Dienstag, 31. Juli 2018

Sommer

Wenn die Vorsehung neben Hüftschmerzen, aufzubauenden Ikea-Möbeln, plagenden Exen und Mückenstichen auch noch großflächig Pusteln schickt, wird es Zeit, das Glück selbst in die Hand zu nehmen. Wir hatten einen schönen Abend. Nicht nur, weil großzügig über meine Unzulänglichkeiten hinweggesehen wurde. Solche Sommerabende wünsche ich allen. Gut, nicht allen. Ausgeschlossen sind die, die von Becken-OP oder der Haut als Spiegelbild der Seele sprechen.

Montag, 30. Juli 2018

Akkuschrauber rules!

Nach Gewitter und Regen wurde es kühler. Dennoch hatte ich schon bessere Ideen, als gestern bei dreißig Grad Ikea-Möbel aus ihren Verpackungen zu befreien und zusammenzuschrauben. Auf der Habenseite kann ich immerhin verbuchen, es scheinen keine Schrauben, Pinnökel oder andere Kleinteile zu fehlen. Das hatte ich anders erwartet. Bisher sind auch nur etwa ein Drittel des Ganzen zusammengebaut. Was nicht ist, kann also noch werden. Weiterer Pluspunkt: trotz der hitzebedingten, noch größeren Ungeschicklichkeit habe ich mich nicht verletzt. Auch da ist noch Raum für Änderungen.
Was stattdessen eine richtig gute Idee war: das Wochenende gemeinsam mit der Nachbarin und mit Grantchester-Binge-Watching ausklingen zu lassen. Auch wenn die Brut findet, dass DVD-Gucken (und vor allem -Kaufen!) ein Relikt vergangener Jahrtausende sei. Egal, mal was Verrücktes tun!

Sonntag, 29. Juli 2018

Eindruck

Wie vor ihm schon der Handwerker, der die Spülmaschine anschloss, war gestern einer der Möbeltransporteure mit südländischem Migrationshintergrund einigermaßen beeindruckt von der hiesigen Bücherwand. Es war vermutlich nicht nur der vorherigen körperlichen Anstrengung geschuldet, dass er andächtig daran hochsah. Nach einer Zeit des Beobachtens fragte er mich, ob ich „die alle geliest“ habe. Um nicht in den Verruf der leider wieder verbreiteten Lern‘-Erstmal-Richtig-Deutsch-Attitüde zu kommen, verkniff ich mir die Replik: „Nee, alle gekauft.“ Stattdessen antwortete ich, nicht alle, aber viele. Er sah weiter fasziniert nach oben und stellte nach einer Weile fest: „Viele Seiten!“ Darauf konnten wir uns einigen.



Samstag, 28. Juli 2018

So geht‘s natürlich auch

Eigentlich hatten wir an die Ostsee fahren wollen. Die Vorstellung war allerdings einigermaßen naiv, bei diesem Wetter, während der Sommerferien und am Wochenende noch eine Unterkunft zu finden, die dichter als Wandsbek-Markt an der See liegt. Nicht lange hadern: cherchez l‘ersatz! 
Eigentlich hatte dann der Alternativplan vorgesehen, den Blutmond von unserem Dach aus zu beobachten. Schöne Idee, machen wir auch nicht. Der Zugang zum Dach blieb uns verwehrt. Besorgte Nachbarn hatten aus Furcht vor gefährlichen oder sich selbst gefährdenden (wer kennt da den Unterschied so genau?) Jugendlichen die Tür mit einem Schloss unbekannter Provenienz versperrt. Der Plan eines lauschigen Abends auf dem Dach mit einem mit Sorgfalt ausgewählten Getränk in der Hand war damit vereitelt. So musste im stickigen und vollgerümpelten Treppenhaus schnell eine weitere Alternative gefunden werden. Dann eben der eigene - zumindest Stand heute noch eigene - Balkon. Dort wäre es auch mit dem Getränk kommoder. Blöd nur, dass alles Auf-Stühle-Steigen und Handy-Kompass-Schwenken nicht dafür sorgen konnte, den Mond zu sehen. Kurz vor der totalen Abdeckung - ein freundlicher Mensch hatte uns mit dem genauen Zeitplan des Phänomens für unser beschauliches Dorf bedacht -, zogen wir also, so schnell es eben ging, in Richtung Südosten. Im vollen Bewusstsein, das Getränk den über den Balkon marodierenden Eichhörnchen zu opfern. Unser neues Mekka hieß Berliner Tor, das ging auch ohne Kompass. Die Menschenmenge wies uns ohnehin den richtigen Weg. Stern über Bethlehem... trallalala. Hätte man nur den Mond wirklich gesehen, wäre eigentlich alles gut geworden. Doch es wurde tatsächlich besser. Die Ansammlung aus astronomischem Unwissen (mich eingeschlossen, die Begleitung ausgeschlossen) und Google-zitierenden Smartphone-Aficionados erwies sich als deutlich unterhaltsamer als Nackenstarre und Augenanstrengung zusammen. Ungezählte Male hörten wir: „Wo is‘n der Mond?“, „Ich seh‘ nichts!“, „Was is‘n hier los?“, „Und wo ist jetzt der Mars/die ISS?“, „Irgendwas passiert da oben.“, „Wo geht der Bus nach Bergedorf?“. Einmal auch: „Sach’ mal, wo is’ Mars? Aber Mond is’ normal, oder?“ Bis zu einem gewissen Grad spiegelten die Mehrfachnennungen auch meine Gedanken wider. Schöner noch fand ich die Erklärungsversuche, die selbst mir als astronomisch vielseitig Desinteressierter nicht hundertprozentig wissenschaftlich vorkamen: „Warum der rot ist? Das rote Licht bleibt übrig am Abend.“, „Das ist Mondfinsternis. Sonnenfinsternis ist nur, wenn die Erde unter den Mond kommt. Das ist aber relativ selten.“, „Jetzt ist der Mond vor der Sonne.“. Die Bemühungen der Begleitung, Jupiter als Übeltäter für das gruselige Naturschauspiel zu etablieren, fielen wahrscheinlich nicht auf allzu fruchtbaren Boden, weil in den Medien vorher immer vom Mars die Rede war. Bei Auskennern sorgte die These für amüsierte Verbrüderung. Mein Bemühen, den Mond wenigstens auf dem Kameradisplay des Beobachternachbarns zu fotografieren, scheiterte an meiner Ungeschicklichkeit. Um uns herum wurde das Hadern mit dem Großstadtleben lauter: „In Dorf wäre das jetzt gut.“, „In der Wüste müsste man jetzt sein.“
Mein schönstes Mondfinsterniserlebnis war jedoch der Dackel, der dem Spektakel beiwohnte, eher beiwohnen musste, der brav an der Grenze zum Fahrradweg saß (oder stand, wer weiß das bei kurzen Dackelbeinen schon so genau) und während der ganzen Zeit konsequent in die andere Richtung als alle anderen guckte. Wahrscheinlich sind Dackel einfach die schlaueren Menschen.

(Schöner ging‘s nicht. Immerhin musste ich anders als andere nicht „Dieser blöde Blitz!“ fluchen.)



Freitag, 27. Juli 2018

Downgrading

Anfangs - so zehn Jahre etwa - dachte ich, er sei nicht unbedingt der Charmanteste, aber dafür von Grund auf ehrlich. Zwei Seiten der Medaille und so. Ich wurde recht eindrucksvoll eines Besseren belehrt.
Dann klammerte ich mich an die Vorstellung, mit mir sei er zwar nicht so gut umgegangen, aber für die Kinder ein guter Vater. Auch darin habe ich mich getäuscht. Es wurde auch unseren Kindern recht schnell bewusst, dass seine Prioritäten an anderer Stelle als bei ihnen lagen. 
In den folgenden neun Jahren war er als Mann wie als Vater abgemeldet, aber ich wurde nicht müde zu betonen, es gebe immerhin in finanzieller Hinsicht keine Probleme mit ihm. Ok, der Trennungsprozess war bei uns dreckiger als bei anderen, doch konnte ich wenigstens beim Geld entspanntere Verhältnisse vermelden. Auch diese Zeiten sind wohl vorbei.
Das Gute daran: nach diesem konsequenten Niedergang habe ich keinen Raum mehr für Enttäuschungen.
Das noch Bessere: auf die Punkte eins und zwei folgten Resignation, auf Punkt drei Rebellion.

Donnerstag, 26. Juli 2018

Jetzt geht’s aber los!

Gerade als ich mich sehr über den Flamingo aka Pelikan freute, den die Tochter mir von ihrer dreitägigen Berlinreise mitbrachte, kam der Downer von ihrem Vater. Eine Mail, auf die ich mich erst nach Konsultation meiner Anwältin melde. Ich werde wohl alles widerrufen müssen, was ich bisher über seine Kulanz etc. geäußert habe. Ein beginnender Rosenkrieg; genau das, was ich vor „meiner Becken-OP“ (schön, dass er nach über zwanzig Jahren nicht weiß, dass es die HÜFTE ist) brauche. 
Immerhin ein weiterer Reminder: von ihm haben sie es nicht.

Mittwoch, 25. Juli 2018

MÖ10

Eine der wenigen Apps, für die ich Geld ausgegeben habe, ist die CR7 Selfie-App. Ich muss sagen, diese 3,99€ haben sich wirklich gelohnt. Ihr Einsatz war vor zwei Jahren sicherlich exzessiver als heute, aber sie leistet auch heutzutage noch gute Dienste.

Nun wünschte ich mir allerdings zusätzlich eine MÖ10 Selfie-App. Ich höre sie schon, die Stimmen, die sagen, das heize die Diskussion doch bloß wieder unnötig an. Ich finde stattdessen, diese App entspannte alles ein wenig. Ist nicht CR7 auch ein prominentes Beispiel für Nicht-Integration? Wird er doch von seinen Mannschaftskollegen noch immer gehänselt, weil er seinen Madeira-Akzent nicht ablegen kann. Sitzt er nicht ähnlich wie manche seiner deutschen Kollegen allein mit Kopfhörern auf den Ohren im Mannschaftsbus? Die Parallelen sind unverkennbar.
Ich bin sicher, diese App wird eine Goldgrube. Da soll noch einer sagen, unsere Generation sei in digitalen Dingen nicht innovativ genug. Nehmt das, Mobile Natives! 
Eigentlich kann am Businessmodell nichts schief gehen. Habe sich Mesut doch von der Nationalmannschaft freistellen lassen, damit er an seiner App arbeiten könne, wie ein ehemaliger Kollege meine pfiffige Idee kommentierte.

Dienstag, 24. Juli 2018

Trotzdem

Ohne die allgemeine Sommereuphorie dämpfen zu wollen; es gibt auch Dinge, die bei diesen Wetterverhältnissen wenig Spaß machen. Ich meine damit weniger Arbeiten oder Treffen mit dem angehenden Ex-Mann. Die sparsamen Wohlfühlmomente des Letzteren sind wetterunabhängig. Es geht eher um zum Beispiel Handwerkliches (hat vielleicht doch etwas damit zu tun, dass es keinen Mann mehr im Haus gibt - und diese Jobs auch in meinem Zuständigkeitsbereich landen). Wenn der Sohn mit der Leiter zum Hochbett einbricht, muss diese repariert werden (auch wenn er sich dabei zum Glück nicht verletzt hat). So will es das Gesetz. Auch wenn wir 33° messen. Und so verbringe ich meinen Feierabend damit, eine Holzleiter biblischen Alters zu richten. Der Sohn entwickelt dabei zwei besonders linke Hände, so dass ich den Bob-der-Baumeister-Oktopus alleine geben darf. Um am Ende nach langem schweißtreibenden Schrauben und Hämmern „Yes we can“ begraben zu können. Immerhin, meine Lösung bekäme sicherlich den Wandlitz-Ehrenpreis: die Holzleiterruine demontieren und eine große Haushaltsleiter an ihren Platz stellen. 
Aber Draußensitzen ist toll bei dem Wetter.

Sonntag, 22. Juli 2018

Kein Vergleich

Hatten die Nachbarn auch noch so viel getönt, ihnen seien diverse Kilo Thunfisch vom Laster gefallen. Gegen WM und Grillen konnte das Ganze nicht anstinken. Es bleibt die Leere nach den Spielen. Und auch ein Sonntag fühlt sich nicht wie ein solcher an, wenn der Gatte ein Angebot in Sachen Scheidung machen möchte. Wir saßen zwar über anderthalb Stunden zusammen, doch welcher Art das Angebot sein sollte, wurde mir nach wie vor nicht klar. Stattdessen stellt er die Frage, ob ich vor der Operation meine Testament gemacht habe. Der gute Empathiekaiser! Leider fehlte mir das rechte Zeug zum Arschloch, dass ich ihn nicht zu 18 Uhr herbestellt hatte. Zum Thunfischgrillen, während ich über alle Berge verschwunden war. 

Samstag, 21. Juli 2018

Immer schön

In unserem Dorf lässt es sich bekanntlich zu jeder Jahreszeit gut leben. Im Moment brauche ich für den Budni-Besuch (max. 500 Meter entfernt) sogar weniger als eine Stunde, weil ich weniger andere Dorfbewohner treffe. Es sind eindeutig Sommerferien. Dennoch sind Einkäufe nicht langweilig. Nicht einmal die fürs Wochenende. Gestern durfte ich dabei Zeuge einer netten Konversation werden. Zwei nicht mehr ganz junge - vielleicht gar jünger als ich, aber deutlich verlebter - Frauen standen an einer Verkaufsreihe und unterhielten sich. Genau genommen war es eher ein Monolog der einen: „Der wäre fast gestorben.“ „Wirklich?“ „Ja, an Alkoholvergiftung. Mit denen will ich nichts mehr zu tun haben; das ist einfach nicht mein Nivö.“ 
Versteht sich von selbst.

Donnerstag, 19. Juli 2018

Alles neu

Mit der Abschaffung der Plastiktüten hat man bei mir offene Türen eingerannt. Ich erfreue mich seitdem an einer schier unerschöpflichen Anzahl Leinenbeutel unerklärlicher Provenienz. Sie erweitern meinen Horizont ungemein. Ich lerne Orte, Läden und Bewegungen kennen, die mir bisher unbekannt waren. Und das bestimmt zu unrecht. 

Möhringen! Luftkurort, in dem die Donau versickert! Und dieses politisch korrekte Stadtwappen! Schöner lässt sich kosmopolitisches Leben nicht ausdrücken. Anders als der Sohn vermutet habe ich nicht gleich nachgesehen, wo genau dieser Sehnsuchtsort liegt. Genau genommen weiß ich es noch immer nicht.
Dass ich mit den Stoffbeuteln auch noch etwas Gutes für die Umwelt tue - herrlich! Luftkurort, da schließt sich der Kreis. Noch besser fühle ich mich, seit ich gestern von Rewe erfuhr, dass man dort als Nachhaltigkeitsmaßnahme beim Lieferdienst auf den „papierhaften Lieferschein“ verzichte. Das ist bestimmt ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Umwelt, wenn man die Ware in durchschnittlich zwanzig Papiertüten anliefert. 


Dienstag, 17. Juli 2018

Hardship

Wieder auf uns selbst zurück geworfen, wird es zäh. Einziger Lichtblick: der Freund der Tochter ist verreist, so dass wir einander mehr sehen als in den letzten zwölf Monaten zusammengerechnet. Allein der Sohn frohlockt, ist doch jetzt der Transfermarkt endlich eröffnet. Jede Viertelstunde neue Nachrichten: der brasilianische Torwart bei Liverpool; nein, nun doch nicht, weil Courtois bei Real und Chelsea jetzt ohne Torwart. Diese Welt des Internets überfordert mich. Ich glaube, ich werde alt.

Montag, 16. Juli 2018

Furioses Finale - Tag 32

Großartig war‘s. Schwamm drüber, dass mir bei aller Frankophilie der sportliche Ausgang etwas schäbig vorkam. Unsere Laufwege jedenfalls haben gestimmt. Jede Position war doppelt besetzt (zwei Grills). Wir haben kompakt gestanden und das Momentum genutzt. Doch nun bleiben knapp 700 spielfreie Tage bis zum nächsten Fußballevent. Wenn das kein Grund für eine mittelschwere Depression ist, dann weiß ich auch nicht.

(Hinten links auf dem Bild die kroatische Fraktion. Wenn man so abgelenkt vom Geschehen ist, muss man sich nicht wundern, dass es mit der eigenen Mannschaft nicht klappt.)

Sonntag, 15. Juli 2018

Halbfinale - Tag 31

Wenn auch unser Lieblingsszenario (England unterliegt Belgien im Elfmeterschießen) nicht eingetreten ist, war es ein schönes vorletztes Spiel. Man blieb unter sich. Die anfängliche Verwirrung durch Belgier im Dortmund-Dress - waren sie doch nominell die Heimmannschaft - legte sich bald. Was blieb war die allgegenwärtige Sorge, wie die vielen, bald folgenden Tage, Abende, Wochenenden ohne Fußball zu bewältigen sein werden. Der Entzug könnte sich noch zur allgemeinen Lebenskrise auswachsen.



Samstag, 14. Juli 2018

Spielfrei - Tag 30

Ehe ich gestern bleischwer und früh ins Bett fallen konnte, musste ein weiterer Tag ohne Fußball herumgebracht werden. Man hat es nicht leicht. Zum Glück gibt es eine 40-stündige Arbeitswoche. Und im Anschluss Einkäufe als Vorbereitung auf die Finalspiele. Einige Zeit geht auch mit der Überlegung herum, ob ich mit „Nie“ auf das Ansinnen des Gatten antworten soll, uns am nächsten Wochenende über Scheidung zu unterhalten. Dann geht auch eine gefühlt lange Zeitspanne fürs Sorgenmachen drauf: ich hatte abends für den Sohn gekocht (auch wieder eine Stunde geschafft!) und konnte ihn dann aber nirgends auftun. Übers Telefon ist er seit einigen Tagen nicht mehr erreichbar, seit er es mit einer Kapuzenjacke mitgewaschen hat. Normalerweise fördere ich jegliche Aktivität der Brut im Haushalt. Hier sagt mir meine betriebswirtschaftliche Effizienzberechnung jedoch, dass es insgesamt günstiger ist, wenn ich mich um die Wäsche kümmere. Wie auch immer, der Sohn war vom Erdboden verschluckt - nicht so allerdings seine Unordnung. Ich schrieb der Tochter, ohne mit einer Reaktion vor dem nächsten Morgen zu rechnen. Sah Freund 2 alleine und wusste, die beiden sind nicht gemeinsam unterwegs. Gerade als ich die ersten Worte an Freund 1 verfasste, meldete sich die Tochter mit einem verschwommenen Foto von sich, perfekte Selfiepose, und ihrem Bruder, Hand vor dem Gesicht, da er das Foto-Posen überraschend schlecht beherrscht. Egal, Mütter erkennen ihre Kinder auch noch verwackelter. So beruhigt ich ob der schnellen Reaktion der Tochter war, meine Kochaktion war damit außer als Zeitvertreib recht nutzlos. Ich glaube, Spieltage sind mir lieber. Nächtens immerhin hat der Sohn noch einen Gutteil des ihm zugedachten Mahls verdrückt.

Freitag, 13. Juli 2018

Spielfrei - Tag 29

Licht und Schatten liegen auch an spielfreien Tagen dicht beieinander. Der Tochter allerdings ist die Trauer über die englische Niederlage nicht mehr anzumerken. Dem Sohn war sie ohnehin recht. Für ihn spielte am Vorabend Liverpool gegen Liverpool - und Lovren scheint ihm näher als Henderson.
Ich freue mich wie Bolle darüber, wieder jemanden zu haben, der mir bei der Mission „Wohnungspflege“ hilft. Allerdings ärgern dann die anschließenden Verwüstungen der Brut mehr. Irgendwas ist ja immer. Noch mehr war, als der Gatte am Nachmittag wieder einmal fernmündlich auf Scheidung drängte. Er habe mir einen Vorschlag zu machen. Ich verzichte gerne. Gut zupass kam mir das Finalwochenende. Als ob ich da Zeit hätte! Schon für angenehmere Themen nicht. Ich befürchte meine Antwort, dieses Wochenende gehe aus sportlichen Gründen nicht, wurde nicht ernst genommen. Um bei einem der (einseitig) beliebten Spontanbesuche unerkannt zu bleiben, werde ich Spiel um Platz drei und Finale lieber mit Perücke und Sonnenbrille gucken. Aber warum sollte es mir besser gehen als den ganzen Schlagermove-Spinnern? 
Eine Frage, die ich mir seit gestern stelle: Ist die Raucherbude einsturzgefährdet oder ein Tatort oder mein Arbeitgeber bekennender Kroatienfan?





Donnerstag, 12. Juli 2018

Dialektik - Tag 28

Mit kroatischer Besetzung („Lovren kommt aus meinem Nachbarort.“) und Hongkonger Schützenhilfe („Nach hundertjähriger Unterdrückung kann man nicht für England sein.“) waren die Verhältnisse gestern Abend schnell geklärt. Wenn England-Anhänger anwesend waren, hielten sie sich sehr bedeckt. Einzig die Tochter frohlockte in der 4. Minute, allerdings nicht live sondern per WhatsApp: „We‘re singing for England“. Vor Ort eher Katerstimmung. Hinter uns Konversation ohne Fußball-Bezug (Arztgeschichten, Begebenheiten aus dem Straßenverkehr etc.) und vor allem -Verstand („Darf der sowas machen?“). Aus dieser Ecke kam auch die Frage, warum wir eigentlich für Kroatien seien. Die Antwort der Nachbarin folgte so schnell wie Raheem Sterling: „Wir sind nicht für Kroatien, wir sind nur gegen England“. Trotz zum Teil kroatischer Alkoholika fehlte der Glaube an die Wende. Wir wurden eines Besseren belehrt. Allein das allseits bekundete Projekt „Heute gehe ich früh ins Bett“ wurde vereitelt. Wir müssen alle Opfer bringen. Da alle mit Elfmeterschießen rechneten, kam nur Verlängerung unseren Wünschen entgegen. Das Ergebnis ohnehin. Um 22:28 Uhr dann eine weitere Nachricht der Tochter: „Now trauern for England“. So wollte ich es als liebende Mutter auch nicht. Was wir in unseren Gunstbekundungen allerdings nicht beachtet hatten: das kroatische Autokorso auf dem Steindamm. So viel zum zeitigen Schlaf. Schlimmeres wurde zum Glück von der großen Baustelle dort verhindert. Dass man sich über die nochmal freuen würde.



Mittwoch, 11. Juli 2018

Weiter geht’s - Tag 27

Trotz verschwindend geringer Anzahl deutscher Akteure war die Besucherzahl zum ersten Halbfinalspiel bei uns ganz anständig. In üblich internationaler Besetzung. Die Stimmung war gut, besser wohl als im Stadion in St. Petersburg. In St. Georg kam es jedenfalls zwischen bekennenden Belgienfans und französischen Staatsbürgern zu keinen Nickligkeiten. Gleich war die Wehmut hier wie dort, als nach dem Spiel Thierry Henry mit belgischer Flagge auf dem Shirt seinem französischen Kollegen gratulierte.
Wer sich übrigens schon immer fragt, warum die Fotos, die sie da immer anhängt, so dunkel seien, dem sei gesagt: Dies geschieht ausschließlich aus Gründen der DSGVO und hat keinesfalls mit mangelnden Fotografiefähigkeiten der Knipserin zu tun.



Dienstag, 10. Juli 2018

Spielfrei - Tag 26

In die Freunde über Freizeit am Feierabend mischt sich langsam die bange Frage: „Was, wenn die WM vorbei ist?“ Die Euphorie über Putzenkönnen, Familiensinn und Fernsehprogramm legt sich offenbar nach zwei Tagen. Unwohlsein, Unruhe und Rastlosigkeit stellen sich ein. Wenn jetzt noch Zittern hinzukommen sollte, müssten wir - aus Gründen - über eine Namensänderung nachdenken. Von Gerd-Müller-Gedächtnis- in Betty-Ford-Halle.  
Ähnlich gute Laune macht sich bei mir auf die allseits gestellte Frage nach dem Sommerurlaub breit. „Du warst noch nicht? Wohin geht‘s?“ Mitleid, wenn ich antworte, dass ich im Sommer im wesentlichen für Urlaubsvertretungen zuständig sein werde. „Dann später?“ Betretene Mienen, wenn ich sage, dass meine Destination ab Ende August die Klinik sein wird. Immerhin ist es nicht die Betty-Ford-Klinik.

Montag, 9. Juli 2018

Spielfrei - Tag 25

Nicht alles bei Facebook ist schlecht. So bekam ich einen Beitrag von vor sechs Jahren ausgespielt, an den ich mich nicht mehr erinnerte:
Kleine EM-Reminiszenz:
Eines Morgens fragt mich der Sohn: "Mama, warum hast du so rote Augen?"
Ich antworte: "Weil ich gestern so lange angestrengt auf den Bildschirm gestarrt habe." Gerade will ich noch ausführen, dass es mies bunte, kleinteilige Excel-Dateien gewesen seien, die Augenkrebs verursachen, da fragt er mich:
"Und, wie ist es ausgegangen?"
So - und mit Sonne, Eis und Farniente - lassen sich selbst die fußballfreien Tage aushalten.

Sonntag, 8. Juli 2018

Favoriten - Tag 24

Die wichtigste oder zumindest die meistgestellte Frage des Abends war: „Für wen sind wir denn?“. Beim Nachmittagsspiel war es zu Beginn noch einfach. Für die Schweden. Hätte man doch im Falle deren Sieges sagen können, der amtierende Weltmeister habe immerhin gegen einen Halbfinalisten gewinnen können. Vielleicht eine etwas verkopfte Argumentation. Vielleicht waren auch nur viele englische Claqeure eingeladen. Doch spätestens nach der ersten Halbzeit knickten selbst die lautstärksten Skandinavien-Supporter ein. Die Kraft-, Mut- und Tatenlosigkeit der Schweden führte dazu, dass man sich wirklich kein weiteres Spiel mit ihnen wünschte. 
Am Abend war es von Anfang an schwierig. Wir einigten uns darauf, dass es im Sinne des globalen Gleichgewichts wichtig sei, dass nun für Russland Schluss ist. Zum einen damit Putin nicht vollständig die Bodenhaftung verliert, zum anderen damit es keine Fangemetzel der Begegnung England-Russland geben muss. So waren wir geschlossen nicht wirklich für Kroatien, aber doch gegen Russland. Am Ende sind wir doch alle kroatiç.



Samstag, 7. Juli 2018

Far away - Tag 23

Ich war nicht dabei. Und habe doch im Outback die spannende Begegnung Belgien gegen Brasilien gesehen. Wenn ich nicht dabei bin, wagt sich der Sohn ins Private Public Viewing. Was soll mir das sagen?




Freitag, 6. Juli 2018

Spielfrei - Tag 22

Man bekommt so viel mehr von seiner Familie mit, wenn man nicht bis in die Nacht Elfmeterschießen gucken muss. Ich so: „Wenn ihr nachts rein und raus geht, schließt doch die Tür etwas vorsichtiger.“ Die Brut so: „Mama, du hast Fledermausohren.“ Ich so: „Nein, ihr wart einfach wirklich laut.“ Man wirft mir vor, ich müsse immer das letzte Wort haben. Ich weiß nicht, wieso.
Fasziniert stellte ich außerdem fest, dass ich ohne 20 Uhr-Spiel nach der Arbeit halbwegs ungehetzt Einkaufen gehen kann. Und in den ganzen heruntergesetzten Fußballdevotionalien stöbern kann. Dennoch scheinen sie bleischwer in den Regalen zu liegen. Mich sprechen sie gerade ob ihrer absurden Message an. Doch offensichtlich ist die Mehrheit ausschließlich am Fortkommen der DFB-Auswahl interessiert. Sonst ließe sie Kracher wie diese (zum Sonderpreis!) nicht liegen.

Ob in England Kinder-Schokolade mit dem Kinderbild von 'Arry Kaine erhältlich ist?

Donnerstag, 5. Juli 2018

Spielfrei - Tag 21

Wahnsinn, was man an einem Abend schafft, wenn man nicht in Sachen Fußball verhaftet ist. Sich um die vernachlässigte Familie und die verwahrloste Wohnung kümmern. Mit dem Sohn mehr als drei Worte wechseln - und die waren nicht einmal fußballverbunden. Gar mit ihm gemeinsam am Tisch Abendessen. Die Familienverhältnisse wären nur durch die Anwesenheit der Tochter noch schöner geworden. Man kann eben nicht alles haben. Im Anschluss an das Essen kam ich gar dazu, fast die gesamte Wohnung durchzuwischen. Lautstark David Byrne mitsingend - Ehrensache. Wie gut, dass der Sohn gegen Ende des Essens mit einem Freund loszog (der noch in den Genuss unserer letzten Essensreste kam und sich höflich dafür bedankte), denn diese Musik erträgt er selbst ohne meinen Beitrag nicht. Danach schaffte ich sogar noch, das Gröbste auf dem Balkon zu erledigen. Diesmal hatten die Nachbarn Freude an meiner Beschallung. Egal, Ferienanfang. Die Dezibels unmutiger, schlafunwilliger Kleinkinder erreichte ich ohnehin nicht. 
Doch ganz spielfrei war der Abend am Ende nicht. Ein Päckchen ließ den Fußball aufleben. Wenn auch nicht den deutschen.



Mittwoch, 4. Juli 2018

Erkenntnis - Tag 20

Während ich mich am Vorabend alleine fühlte, war ich es gestern Abend anfangs tatsächlich. Meine Mitseher fehlten zu Beginn der Partie England-Kolumbien. Ich kann nicht behaupten, sie haben mit der ersten Halbzeit etwas verpasst. Tore jedenfalls nicht. Einen Haufen Fehlpässe vielleicht. Einen parteiischen Schiedsrichter und Kommentator sicherlich. Doch das ist noch nicht die angekündigte Erkenntnis. Die heißt vielmehr: Finger weg von Sympathietipps! Die Albaner hatten mich am Nachmittag schon enttäuscht und gegen Schweden verloren. Dann ging noch mein Abendtipp in die Hose. 
Ab jetzt wird nur noch nach harten Fakten getippt. Dann kann man sich am Ende immer noch freuen, wenn die genehmere Mannschaft überraschend gewinnt.



Dienstag, 3. Juli 2018

Allein - Tag 19

Mit meinem Anfeuern der belgischen Mannschaft war ich gestern sehr einsam. Der Sohn postulierte, man müsse für Japan sein. Die Tochter sah das eigentlich genauso, war aber immerhin so konziliant zuzustimmen, Yannick Carrasco sei ansehnlich. Genau genommen fand sie gar, er sei der Bestaussehende der ganzen WM. Doch weit gefehlt, wer denkt, es handele sich ausschließlich um interfamiliäre Konflikte. Die anderen Zuschauer waren auch für die Japaner. Der Ausrüster war kein Argument für irgendwen. Wieder einmal spielte Adidas gegen Adidas. Meine Begründung, in der belgischen Mannschaft seien so viele Typen vereint, ließ man nicht gelten. Besonders der Sohn argumentierte, dann müsse ich auch für Brasilien sein, da seien echte Typen im Kader. Ach, was! Ein aufgeblasener Neymar kann doch nicht mit einem gesprengten Sofakissen, Rallo von der „Cleveland Show“, der belgischen Antwort auf Prinz Harry, dem jungen de Gaulle und einem kongolesischen Wandschrank konkurrieren. Es sah schon verloren aus für meine Sache. Doch nach dem Spiel stieß der Lieblingsnachbar zu uns und stellte in den Raum, er sei für die Belgier. Seine Autorität ist qua Prominenz und Präsenz größer als meine - und so verstummten die Asia-Freunde. Zumindest in der Gerd-Müller-Gedächtnis-Halle. Vor meinem Schlafzimmerfenster tagten sie bei Zigaretten und so weiter. Die glockenhelle Stimme der Tochter hört man selbst als schlafsuchende Mutter gut heraus.



Montag, 2. Juli 2018

Doppelbelastung - Tag 18

Unvereinbar scheinen Hausfrauentätigkeiten und Fußballgucken. Vor allem wenn es dann noch (zweimal!) ans Elfmeterschießen geht. Es gibt sie wohl auch immer noch, die klassische Rollenverteilung. Während die weiblichen Zuschauer in jeder Pause schnell Wäsche aufhängen, Blumen gießen, die Spülmaschine ausräumen, drängt es die männlichen vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen, oder zum Kühlschrank, um ein neues Getränk zu besorgen. Am Ende sind wir uns aber alle einig: derartig langweilige und langwierige Spiele lassen sich nur mit entsprechenden Kaltgetränken ertragen.



Sonntag, 1. Juli 2018

In anderer Mission - Tag 17

Zwar war gestern nicht mehr spielfrei, doch als Schirmherrin hatte ich andere Pflichten zu erfüllen. Diese trugen sich nicht einmal in Hamburg zu, weshalb ich in unserer Gerd-Müller-Gedächtnis-Halle schon wieder abwesend war. Auch wenn ich - wie man sagt - die besten Spiele des Turniers verpasst habe, gab es von meiner Seite kein Bedauern. Und dabei war das Upgrade vom Einzelzimmer auf die Suite noch das geringste Argument.



Spielfrei - Tag 16

In anderer Mission unterwegs. Und ohnehin spielfrei.