erfreut mit dem Schloss gekämpft. Aber Schlafen, das fiel aus.



Freitag, 23. Februar 2024

Geduld

Ein Gutes scheint das Älterwerden zu haben: Das Warten fällt leichter. Wahrscheinlich eher, weil die Tage im Schnelldurchlauf verstreichen, als dass mit dem Alter die Geduld zunähme. Vielleicht sind es auch die Ruhe und das Wissen, dass sich alles schon irgendwie regeln wird. Zumindest im Kleinen. Mich jedenfalls terrorisiert es nicht mehr wie früher, auf mehr Licht, den Geburtstag oder den Weihnachtsmann zu warten, darauf, dass der Sohn zurückkehrt, dass es endlich nicht mehr regnet, dass dieser oder jener Lichtblick naht oder dass sich die Krokusse (Krokanten, wie wir Profis sagen) durch die Pfützen kämpfen. Es wird schon irgendwann so weit sein. Nur beim Warten auf reibungslos funktionierende Technik verspüre ich nach wie vor keine Besserung. Da mutiere ich zu Teilzeit-Tourette-Muddie (dass der Sohn dies höchst belustigend findet, verstärkt das Phänomen nur noch). Egal. Heute sehe ich blauen Himmel und den einen oder anderen Frühblüher. Sag‘ ich doch.



Montag, 12. Februar 2024

Mal was Neues

Man könnte denken, heute sei wieder ein grauer Tag, der sich nahtlos in eine Abfolge von farblosen norddeutschen Wintertagen einreiht. Der zusätzlich erschwert wird, weil er ein Arbeitstag ist und den Start einer ebensolchen Woche bedeutet. Dessen Hauch von Frühling darin besteht, dass wieder zwielichtige Gestalten versuchen, auf der Fußmatte vor unserer Wohnungstür zu schlafen. Nein! Dieser Tag hält echte Aufreger bereit. So zum Beispiel, dass ich über Mittag erste Schritte unternehme, meinen in die Jahre gekommenen Führerschein gegen eine fancy internationale Karte einzutauschen. Ein Teil der Aufregung besteht in der Frage, ob alle Unterlagen da sein werden. An das notwendige Foto habe ich - dank der Erinnerungsmail des Hamburg Service - am Wochenende gedacht. Das konnte nur ein Gewinn gegenüber dem vorherigen werden, auf dem ich laut Aussage der Kinder aussehe „wie eine Ordensschwester“ (Immerhin lobte der Sohn den Zustand des alten Lappens: „Dafür, dass der so alt ist… den hebst du aber auf?“). Wie gut außerdem, dass die amtierenden Fotos immer mit geschlossenem Mund sein müssen. Auf denen sieht man keine Essensreste zwischen den Zähnen.
Am Ende doch spannend, diese tristen Februartage.



Dienstag, 6. Februar 2024

Für und Wider

Es gibt gute Gründe, wieder im Norden zu sein. Und doch fühlt sich die Abwesenheit die meiste Zeit falsch an. Übers Wetter brauchen wir nicht zu reden. Hamburgs herzlicher Empfang waren 7° und andauernder Regen. Ich habe in Bestzeit verdrängt, wie dunkel ein hiesiger Wintertag sein kann. Dass es nötig ist, den ganzen Tag das Licht anzuschalten. Grau ist eben nicht gleich Grau. Den ganzen Tag drinnen - und das bei Heizungsluft: kein Spaß. Vom Effekt, spätestens am Feierabend an den Strand zu gehen, brauche ich erst recht nicht zu sprechen. Auch die Begrüßung gestern Morgen, als gegen sechs Uhr die Altglas-Container neben meinem Ohr geleert wurden, überzeugt mich nicht.
Worin liegen also die Vorteile? Als Zweckoptimistin suche ich sie natürlich - und finde sie. Da ist zum Beispiel die Freude über den Sohn, der die Wohnung vor meiner Rückkehr blitzblank geputzt hat, über eine Spülmaschine, über beliebig warm Wasser in der Dusche, über ein Bett, das nicht erst gebaut werden muss, und über so viele geöffnete Restaurants (für die „draußen“ allerdings keine Option ist, siehe oben). Eines der gewichtigsten Argumente stellt die Post: Wenn endlich der Bescheid über die Rückzahlung der Einkommensteuer 2022 im Briefkasten liegt und einen wirklich warmen (!) Regen verkündet.



Sonntag, 4. Februar 2024

Globalisierung

Die Grenzen verwischen. Goldene Zeiten, besonders für die Tochter, als man - kurz nach der Umstellung von Peseten auf den Euro - noch nicht mit Münzen umgehen konnte, und sie in jedem Automaten oder drumherum einige Euro einstreichen konnte. Zuweilen nur mit vollem Körpereinsatz, wenn sie sich auf den Boden warf und mit langen Fingern eine Münze ergatterte. Ebenso schöne Erinnerungen als la loca, in anderen Worten: ich, die Einzige war, die während einer ola de frío in der dunklen Jahreszeit barfuß am Strand entlang ging und sogar die Füße (diese geplant, den Rest des Körpers unfreiwillig) im kalten Wasser hatte. Unterdessen gibt es Menschen, die im Januar/Februar im Meer baden und offenkundig keine Skandinavier sind. Oder solche, die in Shorts spazieren gehen, während ich lange Hosen trage. Oder die, die ihre Fußspuren in den Sand drücken, während ich den Strand mit Schuhprofilen ziere, nicht einmal zwingend von offenen Schuhen. Manchmal sehen sie allerdings aus, als seien sie sich nicht ganz sicher: zu ihren nackten Füßen und hochgekrempelten Hosenbeinen tragen sie Schal und Daunenjacken. Oder sie selbst sind leicht bekleidet, doch ihre Hunde tragen lustige Mäntelchen. Was sie, die Hunde, leider nicht davon abhält, sich auf dem Strand zu erleichtern („Warum wollen Sie Spanisch lernen?“ „Um sagen zu können: Ihr Hund hat auf den Strand gekackt; machen Sie das weg!“). Daran hat sich dummerweise wenig geändert. Vielleicht sind wir auch einfach vernünftiger geworden. Die Tochter, weil sie sich nicht mehr bäuchlings auf Böden legt, um an Münzen zu kommen, und ich, weil ich mich angemessener kleide. Doch noch gibt es Hoffnung. Solange die Einheimischen bei 14° und hellgrauem Himmel im Januar von „traurigem Wetter“ sprechen, ohne auch nur den Hauch einer Idee zu haben, was echte Wintertristesse bedeutet.