Freitag, 30. November 2018

Tatort fällt aus

Dass ich dem 2. Dezember entgegenfiebere, liegt nur bedingt am ersten Advent. Da sich zwei der lebenden Lieblingsautoren in unser Dorf begeben, wird die übliche Sonntagabendbeschäftigung mit Freuden ausfallen. Als ob das nicht Aufregung genug wäre: wir stehen auf der Gästeliste und duzen uns mit beiden. Wenn dieser Abend das Groupieherz nicht höher schlagen lässt, ist der Groupie tot, denke ich. In die Vorfreude - noch zweimal nachts schlafen! - mischt sich allerdings auch etwas Sorge. Was, wenn der neu hinzugekommene Blutsbruder, der auch noch der Top Act des Ganzen sein wird, sich nicht mehr erinnert? Wenn man unwissend angesehen oder, noch schlimmer, als klebriges Ärgernis eingeschätzt wird? Oder man doch nicht auf der Gästeliste steht? So gut ich ohne Falten könnte, weiß ich in diesen Momenten des Zweifelns, warum ich meine Teenagerzeit nicht vermisse. Was ich nicht weiß: was ziehe ich bloß an?

Donnerstag, 29. November 2018

Schwacher Geist in schwachem Körper

Die Zeiten mögen sich ändern, der Muskelkater nicht. Zumindest nicht zum Besseren. Daher beschließe ich, mein heutiges Sportprogramm auf exzessives Treppensteigen zu beschränken. Allein das Telefon hat bis 16 Uhr 26 Stockwerke erfasst, aber das habe ich - anders als die Generation X, Y, Z oder wie sie jetzt heißt - nicht ständig dabei. Also widme ich mich mehr dem Denksport. Mich beschäftigt seit längerem die Frage, ob in Deutschbüchern für Nicht-Muttersprachler (auf dem englischen Markt heißen die Standardwerke wahrscheinlich „Kraut 1-3“, in Frankreich „Ersatz 1-3“ und im spanischen Sprachraum vielleicht „Knackwurst 1-3“) als Replik auf „Danke“ unterdessen „Gerne“ gelehrt wird. Mit Freude nahm ich heute wahr, dass ein zugegeben nicht mehr blutjunger Mann in der U-Bahn auf mein Dankeschön mit Bitteschön antwortete. Ja, ich weiß, Sprache lebt, entwickelt und verändert sich. Doch mir gefällt nun mal das aussterbende „Bitte“ besser als „Gerne“. Vielleicht weil ersteres durch Betonung mehr (ironische) Spielarten zulässt. Meinen armen Kindern habe ich mit dem Einbleuen (nicht Einbläuen!) von „Ja, bitte!“ und dem als Objekt verpflichtenden Endungs-N bei Herrn sowie den korrekten Konjunktivformen eine vollends antiquierte Sprechweise eingetrichtert. Wie sollen sie da in der Gegenwart bestehen? Doch vielleicht brauche ich mir keine Gedanken zu machen, solange sie - wie beispielsweise letzthin der Sohn - aphoristische Sätze heraushauen wie: „Ein Freundeskreis ist keine Subkultur.“

Mittwoch, 28. November 2018

Zusatznutzen

Tiefes Graben in meiner Erinnerung ist notwendig, um zu ermitteln, wann ich das letzte Mal Muskelkater von echtem Sport hatte. Genau genommen kann ich es nicht rekonstruieren. Heute ist es aber so, dass sich die zitternden Muskeln des gestrigen Tages in einen anständigen Muskelkater verwandelt haben. Das Gute daran: wenn ich Gänge entlang und Treppen hoch oder runter schleiche, kann es weder auf mein Alter noch auf meinen postoperativen Zustand geschoben werden. Es liegt einzig und allein am exzessiven Sportprogramm. Schon diese Erklärung sorgt in mir für eine - wenn auch ausschließlich mentale - Frische.
Einen ähnlichen Effekt erziele ich an anderer Stelle mit Instagram-Postings: Wenn ich etwas hochlade, folgt meist postwendend - ach nein, im virtuellen Zeitalter heißt das ja instantan - ein Like der Tochter. So bekomme ich doch noch Lebenszeichen von ihr, obwohl sie aushäusig übernachtet. Außerdem empfinde ich den Bruch nach ihrem Auszug nicht so stark, wenn sie jetzt schon nur noch sehr sporadisch Präsenz zeigt. Die neuen Zeiten bringen eben nicht nur Schlechtes mit sich.

Dienstag, 27. November 2018

Das Übliche

Hach, man kommt vor lauter Steuererklärungeneintüten, Adventskränzen und Essen auch zu nichts! Förderlich ist es dann auch nicht, wenn die berufliche Wiedereingliederung als „In-Bestzeit-Auf-Vollzeit“ interpretiert wird. Von mir selbst am allermeisten. Wen wundert es da, dass ich am Ende meiner Trainingseinheit nur noch aus zitternden Muskeln zu bestehen scheine. Was mich viel mehr wunderte: dass der Obdachlose, dem ich gestern zwar kein Geld, aber immerhin ein Lächeln schenkte, mir „Gute Besserung!“ wünschte, als ich an ihm vorbeilief. Hatte ich doch am Wochenende so viele Komplimente für meinen ungewohnt geraden Gang bekommen, dass ich glaubte, man sehe mir Asymmetrien beim Laufen kaum noch an. Wahrscheinlich lag es einfach nur an den schweren Adventskränzen, die ich zu Fuß von A nach B transportierte. Das muss es gewesen sein. Immerhin hat sich der Einsatz gelohnt.



Samstag, 24. November 2018

Verbindung unterbrochen

Milde verwundert war ich, als ich gestern gegen 11 Uhr eine Nachricht der Tochter erhielt. Ein wenig auch deswegen, weil es keine Sprachnachricht war. Vor allem aber, weil sie den Inhalt enthielt, Veronika komme aus Solingen. Das wiederum löste bei mir keine Verwunderung aus, weil ich es schon wusste. Dennoch dachte ich darüber nach, ob die akademische Agenda Alkoholkonsum schon am Vormittag vorsieht.
Restlos besorgt bin ich nun, seit ich bei der Fahrt in die Gegend von Frau Ferres‘ Heimat feststellen musste, dass die Porträts von Carsten Maschmeyer und der Vroni als Sperrbildschirme des töchterlichen Telefons herhalten. Das geht in meinen Augen schon nicht mehr als Ironie durch. Ich befürchte, die Tochter driftet in die Masochismus-Szene ab. Wobei die Ferressche Geburtsgegend wiederum unbestritten viele Reize bereithält.



Donnerstag, 22. November 2018

Träume in Adverbien

Letzthin erschien mir in der Nacht das Baby einer ehemaligen Kollegin, die tatsächlich schwanger war. Ich fand es in meinen Träumen „enttäuschend hellhäutig“; kommt die Familie der Ex-Kollegin originär aus Ghana. Der Kindsvater wirkt eher europäischen Ursprungs. Ich befand diesen Teil meines Traumes für so amüsant, dass ich ihn am nächsten Tag dem Sohn erzählte. Der hielt ihn mit der entsprechenden Entrüstung für „rassistisch und politisch unkorrekt“. Konnte ich nicht nachvollziehen. Die betroffene Mutter übrigens auch nicht. Und selbst wenn: Ist es unterdessen soweit gekommen, dass ich auch politisch korrekt träumen muss? Dann lasse ich es in Zukunft besser ganz. Oder erzähle zumindest nicht davon.

Dienstag, 20. November 2018

Yin und Yang

Seit der Sohn wieder im Besitz eines Controllers ist, verbringt er etwa 90% des Tages (und wahrscheinlich auch der Nacht) damit, auf der PS4 das Westernspiel zu daddeln, das aktuell an jeder Ecke beworben wird. Altersbeschränkung 18 (!). Als ich letzthin ein herzzerreißendes Quieken aus seinem Zimmer hörte, erklärte er mir, er müsse ein Wildschwein erlegen. Ich, immer the big picture im Blick, so: „Richtig vegan ist das Spiel aber nicht!“ Er, nur kurz aufblickend (immerhin!) mit dem üblichen Unverständnis Jugendlicher ihren Eltern gegenüber: „Fiktion, Mama!“ Als nächstes wird er mir bestimmt erklären, das Spiel habe besonders für Veganer katharsische Wirkung.
Die Tochter hingegen plant akribisch ihre neue Wohnstätte. Sie geht eifrig mit ihrer Freundin und baldigen WG-Partnerin auf Flohmärkte und - wie gestern - in „ranzige Second Hand-Läden“. Als sie vom letzten Ausflug zurückkehrten, fragte ich sie, ob sie erfolgreich gewesen seien. Ja, erklärten mir beide strahlend. Die Freundin habe kleine Weingläser mit ihrem Initialbuchstaben erstanden und sie selbst einen Bildband über Tabak und die Freuden des Rauchens. Vielleicht ganz gut, dass ich mich eher um Kirschen auf der Torte wie Besteck, Decken und Wasserkocher für die Kinder kümmere.
Mein eigener Ausgleich fand nur in der Traumwelt statt. Immerhin. Nachdem der langjährige Ex-Chef mir irgendwann tatsächlich steckte, ich müsse aufpassen, „dass ich nicht vollkommen vertonne“, konstatierte der neue ehemalige Vorgesetzte zumindest in einem meiner letzten Träume, ich habe „erschreckend abgenommen“. In echt habe ich vielleicht abgenommen, aber erschreckend kann der Gewichtsverlust bei mir schon lange nicht mehr sein. Die vermeintliche Äußerung ist umso unrealistischer, als der Bis-Vor-Kurzem-Chef nicht für hiesige Klimaverhältnisse gemacht zu sein scheint: bei jedem etwas böigen Windstoß - und die gibt es hier öfter - befürchtet man, dass er umgepustet wird. Egal, für ein wenig virtuelle Nettogerechtigkeit reicht es allemal.

Sonntag, 18. November 2018

So schön ist die Heimat

Der nahende Auszug der Tochter verlangt von mir, in noch höhere Regionen des Zweckoptimismus‘ vorzustoßen. Nachdem ich in der Champions League zuhause bin, also jetzt die Superliga. Immer wenn mich also der Muddie-Blues überkommt, zwinge ich mich, gedanklich Listen aufzustellen, denen ich Vorteilhaftes entnehmen kann. Zum Beispiel:
1. Eier, Käse und Milch sind im Kühlschrank so lange vorrätig, bis ich sie selbst vernichtet habe. 
2. Kekse und Schokolade können wieder zu meiner Inzentivierung eingesetzt werden und müssen nicht als Belohnung für anstrengende 9,5 Wochenstunden universitärer Anwesenheit  herhalten.
3. Wimperntusche, Concealer und Nagellack verschwinden nicht - oder nur selten - nach dem Kauf unwiederbringlich.
4. Kein creme-, mascara-, make-up- und/oder nagellackverschmiertes Badezimmer (wenn man großzügig die Altlasten außer Acht lässt).
5. Strumpfhosen können wieder damit planen, ihr restliches Dasein in meinem Kleiderschrank oder an meinem Körper zu fristen.
6. Keine Waschmaschine, die ausschließlich mit der Wäsche einer Person läuft.
7. Kein empörtes Schmollen, wenn ich etwas mehr Mithilfe und Sozialverträglichkeit im Haushalt einfordere.
8. Kein Meckern mehr darüber, dass der Bruder so wenig im Haushalt helfe.
9. Um mindestens 50% reduzierte Stolpergefahr im Flur, da dort weniger Schuhe herumfliegen.
10. Weniger Jacken, Skripte, Verpackungen, Taschentücher, die außer mir niemand wegzuräumen gedenkt.
11. Seltener Sorge, wenn die Tochter nachts nicht nach Hause kommt (denn sie ist ja fortan woanders zuhause).
Eine Liste mit Nachteilen aufzustellen, ist mir aus Gründen verboten.

Freitag, 16. November 2018

Stolz

Lange ist es her, dass ich nicht meinen Kindern sondern mir selbst auf die Schulter geklopft habe, weil etwas geschafft ist. Heute geht es mal wieder. Nicht nur die erste Arbeitswoche - zugegeben in Light-Variante - liegt hinter mir, auch ebendiese ersten fünf Tage, die ich komplett ohne Stützen unterwegs war. Immerhin mit einem Schnitt von knapp sechs Kilometern und etwas weniger als zwanzig Stockwerken täglich, wie die Gesundheits-App des Telefons zu berichten weiß. Hinzukommen also noch die Aktivitäten, die ohne das iPhone stattfanden (ja, liebe Kinder, die gibt es in meiner Altersgruppe noch!) und das Workout. An einer Stelle ist jedoch kein Stolz angebracht: was die Einhaltung der Arbeitszeiten angeht. Da überreize ich es etwas. Hier ist noch Optimierungspotential. Doch warum sollte mir mit drei Stunden gelingen, was ich schon mit acht nicht schaffe?
Als halbwegs gute Mutter bin ich natürlich auch angemessen stolz auf das, was meine Brut fertigbringt. Zumal das hier aufgeführte Beispiel naturgetreue Psychogramme meiner Kinder liefert. Links die Tochter, das Arbeitstier; rechts der Sohn, der Künstler.

Warum vermerken die iPhones eigentlich nicht  auch irgendwo den Kopfhörerverschleiß? Da läge unser Haushalt im internationalen Vergleich sicher weit vom.

Donnerstag, 15. November 2018

Ach, was?

Obwohl oder vielleicht gerade weil es zu einem Medium für ältere Menschen verkommen ist, unterhält mich Facebook derzeit vortrefflich. Es gibt in meiner Timeline Artikel mit hohem Fun-Faktor, von meinen dortigen Bekannten werden amüsante Beiträge aufgetan und veröffentlicht. Wie beispielsweise den, in dem eine Online-Dating-Agentur die angeblich drängende Frage vieler nicht mehr ganz taufrischer Ungebundener beantwortet, wie man beim ersten Date peinliche Stille umgehe oder überwinde. Der ebenso lösungsorientierte wie überraschende Vorschlag besteht darin, Small Talk zu führen und sich beispielsweise über das Wetter zu unterhalten. Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen! Doch wundersamerweise kenne ich das Problem auch nicht. Hängt vielleicht damit zusammen, dass es bei mir eher ein Erstes-Mal-Date als tatsächlich ein erstes ist. Bei ersterem jedenfalls finde ich, sind Münder anderweitig besser eingesetzt als fürs seichte Reden. 
Die echte Welt kommt mir dagegen weniger unterhaltsam vor. Die ganze Zeit während des Muskeltrainings musste ich überlegen, ob ich nicht doch den Aufzug nehmen sollte, damit niemand denken könnte, ich nähme den Fahrstuhl wegen dieser Perle des Schilderdesigns:






Dienstag, 13. November 2018

Klammheimlich

In letzter Zeit ist an dieser Stelle wenig Bewegung zu verzeichnen. Recht selten veröffentliche ich einen neuen Beitrag. Das liegt weniger an meinem Sportprogramm oder an der seit gestern wieder praktizieren Light-Variante des Frondienstes. Der Grund ist eher die graue Alltagssuppe, die sich euphemistisch Herbst nennt. Golden, dass ich nicht lache! Dunkel trifft es eher, da könnte die Sonne zwischendrin scheinen wie sie wollte. Beim Aufstehen ist es stockfinster und am Nachmittag gegen 17:30 Uhr auch. Wer kann da schon Sinnstiftendes in die Tasten tippen? Und doch haben sich die Aufrufe dieses Blogs letzthin still und leise in sechsstellige Dimensionen, ja richtig: über 100.000 (in Worten: mehr als Einhunderttausend), katapultiert. Unglaublich.

Montag, 12. November 2018

Toll!

Mein Arbeitgeber hat ein Nachsehen mit meiner Situation: anders als erwartet kann ich nun doch wie gestern zwischendrin eine Waschmaschine starten. Obwohl ich mich morgens extra noch angekündigt hatte, ehe ich mich auf den Weg machte, unterließ man es, mir mitzuteilen, dass meine Anwesenheit eher am Nachmittag erforderlich sei. So arbeite ich heute auf Raten: erst morgens eine gute Stunde, dann nach Hause und anschließend am Nachmittag nochmal zweieinhalb Stunden. Macht in Summe etwas mehr als drei Stunden, ist aber abwechslungsreicher. Und der Wäscheberg wird auch abgebaut. So viel 360°-Denken hätte ich ihnen doch nicht zugetraut.

Sonntag, 11. November 2018

Hurra!

Heute um 14:35 Uhr war es vollbracht: die Formulare der Steuererklärungen 2016 und 2017 waren ausgefüllt. Na, gut - noch nicht ganz vollständig. Die Wohngeldabrechnung des Jahres 2016 muss ich irgendwie verbuddelt haben. Wie das in einem derart ordentlichen Haushalt passiert sein kann, ist mir unerklärlich. Zwei Beträge fehlen also noch zum Rückzahlungsglück. Wer jetzt denkt „Cool, sie hat es tatsächlich geschafft mit Apple-Devices eine Online-Steuererklärung oder gar zwei zu schaffen!“, dem sei ein bestimmtes „Nichts da!“ erwidert. Es funktionierte nur dank des Hinweises der Nachbarin, man könne sich die Formulare auch selbst ausdrucken und dann ganz klassisch mit dem Stift ausfüllen. Gesagt, getan. Und das Ganze in etwa zwei Stunden netto. Außerdem war es ein guter Testlauf für den Arbeitseinstieg, der für morgen geplant ist. Zumindest von meiner Seite und der des Arztes. Ich werde ganz verwegen dorthin gehen, auch wenn die Krankenkasse bisher nicht gezuckt und noch nicht ihr finales Go gegeben hat. Mal was Verrücktes tun. Ein Unterschied zwischen heute und morgen liegt darin, dass ich am Arbeitsplatz zwischen 2016 und 2017 nicht noch eine Waschmaschinenladung  einlege. Das wird wahrscheinlich der einzige Grund sein, weswegen die Brut die Wiedereingliederung kritisch sieht. Sind sie doch auffällig genervt von der Dauerpräsenz der ewig - grundlos, versteht sich - nörgelnden Mutter. Jedes Kind löst das Mutterproblem auf seine Weise. Die Tochter probt mit Dauerabwesenheit ihren nahenden Auszug. Von dieser Seite also nichts Neues. Der Sohn hingegen übt sich in einer neuen Rolle: Augenrollen und pampige Kommentare auf meine - vollkommen unberechtigte - Kritik. Irgendjemand muss diesen Part wahrscheinlich übernehmen. Und wenn es die Schwester aus Gründen nicht wie gewohnt kann, dann muss wohl oder übel er einspringen. Ist doch klar. It‘s a dirty job but somebody has got to do it.

Donnerstag, 8. November 2018

Nicht lustig!

Dachte ich schon, verdammenswert seien die Ikea-Nasen, die für Aufbau bzw. Anleitung zuständig sind, muss ich jetzt den für sie gedachten Platz in der Hölle den Elster-Machern reservieren. Meine private Verschwörungstheorie lautet, das Online-Steuerprogramm wurde von Steuerberatern entwickelt. Wer sich an Elster probiert, wird nahezu zwangsläufig in die Arme der Steuerprofis getrieben. 
Bei mir ging es damit los, dass der zugesandte Zugangscode die falsche Anzahl an Stellen hatte. Zum Glück stand auf dem Brief eine Telefonnummer. Die freundliche Dame vom Hamburger Finanzamt war leider keine große Hilfe: „Von Elster habe ich keine Ahnung. Bei mir hat das super geklappt. Hat mir aber auch mein Mann eingerichtet.“ Immerhin konnte sie mir die 0800er Nummer der Elster-Hotline geben. Nach nur etwa fünf Versuchen dirfte ich dort mit jemandem sprechen, einer nicht ganz so freundlichen ostdeutschen Dame. Deren substanzieller Beitrag bestand darin, mir zu erklären, ich solle mich beim bayerischen Finanzministerium beschweren, auf dessen Mist sei das Ganze gewachsen. Eine solche Beschwerde mag vielleicht katharsische Wirkung haben, kann aber ansonsten nicht viel. 
Heute kam ein neuer Code, der zahlenmäßig passte. Der Zugang klappt nun zwar nicht über die App und nicht auf dem MacBook, aber auf dem Browserfenster des iPhones. Das ist wahnsinnig benutzerfreundlich. Umso schöner, dass das Speichern der mühsam eingegebenen Daten nur im Ausnahmefall funktioniert. Nach mehreren Stunden hing ich immer noch an der Anlage Kind, die ich bekanntlich zweimal beharken muss. Eben genau der richtige Ausgleichssport neben schmerzender Hüftperipherie und Terminen im Zusammenhang mit Scheidungsanbahnung.

Dienstag, 6. November 2018

Mal etwas Klerikales

Es steht nach wie vor nicht zu befürchten, dass ich ins fanatisch Religiöse abdrifte. Auch wenn ich mich heute Abend in der Katharinenkirche befinde, in der ich mich normalerweise nur zum Weihnachtsoratorium aufhalte. Keine Sorge, es ist lediglich eine Lesung für eine gute Sache.

Im übrigen bin ich der Meinung, der Reformationstag als Feiertag hier in Norddeutschland ist die beste Errungenschaft seit Einführung der Fünftagewoche. Auch dieses Votum ist weniger lutherisch oder sonstwie religiös motiviert. Es geht mir mehr darum, dass ich dieses Jahr Anfang November zum ersten Mal seit Menschengedenken, naja, zumindest seit unserem Einzug, keine Eierpampe nebst zerbrochenen Schalen an unseren Fensterscheiben und in unserer Wohnung kleben habe. War klar, dass dieses Phänomen genau in dem Jahr auftreten würde, in dem sicher war, dass ich das Fensterputzen an die Brut würde delegieren müssen. In jedem Fall ist es einfach erklärt: es waren niemals missratene Wohlstandskinder, die am 31.10. mit Eiern warfen. Es waren wohl immer die an unserer Fensterfront vorbeimarodierenden Abendschüler. Diese haben wir nicht zu erwarten, solange der letzte Oktobertag wegen irgendwelcher an Kirchentüren genagelter Kürbisse schulfrei bleibt.

Montag, 5. November 2018

Bonusprogramm

Falls bei irgendwem Neid aufkommen sollte, dass ich an diesem grauen Novembermontag nicht in die Galeere muss, dem sei zur Beruhigung gesagt: ich konnte heute, zumindest bisher, mein Muckibudenprogamm nicht durchziehen, weil ich den Weg dorthin nicht geschafft habe. Das Hüftgelenk kann mir zwar keine Schmerzen mehr bescheren, aber das Drumherum schafft es gerade großartig, diesen Mangel zu kompensieren. Auf der Hälfte des Weges musste ich abbrechen. Rekonvaleszenz im Herbst kann also blöder sein als ein normales Arbeitnehmerdasein zur gleichen Zeit. Hilft das?

Sonntag, 4. November 2018

Vertauscht

Am Samstagmorgen empfing mich die Tochter mit dem leicht indignierten Vorwurf, ich sei am Vorabend aber sehr spät nach Hause gekommen. Nur weil sie einmal abends nicht aus war. Aber sie hatte ja recht. Nur wäre das doch mein Part gewesen.
Dabei ging es am Freitag recht harmlos los. Ich war auf einer Lesung im Hamburger Outback. Nachdem es beim Heimspiel schon einmal so gut geklappt hat, erweiterte ich also meinen Lesungsradius. Aber musste es gerade eine Schule sein? In Niendorf? Obwohl der Ort eigentlich egal war. Es war dieses beklemmende Gefühl, das die typischen Schulgebäude in mir auslösen. Dass ich gleich ein ewig gleiches Elterngespräch über den Sohn führen werde. Und dass ich wieder nicht wissen werde, wie ich die pädagogischen Anmerkungen zu seinen Defiziten quittieren soll. Ganz offensichtlich ein größeres Trauma als die eigene Schulzeit. Die Aufarbeitung dessen war nicht mit einer 1A-Lesung in der Aula getan. Es brauchte noch eine Nachbearbeitung in nicht-schulischem Umfeld. Und die brauchte ihre Zeit.

Nur gut, dass zu Hause die Verhältnisse jetzt wieder in geordneten Bahnen laufen. Die Tochter genießt das Nachtleben, während ich meine Abende vor dem Fernseher friste.

Freitag, 2. November 2018

Goldene Regeln

Heute habe ich wieder einmal gegen die guten Sitten verstoßen: in meinem Ärger habe ich mich beim Frühstück im Beisein der Tochter ungehalten über ihren Vater geäußert. Macht man nicht, weiß ich selbst. Als ich meinem Unmut Luft gemacht hatte, tat es mir auch sofort schon leid. Hätte aber gar nicht sein müssen, denn die Tochter forderte daraufhin, ich solle aufhören, mich über ihren Vater aufzuregen (eine Strategie, die sie trotz ihrer jungen Jahre offenkundig schon ganz gut beherrscht). Zusammenfassend meinte sie: „Mama, du brauchst ein Date!“ 
Dann will ich mal.

Donnerstag, 1. November 2018

Tots Sants

Wer mal so richtig Bock auf eine Herbst- oder Winterdepression hat, dem empfehle ich im November einen gemeinsamen Termin mit dem angehenden Ex-Mann bei der eigenen Anwältin. Nur richtig ist es allerdings, wenn er, also die Gegenseite, auf altruistischen Sympathieträger macht (plötzlich kann man Charme) und die Dringlichkeit des Projekts damit erklärt, er lebe in einer Beziehung und sie, also die Dame, belaste sein Verheiratetsein. Meines Wissens ist „sie“ übrigens diejenige, deren Geschlechtskrankheiten ich damals dankenswerterweise erbte. Ihr Seelenheil liegt mir damit sehr am Herzen.
Dunkle Stimmung kommt richtig auf, wenn man postoperativ mit der eigenen Begehrlichkeit hadert. Die volle Runde zur Depression nimmt man allerdings erst, wenn die bunte Zufallsmischung der Playlist mindestens „Hurt“ von Johnny Cash, Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ und „I Grieve“ von Peter Gabriel zum Besten gibt. Muddie hat eben die tollsten Tipps.