Donnerstag, 27. August 2020

Es reicht wirklich

Egal, wie sehr ich dagegen anwettere (!), die Herbsttristesse hält an. Gestern schlug ich einer Kollegin vor, einen Teams-Termin zum kollektiven Ritzen einzustellen. Doch sie lehnte ab. Mit der fadenscheinigen Begründung, sie gehe zum Yoga. Um ihre Ausrede noch etwas glaubwürdiger zu gestalten, wurde der Kurs gar als „Prio B“ deklariert. Das durchschaue ich doch sofort.
Heute wäre zu außerdem berichten, dass ich genau vor 22 Jahren geheiratet habe. Damals war das Wetter noch in Ordnung. Zugegeben, es regneten selbst in Berlin ein paar Tropfen herab, aber es war anständig schwül, wie es sich für Ende August gehört. Von Hochzeitstag oder gar Feierlichkeiten möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Nach gut elf Jahren seit der Trennung und sieben Monaten seit der Scheidung wäre das wohl nicht mehr opportun. Egal. Es ist alles gut so, wie es jetzt ist, und ich kann mich daran zurück erinnern, ohne allzu angefasst zu sein. Der Hauptschmerz ist unterdessen die vergangene Jugend.

Ansonsten ist heute der Tag, an dem mich meine Nachbarschaft das erste Mal seit langem mehr erheitert  als erbost hat. Unsere Verwalterin schickte gestern das Protokoll der Eigentümerversammlung. Keine Sorge, das war noch nicht der positive Aspekt! Heute kam die Beschwerde oder zumindest der Wunsch einer zugegeben nicht mehr ganz jungen, aber auch nicht wirklich alten, nach eigenem Ermessen wahrscheinlich berufsjugendlichen Nachbarin, die Verwaltung möge doch die Schriftgröße verringern, da das Protokoll beim Ausdruck sonst so viel Papier verbrauche. Damit ist sie auf der Überholspur und ohne Umwege in die Welt der Digital Natives vorgedrungen, meine ich.

Mittwoch, 26. August 2020

Es reicht

Nun haben wir ausreichend an Natur und Landwirtschaft gedacht, finde ich. Spätestens jetzt kann es meinetwegen auch wieder aufhören zu regnen. Der Herbst mit all‘ seinen mistigen Seiten ist hier lang genug, da braucht es keinen vorgezogenen im August. Wenn es nach mir ginge, wäre ohnehin keiner nötig. Aber nach mir geht es bekanntlich nicht. Während der Sohn in Spanien über allzu sommerliche Bedingungen klagt, maule ich eben weiter über die nasse Dunkelheit, die ihm ganz gut gefiele. Unnötig zu sagen, dass mir die Temperaturen über 30° mit Meer und Sonne zusagten. Wie so oft: verkehrte Welt.
Besonders blöd ist der übertrieben frühe Einzug in die Herbsttristesse, wenn er auf zusätzlich unerfreuliche Arbeitstage im häuslichen Arbeitsprovisorium (ich zitiere den ehemaligen Gatten nur ungern, aber in diesem Fall scheint er mit seinem „Nichts hält so lange wie Provisorien“ ganz richtig zu liegen) trifft. Das gilt noch viel mehr für Tage, an denen ich in meinem Ärger über diverse Kolleginnen Rumpelstilzchen gebe. Für die Stimmung ist es nicht förderlich, wenn die Mittagspause auf dem Balkon ins Wasser fällt und die Kaffeepause abrupt durch eine Husche beendet wird (deren Länge dennoch ausreicht, mir am aufgeweichten Balkontisch einen Splitter in die Handfläche zu jagen). Immerhin trug mich die Aussicht, abends zum Essen eingeladen zu sein, wenngleich mehr als fünf Kilometer entfernt. An sich ist es auch schön, sich nach neun Stunden immobilem Arbeiten aufs Fahrrad zu setzen und die großen Stadt pedalierend zu erkunden. Ehe ich nach Feierabend losfuhr, wartete ich noch einen besonders ergiebigen Regenguss ab. So kam ich nahezu trockenen Fußes an, und dem schönen Abend stand nichts im Wege. Für die Rückfahrt kündigte die Wetter-App Trockenheit an. Das allerdings stellte sich als Lüge heraus. Den ersten Schauer konnte ich fast trocken im Schutz einer Bushaltestelle überbrücken, den zweiten, dritten und vierten dann nicht mehr. Irgendwann war es egal. Als ich zuhause ankam, traf die Beschreibung „Begossener Pudel“ nur unzureichend zu. Ich war nass bis auf die Knochen. Meine Kleider tropften noch am nächsten Tag kontinuierlich in die Dusche. Endlich verstehe ich den Erfolg der Bekleidungsmarke „Superdry“. Diese Kleidungsstücke wären es gewesen.

Montag, 24. August 2020

War klar

Natürlich wissen wir spätestens seit Loriot, dass man auch an die Landwirtschaft denken müsse. Nicht wenige freuen sich vermutlich, dass in ihren Räumen seit Wochen das erste Mal Temperaturen unter 20° herrschen. Doch ich gehöre nicht dazu. Mir schlägt die herbstliche Atmosphäre - zumal im August - sofort auf die Stimmung. Der Versuch einer Mittagspause auf dem Balkon wurde vom Platzregen vereitelt, der Einkauf zum Feierabend wurde eine feuchte und wenig fröhliche Angelegenheit. Davon, dass ich Zutaten für eine Suppe besorgte, möchte ich gar nicht sprechen. Wenig aufbauend auch die Aussicht, im (echten) Herbst bei noch kälterem Wetter das Home Office weiter genauso wie im letzten halben Jahr so durchziehen zu müssen. Es ist schon auffällig, dass die, die keine Lobby haben, in ihren Wünschen nie gehört werden. Schließlich wartet die Einbrecherinnung unterdessen schon lange und entbehrungsreich darauf, dass diese enervierende, flächendeckende Heimpräsenz ein Ende findet. Aber an diese Schicksale denkt wieder niemand.

Samstag, 22. August 2020

Ahnengalerie

Ein Wochenende kann dann als erfolgreich verbucht werden, wenn Zeit bleibt, sich wirklich wichtigen Dingen zu widmen. Wie zum Beispiel dem Trosthuhn nach langem Drängen seinerseits, die Anfänge seiner Ahnentafel zu errichten. Dies ist mir nun endlich gelungen - und der häusliche Frieden ist wiederhergestellt. Wer weiß, wie nötig er noch wird, falls die zweite Welle kommt.

(Ich sage es nur ungern, aber das Trosthuhn kommt eindeutig mehr nach dem Großvater.)

Freitag, 21. August 2020

Er hat gar nicht gebohrt

Wenn eine unerfreuliche Arbeitswoche nahtlos in eine ebensolche Eigentümerversammlung übergeht, sind die Erwartungen ans frühe Wochenende nicht allzu groß. Wenn die Arbeit am Ende einen einigermaßen versöhnlichen Verlauf nimmt, weil das Jonglieren mit viel zu vielen Bällen erstaunlich gelungen ist und der Kunde ganz zum Schluss noch Bilder seines pittoresken Büroausblicks über Bergketten mit strahlendem Sommerhimmel schickt, steigt zwar das Fernweh, aber ein wenig auch die Befriedigung. Dann ist es nicht mehr ganz so schlimm, dass zwischen Rechnerherunterfahren und Beginn der WEG-Sitzung netto fünf Minuten liegen. Wenn anschließend die Sitzung im Vergleich mit den vorangegangenen zu den besseren gehört, in der sich das Angiften nämlich auf die letzte halbe Stunde beschränkt, macht sich Erleichterung breit. Dann ist zur Kompensation nicht so viel Alkohol wie gedacht notwendig. Das wiederum führt vermutlich zu weniger Dehydrierung und Elektrolysemangel am kommenden Morgen. Und dann kann es vielleicht doch noch ein anständiges Wochenende werden. Das ist auch gut so, denn die Vorfreude auf die kommende Woche hält sich trotz voraussichtlich anhaltender Sturmfreiheit in Grenzen. Aber darum kümmern wir uns ab Montag - und Melonencape statt Melonensonnenschirm ist bestimmt auch klasse.





Donnerstag, 20. August 2020

Kuriosa

Seit der Sohn in Spanien weilt, habe ich nicht den Eindruck, weniger mit ihm kommuniziert zu haben, als wenn er sich in unserem beschaulichen Dorf befindet. Vielleicht ist er nur virtuell verreist? Dass ich mit ihm öfter spreche, liegt übrigens weniger an etwaigen Besorgte-Mutter-Anrufen. Nicht selten meldet er sich. Einmal rief er mich beispielsweise an, um die Funktionsfähigkeit seines Telefons zu überprüfen. Er hatte versucht seine unverhoffte Mitbewohnerin der spanischen Wohnung zu erreichen. Als er sie nicht ans Telefon bekam, startete er den Testlauf mit mir (Mein  Kind! Immer den Fehler bei sich selbst suchen.), und ich konnte ihm mit Fug und Recht ein „An mir liegt es nicht!“ in den Mund legen. Leider reichen meine Spanischkenntnisse dazu nicht aus - seine bestimmt schon. So oder so, es geht ihm gut. Dass er viel schwitzt, liegt nur an den Temperaturen, nicht an seiner.
Ebenso wie der Sohn sind definitiv alle guten Geister, Feen und Heinzelmännchen aus dem Haus. Ich hatte bei der Arbeit schwer auf sie spekuliert, aber auch sie scheinen Urlaub in Spanien zu machen. So muss ich das Arbeitsaufkommen ohne sie bewältigen. Meine sturmfreie Zeit hatte ich mir in dem Punkt anders vorangestellt. Ich darf allerdings nicht klagen. Die Nachbarn wähnen mich unterdessen wahrscheinlich schon in einem anderen Gewerbe tätig, da ich jeden Abend mit wechselndem Herrenbesuch auf dem Balkon sitze. Was soll’s! Mein Ruf ist bei dieser Klientel ohnehin ruiniert, da ich immer die falschen Positionen beziehe.

(Wer hätte je gedacht, dass die Bahn und ich den gleichen Lieblingsgast haben?)

Dienstag, 18. August 2020

Allein zuhaus‘

In den letzten Tagen konnte ich nicht umgehen, mich von der hiesigen Aufregung anstecken zu lassen. Zwar gelte ich in diesem Haushalt ab und an als Corona-Leugnerin, doch an das Projekt des Sohnes hätte ich mich nicht getraut: er ist heute nach Spanien geflogen (und dort auch schon sicher gelandet!). Ich freue mich noch immer über meine übermenschliche Beherrschung, dass ich an keiner Stelle ein schnippisches „Na, Du musst es ja wissen!“ herausgehauen habe, was meinem Status und Alter entsprochen hätte. Stattdessen habe ich Wäsche gewaschen, damit alle Lieblingsstücke auch den Weg ins Mediterrane antreten konnten. Mich außerdem wie erwähnt von seiner Unruhe anstecken lassen („Mama, sind das mehr als vierzig Zentimeter/zehn Kilo?“), die mich einerseits schon fast an die Hektik erinnerte, die sein Vater zu solchen Gelegenheiten zu verbreiten pflegte, die mich andererseits rührte, weil er dadurch wie ein Vierjähriger wirkte. Immerhin konnte ich dem verständigen Kleinkind das Versprechen entlocken, er werde sofort nach Hause zurückkehren, wenn er sich krank fühle - auf meine Kosten, egal wie teuer. Das Zugeständnis entspannte uns beide. Zur weiteren Beruhigung kochte ich ihm gestern Abend, quasi zum Abschied, noch eines seiner Lieblingsessen, das er in Spanien erst einmal nicht bekommen wird: Lasagne. Sommerküche eben. Er nörgelte anfangs zwar ob meiner Zutaten („Wie, kein Beef? Wo ich doch gerade nicht vegan bin!“), aber strahlte dann wie vor fünfzehn Jahren, als er sich ein, zwei, drei Portionen einverleibte. Nur ich nicht ganz so, weil ich den Anfängerfehler beging, in einer neuen weißen Hose ein Essen mit Tomatensoße (siehe oben) zu kochen.
Eigentlich kann ich jedoch ziemlich stolz darauf sein, nur so wenig gekleckert zu haben.

Samstag, 15. August 2020

Mariä Himmelfahrt

Besonders lustig fand ich heute den Gedanken, in Süddeutschland können sie sich für ihren Feiertag auch nichts kaufen. Nebenbei ist auch noch der Geburtstag des Neffen. Ich beauftragte die Brut, mein Geschenk vorbeizubringen, da sie abends bei ihrem Cousin sein wollten. Die Tochter beobachtete das Geschenk und die Karte, auf der „Zum 24.“ stand. Fragend sah sie mich an und erkundigte sich: „Wieso Vierundzwanzigster? Heute ist doch der Fünfzehnte.“ Es ist ihr vielleicht doch zu heiß. Am Ende lachte sie wie üblich am lautesten über ihre Begriffsstutzigkeit. Schön war auch, als ich beim Einkauf einem jungen Mann begegnete, der einen großen schwarzen Hund an der Leine führte, genau genommen mehr hinter sich her zog. Missmutig blieb der Hund endgültig mitten auf dem Weg stehen. Woraufhin der Halter ihn fragte: „Dein Ernst?“. Noch immer frage ich mich, mit welcher Antwort der Mann rechnete. Doch mein Highlight dieses Wochenendes war bisher der Ausruf des zwölfjährigen, dauerdaddelnden Nachbarsohns, der Fortnite o.ä. nur dann links liegen lässt, wenn er von seinen Spaßbremseneltern in die Schule gezwungen wird, und der mit seinen Spielkommentaren die ganze Nachbarschaft beschallt: „Oh, mein Gott, ich habe eine Frau getroffen!“

(So schön ist die Heimat.)

Donnerstag, 13. August 2020

Sinnbild

Mein hervorstechendstes Bild dieser Saison war eigentlich das von allerlei Getier in meinem Umfeld. Weniger Alligatoren allüberall, als mehr Insekten und andere Kleintiere. Mücken meine ich auch nicht, die spüre ich mehr, als dass ich sie sähe. Spinnen an der Schlafzimmerdecke, Grashüpfer - sofern sie nicht von Rotkehlchen gefressen werden - ebenda, Käfer - zum Glück keine Kakerlaken! - in der Küche, Hummeln, Ameisen und Schmetterlinge auf dem Balkon, Wespen im Essen und fette Brummer am Fensterrahmen (der Sohn: „Fliegen haben schon sechs Beine, oder?“). Gestern Nacht verzögerte sich mein Einschlafen gar, weil eine Hornisse sich in mein Schlafzimmer verirrte. In ihrer Gegenwart wurde ich doch etwas unruhig: zum einen wegen der Angst vor einem Angriff, zum anderen weil ihre Flugbewegung überraschend laut war. All‘ das könnte ich wohl als „Nature is healing“ interpretieren, wäre da nicht das mindestens genauso prominente Bild dieses Sommers: zahlreiche Menschen, die mit (halb) herunter gelassener Maske in der Öffentlichkeit (bevorzugt vor Ladeneingängen) stehen und auf ihre Smartphones starren oder eindengeln. Bei Männern besonders beliebt in der Variante „Maske als Hängematte für das Ungeziefer im Rauschebart“. Da spricht leider nichts für Heilung.

(Neulich nachts in meiner Schlafkoje. Grün und grün gesellt sich gern.)

Dienstag, 11. August 2020

Aus dem Leben eines Faultiers

Schlafen gelingt gerade nicht so gut. Das liegt nicht einmal an den hohen Temperaturen. Dem Gejammer will ich mich nicht anschließen, mir gefällt das Wetter. Das Schlafproblem ist eher in Grübeleien begründet und in zu spätem Zubettgehen. Es war gestern Abend aber auch zu schön, mal wieder mit dem Sohn zusammenzusitzen und darüber wettzustreiten, wer von uns mehr und größere Mückenstiche habe. Am Ende einigten wir uns auf Unentschieden: er hat vielleicht mehr, ich dafür größere. Umso blöder ist es, sehr früh am nächsten Morgen durch den laut wimmernden Autoalarm eines Wagens, der sehr dicht an unserem Haus stehen musste, geweckt zu werden. Erstens riss er mich aus schönen Träumen (ja, auch solche gibt’s!), zweitens gab mir das Geräusch das Gefühl, in Spanien zu sein (es kann im plötzlichen Aufwachen schon einmal zu Standortverwirrung kommen), denn aus unserem beschaulichen Dorf kannte ich diese Ruhestörung bisher nicht - aus der zweiten Heimat schon. Anders als beim Leeren der Altglascontainer war es mit einer Viertelstunde Lärm nicht getan. Immer wenn eine etwas längere Ruhephase eintrat und ich mich anschickte wieder einzuschlafen, ging die Sirene erneut los. Nachdem ich diese Regelmäßigkeit festgestellt hatte, wäre es eigentlich vernünftig gewesen, einfach aufzustehen. Doch da es viel zu selten die Gelegenheit dazu gibt, tat ich lieber etwas Verrücktes und blieb liegen. Vielleicht sollte ich es demnächst wie die eine Nachbarin halten und nur noch die aus dem Umfeld grüßen, die sich gerade nicht in der Nähe eines Autos befinden (wenngleich vermutlich aus anderen Gründen)?

Montag, 10. August 2020

Besenrein

So sehr ich Sommer mag, hat die ewige Nörglerin in mir natürlich doch ein paar Kritikpunkte:
Da wäre zum einen das wärmeinduzierte Hirnvakuum, das sich nicht recht mit einem prall gefüllten Pflichtenheft Arbeit vertragen will. Außerdem kommt es zu übertrieben viel nachbarschaftlicher Präsenz in meinem Balkonumfeld. Diese im Zweifel auch von den weniger Guten unter ihnen. Zusätzlich verlangen die Balkonpflanzen in schnellster Taktung nach Wasser. Wer meine grüne Hölle und die amtierende Gießkanne kennt, weiß, dass dies mit viel Bewegung treppauf, treppab verbunden ist. Das wiederum sollte eigentlich bei höheren Temperaturen vermieden werden. Doch was soll‘s? Der Sommer ist schließlich kurz. C’est le nord! Was den Wasserverbrauch angeht, ist es wahrscheinlich ein Nullsummenspiel: das Mehr an Pflanzenbewässerung wird durch ein Weniger an Toilettenspülung ausgeglichen. 
Was allerdings wirklich störend ist, sind die vielen Mücken und die damit verbundenen Stiche. Irgendetwas strahle ich wohl aus, jedenfalls umschwärmen sie mich wie Motten das Licht. Zum Dank verpassen sie mir dann noch anständig Stiche. Am Wochenende gab es bereits die ersten Beschwerden: man halte sich schon extra in meiner Nähe auf und werde dann dennoch gestochen. Die Einhaltung der Abstandsregeln bringt eben nicht nur Vorteile. Ein Mückenmagnet zu sein, führt zu dem Dominoeffekt, dass sich auch Spinnen gerne in meinem Dunstkreis aufhalten, denn wo ich bin ist nicht nur vorne, sondern auch Nahrung. Ein Morgen im Bett entwickelt sich so schon einmal zu einem echten Morgengrauen, wenn eine fette Spinne (sie muss ein gewisses Kaliber haben, wenn ich sie in der Dämmerung, schlaftrunken und ohne Sehhilfe erkenne) sich Luftlinie noch anderthalb Meter von meinem Kopf entfernt weiter auf mich zu bewegt. Brave Mutter einer Vegetarierin und eines Tendenzveganers, die ich bin, habe ich den Achtbeiner aus dem Fenster in die Freiheit expediert. Seitdem frage ich mich, ob die gewonnenen Karmapunkte oder das Sprichwort mit Kummer und Sorgen stechen. Zumal die Dämmerung noch nicht so fortgeschritten war, als dass sie nicht noch als Nacht oder Abend durchgegangen wäre. Ich vermute, die nächsten Tage werden es zeigen.

(Weiterer Pluspunkt: zum ersten Mal habe ich den Oleander zum Blühen gebracht.)

Donnerstag, 6. August 2020

Meine Meinung

Vernünftig hätte ich es schon gefunden, wenn die Schule erst zwei Wochen später losgegangen wäre. Weniger, damit die zuhause gebliebenen Schulkinder doch noch in den Genuss echten Sommerwetters gekommen wären, als mehr, damit die nicht zuhause Gebliebenen zumindest ihr Virus zuhause lassen, das sie sich im Flugzeug oder anderswo aufgesackt haben. Aber mich fragt ja niemand. Dennoch habe ich mich wirklich gefreut, heute seit langer Zeit wieder einmal Schülerinnen und Schüler an meinen Fenstern vorbeimarodieren zu hören. Nie hätte ich gedacht, dass ich sie vermisste; doch es ist so. Zumal sie alle so gut gelaunt wirkten. Selbst den ewig stumm geschalteten Schulgong habe ich vermisst. Mittags hörte ich dann, wie sich ältere Schüler unterhielten. Der eine meinte, im Grunde gehe er zur Schule, um seine Mitschüler zu treffen. Ähnliches soll manch‘ einer auch in seinen Zeugnissen stehen haben, wurde mir früher einmal  zugetragen. Die gute Laune, katalysiert durch gutes Wetter (erster Tag mit 30° in diesem Jahr!), war so ansteckend, dass selbst ein Tag mit viel und nervtötender Arbeit ihr nichts anhaben konnte. Dafür allein hat sich der erste Schultag der Saison 20/21 gelohnt.

(Mentale Vorbereitung auf den Flamingo Friday)

Mittwoch, 5. August 2020

Seasons Greetings

Was mich an Teilen meiner Nachbarschaft wirklich erfreut, ist ihre Herzenswärme und -güte. Für die anderen gäben sie ihr letztes Hemd. Und weil das so ist, laden sie uns zu einem vorweihnachtlichen Kaffeestündchen auf der Gemeinschaftsfläche ein, zu dem wir doch bitte unser Gebäck und unser Heißgetränk selbst mitbringen sollen und für das wir außerdem bei Aufbau und Organisation mithelfen mögen. Die Einladung besteht vermutlich darin, dass wir den spannenden Schnurren besagter Nachbarin lauschen dürfen. Ich glaube, ich werde demnächst eine Mail ans Haus schicken, in der ich alle Bewohnerinnen und Bewohner herzlich einlade, unsere Mülltonnen zu benutzen - und dabei weise Ratschläge zu Zweifelsfragen der Mülltrennung abgeben werde. Das wird ein Fest! 
Ein Fest ähnlicher Preisklasse war die erste Tomatenernte dieser Saison auf meinem scheckheftgepflegten Balkon. Es bleibt im Zweifel auch ein nahezu singuläres Vergnügen, denn allzu zahlreich wird die nachfolgende Lese nicht mehr ausfallen. Sei’s drum, Harzfeuer rules!



Montag, 3. August 2020

Wirtschaftliche Trends

Eine der zentralen Fragen, die mich - wie vermutlich auch die Wirtschaftsweisen immer wieder - am heutigen Morgen beschäftigte, war, zu welchem Anteil sich die Motivation der Berufstätigen auf die gesunkene Wirtschaftskraft ausgewirkt hat. Diese Fragestellung drängte sich mir auf, als auch am ersten Montag im August die Glascontainer um 6:30 Uhr geleert wurden. Auch mein umsichtig geplanter Standortwechsel der Schlafstatt änderte wenig an der Situation. Über das Paradoxon, dass ich zeitlich festgelegt bin, wann ich einzelne Marmeladegläser und Weinflaschen einwerfen darf, während die groß und laut angelegte Leerung jederzeit stattfinden darf, möchte ich gar nicht sprechen. Aber dass es mich, auf diese Weise geweckt, noch weniger motiviert aufzustehen und das Bruttoinlandsprodukt voranzutreiben; davon verstehe ich etwas. Vielleicht ist das Phänomen von Wirtschaftsexperten auch eingerechnet: die Müllleute spornt es ungemein an, möglichst viele Anwohner unsanft aus dem Schlaf zu reißen, und diese langschlafendem, blöden Büromenschen sind ohnehin übertrieben gefühlig. Wie die Fachkraft an der Schranke des benachbarten Krankenhauses, die im Anschluss an die Leergutleerung ihre wenig liebreizende, aber dafür elektronisch verstärkte Stimme etwa einen Kilometer durch die Luft schallen ließ, in die Kalkulation einfließt, war mir dann auch egal. Zu dem Zeitpunkt wusste ich schon, Decke über den Kopf Ziehen bringt nichts. Auf der Habenseite: die zahlreichen, laut auf Autodächer knallenden Eicheln, konnten sich erst recht nicht mehr motivationsverrimgernd auswirken. 
Unser hiesiges Dorf mag zwar immer beschaulich sein, leise dafür nicht zwingend. Am Ende sind sowohl Müllwerker als auch Krankenhauspersonal wahrscheinlich Ortsfremde. Um an dieser Stelle endlich einmal wieder Asterix zu zitieren: „Ich habe nichts gegen Fremde. Aber diese sind nicht von hier.“ Chez nous geben sich mit Ausnahme ausgewählter Nachbarn schließlich fast alle verständnis- und respektvoll miteinander. Zeigt sich selbst am Geschenkpapier unseres EDEKAs zum Christopher Street Day/zur Pride Week:

(Ich nenne es: Detailfreude)