Dienstag, 31. Dezember 2019

No Sleep Till Next Year

Zum letzten Tag des Jahres konnte ich doch noch ein wenig Frieden machen mit dem Hamburger Verkehrsverbund, an dem ich sonst selten ein gutes Haar lasse. Bescherte er mir doch am Silvesternachmittag noch folgende Begegnung:
In der U1 eine Mutter mit drei Söhnen im Alter zwischen fortgeschrittenem Grundschulkind und Kleinkind in der Karre. 
Der Älteste: „Es gibt keinen Gott!“
Die Mutter: „Ach, ich dachte, du wolltest dich taufen lassen?“
Der Älteste: „Äh, vielleicht doch nicht...“
Der Mittlere blökt in die Unterhaltung: „Gott wurde am Kreuz genagelt.“
Der Jüngste: „Da da da da.“
Der Mittlere, für den Fall, dass es noch nicht der ganze Waggon mitbekommen hat: „Gott wurde am Kreuz genagelt.“
Und dann war ich leider schon angekommen, so dass ich schnell aussteigen musste, ohne noch sagen zu können: „Ich hoffe doch nicht.“ Das Gute daran: ich konnte meine Gesichtsbeherrschung wahren - zumindest bis zum Bahnsteig. In diesem Sinne, nur das Beste fürs Neue Jahr!



Montag, 30. Dezember 2019

2019 - Menschen, Tiere, Emotionen

Da mir Dienstleistung in die DNA geschrieben ist und Print und Fernsehen ihre Entsprechungen schon seit dem November heraushauen, wird es wohl Ende Dezember höchste Zeit für meine eigene Jahresbilanz. Los geht’s, da müssen wir jetzt alle durch!

Januar 
Der erste Monat des Jahres beginnt für mich gleich mit Paukenschlägen, die nicht Feuerwerk heißen. Zum ersten informiert mich der Noch-Gatte in einer Mail darüber, dass er entgegen unseren vorangegangenen Besprechungen die Scheidung eingereicht habe. Wie gut, dass er im Post Scriptum bereits das Aktenzeichen mitliefern kann. Am Folgetag finde ich schon das Schreiben des Amtsgerichts im Postkasten, die zeigt, dass beide sich vier Wochen Zeit gelassen haben mit der Information an mich. Während ich dem Amtsgericht noch unterstelle, mit Umgangsregelungen über Weihnachten alle Hände voll zu tun gehabt zu haben, vermute ich beim Initiator des Ganzen, dass ich keine Chance mehr bekomme, meine Millionen (welche genau?) beiseite zu schaffen. Zum zweiten ist mein neuer (aufgewärmter?) Arbeitsvertrag in der Post, so dass ich mich beim alten Arbeitgeber mit einem „Unter den Bedingungen unterschreibe ich den Mist nicht“ für das schöne verspätete Nikolausgeschenk - sie nennen es „Kunstgriff“, ich nenne es Knebelvertrag - bedanken kann und dort etwa acht Arbeitstage später raus bin. So kann ich kurz nach dem Sohn für einige Tage das Land verlassen und anders als der Sohn in der Sonne ein bisschen Wunden lecken. Ein Modell, von dem ich überlege, es auch im kommenden Jahr fortzuführen.

Februar 
Obwohl dieser Monat normalerweise in meinem eigenen Gammelmonat-Ranking nur kurz hinter dem November und Januar steht, ist er dieses Jahr aufregend. Alt und neu, spannend und vertraut miteinander vereint. Arbeiten, ich habe es noch drauf! Und werde für mein Werk auch noch überraschend viel gelobt. Innerhalb dessen gibt es auch im zweiten Monat in Folge ein paar Tage Sturmfreiheit. Überraschend, dass ein Februar so gut gehen kann.

März 
Kein schlechter Monat, aber auch kein spektakulärer. Das wird daran deutlich, wenn ich sage, dass die Highlights des März‘ ein toller Wochenend-Workshop, zeitweilig schönes Wetter und ein Konzert mit zwei Schweizern waren.

April
Ein Zeitraum, über den sich auch in diesem Jahr vor allem Geburtstag, Ostern und Frühlingsgefühle sagen lässt. Positiv kam 2019 hinzu, dass eine fast sommerliche, schöne kleine Flucht nach Berlin eingebaut war und dass wir eine Reise nach Moldawien klargemacht haben.

Mai 
Wäre da nicht der Tod Wiglaf Drostes gewesen, wäre die diesjährige Variante als Bombenmonat durchgegangen. Neben den üblichen freien Tagen lieferte er ein Element of Crime-Konzert (draußen und ohne Gewitter!) und sechs Tage in Moldawien. Postsozialismus mit überraschend wenig Post. Ich kann gar nicht sagen, was ich am beeindruckendsten fand: Dass das Land so arm ist und doch so wenig weit von uns entfernt in Europa liegt? Dass es dort Menschen gibt, die am Straßenrand sitzen, Kirschen oder Blumen verkaufen und doch ein modernes Smartphone in der Hand haben? Dass die Netzabdeckung besser ist als in Deutschland? Dass die Menschen so freundlich sind, die wenigen Touristen nicht ausnehmen, behumsen oder gar beklauen? Dass es Kirschen, Wein, Nüsse, Tomaten, Auberginen, Torten im Überfluss zu geben scheint, aber keine Bäcker, die einfach nur Brot verkaufen? Dass es keine Reiseführer und fast keine Postkarten gibt und dass das Tourist Office ein eher verstecktes Dasein pflegt? Dass sich in vollgestopften Oberleitungsbussen immer noch eine Fahrkartenkontrolleurin (Automaten gibt es nicht) durchquetscht, die neben dem Kartenverkauf auch Plätze organisiert und managt? Dass die Hauptstadt Chișinău eine typisch östliche „Prachtstraße“ hat, in deren unmittelbarer Peripherie Hühner auf kraterigen Nebenstraßen herumlaufen, als ob sie sich in einem usbekischen Straßendorf befänden? Dass es deutsche Touristen gibt, die die Schönheiten aus der Hotellobby noch von einem Satz von umgerechnet etwa 6,50€ meinen herunterhandeln zu müssen? Dass Wein nicht nur in Unmengen produziert wird, sondern sich qualitativ auch mit deutschem, französischem oder spanischem mehr als messen kann? Dass das Land großflächig unterkellert zu sein scheint, um den Wein zu lagern und dort ein Straßensystem zu haben, das größer und besser organisiert ist als hier im beschaulichen Dorf? Dass der Taxifahrer zum Flughafen auf 70 km/h herunterbremst, um über die eingebaute Bodenwelle (30 km/h Höchstgeschwindigkeit) zu fliegen? Dass sich der östliche Teil des ohnehin kleinen Landes danach sehnt, endlich wieder Sowjetrepublik zu werden und das Ansinnen auch knallhart durchzieht, obwohl es darin von niemandem, nicht einmal Russland, anerkannt oder gar unterstützt wird? Dass man dort mit transnistrischen Rubeln bezahlt und koscheren Weinbrand erwerben kann? Dass das iPhone nach der rumpeligen Tagesreise im scheddrigen Minibus (inkl. mehrerer Paniksituationen) 29 erklommene Stockwerke gezählt hat? Dass ich als Schisserin gewagt habe, das Land trotz Warnungen aus dem Umfeld zu besuchen? Und am Ende von der Reisebegleitung noch gesagt bekomme, ohne mich hätte sie sich die Reise nicht getraut? Ich weiß es nicht.

Juni
Verglichen mit dem Vormonat schnitt der Juni etwas blasser ab. Zwar begann er mit einem überraschend schönen Bryan Ferry-Konzert im Berliner Tempodrom, auf dem er zu „Jealous Guy“ ganz anständig pfiff. Doch dann ging er von einer immer noch überraschend schlechten Eigentümerversammlung (einzig positiver Aspekt: dass sie vermutlich die letzte mit Gattenteilnahme war) über stinkende Windelentsorgung der Nachbarn auf der Gemeinschaftsfläche in einen schmerzlichen Kollegenabschied über. 

Juli
Der Start der e-Scooter-Hysterie machte den dritten J-Monat nicht besser als den zweiten. Der Juli bestand in meiner Erinnerung ohnehin hauptsächlich aus zu viel Arbeit, zu wenig sommerlichem Wetter und einem abgewendeten Scheidungstermin.

August 
Auch dieser Monat brachte viel Arbeit und unsägliche Nachbarschaftsversammlungen. Aber auch sturmfreie Tage in Hamburg und ein schönes Wochenende in Berlin. Daneben konnte ich noch mein einjähriges Ersatzteiljubiläum und den einundzwanzigjährigen Hochzeitstag begehen. Da letzeres kein echtes Highlight ist, wenn die Scheidung in nicht allzu ferner Zukunft ansteht, feiere ich eben lieber das Durchhaltevermögen meiner Anwältin und den daraus resultierenden Verhandlungserfolg über die Gegenseite.

September
Zu Beginn des letzten Sommermonats schienen sich alle in den Urlaub abzusetzen. Das kann zwar als einzige Zurückgebliebene ärgerlich sein, kann aber auch erfreuen, wenn schöne Stunden der Sturmfreiheit dabei herauskommen. Letzteres entspricht wahrscheinlich eher meiner Art zu denken. Ansonsten erinnere ich mich an viel Nässe nach Fahrradfahrten zur und von der Arbeit.

Oktober
Ich gönne mir vier freie Tage (zwei Arbeitstage), um erstens den Dezember mit dem üblichen Urlaub noch zu erleben und zweitens traditionell den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu entgehen. Die Sonne ist bitter nötig, auch wenn sie zu leichten Sonnenbränden führt. Es folgt der unspektakuläre 19. Geburtstag des Sohnes, der so unspektakulär ist, dass ihn die gesamte Schwiegerfamilie einschließlich des angehenden Ex-Gatten, auch liebevoll Kindsvater genannt, ignoriert. Um mich von diesem Tiefschlag zu erholen, wird wieder eine kleine Flucht nach Berlin eingebaut, die nicht nur wegen des Bombenwetters (Sandalen am 20. Oktober!) positiv in Erinnerung bleiben wird. Zum Ende des Monats wartet die wiederum traditionelle Eierschlacht mit anschließendem Fensterputzen auf mich. Halloween ist eben Premiumbrauchtum. Zusammenfassung: In diesem Monat gab es immerhin zwei Feiertage, die anständig auf einen Donnerstag fallen. Nicht alles wird im nächsten Jahr besser.

November
Noch mit den letzten Ei-Ausläufern des Quasi-Reformationstages beschäftigt kann ich wie jedes Jahr wenig finden, was mich für die Jahreszeit begeistert. Diesjährige Highlights: erfolgreich absolvierter Notartermin mit der Gewissheit, demnächst alleinige Eigentümerin einer Wohnung in unserem beschaulichen Dorf zu werden, Thanksgiving und 1A-Adventsvorbereitungen inkl. Pfauen-Adventskranz.

Dezember
Wie jedes Jahr bereite ich mir meinen Adventskalender selbst, indem ich auch dieses Mal zum Jahrestag des schlechtesten Tages 2018 in die Sonne entfliehe. Schwamm drüber, dass die ersten sechs Dezembertage aus so übertrieben viel Arbeit bestanden, dass mich die Putzkräfte mit der Ansage nach Hause schickten, ich sei jetzt wirklich und wieder einmal die einzig Verbleibende im ganzen Haus. Sonne, Lektüre und Wein lassen vieles vergessen. Wie jedes Jahr besteht die Schwierigkeit (Erst-Welt-Probleme) darin, sich anschließend in Bestzeit in Weihnachtsstimmung zu bringen. Doch auch das gelingt hervorragend mit entsprechendem Essen und ebensolchen Getränken.

Im Nachhinein bin ich überrascht, dass alles nicht einmal vor einem Jahr passiert ist. Speziell Jobwechsel und die Frankreich-Affinität des Sohnes scheinen eigentlich Äonen zurück zu liegen. Trotz Fehlstarts kein wirklich schlechtes Jahr, aber eines, das fürs nächste noch Einiges an Luft nach oben lässt. 2020 ist schließlich ein Fußballjahr und kann jetzt kommen. Meine Meinung.



Samstag, 28. Dezember 2019

Weihnachten: Vorher-Nachher

Traditionell werden der 23. und 24. Dezember mit viel Beschaffung verbunden. Den kalorischen Part durfte ich weitgehend abgeben, doch den Präsenteteil musste ich durch vorangegangenes Nichtstun in wärmeren Klimazonen hart durchziehen. Die Schwierigkeit besteht immer wieder darin, am 24. Dezember mit Einbruch der Dunkelheit von Geschäftigkeit auf Besinnlichkeit umzuschalten. In der Folge ist die Herausforderung eher, die Abwechslung zwischen herzhaften und süßen Speisen nicht zu vernachlässigen, um das vorgegebene Plansoll zu erreichen. Das alles hat auch dieses Jahr - dank langjähriger Planungserfahrung und hervorragender Umsetzung (keine Sorge, kein Eigenlob, nicht mein Verdienst!) - wunderbar funktioniert. Nur komisch, dass ich am dritten Feiertag plötzlich wieder arbeiten sollte. 



Dienstag, 24. Dezember 2019

Daumenkino

Obwohl ich es nun langsam kennen sollte, kommt mein Kopf nicht hinterher, wenn ich morgens bei 25° noch auf dem Balkon sitze und abends in einem Hamburger Hotspot Geburtstag feiere. Dazwischen lag zur Umgewöhnung schließlich noch eine Fahrt zum Flughafen Valencia, die Abgabe des Mietwagens („Ach, der Kratzer ist so klein, den sieht man ja fast gar nicht. Aber geben Sie das Formular ruhig her.“ Ich habe eine Vermutung, was damit geschehen wird.), Kauf eines Geburtstagsgeschenkes im Duty Free Shop, Wartezeit am Flughafen mit drei Gate-Wechseln, Schuhwechsel im Flugzeug, der schweizerische Bordservice („Chäsbrödli?“), ein Sprint am Flughafen Kloten, der Unglauben über Gepäck, das mitgekommen ist, noch größere Freude darüber, abgeholt zu werden, ein kurzer Pitstop zuhause und weiter ins Partytreiben. Noch schlechter als mein Kopf kommen nur meine Füße mit, sie weigern sich zu akzeptieren, dass nun lange Monate des Eingesperrtseins auf sie warten. Weshalb ich gegen 3 Uhr nachts der einzige Partygast bin, der barfuß dasteht. Wie sollte es auch anders sein, wenn der Nagellack „Let’s Party“ heißt? Trotz rötlichem Schummerlichts wird angemerkt, ich habe braune Füße. Das kann ich nicht richtig beurteilen, halte es nach zwei Wochen Strandspaziergang im Meerwasser aber auch nicht für vollkommen unglaubwürdig. Am Folgetag wiederholt sich das Phänomen, wenn auch in etwas besinnlicherer Runde. Es geht schließlich auf Weihnachten zu. Auch das nicht ganz nachvollziehbar.



Freitag, 20. Dezember 2019

Na, bitte!

Durch die moderne Technik bin ich nicht vollständig vom Leben zuhause angeschnitten. Was Jobdinge angeht schon, bin doch keine Anfängerin, aber im Privaten gibt es somit keine Informationssperre. Auf diese Weise kann ich heute schon verkünden, dass der edle moldawische Champagner sich bereitmachen kann, seine öde Wartezeit in unserem dunklen Kühlschrank in einem Monat und einem Tag zu beenden. Vermutlich schon gegen Nachmittag. Aber wer weiß schon, wie lange so ein Scheidungsverfahren braucht? Ist schließlich meine erste Scheidung.

Dienstag, 17. Dezember 2019

Richtigstellung

Behauptete ich gestern noch, hier passiere nichts, muss ich es nun revidieren. Was definitiv nicht passiert, ist ein Sonnenbrand, denn es ist grau draußen. Eine Idee heller als das vorweihnachtliche Steingrau, das den norddeutschen Himmel charakterisiert, aber in keinem Fall blau. Der Übergang zwischen Himmel und Meer ist auch nur für Eingeweihte zu erkennen. Um also diesem Einerlei zu entfliehen, beschlossen wir, die Vorräte etwas aufzustocken und machten uns auf den Weg zum ersten Supermarkt am Ort. Wir frohlockten darüber, wie angenehm leer es dort an einem frühen Montagnachmittag ist. Selbst ein Parkplatz in der Nähe des Ladenzugangs war möglich. Der Einkauf verlief wie erwartet reibungslos, doch kurz war die Freude über die vielen Descuentos und Regalos. 

So fanden wir den blöden Kia wieder. 
Weit und breit keine weiteren Autos, aber das beulige goldene hatte es trotzdem geschafft, das rote Ding mit dem schlechten Karma anzuditschen. Weil der Wagen so stand, vermuteten wir, der Fahrer sei in den Laden gegangen und lasse uns gerade ausrufen. Es zeigte sich, dass nichts dergleichen passiert war, als ich eine Sicherheitsmitarbeiterin ansprach und ihr ein Foto des Malheurs zeigte. Erst fragte sie mich jedoch noch, welches nun mein Wagen sei. Ich versuchte, so viel Empörung wie mir auf Spanisch möglich ist in die Antwort „Der rote!“ zu legen. Bin vermutlich nicht der Kia-Typ. Sie zuckte nicht. Erst als ich fragte, ob man die Polizei einschalten solle, sah sie mich mit wahngeweiteten Augen an und widersprach vehement. Zurück zum Auto passierte erst einmal länger nichts. Dann kam ein netter junger Mann von der Sicherheitsfirma, der mich übertrieben hysterisch fand, als ich nochmals die Polizei ins Spiel brachte. Erst als ich feststellte, es handele sich um einen Leihwagen, war ich wieder halbwegs rehabilitiert. Er murmelte „Mala suerte“ vor sich hin und schob den anderen Wagen weg. Der ließ sich verschieben, denn er hatte zum Glück keinen Gang eingelegt, aber zu unserem Pech eben auch keine Handbremse („freno de mano“). So war der Wagen, nachdem der Fahrer ihn abgestellt hatte, wegen des abschüssigen Parkplatzes lustig heruntergerollt und eben gegen den Kia gedotzt. Jetzt war es an mir, mit großen Augen zu gucken. Ach, wenn ich wüsste, wie häufig das hier vorkomme! Nach geraumer Wartezeit erschien auch der Fahrer des Wagens. Der, wie er nicht ausließ zu erwähnen, nicht der Besitzer des Wagens sei, sondern ihn auch geliehen hatte. Ich glaube, ich hätte ihm kein Fahrzeug außer vielleicht einem Rollstuhl mehr gegeben, auch wenn sein Führerschein, wie ich jetzt weiß, noch bis zum Jahr 2021, seinem achtzigsten Geburtstag, gültig ist. Sehr klar wirkte er nicht mehr. Noch später kam seine Frau dazu, erkundigte sich, was Miguel schon wieder angestellt habe (so viel zu meinem Eindruck von der Fahrtüchtigkeit) und verzog sich auf ihren angestammten Platz ein wenig abseits. Die Männer waren sich einig, so etwas passiere nun mal, und begannen ein Formular zu suchen, das ich am Ende in „meinem“ Handschuhfach fand. Der Unfallverursacher versuchte noch, mich davon zu überzeugen, man sehe am Kia doch gar nichts (Du vielleicht nicht!). Da sprang mir der Sicherheitsmann zur Seite: ja, es sei nur eine kleine Stelle, aber eben ein Leihwagen; mit den Firmen sei nicht zu spaßen und am Ende habe „la chica“ (Danke!) den Ärger. Der ältere Mann jaulte, sein Auto sei doch auch geliehen (Wer war nochmal Verursacher? Und guck‘ dir die Beulenkiste mal an, El Blindo!). Irgendwann zog ich mir nochmals den Unmut der beiden auf, als ich doch glatt das Formular noch durchlesen wollte, ehe ich es unterschrieb. Zum Ende wurde alles mit Handschlägen besiegelt. Zu seinem gab mir Miguel noch ein „Encantado“ mit, was ich nicht ernsthaft bestätigen kann. Auch seinen anschließenden Ausruf „¡hasta luego!“ teile ich nicht. Ein Treffen (!) reicht mir völlig. Denn auch die Hoffnung, er könne vielleicht wenigstens beim nächsten Mal um Entschuldigung bitten, habe ich verloren.

Montag, 16. Dezember 2019

Blau, in jeder Richtung

Hier will einfach nichts passieren. Die Ruhe, die selbst am Wochenende herrscht, könnte zu vorweihnachtlicher Besinnlichkeit führen, doch dafür passen meinem Kopf die klimatischen Randbedingungen nicht. Irgendwie entwickelt „Jauchzet, Frohlocket“ bei 20° plus und Sonnenschein eine andere Konnotation. Akustische Weihnachtsberieselung und die Schlacht um Schinken (hier im Ganzen angeboten) im Supermarkt erzielen noch den meisten Halleluja-Effekt. Die Sicht auf das eigene Sommerkleid und die Sandalen zerstört dann wieder einiges. Sehr nett, der Blick der asiatischen Verkäuferin vom Sushi-Stand auf meine quasi nackten Füße. In einem Spanisch, das mir nicht weniger schwach als mein eigenes vorkommt, fragt sie mich - weiterhin auf meine Füße starrend -, ob mir nicht kalt sei. Ich verneine und füge hinzu, ich komme aus Deutschland, Hamburg, um genau zu sein, da könne man von Glück sagen, im Sommer solche Konditionen anzutreffen. Nach dem Bezahlen nimmt sie meine Hand und sagt triumphierend: „Doch kalt!“ Ich lasse ihr den Erfolg. Schon allein, weil meine Spanischkenntnisse für „Fischkopp, kalte Flossen eben!“ nicht ausreichen.
Auf dem Weg zum Parkplatz kommen wir am Popcorn-Stand, einem saisonalen Sonderstand für Schmalzgebäck und den hier immer noch üblichen Schaukelpferd-Automaten vorbei. Auch hier macht sich der Fortschritt der Technik bemerkbar: die Schaukelgeräte sehen moderner aus, etwa so wie ein Pferd bei den Mumins aussähe, spielen elektronische Musik und sind changierend von innen beleuchtet. Darauf sitzt ein Kind, das den Contest „Spain‘s Next Top Lustlose“ mit uneinholbarem Abstand vor ihren Wettbewerberinnen für sich entschiede.
Dass beim Spa (el espa) nichts außer Ruhe passiert, ist vorprogrammiert. Größte Aufregung ist das Gesicht der Masseurin, als sie unserer ansichtig wird: es wechselt zwischen den Schattierungen „Blankes Entsetzen“ bis „Euch fasse ich mit der Kneifzange nicht an“. Irgendwann wird klar, sie kann nicht anders. Bitte beachten Sie: nach plastischem Eingriff entspricht der Gesichtsausdruck nicht immer dem Gefühlszustand. Zumindest hoffen wir das immer noch.







Freitag, 13. Dezember 2019

Fürs Halten reicht‘s

Der dritte Tag in Folge, an dem die Bräune nicht gesteigert werden konnte. Dafür konnte ich meine favorisierten Nordsee-Lieblingssätze aus dem eigenen Fundus und dem der Verwandtschaft bestens anbringen: „Dahinten wird’s heller!“, „Die Sonne ist nicht fern.“ und eben „Fürs Halten reicht‘s.“ (Dabei geht es übrigens um den Teint.)
On the bright side (no pun intended): endlich habe ich Frieden mit dem Kia gemacht. Und das, obwohl ich erst das telefonbuchdicke (die Älteren erinnern sich) Handbuch des blöden Autos durcharbeiten musste, um den Tankdeckel öffnen zu können. Anstoß zur Zufriedenheit gab der hier hier kursierende Mini in einem grünlichen Ocker, für dessen Farbbeschreibung ich mich nicht zwischen „Galle“ oder „Durchfall“ entscheiden kann. Ich hätte es beim Autoverleih wahrlich schlimmer treffen können. 
Für die Nordsee-Atmosphäre spricht der Wind, der im Moment eifrig pustet. Dennoch kämpfe ich mich eifrig durch die Fluten. Selbst mit meinem Kampfgewicht muss ich aufpassen, nicht von Windstößen ins Wasser geschickt zu werden. Die Einheimischen sind eher sparsam unterwegs. Schließlich haben wir nur 21°. Kein Wetter, bei dem man den Hund vor die Tür schickt. Daher tragen die Hunde natürlich ihre schmucken Mäntelchen. Meine Lieblingsszene: eine Böe und der arme, ummantelte Pinscher wird sofort auf den Arm genommen. Besser ist das, der Rückschnappmechanismus der Leine könnte bei Wind und Wetter defekt sein.



Mittwoch, 11. Dezember 2019

Villariba und Villabajo

Während heute in jedem Nordseebad in den Sommerferien als ganz guter Tag (Hochnebel, Sonne, Wolken, vereinzelt Regen, dann wieder Sonne) durchgegangen wäre, gibt es hier Grund zur Klage. Zugegeben, ich habe mich beim Strandspaziergang ganz gut durchpusten lassen und sogar ein paar Regentropfen abbekommen. Aber das war nicht genug, um nicht barfuß am Wasser zu laufen oder gar eine Regenjacke anzuziehen (die ich auch gar nicht dabeigehabt hätte).
Zum Sonnenuntergang klarte es pünktlich wieder auf. Ungefähr zu der Zeit traf ich die Nachbarn, die erst mit tellergroßen Augen auf meine Füße guckten (der Nagellack ist aber auch schön! „Let‘s Party“ heißt die Farbe.) und dann mit erschreckter Stimme fragten, ob ich etwa spazieren gehen wolle. Nein, ich bringe nur den Müll herunter. Habe ich schon erwähnt, dass „basura“ eins meiner spanischen Lieblingswörter ist? Auf meinem Rückweg von den diversen Containern hatten sie sich schon zwanzig Meter weiter in Richtung Auto vorgearbeitet. Um zu betonen, dass es heute kalt sei (ja, klar 18° - plus, wohlgemerkt!). Ich verneinte verhalten. Windig ja, kalt nein. Darauf erntete ich wieder einen ungläubigen Blick auf meine Füße. Aber die Heizung in der Wohnung habe ich doch  sicher angestellt? Nein. Die Reaktion war große Aufregung bei den älteren Herrschaften. Da ich nicht Schuld an ihren Herzrhythmusstörungen tragen wollte, schob ich ein versöhnliches „Noch nicht, aber vielleicht heute Nacht.“ hinterher. Wenn auch nicht mit allzu viel Überzeugung. Ich fürchte, sie halten mich jetzt für übertrieben geizig: keine anständigen Winterschuhe und bei arktischen 20° in der Wohnung die Heizung nicht aufgedreht.



Dienstag, 10. Dezember 2019

Ein weiteres Dorf

Es ist ein Privileg, in der Vorweihnachtszeit das momentan nicht ganz so beschauliche Dorf gegen ein anderes eintauschen zu können. Die Atmosphäre ist hier wie dort gleichermaßen familiär, nur das Wetter im Süden kann mehr überzeugen. Neugierige Nachbarn gibt es an beiden Stellen. Einzige Unterschiede: in der Ferne kommen mir die Mitbewohner des Hauses nur neugierig, aber nicht missgünstig vor, und meine Antworten lassen hier ein wenig Finesse vermissen. So kann ich den hiesigen Nachbarn nur wahrheitsgemäß erzählen, was der Grund für die frühe Abreise meiner Eltern war und nicht lustige Räuberpistolen zusammenspinnen. Als kleine Kompensation für meine sprachlichen Unzulänglichkeiten nehme ich ihnen zumindest ihren favorisierten Parkplatz. Ein bisschen Spaß muss sein, wenn ich schon nicht das Lieblingsauto am Start habe. 
Warum ich für dieses Dorf allerdings so viele Socken mitgenommen habe, wird ein ewiges Mysterium bleiben. Mir am allermeisten.



Montag, 9. Dezember 2019

2. Advent

Noch immer schrecke ich wegen irgendwelcher Jobgeschichten aus dem Schlaf hoch, obwohl ich einige Kilometer zwischen mich und die Hamburger Hafencity gebracht habe. Egal, denn noch ist Wochenende - und nicht einmal der erste Urlaubstag angebrochen. Einen echten Rückschlag hat es auf dem Weg hierher gegeben: das gemietete Auto ist nicht das übliche und schon gar nicht das gewünschte. Anstelle eines Fiat 500 muss ich mit einem beknackten Kia vorliebnehmen. Es hilft auch nicht, dass es ein Viertürer ist, wir mögen uns von Anfang an nicht. Schlimmer noch, ich ärgere mich über jeden vorbeifahrenden Quinientos. Auf der Habenseite: wir kommen ohne Schwierigkeiten und Umwege am Ziel an. Außerdem ist das blöde Auto weihnachtlich rot, so finde ich es trotz beklagenswertem Designmangel auf Parkplätzen halbwegs zweifelsfrei wieder.
An Adventswochenende erinnert hier ansonsten wenig außer der Dekoration in den Läden. Statt Kerzenschein knallt die Sonne ungefiltert von überraschend weit oben am Himmel herunter. Übermittelte Bilder von Adventskränzen, Kaffeetafeln und Dunkelheit lassen mich jauchzen und frohlocken. So schön anders ist es hier. „Last Christmas“ lässt sich auch auf dem Balkon bei über 20° hören - für Sie erfolgreich getestet.




Samstag, 7. Dezember 2019

Vorher-Nachher

Vor dem Urlaub ist die Zeit, in der es wohl dazugehört, nachts um 3 Uhr aus Träumen vom angehenden Ex-Mann hochzuschrecken (als ob die nicht schlimm genug wären), um sich an irgendwelche Dinge zu erinnern, die bei der Arbeit noch getan werden müssen.
Nach dem Urlaub ist die Zeit, in der ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass die Sonne, wenn sie sich in dem engen Zeitfenster überhaupt zeigt, hier so tief steht, dass sie es nicht über einstöckige Häuser schafft.
Egal, höchste Zeit zu gehen.




Mittwoch, 4. Dezember 2019

Musik und Mutterherz

Wenn ich an diesem Wochenende nicht Fahrerin war, war ich DJane. Zumindest in der Zeit, in der wir unterwegs waren - was einen gar nicht so unerheblichen Anteil der beiden Tage ausmachte. Da galt es die Wünsche und Vorlieben von vier bis sechs Personen unter einen Hut zu bringen. Nicht ganz trivial, wenn sie von Country über Telenovela-Melodien bis hin zu Indie variieren. Das Gejaule des Sohnes zum obligatorischen „Delmenhorst“ in dessen Umgebung war selbstverständlich eingepreist. Doch insgesamt scheine ich es geschafft zu haben, wenn gegen Ende der Hinfahrt die Stimme der Tochter aus dem Fond kommt: „Wir (also ihr Bruder und sie) sind unendlich dankbar, dass du ABBA nicht magst. Sonst müssen alle das immer mithören, weil ALLE anderen Eltern das gut finden.“ Doch nicht alles falsch gemacht.

Dienstag, 3. Dezember 2019

Auch gut

Es hat auch Vorteile länger zu arbeiten. Im Sommer kann ich tolle Sonnenuntergänge genießen. Im Winter werden sie mir schon während der regulären Arbeitszeit geboten. In der dunklen Jahreszeit habe ich zu späterer Stunde die Möglichkeit, im öffentlichen Nahverkehr spannende Begegnungen zu erleben. So wie gestern. Die U4 fährt im Bahnhof Überseequartier noch nicht los, obwohl alle Türen geschlossen sind. Die Tür in meinem Wagen öffnet sich wieder. Ah, denke ich, gut dass noch jemand mitgekommen ist und nicht mindestens zehn Minuten auf die nächste Bahn warten muss. Es steigen zu meiner Überraschung zwei ältere Damen ein. Beide Typ „Schlichter, dunkelblauer Wollmantel und dezentes Make Up“. Sie sind sich, wenn auch damenhaft zurückhaltend, etwas uneins. Und das, obwohl die eine die andere in eine schöne Location eingeladen hatte. Die andere entschuldigt sich im gleichen Atemzug, keine Blumen mitgebracht zu haben („Wieso? Zu Dir nach Hause wäre ich doch auch nicht ohne gekommen!“). Doch zurück zu ihren Differenzen. Während die eine in den Zug einsteigen wollte, fand die andere das nicht. Diesen Zwist haben sie wohl bis zur allerletzten Sekunde ausgetragen. Selbst im Zug ist die andere noch relativ lautstark kritisch: „Billstedt! Da weiß ich doch, dass ich da nicht hin will!“
Am Jungfernstieg steigen beide aus. Meine Vermutung ist, dass sie dort richtig sind, um die S-Bahn nach Blankenese zu nehmen.



Montag, 2. Dezember 2019

Muss das so?

Welches Naturgesetz besagt eigentlich, dass Urlaub immer auf der letzten Rille angetreten werden muss? Ich glaube, es ist die Variation der Konstante, immer erst nach Antritt der Reise krank zu werden. Oder der derer, die besagt, dass alle die, die in den Sommer-,  Herbstferien und danach brav allerlei Urlaubsvertretungen übernommen haben, sich fortwährend Sprüche anhören müssen. Und dass die Replik, der viele Resturlaub komme nicht von ungefähr, ungehört verhallt. 
Egal, jetzt heißt es, trotz Arbeitsaufkommens noch ein wenig Besinnlichkeit zu spielen und sich für fünf Tage am Schlüpper zu reißen.



Freitag, 29. November 2019

Für mich immer noch Flamingo Friday

Keine Sorge, noch werde ich nicht zu der alten Dame, die bereits eine Dreiviertelstunde vor ihrem Fahrziel mit ihrem bleischweren Koffer und dem ebensolchen Persianerpelz im Gang des überheizten Zuges steht. Aus Sorge, sie könnte ihren Bahnhof verpassen. So weit ist es noch nicht. Dennoch habe ich am 28. November gegen 23 Uhr den Adventskalender fertig.
Zugegeben, zum ersten Mal seit Jahren sind nur 24 Tütchen zu befüllen. Das spart Zeit. Doch der eigentliche Grund für meine Hast liegt darin, dass wir das Wochenende nicht in unserem beschaulichen Dorf sein werden.
Pünktlich zum Klimafreitag habe ich zum ersten Mal seit langem ein Auto gemietet. Soll aber nicht als Zeichen verstanden werden; ist einfach nur Koinzidenz. So werde ich heute keine Gelegenheit zum Onlineshopping haben. Damit könnte meine Klimabilanz fürs Wochenende vielleicht etwas aufpoliert werden.

(Für meine Verhältnisse eher nüchtern. Er ist schließlich auch für einen vegan lebenden jungen Mann. Zielgruppenadäquat eben.)

Donnerstag, 28. November 2019

Geschafft!

Die erste Hürde ist genommen. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich einen Termin einsortieren soll, in dem der Notar mehr Emotionen hineinbringt als die beiden, deren Trennung gerade in erster Instanz besiegelt wird. In dem Zuge wundert er sich am Ende der Vertragsverlesung, wieso wir nach so vielen Jahren der Trennung beschlossen haben, uns scheiden zu lassen. Das ist der Moment, in dem auch ich etwas Gefühl zeige und sage, von „wir“ könne wohl keine Rede sein, wenn der Gatte ohne mein Wissen die Scheidung einreiche, weil die Verbindung nun keine Steuervorteile mehr abwerfe. Besagter Gatte grinst daraufhin dümmlich und sagt - ungewöhnlich! - nichts. Ich denke, wieder einmal, es ist alles gut, wie es ist. Wäre da nicht diese Suggestion seinerseits, „Du bist die abgelegte Alte“, könnte ich den Anlass vielleicht feiern. So heißt es nur, einen Tag zu Ende zu bringen, der beschlossen hat in die volle Runde zu gehen, weil er bei der Arbeit nur unwesentlich besser verläuft. Doch was mir am Ende bleibt: das Wissen um die bessere Anwältin. Die der Gegenseite (offensichtlich direkt nach dem Notartermin angefunkt, der Druck scheint hoch zu sein) glaubt ernsthaft, in diesem Jahr noch einen Scheidungstermin am Familiengericht zu bekommen. Vor Weihnachten, mit allen Umgangsregelungen. Immer wieder gut, mit Profis zusammenzuarbeiten. Aber wie ich den angehenden Ex-Mann kenne, war sie billig.

Dienstag, 26. November 2019

RIP Willy Brandt

Morgen also der erste Schritt in Richtung „Endlich wird formal getrennt, was ohnehin nicht mehr zusammengehört“. Auch wenn zu befürchten steht, dass am Ende der moldawische Champagner für diesen Anlass noch ins neue Jahr überdauern muss. Am morgigen Vormittag findet nun der Notartermin statt, bei dem ich auf alles Geld der Welt verzichten, aber dafür alleinige Monopoly-Spielerin auf der Brennerstraße sein werde. Meine einzige Sorge: dass die Erleichterung und eventuell daraus resultierende Tränen als Verlust oder Trauer gedeutet werden könnten. Drückt mir die Daumen, dass die Preußin in mir gewinnt.

Montag, 25. November 2019

Digital Detox?

Als ich heute früh mit einem Auge aufwachte, vermutete ich, jemand halte die Taschenlampe des Telefons auf mich. Dabei war es nur die funzelige (ein Wort übrigens, von dem der Sohn glaubt, ich habe es mir ausgedacht) Nachttischlampe. In der Nacht davor träumte ich davon, wie ich meine Instagram-Timeline herunter wische. Im Nachhinein könnte ich mir vorstellen, dies wäre eine geeignete digitale Variante des Schäfchenzählens. Dennoch habe ich den Eindruck, vielleicht eine Idee zu viel an mobilen Endgeräten zu hängen. Warum sollte das auch ein alleiniges Privileg der Generation X, Y, Z sein? Noch kann ich mich nicht durchringen, mein Smartphone mal ausschließlich für so verrückte Sachen wie Telefonieren zu verwenden. Es ist schließlich so gut wie Vorweihnachtszeit.

Sonntag, 24. November 2019

Von wegen Totensonntag

Ein weiteres Aktionismus-Wochenende neigt sich dem Ende entgegen. Das Motto meiner letzten Zeit: „Was ich alles noch vor dem Frühstück erledigte“. Während es gestern bedeutete, das Auto der Nachbarin um zu parken, weil in direktem Umfeld des Parkplatzes ein Baum gefällt werden sollte (versteht sich von selbst, dass die Sägearbeiten Sonnabend um 8 Uhr direkt vor meinem Schlafzimmer starteten und versteht sich außerdem, dass um die Uhrzeit auch kein Ersatzparkplatz in der Nähe zur Verfügung steht), stand heute früh - na, gut: am Vormittag - Kärchern des elterlichen Balkons auf dem Plan. Ich empfehle letzteres zum Aggressionsabbau. Es fühlt sich einfach gut an, in bester texanischer Manier eine Waffe in der Hand zu haben und dir vorzustellen, wie du unliebsame Nachbarn wegpustest. „Schätze, die Stadt ist zu klein für uns zwei.“ Dass hinterher auch noch alles sauber ist, nehme ich als positiven Zusatznutzen mit.
Zwischendrin war das Wochenende sogar noch feinsinnig. Als ich nämlich zwei Adventskränze gebaut habe. Um mich in Stimmung zu bringen, hörte ich ab und an „Last Christmas“. Der Sohn scheint für solche Feinheiten noch nicht reif zu sein. Er befand, das Lied könne er jetzt schon nicht mehr hören und meine Kreation, auf die ich so stolz bin, sei ein „After Eight-Adventskranz“. Ich finde das Attribut unter Umständen nachvollziehbar, aber für meinen Geschmack nicht wertschätzend genug.

Was ich im Zuge anderer Aktionen nicht geschafft habe: den Stapel Zeit-Ausgaben, der unterdessen die Ausmaße eines ausgewachsenen Butterbergs angenommen hat, abzuarbeiten. Doch wie sagt ein Kollege so richtig: Nächste Woche ist auch noch ein Tag.


Freitag, 22. November 2019

Tag mit leichten Gebrauchsspuren, kostengünstig abzugeben

Wenn ein bestenfalls trüber Tag im November damit beginnt, dass ich vor einer ersten Tasse Tee alle Pflanzen von den Fensterbänken räumen muss, weil die Fenster im unteren Geschoss nun doch nicht von außen bearbeitet werden können, verspricht er nichts allzu Gutes. Wenn ich dann die gesamte Erde einer sehr hochgewachsenen Pflanze am Türrahmen strandend aus dem Topf katapultierte und breitflächig im Eingang verteile, möchte ich nur noch zurück ins Bett. Für einen langen Winterschlaf. Dann hilft auch nicht das schöne Bild der flimmernden Heizungswärme vor dem offenen Fenster, ähnlich wie bei heißem Asphalt in der Sommersonne. Denn sofort schießt mir in den Kopf, dass der Glaser auch gut die darunter liegende Heizung hätte ausstellen können, ehe er seinen Bock im Fenster aufbaute. Ich überlege, meinen Tee im Keller zu trinken. Doch dann beginne ich Gefallen zu finden an den Erzählungen des Handwerkers. Dass der Architektin (aus Gründen müsste ich sie eigentlich in Anführungszeichen setzen) im wesentlichen wichtig war, dass das verwendete Silikon „matt“, nicht glänzend ist und dass es die exakt passende Farbe zur Fassade hat („Sie wollte, dass ich Produkt XY verwende, weil die Farbe noch dichter dran ist. Damit habe ich keine Erfahrung, das verarbeite ich nicht. Meins hat jetzt auch noch die bessere Farbe.“). Wir klopfen uns auf die Schenkel. Außen, mitten in der Großstadt, ab mindestens zwei Metern Höhe. Am Ende fast schade, dass auch ich zur Arbeit muss.
Wenn ich am Abend nach getaner Arbeit in den trockenen Supermarkt flüchte und dort für einen baldigen Anlass eine Flasche Sekt besorge, von der mich der Preis bisher abgehalten hat, obwohl sie so hübsch aussieht, die ältliche Kassiererin die Flasche anerkennend dreht und sagt: „Die zeigt was, oder?“, hat der Tag es doch noch aus dem Dispo-Limit geschafft.

Mittwoch, 20. November 2019

Jetzt erinnere ich mich

Jetzt dämmert es mir wieder (so deep!): November, das war doch diese Jahreszeit, in der ich es nach einer Stunde Kampf mit dem gemütlichen Bett endlich schaffe, aufzustehen. Um dann - kurz danach, in echt eine Dreiviertelstunde später - in meine Teetasse zu starren und meinem Kopf bei aller Anstrengung nichts Anspruchsvolleres als eine Bildstörung zu entlocken. Die Älteren erinnern sich an dieses graue Geflimmer auf dem Bildschirm. In der danach die Vernunft - wo kommt die plötzlich her? - siegt und ich mich wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht aufs Fahrrad setze, sondern mich aus Sicherheitsgründen lieber in die U-Bahn voller schniefender und keuchender Menschen presse. In der es theoretisch bei der Arbeit die Aussicht auf spektakuläre Sonnenuntergänge gäbe, hätte ich gegen 16 Uhr Zeit aus dem Fenster zu sehen. In der es fast egal ist, ob dich Regen, Nebel oder Kriechkälte durchnässt. In der ich das Maximum an Impulskontrolle anwerfen muss, um nicht ansatzlos eine zu drücken, wenn mir wieder jemand sagt: „Ach, Herbst ist doch die schönste Jahreszeit!“

Montag, 18. November 2019

Merkst du was?

Dir wird bewusst, dass die Heizperiode begonnen hat, wenn du kurz vorm Verlassen des Hauses im Wintermantel in der Wohnung stehst und es sich gerade mal angenehm anfühlt.
Du stellst fest, dass wohl November ist, wenn sich wieder diese Tage häufen, an denen es zwar heißt, die Sonne gehe kurz vor acht Uhr morgens auf, der gesamte Tag aber nicht über ein dunkles Steingrau hinauskommt. Und du nimmst - wieder einmal - zur Kenntnis, dass es in den nächsten zehn Wochen keinesfalls besser wird.


Du merkst, dass deine Kinder erwachsen werden, wenn sie anmerken, dass die Party des zwei Jahre Jüngeren „ganz schön laut gewesen“ sei. Alt werden sie wohl dann, wenn sie sich darüber beschweren und auch den abgestandenen Zigarettenqualm im Haus und die Kotze vor der Wohnungstür monieren. Wie gut, dass ich nach der Definition auch noch nicht als alt gelte.

Freitag, 15. November 2019

Demnächst bestimmt

Mein Ruhm muss noch etwas aufgeschoben werden. Egal, ich bin jung, ich kann warten. Das gehört schließlich zu meinen Kernkompetenzen. Bei der Arbeit bin ich unterdessen bereits auf der Metaebene angekommen. Ja, genau, höheres Level! Da warte ich auf den Absturz eines Programms und darauf, welche der mit dem Zufallsgenerator erzeugten Fehlermeldungen auf dem Bildschirm erscheint. Über das anschließende Warten, bis sich ebendas Programm wieder hochgefahren hat, reden wir Connaisseure nicht einmal mehr. Wir verbuchen es nur noch kommentarlos in der Zeiterfassung. 
Ab nächster Woche hat dieser Spuk dann sicher sein Ende. Bestimmt. Währenddessen spiele ich eben noch den Soundtrack meines Lebens, der in sieben Tagen  aus der Playlist verbannt wird. Bestimmt.



Donnerstag, 14. November 2019

Es geht voran

Ein Mysterium der Menschheit ist gelöst. Ein weiteres allerdings bleibt bestehen. Seit Menschengedenken frage ich mich, warum meine Kinder - ansonsten eher bright young things - nicht begreifen, dass Feuchttücher dann und nur dann (Mathematik-Grundkurs) solche bleiben, wenn ihre Verpackung nach Gebrauch geschlossen wird. Immer wieder, genau genommen täglich, erfreue ich mich an offenen Boxen in Badezimmern. Dieses Rätsel wird auch ein solches bleiben. Doch bin ich unterdessen hinter den rasanten Abbau der Tücher gekommen. Letzthin stand nämlich eine Feuchttücherbox (offen, Ehrensache!) auf unserer Showtreppe. In mein (absichtlich) geräuschvolles Aufräumen meinte der Sohn, es tue ihm leid, er habe die Box nicht weggebracht, nachdem er seine Schuhe geputzt habe. Ah, endlich Haushaltstipps der Generation Z!
Genauso wie meine Erkenntnis schreitet das Jahr voran. Es ist schon bald vorbei. Ich trage dem Rechnung, indem ich gestern den Wintermantel herausgeholt und gar angezogen habe. In die letzte Runde scheinen auch die letzten Maßnahmen zur offiziellen Trennung vom Vater meiner Kinder zu gehen. Er meldete sich gestern, wie ich vorgehen wolle für den „gemeinsamen Notartermin“. Meine Antwort war kurz: „Deine Party, würde ich sagen.“ Ich schäme mich immer noch. Für den falschen Konjunktiv. Zu meiner Verteidigung: der richtige hätte zu gestelzt geklungen.
Schwamm drüber! Heute scheint die Sonne und im Wintermantel ist es ganz kommod. Außerdem nimmt heute mein kometenhafter Aufstieg in die Welt des Ruhmes seinen Beginn. 

Dienstag, 12. November 2019

Weiteres aus der Vergangenheit

So aufregend, dieser Herbst 1989! Gut, den Mauerfall hatte ich im Badischen verpasst. Aber es würde doch noch einige andere erste Male geben. Schließlich kam ich im Dezember mit meinem damaligen Freund zusammen. Zugegeben, beim ersten ernsthaften Besuch seiner Wohnung im idyllischen Teil Spandaus klingelte es an der Tür. Er öffnete einigermaßen derangiert. An der Schwelle standen sein Cousin (?) und dessen Frau oder Freundin, die in bester ostdeutscher Manier nicht in Erwägung gezogen hatten, vorher anzurufen, um nicht die zwanzig Kilometer umsonst gefahren zu sein. Er freute sich natürlich über ihren ersten Besuch bei ihm (ach, die auch?). In meinem zerzausten Zustand hielt sich meine Begeisterung über die Ostverwandschaft in Grenzen. Sie hielten mich daher für eine eingebildete Westlerin, fürchte ich. Ein Eindruck, der sich wahrscheinlich noch verstärkte, als ich sie beim Gegenbesuch in Ost-Berlin später mit großen Augen ansah, als sie mir von ihrem „Borge-Buch“ berichteten (und es auch vorführten), in dem sie akribisch jedes verliehene Buch oder anderes aufschrieben. Irgendwas verhinderte wohl in meinem Fall immer die innige Ost-West-Beziehung. Eigentlich nur konsequent, dass ich dann auch den ersten gemeinsamen Silvesterabend am Brandenburger Tor verpasste, weil ich mit unüblich starken Bauchschmerzen im oben genannten idyllischen Spandau im Bett lag.

(Mein Soundtrack aus der Zeit)

Samstag, 9. November 2019

Historisches

Im Herbst 1989 war ich gerade so weit, dass der Kummer über die nicht gleichermaßen erwiderte große Liebe langsam von todtraurig in unmutig umschlug. Der Soundtrack wandelte sich von Joy Division und Element of Crime eher in Prince um. Das Wintersemester war zwar gerade wieder losgegangen, doch im Rahmen des neuen Studentenlebens konnte ich mir schon vorstellen, ein verlängertes Wochenende außerhalb West-Berlins einzulegen. So begab es sich, dass ich den 9. November nicht in Berlin, sondern in Endingen am Kaiserstuhl verbrachte. Am besagten Donnerstag war der 50. Geburtstag der Mutter meiner damals besten Freundin und wurde ebendort gefeiert. In einer Familie, die man heutzutage wohl dysfunktional nennte. Mir kamen die Konstellationen damals im wesentlichen anstrengend vor. Noch vollkommen undigitalisiert sprach sich die Kunde der Ereignisse in der fernen Heimat nur sehr zeitverzögert, also nach der Feier, herum. Währenddessen beschäftigten sich die Gäste eher mit der Frage, warum der Mantel nicht passte: „Isch au dei Kittele nidde!“ Irgendwann in der Nacht, als die Gäste mit den richtigen Jacken gegangen waren, sahen wir die Bilder dann doch. Na, großartig, da war einmal was los an der Grenze und ich hing im noch verschlafeneren Kaiserstuhl! 
Wie gut, dass ich anschließend rechtzeitig zurück in Kreuzberg war, um mich an leeren Obstkonservenregalen bei Kaiser‘s, Reichelt, Meyer und überall sonst zu erfreuen. Und auf dem Weg von zuhause zur HdK nach Charlottenburg vom Fahrrad zu fallen, weil die sich stauenden Trabant-Schlangen am Landwehrkanal noch mehr schlechte Luft als sonst produzierten. Immer hatte mich genervt, wenn Westdeutsche gefragt hatten, ob ich mich in West-Berlin nicht eingesperrt fühle. Im Laufe des Novembers 1989 hätte ich die Frage das erste Mal in meinem Leben verstanden. Da stellte sie niemand mehr.

(Vielleicht nicht das schönste Bild von 1989, aber das mit der passenden Stimmung)

Donnerstag, 7. November 2019

Ruhm oder Rum?

Nachdem ich vorgestern hier den angeblich besten Post meiner Karriere platziert habe (hoffentlich nicht aus der Kategorie „Füße hoch, das Niveau kommt!“), ruhe ich mich jetzt auf meinen Lorbeeren aus. Der Text über meinen 9. November 1989 braucht etwas mehr Zeit, die ich gerade nicht habe.
Daher bleibt mir nur zu hoffen, dass ich durch eine Erwähnung im redaktionellen Teil einer mir nicht ganz unbekannten, großen Frauenzeitschrift irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft zu Ruhm (oder zu Rum, wie die Tochter früher in dem Zusammenhang sagte: jemand habe sich nicht mit Rum bekleckert) gelange. Bis dahin heißt es, sich preußisch gesinnt am Schlüpper zu reißen. Ein Unterfangen, das durch die Tristesse der dunklen Jahreszeit nicht leichter wird.

Dienstag, 5. November 2019

Ärger im Fontane-Jahr

Frau von G. auf G. im Elbeland
Ein Wecker an ihrem Bette stand 
Und kam die miese Herbsteszeit
Und Nässe und Kälte wüteten weit und breit
Da hatte, wenn‘s Mittag vom Turme scholl,
Sie gestrichen die Schnauze voll.
Und kam in Sneakern ein Kollege daher,
So rief sie: „Du Lappen, willste noch mehr?“
Und kam er zufällig nochmals vorbei,
Rief sie: „Willst du nochmal auf die Zwei?“

So spendet Senge noch immer die Hand
Der von G. auf G. im Elbeland.

Montag, 4. November 2019

Nachlese

Das Wochenende endet wirklich ausbaufähig, wenn ich gegen 6:30 Uhr wieder einmal von der Leerung der beiden Altglas-Container nebenan geweckt werde. Ist doch nicht so schlimm, mag die/der eine oder andere denken. Wohl! Da ich mir auf Anregung des Sohnes ab heute als „neue“ Weckmelodie „1st of da month“ installiert habe und dem Wecken entgegenfieberte, um das nette „Wake up, wake up, wake up, to get up...“ zu hören. Die Woche wird also spätestens morgen früh besser.
Das Wochenende stand stark im Zeichen des Fußballs. Schließlich hatte Liverpool in letzter Sekunde das Ruder noch herumreißen können. Daher - und wegen des veganen Blueberry Pies, den ich auf seinen Wunsch gar nicht so schlecht hinbekommen habe - war der Sohn guter Stimmung und weigerte sich ausnahmsweise nicht, die Sportschau mit mir zu gucken. Bayern, das Schicksal des Trainers oder Leipzig interessierten ihn dabei gar nicht einmal. Vielmehr ließ er sich zu diesen weisen Teenagerworten hinreißen:

„Feigenspahn, was für ein Drittliganame! Der kann es gar nicht in die erste schaffen. Schweinsteiger ist der einzige, der es mit so einem Namen against all odds in die Bundesliga geschafft hat.“

Darauf ein weiteres Stück Blaubeerkuchen.




Freitag, 1. November 2019

Reformationstag, da war doch was

Unterdessen könnte es sich herumgesprochen haben, dass das Brauchtum und ich in diesem Leben keine Traumpartner mehr werden. Es ist etwas Frühkindliches. Kürbisse und Laternen markierten im Kindergarten der Brut unzweifelhaft den Beginn der Tristesse, die von Laternelaufen über Advent zu Fasching überging und dann im Eier Auspusten endlich ihr Ende fand. In jedem Fall so gar nicht meins. 
Doch ich bin kein Unmensch. Also hatte ich gestern brav Süßigkeiten parat. Zugegeben, nichts Gluten-/Laktose-/Schalenfrucht-/Zuckerfreies, aber immerhin nicht Edle Tropfen in Nuss, mit denen ich für diesen Anlass kurz liebäugelte. Die Idee dann aber brav verwarf. So saß ich abends im Schummerlicht und wartete auf bettelnde Kinder. Doch niemand kam. Was mir tatsächlich begegnete, war erst die Rüge des Sohnes, ich solle das funzelige Licht ausschalten. Dann kamen die fast traditionellen Eier, die an meine Fensterscheiben flogen. Dies führte dazu, dass ich mich mit dem Supersoaker bewaffnete und zurückschoss. Ich befürchte zwar, mein Wasserstrahl traf niemanden, aber für den Aggressionsabbau war der Einsatz potenter Wasserwummen auf jeden Fall hilfreich. Doch meinen höchsten Trumpf hatte ich noch nicht ausgespielt. Irgendwann fiel mir mein bestes Argument ein: „Dann esse ich die zehn Knoppers eben ganz alleine!“ Das saß. Ich muss schließlich auch an die ganzen Kalorien denken, die ich beim Fensterputzen verbrauche.
Wem alles Vorangegangene zu kulturpessimistisch daherkam, hier endlich die positive Wendung: Ich kann verkünden, dass ich neben einem Lieblingskreisverkehr nun auch ein Lieblingsschild habe. Und das Tollste, es ist ganz in meiner Nähe!

(Dazu muss gesagt werden, wer wirklich dem Schild folgt, landet wahrscheinlich frühestens in Bremen bei der Polizei.)

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Es liegt wohl an der Jahreszeit

So müssen sich bipolare Menschen fühlen. Heute bei strahlendem Sonnenschein Feiertag in unserem beschaulichen Dorf, morgen bei jedwedem Wetter, in jedem Fall zu früh, zur Arbeit. Und dann das Wissen, dass Süddeutsche traditionell ausschlafen und herumgammeln dürfen. Ich habe beschlossen, mich heute mehr zu freuen als mich morgen zu ärgern. Man muss auch gönnen können. Aber was mich wirklich verstimmt: dass ich das Martin-Luther-Playmobilmännchen zum 500. Reformationstag nicht bekommen habe. Das kann schon den ganzen, schönen Feiertag vermiesen.

(Ich nenne es: Blitzeblanke Fenster vor keltischen Bräuchen)

Montag, 28. Oktober 2019

Über Nacht

Auch wenn das Wochenende eine Stunde länger als ein handelsübliches war, es genügte nicht. Der Montag kam doch wieder zu früh. Immerhin konnte ich einige meiner Vorhaben umsetzen: Formulare für die Bank ausfüllen, Aufräumen (in homöopathischen Dosen) und Fenster putzen. Die Idee dabei ist, dass etwaige Eierpampe zu Halloween an sauberen Fenstern nicht ganz so gut klebt wie an städtisch-mattverglasten. Mal sehen. Außerdem habe ich am Sonnabend einen Kürbis besorgt, ihn wenig fachmännisch entkernt und aus dem Fang eine Suppe gekocht. Eigentlich bin ich nicht die allergrößte Kürbisfreundin, aber was tut man nicht alles fürs saisonale Brauchtum. Um das Ganze noch altruistischer zu gestalten, wurde die Kürbissuppe gar vegan, damit der Sohn auch teilhaben konnte. Seine Reaktion, nachdem er ein paar Löffel genommen hatte: „Mama, ich vergesse immer, dass ich Kürbis gar nicht so mag.“ Sein Urteil hatte zur Folge, dass ich fortan alleine für die Vernichtung zuständig war und große Mengen überschüssiger Suppe im Kühlschrank unterbringen musste. Das gaben die dortigen Kapazitäten leider nicht her, so dass ich ihn etwas leerte. Aus vielen evakuierten Eiern und anderem entstand in der Not ein Kuchen. Diesen brachte ich überraschend ausgeschlafen heute bei der Arbeit mit. Dort wenigstens wurde mir (oder meinem Werk) Zuspruch zuteil.

(„und voller Wehmut stell‘ ich mir die Uhr eine Stunde zurück“)

Sonntag, 27. Oktober 2019

Richtigstellung

Natürlich habe ich im Hinblick auf des Sohnes Geburtstag schamlos übertrieben. Am Sonnabend, nur 16 Tage nach dem Saisonhöhepunkt, gab es nämlich Geschenke vom Vater. Ja, Plural - zwei Geschenke gar. 
Es klingelte intern an der Tür. Ich rechnete mit der Nachbarin zur Klärung des Abendprogramms. Stattdessen stand dort der angehende Ex-Mann. Seine herzliche Begrüßung lautete: „Ach, Du bist‘s?“ Ob ich den Sohn holen könne. Damit war unsere Konversation beendet. Auch gut. Er überreichte dem Ex-Jubilar zwei nicht weiter als original verpackte Packungen mit Telefonladekabeln. Auf dem einen war der UVP in sensationeller Höhe von 1,99 Euro aufgedruckt. Das zweite wird wahrscheinlich noch teurer gewesen sein. Nach der Übergabe verschwendeten beide Männer nicht allzu viel weitere Worte. Der Vater verbrachte anschließend insgesamt länger vor unserem Küchenfenster mit seinem Smartphone als in unserem Umfeld. 
Ich entschuldige mich erstens für die Anwesenheit in der eigenen Wohnung, zweitens für die irrige Meinung, der Vater und sein Umfeld haben den Geburtstag des Sohnes ignoriert.

Freitag, 25. Oktober 2019

Kinderlieder Reloaded

Gestern morgen war der Sohn überraschend früh aktiv. Er habe am Vortag zu wenig gegessen, das plane er wenigstens am nächsten Morgen zu ändern. Während ich also meinen Tee kochte, assistierte ich noch ein wenig beim Nudelkochen. Wichtig: die ausreichend große Menge. Seine Unterzuckerung brachte zum Glück keine schlechte Laune mit sich. Der Sohn trällerte während der Essenszubereitung. Er summte Kinderlieder. Irgendwann hielt er inne und fragte laut, also vermutlich mich: „Wer ist eigentlich dieser Bi-Ba-Butzelmann? Wofür steht er? Was macht er beruflich? Wofür begeistert er sich?“ Gute Fragen, die ich leider nur mit Lachen, aber nicht mit Antworten quittieren konnte. Die Jugend von heute ist so abgeklärt. Jedenfalls beantwortete sich seine Fragen zum Teil selbst, indem er schloss, der Bi-Ba-Butzelmann sei am Ende wahrscheinlich ein „domestic abuser“.

Dienstag, 22. Oktober 2019

Aufschlag

Nach mehr als schönen Stunden in der Hauptstadt ist die Ankunft im bestenfalls grauen Hamburg nicht unproblematisch. Beeindruckend, wie nass Füße auf dem kurzen, nicht überdachten Stück am Hamburger Hauptbahnhof werden können. Das kann nur das Seeklima! Besonders hart wird die Rückkehr, wenn sie gepaart mit einem Montag daherkommt. Wenn der Wochenstart dann noch überdurchschnittlich viele Spuren von Müssen enthält, steigt die Stimmung nicht mehr über den Nullpunkt. On the bright side: es kann im Laufe der Woche nur besser werden - und ich trage die Sonne vom Wochenende im Herzen.



Sonntag, 20. Oktober 2019

30 Jahre

Zugegeben, meine Mauer im Kopf steht noch. Im Gegensatz zu seinem Westteil werde ich mit Ost-Berlin nicht richtig warm. Diese allerorten zur Schau gestellte Touristenfolklore, diese Infrastruktur, die nichts für normale Menschen oder gar Bewohner bereithält.
Es mag einen gewissen Unterhaltungswert besitzen, wenn ein etwa sechzigjähriger Mann die lose auf dem beengten Bürgersteig verteilte Wartegemeinschaft vor einer hippen Currywurstbude zurechtweist: „Would you please respect the queue?“ Es mag amüsant sein, wenn einem erst eine Asiatin mit einem Leinenbeutel mit der Aufschrift „Straight outta Würselen“, dann eine nicht mehr ganz blutjunge Frau begegnet, die zu ihrem jüngeren Begleiter sagt: „Weisch, ich muss kurz zu Chanel rein.“ Aber mein Berlin ist das nicht. Das sieht eher so aus:

(Ich nenne es „Toll, was 3-D-Drucker heutzutage können oder Moabit, mon Amour“)

Samstag, 19. Oktober 2019

Dit is Balin

Zum Glück ging es mir schon gestern wieder gut. Zum Wochenende ist das besonders erstrebenswert. In dieser Hochstimmung kaufte ich abends nach der Arbeit Lebensmittel ein (Highlight dabei: vegane Cevapcici - Spanish Style) und kochte eine anständige vegane Bolognese. Einzige Kritikpunkte daran: dass ich die Menge der Nudeln nicht auf Teenager-Größenordnung anpasste und dass ich meine Portion mit echtem Parmesankäse kontaminierte. Dennoch fiel ich nicht in Ungnade - uff! Daher leistete mir der Sohn beim Fernsehen Gesellschaft. Genau genommen beim Zappen. Irgendwann landete ich in meinem Unmut beim RBB. Dort gab man eine Rankingshow zu Berlins Brücken. Ich bin sicher, die gibt es auch in der Variante „Berlins schönste Gully-Deckel“. Schnell wollte ich weiterschalten. Doch der Sohn fand diese Form des linearen Fernsehens so gut, dass er mich lautstark davon abhielt. Besonders lustig fand er es, bei jeder neuen, schönen Brücke zu kommentieren, die kenne er, die sei im Grunewald; egal, wo sie sich tatsächlich befand. Weniger gefielen ihm die Einsprecher eines vermutlich nur in Berlin bekannten Menschen, der mit „Architekturkritiker“ betitelt war. Was denn das für ein Leben sei? Habe er nichts Anständiges gelernt? Wolle er sich nicht eine Frau nehmen und mit ihr glücklich werden? Was eine einzige Berufsbezeichnung bei einem jungen Mann eben so hervorruft. Allein wegen der Performance des Sohnes wäre das Programm sehenswert gewesen, doch es kommt noch besser: heute kann ich zumindest einen Teil der schönsten Brücken live bewundern. Diese gehörte meines Wissens allerdings nicht dazu; aber egal!





Freitag, 18. Oktober 2019

Erweitertes Brauchtum

Ein Freund sagt, im Russischen gebe es einen Trinkspruch, der heiße „Unter dem Tisch sehen wir uns wieder!“. Ich muss sagen, ich war allein unter meinem Schreibtisch, als mir gestern Vormittag mein Kreislauf nahelegte, eine horizontale Position sei in diesem Moment vorteilhafter. Die Kolleginnen standen mir nur von oben bei und versorgten mich mit Cola und Schokolade. Außerdem habe ich wegen meines Aufenthaltes down under jetzt endlich das Prinzip verstanden, wie sich der Tisch verschieben lässt. Ein anderer Blickwinkel eröffnet eben neue Perspektiven. Vielleicht gilt oben genannter Spruch nicht außerhalb Russlands und erst recht nicht für Tee. Brauchtum hin oder her, in jedem Fall siegte in mir die Preußin. Ich blieb am Ende trotz Malessen doch gut zwölf Stunden bei der Arbeit. Es ging nicht anders. Klar ist: es wird höchste Zeit zu gehen, wenn der im Nachhausegehen vorbeikommende Finanzchef der Agentur meint, ich solle endlich zusehen, Feierabend zu machen. Als Preußin ist mir zum Glück auch Obrigkeitshörigkeit nicht fremd.

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Verjährt

Auch eine Woche später ärgere ich mich über das Schweigen meiner (Noch?-)Schwiegerfamilie zum Geburtstag des Sohnes. Mag ja sein, dass der Jahrestag einer der unspektakulärsten ist. Mag außerdem sein, dass kein Zucken im Zuge eines - zugegeben verhaltenen - Rosenkriegs der Eltern nur konsequent ist. Aber was kann der Sohn, Neffe, Enkel für die „Verfehlungen“ seiner Mutter (von denen sie auch gerne wüsste)? Gestern Abend, als ich nicht mit dem Fahrrad von der Arbeit kam, wollte ich mich schon echauffieren, wer da so bescheuert mit seinem Fahrrad meins zugeparkt hatte, als ich im Halbdunkel es als das „klapprige Damenrad“ (Die Ärzte) des angehenden Ex-Gatten erkannte. Er traf sich mit dem Sohn. Warum auch immer, aber nicht, um Glückwünsche oder Geschenke nachzureichen. Zum Glück trug es der Sohn mit Fassung. Mit mehr als ich. Anschließend fragte ich den Sohn, ob er dann wenigstens seiner Großmutter väterlicherseits nicht zum Geburtstag gratuliert habe (sie hat zwei Tage nach ihm, dieses Jahr einen ähnlich unspektakulären Geburtstag): „Wie soll ich? Ich habe nicht mal eine Nummer von ihr!“ Beträfe es eine andere, hätte ich es traurig gefunden; so hat es mich zumindest ein wenig beruhigt. Nettogerechtigkeit, so wichtig.

Dienstag, 15. Oktober 2019

Verkehrskasper

Jeden Morgen, wenn das Wetter mit nicht allzu arg mitspielt, fahre ich mit dem Fahrrad durch die weniger beschaulichen Ecken unseres Dorfes. Vorbei an einer Straße, deren Bürgersteig und Radweg vollgestellt sind mit Waren, Lieferanten und Fahrzeugen der örtlichen Händler und vollgemüllt sind mit Resten und Kartons. An der Peripherie eines Platzes, dessen Elend mich am Morgen mal mehr, mal weniger berührt. Weiter entfernt vorbei an einer Stelle, an der sich viele Junkies sammeln. Die 30er-Zone auf der durchkreuzenden Straße ist nicht wegen Schulen oder Kindergärten eingerichtet, sondern genau der Tatsache geschuldet, dass dort viele Drögelis die Straße überqueren wollen. Die Fußgänger- und Radfahrerampel ist wahrscheinlich mehr als Empfehlung zu verstehen. Und doch begegne ich an fast jedem Morgen Radfahrerinnen und Radfahrern, die zumeist laut klingelnd und schimpfend an dieser Stelle ihr Recht auf die Radspur einklagen. Ist schließlich klar, dass die häufig torkelnden, immer umnachteten Menschen aus purer Bosheit und als Teile des Schweinesystems die Radwege sabotieren.

Montag, 14. Oktober 2019

Sinnvolle Tätigkeiten

Zum Glück hatte ich mich bereits vor Wochen pauschal von den monatlichen Treffen der Nachbarn abgemeldet. Die Zusammenkünfte sind nicht nur verschwendete Lebenszeit, sondern zumeist auch so ärgerlich, dass ich befürchten muss, irreversible gesundheitliche Schäden davonzutragen. So konnte ich mich gestern besseren Themen widmen: Da die Geburtstagsschonfrist vorbei ist, den Sohn zu Ordnung verdonnern (auch wenn zu befürchten steht, dass er mein Ultimatum „Bis Montagabend, wenn ich von der Arbeit komme“ auf wundersame Weise vergessen haben wird). Wäsche waschen. Endlich im Badezimmer die lockeren Teile festschrauben - die Türklinke ging noch einigermaßen zügig, doch der Klopapierhalter stellte mich vor größere Herausforderungen, weil ich das Prinzip längere Zeit nicht begriff. Die Bank darauf vorbereiten, dass der angehende Ex-Gatte eine Schuldhaftentlassung wünscht, die er - wenn es nach mir ginge - ausschließlich finanziell gewährt bekäme. Bahntickets buchen, um Gutscheine nicht verfallen zu lassen. Blumenzwiebeln pflanzen; Besonderheit dabei: zum ersten Mal in meinem Leben innerhalb der vorgegebenen Frist und nicht in gefrorenen Dezemberboden. Dann ein Stoßgebet an die höhere Macht schicken, sie möge dafür sorgen, dass die blöden Eichhörnchen sie nicht finden. Einen schönen Alsterspaziergang unternehmen. Selbst mit dem Gedanken, Fenster zu putzen, habe ich gespielt. Ihn aber dann verworfen, weil Halloween naht. Dann muss ich wahrscheinlich ohnehin wieder ran, wenn die Eierpampe an meinen Fenstern herunterläuft und dort eine eklige Melasse mit dem handelsüblichen Dreck der Stadt bildet. Schwierig, denn Anfang November wird noch kein Nachbarschaftsplenum stattfinden.

Freitag, 11. Oktober 2019

Kinder, wie die Zeit vergeht!

Der Wahrheit die Ehre habe ich schon angenehmere 10. Oktober erlebt. Erstens ist es meiner statistischen Jahresreihe nach außergewöhnlich kalt. Zweitens warten bei der Arbeit überraschend viele drängende Aufgaben auf mich. Diese treffen auf mich zugegeben in etwas schwacher Verfassung, nachdem ich am Vorabend bis 23:59 Uhr (ungelogen!) im Back-/Einpack-/Dekoriereinsatz war. Doch immerhin, die Mühe hat sich gelohnt. Der Sohn freut sich. Mein Eindruck ist, er konnte seine Bestzeiten im modernen Dreikampf (Kerzen Auspusten, Geschenke Aufreißen, Kuchen Vernichten) noch deutlich unterbieten. Ich erspare mir, die Montage-Demontage-Ratio zu errechnen, schließlich strahlt er. Sein einziger Kritikpunkt: Geburtstagskarten (die mir noch um 23:58 Uhr einfiel!) ohne Geld, „sowas mache man nicht“! Mein Highlight hingegen: der Gastauftritt der Tochter. Sie rief mich gegen 10 Uhr an, sie sei jetzt unterwegs zu uns. Ob wir zuhause seien. Ich erklärte ihr, sie müsse wohl ihren Bruder aus dem Bett holen, denn ich sei bei der Arbeit. Sie, ganz Studentin: „Arbeit? Ach ja, das habe ich ganz vergessen.“



Mittwoch, 9. Oktober 2019

Aussicht

Die Erholung meines Jahresurlaubs (zwei zusätzliche arbeitsfreie Tage) hielt sich wacker. Bis Montagnachmittag hatte ich das Gefühl, noch nicht wieder im Alltag angekommen zu sein. Was mache ich hier eigentlich sonst so? Was war nochmal Trumpf? Die Landung kam am gleichen Abend. Unsanft, versteht sich. Nun bin ich erfolgreich wieder im Hamsterrad angekommen, und es ist nicht damit zu rechnen, es bis zum nächsten Urlaub im Dezember zu verlassen. Wie gut, dass ich im Moment zuhause Ausgleichssport habe. Der Sohn zählt unterdessen die Stunden bis zu seinem Geburtstag herunter (Nein, es ist nicht der sechste!) und ich darf mir in meiner Freizeit Tischdeko, vegane Kuchensorten überlegen und später umsetzen. Es sind brutto übrigens noch etwa 15 Stunden. Netto rechne ich - Optimistin, die ich bin - mit etwa fünf.

(Ich nenne es: Ausblick nach Umzug)

Montag, 7. Oktober 2019

Es ist wohl so

Je déclare la saison des chaussures fermées ouverte et inversement.
Schwer sich damit abzufinden. Aber es geht wohl jetzt wieder darum, sich über Strümpfe Gedanken zu machen. Immerhin, als Urlaubserinnerung habe ich die Mückenstiche, den Sonnenbrand auf dem Rücken und den Sand in den Ohren. Und die Erkenntnis, dass sich vier Tage Erholung viel länger anfühlen können, aber dennoch viel zu kurz sind. Gestern früh noch in der warmen Brandung, heute mit der Überlegung konfrontiert, ob trotz Sonnenschein Handschuhe auf dem Fahrrad sinnvoll sind. Bei 1°-3° wahrscheinlich sogar eine berechtigte Frage. Da ich immer etwas rückwärtsgewandt bin, beschäftigt mich jedoch viel mehr, was passiert, wenn der Brexit inauguriert wird. Wenn ich plötzlich im Herbst unter all’ den Post-Sommer-Spanierinnen die Blasseste am Strand sein werde, weil es keine britischen Studentinnen mehr geben wird, die am Erasmus-Programm teilnehmen dürfen.



Sonntag, 6. Oktober 2019

Globalisierung

Ein Tag für Drei-Wetter-Taft. Alicante, Sonnenschein, 26°. Der Flughafen fest in britischer Hand. Man findet dort nicht nur W.H.Smith mit vielen Ausgaben der Sun sondern auch ein Tim Horton’s. Ist auch wichtig, dass sich die Vertreter und Vertreterinnen des Empires wohlfühlen. Schließlich gilt es noch die Last Flight Order vor dem Brexit auszugeben. An den Gates dann viele Menschen mit rötlicher und tätowierter Haut, von denen ich als Deutsche froh bin, dass sie neben den Adlern und der Frakturschrift auf ihrer Haut offensichtlich einen Pass des Vereinigten Königreichs tragen. Wenn auch das Wetter ein Rückschritt wird (der ohne die in der Sommerfrische vergessene Jacke härter wird), wird der Ortswechsel doch die positive Wendung haben, den Kelten, Angeln und Sachsen in Amsterdam entkommen zu können. Eine Rechnung, die nicht ganz aufgeht, denn nicht alle von ihnen fliegen direkt nach Edimburgo, einige nehmen auch den Weg über Shiphol. Immerhin als Anlass zur Freude bleibt die holländische Sprache mit ihren schicken Ansagen. Außerdem bin ich in Amsterdam (Regen, 9°) auf dem Flughafen nicht gezwungen, bei Starbucks einen Phantasienamen anzugeben, um an einen höchst willkommenen Kaffee zu gelangen. Heimat der friesischen Sprache eben. Mir scheint, ich muss Selbstkritik äußern: wahrscheinlich nuschele ich. Oder ich hinterlasse einen negativen Eindruck. Oder beides.



Freitag, 4. Oktober 2019

Día de la Germanídad (oder so)

Pünktlich zum Tag der deutschen Einheit trage ich das Kreuz des Südens auf dem Rücken. Um die sich kreuzenden Träger des Badeanzugs hat sich ohne mein Zutun ein leichter Sonnenbrand entwickelt. Am Ende habe ich es mit dem Bad im Meer und der Sonne im Rücken doch ein wenig übertrieben. Passiert wahrscheinlich, wenn die Entwöhnung zu groß ist. Ich zermartere mir mein Hirn, wann ich das letzte Mal im Meer schwimmen (naja, eher planschen, der Wahrheit die Ehre) konnte. In den letzten zwei-drei Jahren war es definitiv nicht. 
Die hiesige Gastfreundschaft beschränkt sich nicht auf gutes Wetter und ebensolches Essen. Anlässlich unseres Nationalfeiertags bietet das nächstgelegene Hotel einen Line Dance-Abend. Es gibt kein Halten mehr!



Mittwoch, 2. Oktober 2019

Farben

Glücklicherweise habe ich mich nicht über meinen weiteren, erfolglosen Versuch des Online-Bankings schwarz geärgert. So kann ich am Ende doch noch die schönen Farben des Mittelmeers genießen. Und sei es nur für vier Tage.



Montag, 30. September 2019

Die gute alte Zeit

Wer wie ich den zweiten Sonntag in Folge mit dem Versuch verschiedener Online-Banking-Aktionen verbringt, scheitert und am Ende auf Telefon-Hotlines verwiesen wird, die montags bis freitags bis 18 Uhr besetzt sind, der wünscht sich manchmal die alten Zeiten zurück. Damals, als man - zwar nur bis maximal 18 Uhr - noch mit Menschen am Schalter sprechen konnte. Als man noch nicht nach zwanzig Minuten in der Warteschleife entnervt auflegte, weil die Automatenstimme ohnehin nur „Ich habe Sie nicht verstanden.“ oder ähnlich Zielführendes sagte. Als es, anders als zu der Zeit behauptet, noch Service gab. Doch wahrscheinlich liegt der Wunsch nach Vergangenem einfach nur daran, dass ich mir die blöde IBAN nicht merken und sie wegen der vielen Nullen (an schlechterer Sicht kann es schließlich nicht liegen!) auch nicht mehr von der Karte ablesen kann.

Samstag, 28. September 2019

Bekanntmachung

Dank meiner vorbildlichen Vernunft, die letzten Tage des Septembers auf offene Schuhe zu verzichten, habe ich die Ehre mitzuteilen, dass pünktlich zum Wochenende meine Erkältung ihren Status von „kränklich“ auf „lästig“ verändern konnte.

Freitag, 27. September 2019

Throwback Thursday

Die letzte Woche stand zu einem guten Teil im Retro-Zeichen. Gestern Abend konnte ich die aufgebackene Liebe zu den guten Freunden der Kindheit spüren. Nicht lange davor durfte ich den lange ersehnten Downton Abbey Kinofilm sehen. Dieser ist übrigens sehr sehenswert, auch wenn er sich nicht an die klassische Spielfilmdramaturgie hält. Doch wahrscheinlich gilt diese Empfehlung aus dem Mund eines Aficionados wie mir nicht allzu viel. Was ich auf jeden Fall sagen kann: der Film, respektive die Dowager Countess hat meinen aktiven Wort- und Spruchschatz erweitert. Meine aktuelle Lieblingsredewendung ist: „I never argue, I explain.“ Sie lässt sich an vielen Stellen einbauen; glaubt mir.
Neben diesem Service zur Freizeitgestaltung kann ich übrigens noch folgenden Tipp geben:
Du hast zu viel gearbeitet, wenn Du daheim vor der Haustür stehst und dich wunderst, warum sie nicht aufgeht, obwohl du den Chip von der Arbeit vors Schloss hältst. Lass dir das gesagt sein; ich weiß es aus Erfahrung.



Donnerstag, 26. September 2019

Auf der Straße

Wenn das Wetter schlecht ist, und das ist derzeit nicht selten der Fall, fluche ich oftmals, Wege in der Stadt zurücklegen zu müssen. Dann wieder sehe oder höre ich manches und fühle mich unterwegs ganz gut unterhalten. Sagen mir doch die allerorts anzutreffenden H&M-City Light Poster, dass ich wohl etwas essen sollte, wenn ich immer wieder „Couscous Collection“ anstelle von „Conscious Collection“ lese. Außerdem konnte ich letzthin wieder ein Statement zu den genauso verbreiteten e-Scootern hören. Ich war mit dem Fahrrad auf der Mönckebergstraße unterwegs, vom Hauptbahnhof in Richtung Rathaus. Dankenswerterweise geht es auf diese Weise bergab. Ja, auch in Hamburg gibt es Steigungen und Gefälle, zugegeben auf überschaubarem Niveau. Auf dieser anstrengungsarmen Strecke sauste ich an einem Rudel vollschlanker, jugendlicher Jungs auf Elektrorollern vorbei. Im Überholen schnappte ich ein begeistertes „Bruder, der fährt 21!“ auf. Ich schreibe es meiner Erwachsenheit zu, dass ich kein „Und meins erst!“ nach hinten rief. Für den Fall, dass sie Weihnachten feiern, habe ich schon drei Monate vorher einen tollen Geschenketipp für die Eltern dieser jungen Männer: einen Tacho fürs Fahrrad. So geht Begeisterung, vermute ich.

Dienstag, 24. September 2019

Platzhalterin

Allen Freunden und Verwandten gönne ich von Herzen ihre Reisen. Sie können schließlich nichts dafür, dass ich mich auch urlaubsreif fühle. Was ich nach mehreren arbeitsreichen Wochen jedoch schwierig finde, wenn ich ihre klimatisierungsinduzierten Erkältungen aus warmen, fernen Ländern erbe. Immerhin können die Urlauber froh sein, dass ich nicht mit dem Finger auf einzelne zeige, haben doch alle die gleichen Souvenirs mitgebracht. Alle? Nein, ein nicht mehr ganz kleiner Sohn ist davon ausgenommen. So wissen wir wenigstens, für welche gute Sache neben der CO2-Bilanz die Strapazen seiner Nicht-Flugreisen gut gewesen sind.

Sonntag, 22. September 2019

Trois petites notes de musique

Selten widerspricht das Hamburger Wetter so sehr meiner tristen Stimmung wie gestern. Was vielleicht damit zu tun hat, dass nicht einmal so häufig Depression über mein preußisches Am-Schlüpper-Reißen siegt. Wenn es doch so ist, hat öfter das norddeutsche Klima einen nicht unerheblichen Anteil daran. 
Ich möchte nicht sehen müssen, wie schön der Friedhof Ohlsdorf im Spätsommer ist (ja, den haben wir noch - auch wenn ich umständehalber gezwungen war, geschlossene Schuhe zu tragen!). Ich möchte nicht hören müssen, dass es kaum traurigere Musik als Brahms gibt. 
Kurios, dass mir im direkten Anschluss an den Ohlsdorf-Besuch in einem Almatura-Supermarkt die ganze Schönheit des Lebens bewusst wurde, als eine junge Frau hinter mir an der Kasse den sie begleitenden jungen Mann fragte: „Kannst du mir Tipps für mein Sakral-Chakra geben?“ 
Am Ende doch gut, dass die mittelalte Frau in schwarz vor ihnen eine ansatzweise preußische Erziehung genossen hat und nicht in schallendes Gelächter ausbrach.

(Ich nenne es „Himmel über Hamburg“, unauthentisches Azur auf Digital)

Donnerstag, 19. September 2019

Nächte!

So nicht! Ihr könnt nicht ernsthaft meinen, Ihr kämet bei mir durch, indem Ihr Euch mit den Varianten „Ich kann stundenlang nicht einschlafen“ und „Ich wache vor 3 Uhr auf und schlafe dann nicht wieder ein“ abwechselt. Wenn Ihr dann auch noch die Tage überzeugt, an den Mist mindestens anzuknüpfen, den Ihr in der Dunkelheit verbreitet, werde ich wirklich ungehalten. Nehmt aber das: nach einem solchen Tag bin ich so sauer, dass ich vor lauter Wut über Euch alle abends gegen 22 Uhr einschlafe und erst vom Wecker geweckt werde. So nämlich nicht, Freundchen!

(Ich nenne es: Zumindest die Blumen erfreuen mich, wenn ich wieder im Dunklen nach Hause komme)

Dienstag, 17. September 2019

An einem Montagabend im September

Es ist nicht überraschend, dass ich das sky-Ticket zum letzten Spieltag eingelöst habe; schließlich arbeite ich in der TV-Planung. So hatten der Sohn und ich die einmalige Gelegenheit, das Hamburger Derby zuhause im Trockenen zu sehen. Nüsschen bereit gestellt - und los ging‘s! Ich saß kommod auf dem Sofa, während der Sohn vor dem Fernseher herumhibbelte. Das eine oder andere Mal musste ich ihn leider ermahnen, die Sicht freizugeben. Dennoch war es schön. Wenn auch nicht ganz so entspannt wie am Sonntag, als wir uns mit Freuden die Klatsche ansahen, die Arsenal bekam. Das Ergebnis nach der ersten Halbzeit am Millerntor überzeugte zwar, der Sohn war aber weiterer Spannung nicht mehr gewachsen. „Mama, die verlieren doch bloß wieder, das habe ich im Gefühl.“ Er schlug mir vor, auf ein anderes Programm umzuschalten. Eigentlich wollte ich gerne weiter Fußball sehen, weswegen ich ihm die verhassteste Alternative andiente, die ich mir für ihn ausdenken konnte: Inspector Barnaby auf ZDF neo. Was soll ich sagen? Nie habe ich zwei halbe Folgen so ungestört sehen können. War dann aber ein harter Bruch, als wir zu den Interviews zurück zu sky schalten konnten. Wer von diesen ganzen Tätowierten wohl der Mörder ist? Einer von denen mit braunen oder mit weißen Hemden? Es wird ein ewiges Mysterium bleiben.

Montag, 16. September 2019

P(Ø) = 0

Endlich kann ich die Wahrscheinlichkeitstheorie widerlegen. Eigentlich müsste, wenn es auch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit darstellt, irgendein Objekt unseres Haushalts nach Benutzung auch wieder einmal an seinem Originalort landen. Mein Proband zuhause zerstört diese These jedoch. Nichts, nada, niente kommt dahin zurück, wo es hingehört. Nagelscheren auf der Fensterbank des verwaisten Tochterzimmers, Schöpfkellen auf dem Hochbett, Lautsprecher unter der Matratze, Ladekabel auf der Toilette usw. usf.
On the bright side: auch der Brauchtumskalender ist hier aufgehoben. Für mich ist das ganze Jahr Ostern.

Freitag, 13. September 2019

Zweifel am Flamingo Friday

Manchmal stelle ich meine Muttergefühle in Frage. Der Sohn ist keine 24 Stunden zurück und ich kann mir nicht mehr vorstellen, ihn wirklich und ehrlich vermisst zu haben. Dabei poltert er doch bloß gegen 4 Uhr nachts in der Küche herum, dass ich davon aufwache. Statt dass ich mich daran erfreue, ihn zuhause und nicht irgendwo auf dem Weg zwischen seiner Schwester und „dem berüchtigten Lohmühlenpark“ (MOPO) zu wissen. Ich bin so negativ. Das merkt man auch daran, dass mich auch noch stört, wie währenddessen ein starker Geruch nach Zwiebeln, Knoblauch und Sojasoße in mein Schlafzimmer (ein Stockwerk entfernt) wabert. Dazu blökt das Handy. Wahrscheinlich sind es irgendwelche Koch-Tutorials für vegane Wok-Gerichte. Falls ich ihn jemals dafür kritisieren werde, kenne ich schon seine Antwort: „Du mit deinen Fledermausohren!“
Was ich mich wirklich frage: Wie schafft er so viel Krach, wenn er so wenig auf- oder wegräumt?

(Ich nenne es „Dinge, die ich nicht vermisst habe“.)

Donnerstag, 12. September 2019

Optimierungsbedarf

Dieser Sommer wird sich in mein Hirn als der einbrennen, in dem ich oft und ungerne auf dem Fahrrad (ohne Regenjacke - Ehrensache!) pitschnass geworden bin. Meine Schuldanteile liegen darin, dass ich immer wieder der Wettervorhersage auf dem Telefon glaubte, die für diverse Tage keinen Regen vorsah und den Zustand, selbst als der Niederschlag waschstraßengleich gegen die Fensterscheibe prasselte, „meist bewölkt“ nannte. Ich bin dafür, Wetter und Vorhersage mehr zu synchronisieren. Für meinen Geschmack eher auf den Status der Wetter-App.
Luft nach oben gibt es auch bei der Informationspolitik der Hamburger Polizei. Richtig beruhigend ist es nicht,  beim Nachhausekommen das Grundstück des eigenen Hauses komplett durch rot-weißes „Polizei“-Band abgesperrt vorzufinden. Dann von Polizisten angepöbelt zu werden, man dürfe dort nicht lang gehen. Und nur ein minimal zustimmendes Grummeln auf das „Aber wir wohnen hier!“ zu ernten. Um dann auf Nachfrage, was denn los sei, mit einem widerwillig vorgebrachten „ne kleine Auseinandersetzung“ abgespeist zu werden. Aber am nächsten Tag von einem versuchten Tötungsdelikt zu lesen, im Rahmen dessen die Mordkommission nach Zeugenaussagen sucht. 
Ganz viel Raum für Verbesserungen präsentiert sich bei der Mobilität, finde ich. Der Sohn entschied sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit dem Flugzeug nach Frankreich zu reisen. Die Wahl fiel für die Hinfahrt auf den Bus. Über zwölf Stunden nach Paris sind ohnehin schon ein Brett. Wenn der Bus jedoch zwei Stunden nach der verabredeten Zeit immer noch nicht am Hamburger Busbahnhof steht, mindert sich der Spaß deutlich - vor allem dadurch, dass es noch kein WLAN gibt. Aus Fehlern lernen heißt, die Rückkehr mit einem anderen Verkehrsmittel zu planen. Die Wahl fiel diesmal auf die Bahn. Schließlich sollte es so mehr als drei Stunden schneller als mit dem Bus gehen. Hätte schön werden können, wäre nicht genau der gebuchte ICE storniert worden. Zum Glück ist der Sohn kurz nach der Information (zum Starttermin) beherzt in einen TGV gesprungen, der ihn immerhin nach Offenburg brachte. Bilanz dieser Reise: Abfahrt 17 Uhr Paris-Est, Ankunft 7 Uhr Hamburg Hauptbahnhof (+ 1 Tag, wie es so schön heißt).
Aber egal, er ist mehr oder weniger wohlbehalten wieder hier. Und zeigte mir, warum ich ihn zurecht vermisst habe. Ehe er sich hinlegen musste, bestand er darauf, sich noch die Zähne zu putzen, schließlich habe er das „heute Abend verpasst“. So weit, so normal. Als er dann meinte, er sei „ein Dentalfaschist, man nenne ihn Putzolini“, war meine kleine Welt wieder in bester Ordnung.

Dienstag, 10. September 2019

Was für ein Leben!

Manchmal fühle ich mich sehr privilegiert. Gar nicht so sehr, weil wir in einem der reichsten Länder der Welt leben - und uns dort auch noch in der oberen Hälfte bewegen. Das versteht sich von selbst. Eigentlich mehr in Momenten wie gestern Abend, als mich eine Mail des Klassenlehrers der Tochter erreichte. Er schrieb, dass er wegen meines Abschiedsgeschenks - überreicht vor mehr als zwei Jahren! - jeden Tag an uns denke. Er bei der Übergabe sich nicht habe richtig bedanken können, weil er darüber so gerührt gewesen sei. Da war es wiederum an mir, bewegt zu sein. Und mich beschenkt zu fühlen, dass die Tochter ihre letzten beiden Schuljahre mit ihm verbringen durfte.
Wenn dann auch noch heute Abend das eigene Haus als Crime Scene abgesperrt wurde (laut Polizeiangaben „eine kleine Auseinandersetzung“, die eine Sperrung des gesamten Areals zur Folge hatte), ist im Leben eigentlich alles erreicht, denke ich.



Montag, 9. September 2019

Sonntag, Sommer und Sonnenschein

Es versteht sich von selbst, dass ein Alsterspaziergang alleine nicht ganz so schön ist wie zu zweit. Hängt natürlich von der Begleitung ab. Meine ist immer anregend. Gestern musste die Runde aus Gründen als Solo bestritten werden. Trotzdem schön. Außerdem hörte ich auf diese Weise rechts und links mehr. Erst die schwäbische Mutter zweier halbwüchsiger Jungs, die sichtlich genervt am öden Wasserrand mitwanderten. Sie fragte einen ihrer Söhne: „Däs im Dungeln, hat des mogän g‘öffned?“ Er sagte ja, und ich hoffe, ihnen am Montagmorgen nicht auf dem Weg zum „Dialog im Dunklen“ nicht wiederzubegegnen. Sind die Sommerferien in Süddeutschland nicht langsam mal zu Ende? Doch auch die Einheimischen beherrschen den Blumpf. Harry haute einen raus, nachdem er von seinem Begleiter - Special Guest neben der Gattin - vorher darauf hingewiesen wurde, sie wollen schon bei der Wahrheit bleiben: „Das hatte schon so mediterranes Flavour.“ Spätestens da war für mich der Startschuss für die Kopfhörer abgegeben. 



Sonntag, 8. September 2019

Wochenende, mal was anderes

Wäre nicht Freitag/Samstag/Sonntag in Sicht gewesen, hätte ich mir wohl die eigene Statistik versaut. Nach der letzten Woche wäre sonst „Kein krankheitsbedingter Fehltag 2019“ (in Worten: bisher nicht ein einziger) nicht mehr haltbar gewesen. Doch zum Glück kamen diese Stunden der Entspannung. Dann strahlt sogar noch ein wenig Sonne. Ich auch - es geht also noch. Schließlich enthielt das Wochenende auch, was mancherorts „Premierenfeier“ genannt wird, und meine Nachbarn veranstalten dieses Jahr keinen Tag des offenen Denkmals. Thank God for His small mercies!




Freitag, 6. September 2019

Flamingo Friday

Daran, wie wenig in letzter Zeit von mir zu hören war, lässt sich ablesen, wie sehr ich das Ende dieser Arbeitswoche herbeisehne. Das Gute: der Großteil des dieswöchigen Pensums ist geschafft, schließlich haben wir schon Freitag. Genau genommen Flamingo Friday. Diesem kann ich heute nicht richtig huldigen. Der Einsatz der Flamingo-Teetasse muss leider reichen. In Sachen Kleidung stachen heute Wärme und Gemütlichkeit. Der etwas in die Jahre gekommene Hoodie, den ich vom Sohn übernehmen durfte, aus der Zeit, als Blake Griffin noch bei den L.A. Clippers spielte, war gleich nach dem Aufwachen (schwer) das Objekt der Wahl. Davon konnte mich auch die etwas längere Dusche nicht abbringen. Die Entscheidung war ungefähr so fest wie die vom Mittwochabend, als ich gegen acht Uhr nach Hause kam, unbedingt die Arbeitskleidung von mir werfen, durch den muggeligen Onesie ersetzen musste und auf dem Sofa die Kontrolle über mein Leben verlor. Manchmal geht es eben nicht anders.
Flamingo Friday sei unbesorgt! Nächste Woche spiele ich wieder mit. Es sei denn, es gibt wieder so viel Arbeit und so wenig Sonne. Doch das kann ich nicht glauben.



Montag, 2. September 2019

Aus einem Urlaubsroman

„Fahrt nur, habt Spaß!“, sagte sie, als erst die eine, gute Nachbarin ins Abenteuer aufbrach, dann die Tochter in den Urlaub fuhr („Urlaub..., Urlaub in Italien“), sich anschließend der Sohn kurzfristig nach Frankreich absetzte (la jeune fille) und sich danach die Freundin in die Sommerfrische verabschiedete. 
Vollkommen sturmfrei hat schließlich auch Vorzüge, dachte sie, vor allem am Wochenende. Die Kopfschmerzen (auch die echten!) waren allerdings in der spontanen Planung nicht enthalten. Vielleicht sollte sie am kommenden Wochenende eine Wiederholung einfordern?

Freitag, 30. August 2019

Mal was anderes

Ich bin nicht klein
Mein Hirn ist besenrein
Soll niemand drin wohnen als Vakuum allein.

Ich weiß, dass das Versmaß nicht hinhaut. Bin eben mehr der prosaische Typ. Und außerdem: siehe oben.

Dienstag, 27. August 2019

Mal ne Frage

Der einundzwanzigste Hochzeitstag wird nicht mehr ganz so orgiastisch gefeiert wie in den zehn Jahren davor, wenn der Gatte währenddessen die Scheidung eingereicht hat, oder?

Montag, 26. August 2019

Sonntag ist der neue Montag

In einem Job, in dem das eigene Tun größtenteils wieder gewürdigt und anerkannt wird, wird leider als Nachteil offenkundig, dass es zuhause nicht so ist. Damit meine ich nicht etwa Undank der Brut - die ist verglichen mit einigen der Nachbarn geradezu devot und zuckersüß. Nein, es geht - wie unschwer zu erraten - um ein paar der zum Glück etwas entfernteren Mitbewohner, die dafür sorgen, dass ich mich freue, am Montag endlich wieder zur Arbeit zu dürfen. Die, deren gute drei Monate im Leben zwischen kindlicher Trotzphase und Altersstarrsinn ich leider verpasst habe. 
Der größte Nachteil wäre zu erwarten, wenn sich das Wohlfühlniveau bei der Arbeit auf das in der Nachbarschaft absenkte. Zum Glück ist mir bei den Kolleginnen und Kollegen nicht bange. So tief können sie gar nicht sinken.

Sonntag, 25. August 2019

Kinderteller

Die Nachbarin wies vor ein paar Tagen einen Graffiti-Sprayer darauf hin, dass er das Gebäude (unser Nachbarhaus) nicht besprühen solle, denn es handele sich dabei um einen Kindergarten. Unglaublich, aber wahr, die Argumentation zog - und er unverrichteter Dinge von dannen. Als ob er es geahnt hätte, verschonte er auch unser Haus mit seiner Farbe. War auch logisch, denn wenn eine Nachbarschaft als Kindergarten durchgeht, dann ist es unser Haus.

Samstag, 24. August 2019

Einjähriges

Zur Feier des Tages ist mir nach Fleisch, ganz viel Fleisch. Wenn die bekloppten Nachbarn zu einem gemeinsamen „vegetarischen (nicht veganen!) Dinner einladen, zu dem jeder etwas mitbringt“, ruft das bei mir die typische Reaktion aus Trotz und Bockigkeit eines ein- bis anderthalbjährigen Kindes hervor. Dabei begehe ich heute stattdessen das einjährige Jubiläum meiner scheckheftgepflegten Ersatzteile. Sei‘s drum - es wird gefeiert. Dann eben nicht zuhause.

(Letztes Jahr: am Ende der Reeperbahn lahmgelegt; heute: am Anfang der Reeperbahn on top of everything).


Freitag, 23. August 2019

Gladiolen

Zum wiederholten Mal wurde ich für meine diplomatische Art der Kommunikation gelobt. Dabei kommt in meinem eigenen Ranking die von mir verwendete Anrede „Hallo Nachbarn!“ nur knapp vor „Ihr Dumpfbacken!“. Auch der Abspann „Viele Grüße“ bedeutet mir nicht wesentlich mehr als „Ihr könnt mich mal“. Und doch waren meine Zeilen schleimig servil gegen die Antwort, die anredefrei daherkam und mit den Worten „Mit Gruß“ schloss. Vielleicht habe ich doch eine Karriere im Auswärtigen Amt verpasst. Vielleicht habe ich es auch einfach nur drauf.
Wirklich schön jedoch, als ich heute Abend nach der Arbeit zeitgleich mit einer Nachbarin ins heimische Haus trat und sich vor meiner Wohnungstür ein Blumenstrauß befand. Die begleitende Nachbarin spekulierte sofort, ich habe wohl „einen Verehrer“. Ich antwortete, das könne durchaus sein, sei nicht einmal unwahrscheinlich, aber in dem Fall wisse ich, dass die Blumen von einer anderen resp. der besten Nachbarin seien. Hätte ich es mir nicht ohnehin zusammengereimt, hätte ich es spätestens an der Vase erkannt. Neben Diplomatie kann ich nämlich auch noch Logik und Deduktion. 

Donnerstag, 22. August 2019

Faits divers

Unser beschauliches Dorf ist multikulturell, vielschichtig und bunt. Entsprechend sehen auch die Zebrastreifen nicht aus wie sonstwo auf der Welt. Zwar mussten sie nochmals umgespritzt werden, da sie in ihrer Streifenrichtung zu sehr an echte Zebrastreifen gemahnten, aber was soll‘s. Unsere Kinder, die Kinder des Dorfes, sind kosmopolitisch genug, um sie weder großartig zu beachten noch zu kommentieren. Anders die, die vom Lande kommen. So hörte ich letzthin die ekstatischen Ausrufe eines Kindes dörflicher oder ländlicher Provenienz, das proklamierte: „Eine Einhornautobahn!“

Manchmal finde ich uns ein wenig zu abgebrüht.

Mittwoch, 21. August 2019

Marseillaise Nachtrag

Während des Marseille-Guckens und -Nachtanzens brachte sich der Sohn in die Utopie, Bürgermeister von Marseille zu sein (on dirait que...). Seine Vision wäre, mit harter Hand zu regieren. Er stellte sich einen lustigen Mix aus Kommunismus und FDP vor: „Ich wäre dann eine Mischung aus Lenin und Christian Lindner.“ Wie gut, dass nicht aus allen Träumen Wirklichkeit wird. Die angeblich des französischen Slangs kaum mächtige Mutter hat ihn aus Gründen nicht darauf hingewiesen, dass eine Partei mit dem Kürzel „FDP“ gerade in Marseille wenig Aussicht auf Erfolg haben würde.

Dienstag, 20. August 2019

Allons enfants de la Patrie

Wieder einmal hat der Sohn mich gegen meine Widerstände davon überzeugen können, in trauter Eintracht eine Netflix-Serie zu sehen. Seine Wahl fiel auf „Marseille“. Französische Serie, zugegeben, aber der dicke Kasper, der sich mit seiner komischen Nase für immer als Cyrano (für den Namen bietet mir die Worterkennung übrigens „versnobt“ an - wenn das kein Zeichen ist!) in mein Hirn gebrannt hat und der dann noch ohne Not (naja) die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat; so eine Serie guckt man doch nicht freiwillig. Und dennoch hat es der Sohn am Ende geschafft. Ich bin Wachs in seinen Händen, fürchte ich.
Das Schönste am Seriengucken ist auf jeden Fall, wie der Sohn den Plot parallel in unserem Wohnzimmer performt. Selbstverständlich französisch parlierend. Nur unterbrochen durch gelegentliche rhetorische Fragen wie: „Weißt du überhaupt, was quand-même heißt?“ Die Art, wie er es ausspricht, zeigt mir zumindest, dass er nur die phonetische, nicht die geschriebene Variante kennt. Aber darüber schweige ich. Schön außerdem, dass meine Kenntnisse an der putain de merde-Front nicht so schwach sind wie vom Sohn angenommen. Besonders schön, dass ich zum binge-watching und zur Liveshow noch einen Teller vegane Corn Showder, vom Sohn nach original Bostoner Rezept gekocht, serviert bekomme. (Sie schmeckte hervorragend.) Ich für meinen Teil empfange die Globalisierung mit offenen Armen.

Montag, 19. August 2019

So schön ist die Heimat!

Wenn ich nur lange genug weg bin von Hamburg und seiner ganzjährigen Übergangsjahreszeit, finde ich selbst einen Morgen schön, an dem ich von prasselndem Regen geweckt werde. So lange es nur Wochenende ist, reicht sogar ein Tag Berlin. Es fühlt sich an wie dieser eine regnerische Urlaubstag in der Sommerfrische, für den man dankbar ist, weil endlich die ganzen schönen Bücher zu Ehren kommen, die sonst ungelesen nach Hause zurückkämen. Zugegeben, draußen riecht es nach nassem Hund; aber wen stört‘s?
Wenn ich dann an einer mittelalten Dame vorbeikomme, die mit nicht ordentlich ondulierter Frisur (die Friseurin nennt es vermutlich: „mit Pfiff“) sowie verzücktem Blick vor ihrer Blaubeertorte sitzt und leicht fragend, aber dennoch lautstark „Dit ist aba lecka!“ deklamiert, habe ich gar keine Lust, in den Zug nach Hamburg zu steigen.

(Ich nenne es: Suchbild mit Funkturm)

Samstag, 17. August 2019

Endlich Freitag!

Diese Woche hatte vor, in die volle Runde zu gehen. Und keine gute. Nur selten habe ich mich Sisyphus so seelenverwandt gefühlt. Vor lauter nervtötender Hin- und Her-Bewegungen auf der Arbeit kam ich nicht dazu, die eigentlichen, nur mittelnervigen Jobs zu erledigen. Was dann dazu führt, dass mir gefühlt alle 200 Kollegen auf den Füßen standen. Immerhin können die Plattfüße noch in Sandalen stecken. Zuhause ist es auch nur bedingt besser, wenn sich die vermeintlich erwachsenen Kinder (ja, Plural) wie bockige Vierjährige aufführen. Ohne dass man sie einfach ohne Abendbrot ins Bett schicken könnte. Es verbessert die häusliche Situation auch nicht, wenn ein Großteil der Nachbarschaft blöde, intrigant und asozial ist.
Da tut es wohl, die Flucht in die Hauptstadt anzutreten. Auch egal, dass ich mein Portemonnaie auf dem Bürotisch vergessen hatte. War ohnehin außer der Hamburger HVV-Karte nichts Nennenswertes enthalten, schon gar kein Geld. Es passt in die Woche, dass aus changierenden Gründen die Bahn nur mäßig zuverlässig unterwegs war. Aus der Kategorie „Kurz vorm Ziel kackte die Stute“: in Spandau standen wir dann mit bereits einiger Verspätung noch etwas länger wegen einer „Türstörung“. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich dieses hübsche Wort noch so erweiterte, dass alle drei Umlaute darin enthalten sind. So fand am Ende doch alles seine gute Wendung.

Donnerstag, 15. August 2019

Spätestens

Spätestens wenn ich den Umgang mit unseren Ressourcen betrachte, weiß ich, vegan (der Sohn) oder vegetarisch (die Tochter) zu sein, kann nur mit Tierwohl zu tun haben, aber ziemlich wenig mit Umweltschutz. Zum wiederholten Mal merkte ich an, leid zu sein, trockene Feuchttücher nutzen zu müssen, nur weil die Brut es nicht schafft, den Deckel der Verpackung zu schließen. Es gilt die Faustformel: ein Feuchttuch wird seinem Namen nur gerecht, wenn der Deckel geschlossen wird. Der Sohn tat meine unfaire Kritik mit dem Argument ab, ich solle doch die obersten Tücher einfach wegschmeißen. Seine Meinung, seine Strategie. Manchmal bin ich aber auch blöd! Seit gestern Abend sind endlich wieder zwei dieser Strategen vor Ort. Wir, Mutter, Tochter und Sohn, haben einen gemütlichen Abend zu dritt auf dem Sofa verbracht und eine Serie meiner Wahl gesehen. Da bin ich gerne bereit, über Unordnung hinwegzusehen. In meiner Freude über ihren Besuch war ich nicht alleine. Der Sohn warb um ihre Übernachtung bei uns, als wäre sie seine Angebetete und er beim ersten Rendezvous.
Spätestens wenn die Nachbarin die Redewendung „Gute Miene zum bösen Spiel“ so verdreht, dass sie zwar mit „Gute M...“ beginnt, aber dann mit den weiteren Buchstaben des zweiten Adjektivs fortgesetzt wird (aus Rücksicht auf mitlesende Kinder und aus Sorge über Zensur schreibe ich sie nicht aus), weiß ich, dass dieser Satz vor lauter Lachen nie vollständig werden wird.