Donnerstag, 27. Juli 2023

Urlaubsreif

Auch auf die Gefahr hin, wie eine meckernde ältere Frau zu klingen - die ich vielleicht einfach bin? -, muss ich feststellen: Die topfschlagenden Nachbarn sind seit heute Nacht aus dem Urlaub zurück. Ich habe sie nicht vermisst. Schön für sie, dass sie gut erholt und entsprechend gelaunt zu Hause angekommen sind. Aber deutlich nach Mitternacht fällt die Laune des arbeitenden Umfelds ins Bodenlose, wenn sie laut über die beste Strategie diskutieren, den Fahrradträger vom Auto zu demontieren, dabei Metallstangen auf den gepflasterten Boden werfen (offenkundig nicht die beste Strategie), ihr Gepäck mit weiterer Diskussion und Türenknallen (Auto- wie Haustüren) separieren und nach oben schaffen sowie generell lautstark ihren Urlaub bilanzieren (Macht das, wenn es sein muss, in eurer Wohnung, aber nicht vor der Tür bzw. vor meinem Schlafzimmerfenster!). Das Harmloseste war noch das Ein- und Ausparkgebimmel ihres Autos - und das nervt mich normalerweise am Tag schon. Irgendwann hielt mir der nächtliche Zinnober zu lang an. Im Schutz der Dunkelheit traute ich mich im Snoopy-Nachthemd ans Fenster und gab wirklich die nörgelnde Alte. Es scheint nicht meine Paraderolle zu sein. Mein gar nicht gebührend unfreundlich vorgetragenes „Schafft ihr das auch leiser?“ wurde vollständig ignoriert. Trotz Müdigkeit kann ich heute sagen, es lag nicht an mir. Als ich besagten Nachbarn eben traf und ihn auf die Nachtaktion ansprach, quittierte er dies nur mit einem „OK“ und ging in bester spanischer Edelmannmanier darüber hinweg, dass ich mir von ihnen an der Stelle ein klitzekleines „Tut mir leid/Sorry/Désolé/Lo siento“ vorgestellt hätte. Und wenn ich meinen Ärger überwunden habe, bin ich nur noch müde.

(Damals als ich noch jünger und ausgeschlafener war. Ein Wunder, dass es zu der Zeit schon Farbfotografie gab.)

Montag, 24. Juli 2023

Zu viel Work, zu wenig Life

Wegen zu vieler Arbeit musste dringend etwas Aufbauendes her. Traditionell kann ein Friseurbesuch einiges bewirken. Zum Glück bekam ich spontan einen Termin. Fachkräftemangel, Personalknappheit - hätte sein können, dass ich auch darauf wochenlang warten muss. Selbst mit vollem Terminkalender klappte es von einem Tag auf den anderen. Es ging auch gut weiter mit Kümmern und Kopfmassage. Währenddessen gefiel mir alles gut. Doch unterdessen hadere ich mit der neuen Frisur. Ich finde die Haare zu kurz. Dauerhaft lassen sie sich nicht mehr hinter die Ohren klemmen und alle zusammenzubinden fällt schwer. Ich weiß, sie wachsen nach. Aber selbstwertsteigernd ist das Wissen auch nicht. Folglich kam es zu trüben Gedanken an einem mehr als trüben Sonntag. Neben dem Blick nach draußen verbat sich der in den Spiegel. Der in die und aus der Kamera heute wird ebenfalls nicht helfen. Zumal die Umstände nicht besser werden, wenn müde Augen ins Spiel kommen. Der Dank geht - wieder einmal - an die Hamburger Müllabfuhr für die Glascontainerleerung um Sechs-Uhr-Irgendwas. Als Ego-Boost blieb mir von diesem Wochenende vor allem die gelungene Umsetzung eines Blumenstraußes. Zum echten Eskapismus taugt diese Beschäftigung nicht. Floristinnen müssen viel zu früh aufstehen.



Samstag, 15. Juli 2023

Back Again

Seit ich aus der hauptstädtischen Sommerfrische zurück bin - immerhin fünf Tage aus der gewohnten Umgebung und letzten Freitag ein echter Urlaubstag -, kann ich endlich wieder die wohlstandsverwöhnte mittelalte Haushaltsführende geben. Nach ein wenig Arbeit in meiner Boutique sitze ich, die Füße hochgelegt, auf dem Sofa und esse Pralinen. Obwohl ich letzteres natürlich nicht tun sollte, denn das ruiniert ja die Figur. 
Das utopische Szenario rückt in fast greifbare Nähe, seit der Saugroboter (aka Gregor Samsa) nach jahrelangem Streik seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Er erkennt seine Programmierung wieder, die ihm der lange nicht mehr amtierende Freund der Tochter dank seiner technischen Fähigkeiten damals eingehaucht hatte. Allein dafür wird er - nicht der Saugroboter! - immer einen Platz in meinem Herzen haben. Umso beeindruckender, als ich ihn gleich zu Beginn seiner Amtszeit dauerhaft hätte verprellen können. Er, bekennender Waldorfschüler, erkundigte sich bei einem seiner Antrittsbesuche, „wer in diesem Haushalt auf Pelikane stehe“? Wer wiederum unseren Haushalt nur ein wenig oder mich schon länger kennt, weiß, es handelt sich um allerlei Flamingos. Ich antwortete, er habe wohl im Pelikan-Epochenunterricht gefehlt. Das verriet mich nicht unbedingt als Besucherin der Charmeschule, zugegeben. Weil er netter als ich ist, programmierte er Gregor Samsa. Leider waren die Beziehungen zur Tochter schon unterbrochen, als er beziehungsweise die Programmierung aufhörte. In meiner Unlust, Gebrauchsanweisungen zu studieren (bei modernen Geräten weigere ich mich schon, sie mir von irgendwelchen Links herunterzuladen), stand Gregor ewig nutzlos herum und staubte selbst ein. Jetzt zieht er wieder seine Bahnen. Welche kosmischen Zyklen ihm das auch immer vorgegeben haben. Und ich chille.

(So in etwa.)

Donnerstag, 13. Juli 2023

Work-Life-Balance

Es begann mit einem Urlaubstag. Ein verlängertes Wochenende in Berlin, das schon am Freitagmorgen startete. Mal was Verrücktes tun. Dieses Motto setzte sich fort. Gleich einer Gruppe alternder Kegelschwestern hatten wir eine Zugfahrt mit einem Piccolöchen (pro Person). Nicht direkt, aber doch anschließend kam eine ausgedehnte Shoppingtour durch West-Berlins entsprechende Meile. Der Erfolg waren unter anderem diverse Shirts und Wäsche (der Reiseleiter) sowie ein Kleid und drei Paar Schuhe (ich). Nach verschiedenen Stärkungen machten wir uns - zum Glück später als ein großer Teil der Schwarzgekleideten - noch tiefer in den Westen auf, um den übrig gebliebenen Herren Gahan und Gore zu huldigen. Das taten wir. Wenngleich etwas weniger als manch andere. Neben mir beispielsweise ein großflächig tätowierter Hüne gehobenen mittleren Alters, der in Tränen ausbrach, als sie auf der Leinwand Bilder des Kollegen Fletcher zeigten. Im Gedenken an ihn scheint sich Herr Gahan stärker durchgesetzt zu haben als Herr Gore, der auch in seinem eigenen Auftritt mehr zur Tränendrüsenvariante neigt. Toll, dass der Himmel über dem Olympiastadion eine zusätzliche Lightshow lieferte. Derart beseelt störte uns selbst die Rückfahrt in einer heißen S-Bahn (in der Dose gekochte Sardinen?) nicht weiter. Führte nur dazu, dass wir anschließend in der Bar unter anderem literweise Wasser tranken. 

Um die Stimmung in den nächsten Tag zu retten, stand am nächsten Morgen ein Frühstück im Schwarzen Café an. Einziger Minuspunkt dort: der früher so gefragte Balkon zur Kantstraße ist geschlossen. Wie mir scheint aus Sicherheitsgründen. Überhaupt konnte ich ein ganzes Wochenende im Westen verbringen, ohne dass es mir an irgendetwas mangelte. Richtig schön war‘s.

Erst mit Beginn der Arbeitswoche habe ich rübergemacht.
Ost-Berlin hat sicherlich seinen Reiz, doch leider ist er - zumindest mir - an vielen Stellen verbaut. An vielen Orten gibt es Berlin-typische Ecken, die dann durch unmotivierte Bebauung zu einem städteplanerischen Durcheinander verkommen. 

Die Hamburger Schanze nimmt sich waisenknäblich aus gegenüber den entsprechenden Hotspots in der Hauptstadt. Touristenfolklore wird im Osten Berlins groß geschrieben. So sehr ich mich über das bunte Sprachengewirr freue, so sehr nervt mich die Hipsterdichte. Ich frage mich ernsthaft, ob es in Mitte überhaupt noch Eingeborene geben darf, wenn sich an jeder Straßenecke mindestens vier gastronomische Angebote für eine global-urbane Jugend oder solche, die sich so fühlen, befindet. Fürs erfolgreiche Geschäft der Restaurationsbetriebe ist es unerlässlich, meist zusammenhanglos das Schlagwort „vegan“ prominent auf Angebotstafeln (oder gleich die Fassade) zu schreiben und Preise immer in der Version „Iced Oat Foam Latte 5.9“ anzugeben.
Doch egal, um diese Jahreszeit kann selbst die bauliche Rumpelkammer und Arbeit bei hohen Temperaturen nicht das Gefühl abwenden, dass alle fünf Tage in der Hauptstadt wieder rischtisch jut jewesen wa‘n und ich schon im Aussteigen am Hamburger Hauptbahnhof gleich wieder zurück möchte.



Donnerstag, 6. Juli 2023

Helden der Kindheit

Manchmal frage ich mich, wie alt ich bin. Das gelebte und das faktische Alter weichen stark voneinander ab. Wenn ich mich in lichten Momenten daran erinnere, dass ich zumindest so weit gediehen bin, Kinder zu haben, stellt sich die Altersfrage bei ihnen gleich mit. Sicherlich ist das Delta bei der Brut nicht so groß wie bei mir, aber es existiert. Da bin ich sicher.
Wenig überraschend daher, dass wir alle uns unabhängig voneinander, aber gleichermaßen vehement über durchsichtige Marketingschludereien aufregten. Wenn man im Valensina-Management meint, man müsse die Olchis als Testimonials oder Namenspatrone für einen neuen Saft nehmen, dann sollten sie es auch richtig umsetzen. So jedenfalls geht es nicht, Apfel-Zitrone! Die Mutter: „Ich hätte erwartet, dass es eine stinkende Sorte ist.“ Die Tochter: „So etwas Erfrischendes hätten die Olchis niemals getrunken.“ Der asienerfahrene Sohn: „Die Sorte hätte mit Durianfrucht sein müssen.“ Die Mutter nochmals: „Zumindest Pflaumensaft hätten sie reintun können, damit es wenigstens brackig aussieht.“ Der Sohn verwundert: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Olchis 2023 noch ein Ding sind.“ 

Wer nur irgendetwas über die grünen Gesellen weiß, muss zum gleichen Schluss kommen: Schöne Idee, uninspirierte Umsetzung. Ich stelle anheim, ob wir drei noch nicht erwachsen genug oder zu erwachsen für dieses Produkt sind. Was die stolze Mutter jedoch sagen kann: Der etwa vierjährige Sohn kennt sich in Flora und deren Fachtermini schon hervorragend aus. „Mama, das sind Dickrosen - oder wie heißen die?“