Sonntag, 25. Dezember 2022

Festtage

Die Adventszeit war diesmal meist zum Durchhalten, doch es gab auch schöne Intermezzi. Ihre Bilanz fiel damit leicht positiv aus. Die Hoffnung war ein ähnliches Ergebnis für die Feiertage. Sie sah nicht nur insofern berechtigt aus, als sich der eine oder andere positive Test unter den potentiellen Mitfeiernden ergeben hatte. Da Organisation das halbe Leben ist (wenngleich die andere Hälfte vielleicht mehr Spaß macht), sollte es auch für Weihnachten selbst hinhauen. Der Baum stand bereits am 23. abends ohne allzu lange Beschäftigung; kurz nachdem die letzten Geschenke erstanden waren. Das Schmücken des diesjährigen Konzeptbaumes kostete mich lediglich zwei bis drei Stunden, in denen ich mit lautstarker Unterstützung von Faithless‘ Insomnia auch noch seiner gedenken konnte. Ein bisschen Schnupfen und Halsschmerzen zu den arbeitsfreien Tagen ist wahrscheinlich Satz, daher sollte die Stimmung hierdurch keinen Dämpfer bekommen. So wurde alles überraschend schön mit tollen Geschenken, ebensolchen Kindern und hervorragendem Essen. Mehr war nicht drin. Nur noch eine saisonale Äußerung des Sohnes: „Das Chriskind hat ADHS.“ Das muss sie wohl sein, diese Besinnlichkeit.



Mittwoch, 14. Dezember 2022

In vollen Zügen

Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erfuhr ich, dass ich nicht die Einzige bin. Ich hätte schwören können, dass das niemand bringt. Doch es sollen schon Menschen vor mir ihre BahnCard in kleine Einzelteile zerschnitten haben, um Wochen später festzustellen, dass die, die sie vernichtet haben, nicht die abgelaufene sondern die gültige war. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite, weil doch 25.11.2022 auf ihr stand. Schade, dass es sich dabei um das Ablaufdatum handelte. Wie gut, dass die Bahn aktuell wegen des Wintereinbruchs mit arktischer Kälte wahrscheinlich ohnehin nicht fährt. Da werde ich nicht in Versuchung geführt und bleibe gemütlich zu Hause; da ist es ohnehin am schönsten.





Dienstag, 6. Dezember 2022

Diese Saison

Seit vielen, vielen Jahren weiß ich um die Regel, dass auf den fünften Dezember der sechste folgt. Und dennoch habe ich heute vergessen, dass Nikolaus ist. Zum Glück weilte die Brut aushäusig, so dass mein Schnitzer nicht sofort auffiel. Mir blieben noch ein paar Stunden, um pflichtschuldig ein paar Süßigkeiten in Hausschuhe zu stopfen und größere Eklats zu vermeiden. Doch mir selbst war es peinlich. Zu meiner Geißelung orderte ich nicht nur an, heute den einzigen Weihnachtspulli meines Fundus‘ zu tragen. Das allein wäre zu billig. Die Weihnachtssocken mussten auch sein. Außerdem erlegte ich mir zusätzlich auf, in meiner Mittagspause den Hof von nassen, schweren Blättern zu befreien, indem ich eine Stunde lang ganz old school den Besen schwang. Mehr Ideen habe ich als wenig Liturgie-Erfahrene wirklich nicht.



Freitag, 2. Dezember 2022

Spät dran

Am Abend des 30. November fiel mir wieder ein, dass ich in der Vergangenheit gewisse Standards gesetzt habe, was das Adventsbrauchtum angeht. Kinder mögen volljährig sein, doch eine Adventszeit ohne entsprechenden Kalender von mir wäre ein traumatisierendes Erlebnis. 
Also ging es zum Ende des Monats nächtens noch treppauf-treppab, um wenigstens eine erste Anmutung eines Adventskalenders zu schaffen. Irgendwo habe ich gelesen, dass Effizienz intelligente Faulheit sei. Vielleicht habe ich mich mit diesem Minimalergebnis zum Dezemberstart in die etwas IQ-stärkeren Bereiche vorarbeiten können.

In preußischer Pflichterfüllung habe ich mich in der ersten Dezember-Mittagspause meines bezahlten Jobs daran gemacht, 23 weitere Tütchen zu füllen, zu dekorieren und aufzuhängen. Nennt mich Heinzelmännchen.
Fast hätte ich es geschafft, dass alle 24 zeitgleich hängen. Doch eben nur fast. In besagter Mittagspause stand der Sohn auf und verhielt sich, wie er sich als Achtjähriger zeigte: Im Treppeherunterrennen riss er die Tüte mit der 1 ab, um bereits vor Erreichen des Parterres den favorisierten Beutelinhalt im Mund zu haben und etwas wie „Mmmhhleckerfritt“ zu murmeln. Sein fortgeschrittenes Alter merkt man ihm dennoch an: Er wirft die leere Papiertüte unterdessen ins Altpapier.




Freitag, 25. November 2022

Wintersaison

Nun beginnt sie also, die Jahreszeit, in der nicht nur in den hinterletzten Ecken Tannennadeln der letzten Jahre zu finden sind, sondern sie sich wieder in jeder Ecke tummeln. Das Grün wird uns wahrscheinlich bis Ende Januar begleiten. Ungefähr so lange, bis uns die Erdkrümmung gnädig wieder ein paar mehr Tagminuten spendiert. 
Mit meinem diesjährigen Adventskranz bin ich nur mäßig zufrieden. Schon wieder sind die Bedingungen gegen mich. Das Schweinesystem eben. Es sorgt dafür, dass es keine Teller mit Pikern zur Kerzeninstallation (Wer weiß schon, wie der Fachterminus dafür heißt?) mehr zu kaufen gibt. So musste ich auf den Fundus zurückgreifen, der nicht ganz Farbe und Form vorrätig hatte, die ich mir vorstellte. Dann ist der Kranz eigentlich zu klein für die Kerzen. Doch die größeren wären mir entschieden zu blautannig gewesen. 
Wer sich übrigens am Fußballsujet meines Adventsschmucks stößt, sollte die subtile Nachricht des Ganzen beachten. Ich habe ihn „Avvento al posto del Infantino“ genannt. Er soll der Haltung der redlichen Italiener huldigen, die gar nicht erst zu den Gammelspielen in Katar gefahren sind.



Sonntag, 20. November 2022

Vorbereitungen

Alles neu macht der November. Alles ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber aus so viel mehr als Fensterbänken, Spüle und Fernseher besteht ein Haushalt schließlich kaum. Oben genannte Objekte sind bei uns wenn nicht neu, dann zumindest repariert.
Die Fensterbänke sind dabei die glänzendste Neuerung. Sie wurden Donnerstag und Freitag von der polnischen Fachkraft eingebaut. Am Ende seiner Arbeitszeit des ersten Tages rief mich der Handwerker von meiner Werkbank weg: „Spüle ist Drama.“ So dreckig kam sie mir gar nicht vor. Zumindest nicht, bevor er seinen Putz darauf verteilt hatte. Er klärte mich nochmals auf: „Spüle ist Drama, ist in Luft aufgehängt. Wahrscheinlich Loch zu groß. Weiß nicht, wer gemacht hat das.“ Ich schon, das war wohl der Ex-Mann. Dafür ist er also auch nicht zu gebrauchen. Wieso die Spüle in Mitleidenschaft gerät, wenn dahinter eine alte Fensterbank aus- und eine neue eingebaut wird, erschloss sich mir wiederum nicht sofort. Nach Überlegung war Vermutung, dass er die schwere Steinplatte darauf abgelegt und sie sich deswegen verbogen hat. Er versprach, sie am Folgetag wieder etwas auszubessern. „Fehlt Klemme, bringe ich morgen mit das.“ Mit besagter Utensilie bewaffnet, machte er sich Freitag nicht nur ans Überstreichen des neuen Putzes sondern auch an die Ausbesserung (Auf meine Frage, ob sich die Reparatur überhaupt lohne oder nicht eine neue besser sei, erhielt ich den fachkundigen Rat: „Neue ist immer besser. Haben Sie jetzt da Neue?“). 

Durch die Verschönerung euphorisiert wollte ich gleich Freitagabend den kaputten Fernseher durch ein funktionsfähiges Modell ersetzen. Dann habe ich jedoch wieder so lange gearbeitet, dass ich direkt von zuhause zum nachbarschaftlichen Heimspiel-Konzert gehen musste, um die Tochter nicht zu lange in der Kälte warten zu lassen. Im Saal tummelte sich weitere Musikerprominenz, die auf Nachfrage keinen aktiven Part an der Veranstaltung einnehmen wollte, weil sie schon zu viel geraucht habe.

Nach dem Konzert (war jut jewesen) stand ich nochmals mit der Tochter draußen und zeigte ihr mein Dilemma des Fernseherkaufs zur unsäglichen WM auf. Sie meinte, ich müsse mir keine Gedanken machen, der Kauf gehe eher in die Black Friday-Statistik ein. Black Friday sei so ein Internet-Phänomen aus den USA, das nun auch in Deutschland angekommen sei. Ich mag zwar alt sein, doch das war selbst für mich etwas viel an Erklärung. Schließlich verbringe ich einen nicht unerheblichen Anteil meiner Arbeitszeit mit einem großen Versandhändler. 
Um meine Bedenken gebracht, konnte ich nach dem Kauf eines Adventskranzrohlings am Samstagnachmittag dann endlich den des Fernsehers einlegen - und war am Ende sogar erfolgreich. Lediglich der Anschluss des neuen Highend-Geräts musste wegen einer Verabredung und des daraus resultierenden Kopfsumpfs am Folgetag heute auf den späten Nachmittag verlegt werden. Auch gut, dass das Bild erst deutlich nach Anpfiff stand. In unserem Schleich-Dich-Scheich-Studio sind heute eher Krimiserien angesagt.



Donnerstag, 17. November 2022

Wie jetzt?

Das kann nicht wahr sein! Mit dem tristen Novemberwetter und vor allem der Dunkelheit habe ich gerechnet. Bin aber dennoch immer wieder überrascht, was für einen Stimmungsdämpfer das Elend draußen und drinnen verursacht. Mit Arbeit habe ich auch gerechnet. Was ich jedoch nicht einkalkuliert habe - wie auch? -, war die Sache mit dem Fernseher. An dunklen und kalten Abenden kann er eben doch noch etwas. Da er jedoch - wie vom Sohn angekündigt - streikte, gab ich gestern in Vollendung: „Ich muss nicht in diese Richtung gucken“. Nachdem bereits die technischen Fähigkeiten des Sohnes versagt hatten, rechnete ich mir keine großen Chancen aus, dem Gerät ein Bild zu entlocken. Ich bin nicht umsonst Planerin; meine Prognose stimmte. Einen neuen Fernseher zu beschaffen, ist schon in jedwedem Herbst/Winter eine Zumutung. In diesem Jahr wirft sie meine ganze Strategie über den Haufen. Hatte ich mir doch zurechtgelegt, die WM zwar zu sehen (da ich nicht Teil des GfK-Panels bin), aber allen Schnickes, der im Zusammenhang damit angeboten wird, zu boykottieren. Nun muss ich, vermutlich dieses Wochenende, einen Fernseher kaufen, der dann als WM-induzierter Kauf in die Statistik eingehen wird. Dafür verzichte ich auf Winterspeck, den ich mir sonst mühevoll mit zigtausend Duplos oder Hanutas angefuttert hätte, um das Ferrero-Sammelalbum voll zu bekommen? Oder auf Sozialkontakte, die sich aus Panini-Tausch ergeben hätten? Das ist nicht fair und ein hartes Schicksal noch dazu. Ein Gutes hat meine Anwesenheit in der Hansestadt immerhin: Eine Tipptopp-Grippeimpfung, deren größte Hürde die Beantwortung der Frage war und ist, ob ich Rechts- oder Linkshänderin sei.



Mittwoch, 9. November 2022

Jetzt ist aber wirklich Schluss

Im Grunde ist es wie zu Hause. Auch hier könnte es so schön sein, wenn nicht spezielle Exemplare dieser Nachbarn wären. Ein paar Unterschiede gibt es natürlich dennoch - so herrscht im Süden besseres Wetter und viel mehr Romantik vor -, aber vieles ähnelt sich. Laubpuster, Müllabfuhr und Handwerker starten früh am Morgen ihr lärmendes Dasein. Über die Zeitverschiebung zwischen Hamburg und Spanien wollen wir nicht sprechen, das wäre kleinlich. Die hiesigen Nachbarn erfordern allerdings andere Strategien als daheim. Zum Glück kann ich mich auf traditionelle Kernkompetenzen berufen: es wird zurückgeschossen. Der hauptstädtische Nachbar aus dem vierten Stock erdreistete sich, seine abgenagten Olivenkerne zwei Stockwerke tiefer auf unseren Balkon zu schleudern, spucken oder sonstwie zu expedieren. Fast müsste ich ihn bewundern, wie er den Spin hinbekommt. Doch letztlich hat er sich mit den Falschen angelegt. Wir brauchen keine Unterstützung anderer, um Kriege anzuzetteln, die wir am Ende verlieren! Daher habe ich mir spanische Waffen, respektive eine Zwille, in einem Schnickschnackladen an der Promenade eine besorgt. Damit wollte ich Sektkorken und Ähnliches zwei Stockwerke höher auf den Balkon katapultieren. Leider erwies sich das Projekt als schwerer als gedacht. Anfangs schaffte ich nicht einmal die Höhe. Später entweder eine gute Strecke nach oben oder seitlich, aber nicht beides zusammen. Als ich fast schon erste Erfolge verbuchen konnte, reiste der Feigling nach Madrid ab. So kann ich nicht arbeiten! Beziehungsweise: Dann eben nicht mehr an der Zwille sondern an der Tastatur. Erholt bin ich auch trotz der oben genannten Rückschläge.




Montag, 31. Oktober 2022

Planung

Zuerst wusste ich nicht, was ich von etwas ungewohnten Urlaubszeitraum halten soll. Nicht mehr ganz hochsommerlich hat das Meer nur noch etwa 25°, in die ich mich nur zögerlich taste, weil das Meer ölig und fast spiegelglatt hin und her wippert. Eine Brandung, die ungefähr der des Wannsees entspricht und für mich etwa die gleiche Attraktivität ausübt. Von Herbststürmen und entsprechend bewegtem Wasser nichts zu spüren. Auch die Sonne verhält sich verhaltener als sonst. Richtig klar in azurblauem Himmel habe ich sie in der guten Woche hier noch nicht gesehen. Sie verschanzt sich häufig hinter dem gängigen Hochnebel, der anders als sonst im Laufe des Tages nicht verschwindet, sondern meist zu echten Wolken, manchmal sogar grauen, anwächst. Unumwunden gebe ich zu, dass ich in diesem Klima ziemlich braun geworden bin. Ohne mir dabei jemals auch nur den Hauch eines Sonnenbrandes eingehandelt zu haben - die Sorge der Brut, ich könnte mir in meiner merkwürdigen Sucht nach Sonne und Licht, diverse Hautschäden zugefügt haben, erweist sich bisher als unbegründet.
Richtig gut gewählt ist der Zeitraum, weil mit dem anstehenden Feiertag morgen und dem Brückentag heute trotz fin de temporada richtig Zinnober veranstaltet wird. Zumindest dort, wo man noch geöffnet hat. Ein halbstündiges Feuerwerk des Blaulichts heute Nacht vor dem Tanzclub gegenüber. Langwierige Straßenräumungen mit Abschleppdienst und Polizei in verschiedensten Ausführungen, diverse Kehrmaschinen, die die Ecken ausfegten und später feucht durchwischten, Absperren sowie Aufbau des Parcours und anschließend einem Rollschuh-Marathon direkt vor der Nase. Überraschend nur, dass der Nachbarsjunge nebenan ob des Spektakels aus Polizei- und Müllfahrzeugen so gar nicht in Ekstase geriet; meine Kinder hätte es damals in eine solche versetzt. Der eigentliche Lauf fand nach dreijähriger Zwangspause diesmal mit 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus vielen Ländern und noch mehr autonomen Regionen statt, wie ich der Lokalpresse entnehmen konnte. Von den Nachbarbalkonen erschollen immer wieder (für 42 Kilometer musste man schließlich sechsmal hier vorbei) die Allez!-Rufe, da die gelb-rot-gestreiften Trikots offensichtlich die beliebteste autonome Region der Hiesigen darstellen. Die Läufer der Spitzengruppe wirkten dabei wie verirrte Frozones aus „Die Unglaublichen“, die mit lustigem Surren über den Asphalt schwebten. Als dann auch die Kinder ihre eine Runde gelaufen waren, kam die schnelle Demontage der vielen gelben und roten Pylonen wie auch die Aufhebung des Parkverbots, um das beginnende Mittagsgeschäft der Gastronomie am Sonntag des langen Wochenendes (es war schließlich 14 Uhr) nicht zu gefährden. Dass die Absperrbänder der Polizei nicht entfernt wurden, halte ich für eine weitere Attraktion, die den zahlreichen, breitensportlich interessierten Touristen außerhalb der Saison angedient werden kann (das Meer ist ja unterdessen viel zu kalt, um sich darin zu betätigen): flächendeckende Möglichkeiten zum Street Limbo, das bei den vielen Trainingseinrichtungen hier mit Sicherheit bald olympische Disziplin wird. 
Nur eines habe ich nicht bedacht: Im Urlaub bekomme ich nicht richtig mit, dass dieses Wochenende ein nicht nur eine Stunde, sondern zusätzlich noch ein einen Tag  verlängertes ist. Dennoch gibt es nicht einen einzigen Grund zur Klage.



Mittwoch, 26. Oktober 2022

Fin de temporada

Die Saison mag beendet sein, doch hier wird alles gegeben. Anders als an Schleswig-Holsteins Küste beschränkt sich die Touristenzentrale nicht auf ein malerisches Möwendeputat am Strand. Die gibt es natürlich auch. Doch hier wird ebenso für gleichermaßen laue Wasser- und Lufttemperaturen gesorgt. Zugegeben, unterdessen sind die Planken zum Strand größtenteils demontiert. Aber immerhin wird noch jede zweite Strandbude betrieben und erfreut durch gastronomischen Service wie durch Elektrobeats oder lateinamerikanische Rhythmen. Der Himmel könnte sicherlich blauer sein, doch selbst die Einheimischen sind weit entfernt, eine weitere „ola de frio“ auszurufen (womit sie normalerweise schnell drohen). Einzig die Mücken bekommen sie nicht richtig in den Griff. Amigos, das hat selbst Brandenburg besser drauf! Gern geschehen übrigens für den Rainald Grebe Ohrwurm…
Was sie hier im Gegensatz zur deutschen Digitalisierungswüste richtig beherrschen sind niederschwellige und inklusive Social Media- Möglichkeiten. Selbst an Müllcontainern wird an 1A-Instagram-Grüße gedacht, die Jung und Alt mühelos anfertigen und an die armen Daheimgebliebenen schicken können. So geht echte Dienstleistung!



Samstag, 22. Oktober 2022

Gelohnt hat es sich eben doch

Alles unmenschlich frühe Aufstehen wird wettgemacht, wenn dafür ein erster Urlaubstag mit Wasser-Luft-Gleiche herausspringt. Zumal ich nicht mehr gerechnet habe, dieses Jahr die Galeere noch für längere Zeit verlassen zu können. Hier ist bei empfindlich kalten Temperaturen von über 25° für die Einheimischen natürlich die Saison gelaufen, man will sich ja nicht den Tod holen. Einzige Badende sind bleiche, ausländische Kinder, deren nordische Hottentotteneltern ihrer Aufsichtspflicht offenkundig nicht nachkommen. Es ist also alles wie immer - und doch alles anders. 
Zur Konstante gehört der dubelige Hauptstädter aus dem Haus, der wie üblich erfolglos versucht, dem Meer zwischen allen Strandbesuchern mit seiner selbst für meine Laienaugen schlecht platzierten Angel irgendwelche Fische zu entlocken. Den letzten Rest, den das Gewusel um sein Fischfanggerät nicht schafft, erledigt er durch hektisches Auf- und Ab-Rennen zwischen Waterkant und Klappstuhl, den er vollkommen nutzlos in den Sand gestellt hat, weil er ohnehin keine Ruhe zum Hinsetzen hat. Die gleiche rastlose Betriebsamkeit legt er sonst nur beim Be- und Entladen seines madrilenischen Autos an den Tag. Ich kann mich nicht entscheiden, welches Schauspiel sehenswerter ist. 
Zum üblichen Geschehen gehört auch, dass nach Kalender alles abgetakelt wird, mögen die Bedingungen noch so touristisch lohnend sein. Nach dem Tag der Spanischkeit (Feiertag, Ehrensache!) wird hier eben immer abgebaut, das war schon immer so. Genauso gehört zum Ritual, dass ich vom Strandspaziergang nicht nur mit sandigen, sondern auch mit klitschnassen Hosenbeinen zurückkehre. Nur gut, dass ich die Ungeschicklichkeit mit polarer Robustheit kompensiere und nicht tragisch an Eisbeinen verende. TeufelskerlInnen, diese NordeuropäerInnen.





Sonntag, 16. Oktober 2022

Mal wieder Herbst

In einer Woche, die ausschließlich aus Montagen (mit hartem G gesprochen!) zu bestehen schien - wobei der eigentliche noch der beste war, weil es da zumindest den Geburtstag des Sohnes zu feiern gab -, tut es wohl wenigstens ein Wochenende zu haben, das seinen Namen verdient. Der Herbst tarnt sich mit warmen Temperaturen. Wenn ich nur die Augen schließe, kann ich mir eine andere, schönere Jahreszeit vorstellen. Es ist dann eben nicht mittags, sondern morgens früh, weil die Sonne so niedrig steht. Das ist der weitere Nachteil dieser dreckigen Jahreszeit: minimales Licht durch die Kombination aus tiefstehender Sonne und noch vergleichsweise viel Laub an den Bäumen (zumindest an den Akazien vor meinen Nordseitenfenstern). Mit geschlossenen Augen sehe ich nicht das fallende Laub oder die gammelige Gelbfärbung der Pflanzen um mich herum. So fühlt sich alles gut an. Alles? Nicht ganz. Selbst blind höre ich noch, wie die Bucheckern und Eicheln bei jedem Windstoß - und von denen gibt es im Norden und vor allem im Herbst einige - lautstark auf Köpfe, Boden und vor allem Autodächer knallen. Damit könnte ich sogar leben, gingen die Kopfnüsse (!) wenigstens auf die hölzernen Exemplare der richtigen Kandidaten nieder. Stattdessen erwischt es im Zweifel die falschen Nachbarn.






Sonntag, 9. Oktober 2022

Der Lauf hält an

Überraschend eigentlich, wie lange ich gebraucht habe, um den Dreh zu finden, ein herkömmliches Wochenende gefühlt zu verlängern - und dass ich dafür ein erweitertes im Herbst brauchte, bekanntlich nicht meiner favorisierten Jahreszeit. Unbewusst habe ich den gleichen Trick wie beim letzten angewandt: einfach Erfreuliches und Entspannendes auf den Donnerstag und Freitag legen, dann können zumindest Teile dieser Tage gedanklich bereits der Freizeit angerechnet werden. Der Plan ging auch diesmal auf, Date am Donnerstag und Friseurbesuch am Freitag sei Dank. Dass er funktionierte, ist umso überraschender, als ich am Samstag ab 8 Uhr morgens auf Standby sein musste, da sich die Handwerker für restliche Arbeiten angekündigt hatten. Zu dieser Uhrzeit ist mein Biorhythmus normalerweise darauf getrimmt, vorsichtig ein Auge einen kleinen Spalt zu öffnen und ihn schnell wieder zu schließen. Nicht der unerheblichste Vorteil erwachsener Kinder. „Die Boys“ (der Sohn) erschienen auch nur mit einer Verspätung von vier akademischen Vierteln. Zeiten, von denen die Deutsche Bahn träumt, in denen mir dennoch der eine oder andere Seufzer ob des verpassten Schlafs über die Lippen ging. Um den Männern bei ihrer Arbeit nicht im Weg zu stehen, tat ich parallel ein gutes Werk und fegte draußen die am Boden liegenden Blätter rund ums Haus weg. Inmitten des braunen Blattwerks fand sich etwas Blaugrünes, das sich als Fünfeuroschein entpuppte. Das Geld liegt eben doch noch auf der Straße. „Der warme Regen“ (der Sohn, immer in Anführungszeichen, mich zitierend; letzthin meinte er, er sei in einem kalten Regen gekommen, was ich nicht sofort verstand und mich sorgte, er sei nass geworden, stattdessen nahm der Automat nur einen Bruchteil der Pfandflaschen an) kam am Vorvortag des Sohngeburtstages umso passender, als er der Meinung ist, Geburtstagskarten ohne Geldscheine seien eine Zumutung. Das wiederum tut mir weh, schließlich wähle ich Karte wie Worte immer mit viel Bedacht aus. Mit dem krumpeligen Minimalschein jedenfalls verliere ich nicht das Gesicht.
Derart beseelt konnte ich anschließend fast darüber hinwegsehen, dass dieses Jahr kein einziger Schnickschnackladen, Drogerie- oder Supermarkt auch nur irgendwelche orange Dekoration anbietet (es sei denn, es ist ein Fratzenkürbis). Wofür habe ich den Sohn so vergleichsweise kurz vor Halloween zur Welt gebracht, wenn nicht mal mehr funktioniert, Deko in der Allzeit-Lieblingsfarbe des Sohnes zu bekommen? Doch selbst dieser Kulturpessimismus kann mir die Wochenenderholung nicht nehmen.



Sonntag, 2. Oktober 2022

Ein Wochenende der Meisterklasse

Schon am Donnerstag war mir klar, dass das kommende ein Premiumwochenende würde. Nicht nur weil es einen Tag länger läuft als die handelsüblichen. Sondern auch, weil es bereits am Vizefreitag einen Vorgeschmack vermittelte, als ich - zum ersten Mal seit meiner C-Infektion wieder vor Ort in der Agentur - nach getaner Arbeit mit geschätzten Kollegen versackte. 
Die Freude am nahenden Wochenende wurde umso größer, als die Bauarbeiten in unserer Wohnung bereits am Donnerstagabend stillgelegt wurden und nicht in den Freitag hineinragten. Das bescherte mir am Morgen mehr Schlaf (umso wichtiger, als ich am Vorabend wie gesagt lange aus war) und befreite mich von einer ersten, vorläufigen Abnahme (Zustand vor Fensterbänken). Diese wurde stattdessen vom Sohn erledigt, der mir attestierte, „die Boys haben emsig malocht“, sowie ihnen, sie haben „dobre robota“ geleistet. Ich wusste doch, dass er nach mehreren Stunden Kontakt zu den polnischen Fachkräften ihre Sprache ausreichend beherrschen würde. 
Zur weiteren positiven Besonderheit des Wochenendes trug bei, dass ich zum ersten Mal seit ich-weiß-nicht-mehr-wie-lange diverse Verabredungen geplant hatte. Freitagabend ein vergleichsweise früher Feierabend, um die Kino-Vorstellung um 19:40 Uhr zu erreichen. Gut, für Auftakeln reichte die Zeit dann nicht mehr. Ich daher in diesem Räuberzivil im Deluxe-Kino, das man eben so trägt, wenn man am Vorabend versumpft ist und es bei der Heimarbeit definitiv mehr um Bequemlichkeit als um Außenwirkung geht. Lediglich die dicken Socken wurden durch Straßenschuhe ersetzt (entgegen meinem Gesetz bereits am 30.9. geschlossen). Der Film, Mittagsstunde, ist in jedem Fall eine Empfehlung, auch wenn wir ihn nicht im plattdeutschen Original mit deutschen Untertiteln sahen. Und wenn man davon absieht, dass die Tanzgruppe anders als im Roman nicht „Linientänzer“ heißt sondern langweilig unter „Line Dance“ läuft.

Am Sonnabend standen ausnahmsweise nicht nur die ausgedehnten Einkaufsrunden an. Geplant waren außerdem ein frühes Abendessen mit der Tochter und anschließend ein gemeinsamer Stadionbesuch. Mein erstes Flutlichtspiel. Und da heißt es immer, im fortgeschrittenen Alter gebe es keine ersten Male mehr. Atmosphärisch war es wie üblich Weltklasse am Millerntor. Ich erntete wieder einmal und wie zu erwarten war ein „Mama, das geht gar nicht!“, als ich meinte, ich sei bereits in der ersten Halbzeit kontaktstoned. Spielerisch ging das torlose Unentschieden völlig in Ordnung. Ich habe dort (und im anderen Stadion weiter nordwestlich!) schon Spiele gesehen, die die Bezeichnung „Not gegen Elend“ eher verdient hätten, aber berühmt war es nicht.

Heute Abend bekomme ich Besuch. Wenngleich die Wohnung bis dahin zumindest noch auf mitteleuropäischen Sauberkeitsstandard gebracht werden muss. Das ist zum einen eines der wenigen Mankos an diesem Wochenende, zum anderen eine echte Herkulesaufgabe, da die Dämmarbeiten in der Wohnung eine wirklich überall eine etwa einen Zentimeter dicke Baustaubschicht produziert haben. Immerhin habe ich auf die Weise auch morgen noch Programm.

Sonntag, 25. September 2022

Saison und Verzicht

Nachdem ich zwangsläufig zehn Tage mit angezogener Handbremse (in meiner Wohnung) unterwegs war, habe ich nun den Eindruck eines vollen Kalenders. Seit Montag arbeite ich wieder und seit Dienstag bin ich negativ - sowohl beim Testen, als auch beim Arbeitsaufkommen. Zwischenzeitlich stellte sich leichte Panik ein, das Pensum wäre nicht zu bewältigen, da sich zu den aufgeschobenen Jobs noch zahlreiche neue hinzugesellten. Dass ein Gutteil des Kollegiums wahlweise krank, auf der Messe in Köln oder anderweitig abwesend war, verbesserte die Situation nicht. In einer klassischen Rekonvaleszentenwoche mit nur 48 Wochenstunden habe ich (inkl. echter, anderthalbstündiger Mittagspause zum Wochenendbeginn) bis Freitagabend unglaublich viel weggekeult, finde ich; zumal mit vernebeltem und verlangsamtem Kopf. Man muss sich auch mal selbst loben. Doch Arbeit ist bekanntlich nicht alles. Auch privat passierte wieder etwas. Am Donnerstag hatte ich einen Arzttermin, eine dieser Vorsorgeuntersuchungen. Wieder einmal empörte mich, dass Vorsorge zu einem Luxus geworden ist, den sich nur Besserverdienende leisten können, weil die Krankenkasse in dem Zusammenhang praktisch nichts mehr zahlt. Für gut 100€ weiß ich jetzt zumindest, dass bei mir alles in Ordnung scheint. Da ich nun gerade die Spendierhosen anhabe, könnte ich glatt überlegen, ob ich mir nicht demnächst mal wieder einen Friseurbesuch leiste. Nach vier Monaten Abstinenz vielleicht schon etwas weniger als übertriebene Prasserei. Doch weiter mit meinem Programm: Fast hätte ich am Donnerstagabend eine Verabredung gehabt, wäre sie nicht wegen Krankheit (nicht meiner!) ausgefallen. Am Freitagabend spielte mir die serienmäßig eingebaute Verspätung der Bahn in die Karten. Dank der gut einstündigen Verzögerung fiel die Ankunft meines Wochenendbesuchs aus Berlin mit meinem Feierabend zusammen. Ein echter Kontakt in unseren unterdessen nicht mehr kontaminierten vier Wänden, Wahnsinn! Schön war’s. Als anständige Gastgeberin bin ich sogar zeitig aufgestanden, um fürs Frühstück zu sorgen, und selbst das hat Spaß gemacht. Dermaßen euphorisiert habe ich mir übrigens schweren Herzens auferlegt, die kommende Schweine-WM nicht durch den Kauf von Panini-Bildern/-Alben oder Duplos und Hanutas zu subventionieren. Es tut mir selbst am meisten weh. Aber wat mutt, dat mutt.
Jetzt muss ich mich den Räumungsarbeiten in meiner Wohnung widmen. Diese haben nur entfernt mit herbstlicher Nestverschönerung zu tun, kommt doch Montagmorgen der Handwerker für die Innendämmung diverser Wände, die ich mit Nachdruck versuchte, in die heizfreie Zeit zu terminieren. Epic Fail nennte es die Brut wohl. Ich nenne es ein Bombenergebnis, ist schließlich nur eine Wartezeit von etwa sechs Monaten. Außerdem ist nach meiner Definition auch bei einstelligen Temperaturen noch nicht die dunkle Jahreszeit resp. Heizperiode angebrochen, nicht im September. Können diese Blumen etwa Herbst symbolisieren? Nicht möglich.



Montag, 19. September 2022

Ein Stück Glück

Es passt hervorragend, dass der Glascontainer heute früh nicht gegen 6:30 Uhr sondern erst eine Stunde später geleert wurde. Ich habe ganz offenkundig eine Glückssträhne. Denn pünktlich zum Montag habe ich auch kein Fieber mehr, der negative Selbsttest scheint nur noch wenige Tage entfernt und mein Bett habe ich schon wieder frisch beziehen können. Mehr geht doch kaum. Ebenso war von Vorteil, dass mich die blöde Krankheit in diesem Moment erwischt hat; trat sie doch im traditionellen Bücherherbst auf. Dieser beginnt vor dem eigentlichen Herbst, scheint mir. In jedem Fall ist es eine Zeit, in der Lesen (der neuen Bücher) ohnehin das ist, was ich am liebsten ganztags machte. Zumal sie - wie in diesem Jahr - gepaart ist mit eher ausbaufähigem Wetter, das die Entscheidung für offene Schuhe erschwert hätte. All‘ diese Zweifel blieben mir dieses Jahr erspart. Fraglich war lediglich, wann ich beim Lesen entweder erschöpft wegdruselte oder abrupt aufwachte, weil mir das schwere Buch unsanft auf die Nase fiel. Einen weiteren Bücherstapel habe ich jedenfalls gar nicht erst aufkommen lassen.
Ein zusätzliches Geschenk des dicken C ist der partielle Verlust des Geruchssinns. In meiner Isolation blieb und bleibt mir zumindest erspart, mich allzu sehr an der Pumakäfigatmosphäre stören zu müssen. Nicht,  dass hier falsche Vorstellungen aufkommen! Ich brummele nicht tagaus, tagein „Astunken is noch keena, afroren schon!“ vor mich hin, sondern lüfte trotz schneidender Kälte und ebensolchen Winds brav und häufig. Nur entging mir aufgrund meiner Beeinträchtigungen, wie sehr der Müll, krankheitsbedingt nicht stark befüllt und noch seltener geleert, Lockstoffe für Fliegen ausgesandt haben muss. Mein Biotop-Experiment zeichnet sich leider nicht durch allzu große Diversität aus. Genau genommen habe ich nur diese Zwischengröße zwischen Fruchtfliege und Brummer gezüchtet. Die dafür sehr erfolg- und zahlreich. Glückliche Fügung, dass ich den essigsaueren Geruch der kleinen Weckgläser mit Balsamico, auf den sie - Achtung! - so fliegen, ebenfalls nicht wahrnehme. Läuft eben. Es wird ein 1A-Versuch eines ersten Arbeitstags, ich weiß es.





Dienstag, 13. September 2022

Erwischt

Allen außer mir war klar, dass es passieren würde. Schließlich hatte es schon fast alle außer mir ereilt. Doch ich hielt mich für übertrieben immun. Warum auch immer, da mein Zustand eher mit abgerockt als mit unbeschreiblich fit zu beschreiben gewesen wäre. Statt also die letzten Spätsommerstunden des Jahres zu genießen, liege ich seit dem Wochenende fast ausschließlich im Bett. Statt in dunklen Räumen Partys zu feiern, wünschte ich mir, mein Schlafzimmer mit Gardinen oder Ähnlichem abdunkeln zu können. Statt notorisch auf offene Schuhe angesprochen zu werden, trage ich lieber gar keine Schuhe - wenn‘s hoch kommt dicke Socken unter zwei Decken - und angesprochen werde ich auch nicht. Denn ja, pünktlich zum Freitagabend kam das böse C zu mir. Da gab es sich zwar noch nicht nachweislich zu erkennen, aber irgendwie ließ Husten ohne Halsschmerzen keinen anderen Schluss zu. Als sich am Samstag dann noch Fieber, Kopfschmerzen und so weiter hinzugesellten, gab es keine Frage mehr. Dennoch blieb es bei einem Strich. Erst als ich mich in der Nacht schlaflos und dennoch wüst vor mich her träumend zu einem weiteren Test überwand, zeigte sich ein pastellfarbener, feiner zweiter Strich. Obwohl ich ungefähr eine Million Kontakte mit Online-Kampagnen des Bundesgesundheitsministeriums zum Thema hatte, fragte ich mich doch, was wohl jetzt zu tun sei. Ich fragte die Expertin, meine Tochter, natürlich nur virtuell, denn isoliert hatte ich mich mehr oder minder, seitdem ich am Freitagabend den Jobrechner heruntergefahren hatte. Selbstverständlich versorgte mich die Tochter sofort mit Links für kostenlose PCR-Tests. Einer davon ganz in der Nähe. Den Weg dorthin schaffte ich gestern sogar. Schon zuvor hatte sich der Sohn oft erkundigt, wie es mir jetzt gehe und ob ich etwas brauche. Er war nicht der Einzige. Jetzt habe ich also offiziell die Pest, oder war es die Cholera? Dank vier Impfungen geht es unterdessen jeden Tag ein bisschen besser.
Zweckoptimistisch betrachtet hat das Ganze zusätzlich  gute Seiten: 
Ich fühle mich sehr geliebt. So viel Unterstützung, Geschenke und Wünsche von so vielen Seiten. 
Außerdem konnte ich die über 1.000 Seiten-Schwarte des neuen Cormoran Strike-Buchs in Bestzeit auslesen, ohne blöde Unterbrechung durch Menschen oder gar Arbeit. Es mag nicht mehr politisch korrekt sein, ihn zu lesen, aber er ist großartig. Das sage ich nicht nur, weil ich Fieber habe.






Dienstag, 6. September 2022

Muss nicht

Was ich nicht vermisst habe:

Von allen auf offene Schuhe angesprochen zu werden.

Arbeit, die übers Wochenende liegen geblieben ist und montags noch immer dort liegt.

Diverse leblose Fliegen auf dem Boden und den Fensterbänken jedes Zimmers.

Eine tote Wespe auf dem Grund meines Eiskaffees (die ich übrigens nur mit Glück nicht mit dem breiten Glasstrohhalm aufgesaugt habe).

Laubbläser (Ließen sich hier nicht mit dem Verweis aufs Energiesparen wieder good ol‘ Besen und Harke installieren?).


Sonntag, 28. August 2022

Vorbei

Allein für sich genommen wäre schlimm genug, dass der Sommer in seine letzte Runde geht. Zusätzlich endeten gestern die zügellosen Wochen meiner Sturmfreiheit. Der Sohn kehrte aus seinen Jetset-Urlauben zurück. Dank großmütterlicher Fürsorge eröffnete er seine Rückkehr nicht gleich mit den Worten, was es Leckeres zu essen gebe. Obwohl ich ausnahmsweise darauf vorbereitet war. Stattdessen lieferte er mir Nahrung mit den bald tiefgründigen Worten: „Es war nicht wie immer, aber die Mosel war wie immer.“ Dann war auch noch das Datum schwierig. Gestern wäre unser 24. Hochzeitstag gewesen, gäbe es diese Verbindung noch. Ein Trost ist das vielfältige Ablenkungsangebot der Hansestadt beziehungsweise unseres beschaulichen Dorfes. Da fällt die Entscheidung schwer, aber das ist ein anderes Thema.



Donnerstag, 25. August 2022

Aliens?

In letzter Zeit denke ich immer häufiger, ein Gutteil meiner Nachbarn könnten Außerirdische sein. Hinter einer vermeintlich sozialkompatiblen Fassade oder Silikonhaut verbergen sich Krachschläger und Krachschlägerinnen (am Ende gar Krachschlagende - Uah!) aus dem Weltall. Nur wenn sie sich unbemerkt glauben, reißen sie ihre Maske ab, hinter der sich körpereigene Posaunen, Triangeln und Schlaginstrumente tarnen. Das erklärte beispielsweise, warum mir die Nachbarstochter (zumindest nehme ich an, dass sie es war) in einer Gruppe von etwa zehn unbekannten Jugendlichen den Rücken zuwandte, als ich sie alle letzten Freitag aus dem Keller unter meinem Wohnzimmer zu vertreiben versuchte. Freudestrahlend verkündete mir eines der Mädchen: „Wir machen hier Gym Session!“ Ein Argument, mit dem sie bei fitnessbewussten Eltern immer gut durchkommt, das bei mir jedoch abprallte. Es hätte mir nichts egaler sein können. Für mich machten sie vor allem nach Mitternacht Krach. Ins gleiche Bild passt das Elektroauto der Nachbarn, das gerne nachts oder morgens früh beim Rangieren vor meinem Schlafzimmer so eindringlich vor sich hin bimmelt, dass jeder handelsübliche Wecker grün vor Neid wird. Natürlich kann man sagen: „Was können die Menschen dafür, dass das Auto eine akustische Parkhilfe hat?“ Der Einwurf hätte eine gewisse Berechtigung, ginge nicht jedem Ausparken unter meinen Schlafzimmerfenstern ein menschgemachtes Türenschlagen, Getrampel und Telefonieren (das selbst bei Ferngesprächen kein technisches Gerät benötigt) voraus. Ähnliches beherrschen auch die Nachbarn, die erst Türenknallen, dann vehement das beste Vorgehen diskutieren, anschließend den Motor ihres Autos vorglühen lassen (röhrend, versteht sich) und zu guter Letzt einen Anhänger daran installieren, um sodann das Gespann mit viel Hin und Her vom beengten Hof zu zirkeln. Sinnlos zu erwähnen, dass der Ort des Geschehens direkt an mein Schlafzimmer grenzt und die Aktionen vor dem Morgengrauen stattfinden. Sonst liefen die Aliens schließlich Gefahr erkannt zu werden. Sie alle stecken vermutlich im Bunde mit den Glascontainerleerern. Soweit meine Weltverschwörungstheorie. Ich wende mich in Zukunft  lieber wieder Handarbeiten zu, das soll beruhigen.



Dienstag, 16. August 2022

Sommerfreuden

Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin Team Pfirsich. Mein Einkaufserfolg vom Wochenende musste gefeiert werden. Endlich hatte ich kugelrunde, weiße Pfirsiche ergattert. Zur Feier dessen trug ich gestern mein Obstkleid. Nichts gegen platte Pfirsiche, geschmacklich ist gegen sie auch nichts zu sagen, aber die fleischig-saftige Konsistenz ihrer runden Verwandtschaft erreichen sie eben nicht. Ebenso kein Hate gegen Nektarinen, zumal nicht die weißen, doch das pflaumig Feste verbessert die Frucht nicht gegenüber dem Ursprungsmodell. Ich weiß, mit diesem Standpunkt stehe ich alleine da. Der firmeninterne Battle ‚Nektarine vs. Pfirsich‘ ging etwa 5:1 aus. Klar ist, wer die Eins war. Wenn ich das Gejaule nur höre: „Aber die Schale, mimimi!“ Dann macht sie doch ab wie jeder normale Mensch aus Italien oder Frankreich! Daher also das Obstkleid gestern. Einziger Makel: Die Birnen sind darauf zu prominent - und Birnen sind bekanntlich „schlechte Äpfel“ (der Sohn). Da wären wir wieder.



Montag, 8. August 2022

Safety First

Für alle, die sich sorgten: Ich habe wieder ausreichend Tetanus-Schutz. Sollte man bei all‘ der anderen Impferei schließlich nicht vernachlässigen. Eigentlich war geplant, das Wochenende ganz ins Zeichen der Gartenarbeit zu stellen. Um den Plan effizient zu verwirklichen, hatten wir nicht nur Profi-Werkzeug am Start, sondern auch hohe Standards der Sicherheitsbeauftragten zu erfüllen. Diese besagten, dass ich mit meiner ehernen Regel „Offene Schuhe von Anfang Mai bis Ende September“ brechen musste. „Meine klaustrophoben Füße“ (der Sohn) litten und ich mit ihnen. Anfänglich fand ich die Vorsichtsmaßnahme zudem völlig übertrieben, bestand doch der Rest der Arbeitskleidung aus Shorts und ärmellosen Tops. Später musste ich Abbitte leisten, weil das Wespenaufkommen am Boden so hoch war, dass offene Schuhe einer herzlichen Einladung zum mehrfachen Stechen gleichgekommen wäre. Der marode Apfelbaum ist den Wespen als Tummelplatz nicht nur wegen der reifen, unreifen und faulen Früchte willkommen. Er besticht (!) auch durch leicht abzutragendes Holz für Nestreparaturen. Wir kappten Äste, zerlegten sie zu Brennholz und verarbeiteten alles Restliche in biotonnentaugliche Stücke. Nach einigen Stunden Arbeit war klar, dass uns selbst die anständige Profisäge ebensolchen Muskelkater bescheren würde. Daher sah der Plan vor, bis zum ersten Abend bereits alle Sägearbeiten erledigt zu haben, um am Folgetag nicht in den Schmerz hineinarbeiten zu müssen. Unserer schwindenden Konzentration war zuzuschreiben, dass sich das Sägeblatt am Ende doch noch im Nagelbett meines linken Mittelfingers verfing. Ich gab das abgestochene Schwein, zitierte jedoch aus dem Kriegsroman: „Macht euch keine Gedanken, es ist nur ein Kratzer.“ Obwohl ich wirklich weit entfernt von Amputation oder gar Notschlachtung war, attestierte man mir, ich sei blass geworden. Während ich also auf dem Sofa lag, und mich bemühte, dort fingerbedingt keine Flecken zu hinterlassen, hatte ich Gelegenheit über meinen Impfstatus nachzudenken. Die anschließende Überprüfung meines gelben Heftchens ergab ein deutlich anderes Bild als meine Erinnerung. Auch in diesem Zusammenhang gilt: die Jahre vergehen schneller, als man gedacht hätte. Eine Impfung vor siebzehn Jahren stellt keinen ausreichenden Schutz dar. Es kam demnach zum Beschluss, dem Personal des kleinstädtischen Krankenhauses den Samstagabend des ersten Bundesligaspieltages zu verhageln, um eine Spritze abzugreifen - und wenn man schon mal da ist, auch den kleinen Schnitt professionell verpflastern zu lassen. Gesagt, getan - vorher nur noch schnell anständige Schuhe anziehen. Wenn ich irgendjemand von irgendetwas abgehalten habe, hat es mich niemand spüren lassen. Alle, von der Rezeption bis zur Notaufnahme, waren extrem freundlich. Mein Ansinnen nach einer Tetanusspritze wurde zustimmend quittiert. Positive Überraschung gar über meinen mitgebrachten Impfausweis. Etwas ungläubige Blicke erntete ich lediglich, als ich richtigstellte, dass ich mich nicht wie angenommen mit der Gartenschere verletzt habe, sondern mit einer amtlichen Säge. Bereits vorher war entschieden worden, dass ich noch beim diensthabenden Chirurgen vorstellig werden sollte. Kanonen nach Spatzen fand ich. Besagter Chirurg arabischen Migrationshintergrunds erkundigte sich zunächst, durchaus ehrfürchtig, wer die Pflaster (drei Stück übereinander) verklebt habe. Als ich wahrheitsgemäß, „Meine Mutter.“, sagte,  kommentierte er mit mindestens so viel Ehrfurcht: „Ach, Mutti!“. Um die Wunde als solche mit einem lapidaren „Ist nicht schlimm!“ abzutun. My words exactly. Inkongruent lediglich, dass er mir anschließend eindringlich zum Röntgen riet. Das wiederum brachte wie erwartet nichts zutage. Offenbar wurde beim Impfen stattdessen, dass meine Rechts-Links-Schwäche eine veritable ist, quasi rechts-links-blöd 3.0. Die Frage, ob ich Rechts- oder Linkshänderin sei, konnte ich erst nach längerer Überlegung fehlerfrei beantworten. Das muss man mir erstmal nachmachen.
In den Genuss eines Wespenstichs am Fuß bin ich dennoch gekommen. Zum Frühstück auf der Terrasse erschien ich ohne Schuhe. „Barfuß und blind“ sei eine blöde Kombination, beschied die Gartenarbeitsbegleitung. Wahrscheinlich zu recht.







Sonntag, 31. Juli 2022

Spielbilanz

Um es gleich vorneweg zu schicken: an und lag es nicht. Die hiesige Lily Braun-Arena war gerüstet und geflaggt. Auch das Gebot, am Sonntag auf Alkohol zu verzichten, um zu Beginn der Folgewoche keine Ausfallerscheinungen zu verzeichnen, hoben wir  - heroisch hart gegen uns selbst - auf. Wenn es der Sache dient! Auch wiesen wir alle potentiellen Claquere darauf hin, dass es zu spät sei, gegen 20 Uhr den Fernseher einzuschalten, wenn doch schon um 18 Uhr der Anpfiff erfolge. Warum der Sieg am Ende nicht gelang, wird ein ewiges Mysterium bleiben, doch an uns lag es garantiert nicht.



Sonntag, 24. Juli 2022

Wochenende aufgebraucht

Es wäre ein wunderbarer Sommerabend, hinge nich bereits das Pensum der nächsten Arbeitswoche in der Luft. Und bestände meine Balkongesellschaft nicht ausschließlich aus trocknender Wäsche und brummenden Insekten. Nichts gegen die vielen Bienen und Hummeln, die mich hier besuchen, doch eine rechte Konversation will nicht aufkommen. Es liegt an mir, ich weiß. Ich spreche ihre Sprache einfach nicht. Der Sohn ist zwar unterdessen von seiner erweiterten Reds-Groupie-Reise wohlbehalten aus Leipzig zurückgekehrt, hat seine schönsten Erlebnisse mit den Einheimischen in perfektem landestypischen Idiom komödiantisch wiedergegeben, sich anschließend jedoch in seine dunkle Räuberhöhle zurückgezogen. Balkon ist ohnehin nicht so seins. Immerhin bemerkte er, ich sei in seiner Abwesenheit ganz schön braun geworden. Das ist diese Sonne, mein Junge. Ab und zu sollte ich zur weiteren Steigerung der Stimmungslage einfach einen Blick in mein Schlafzimmer werfen: ungenutzt überzeugt mich mein Arbeitsplatz.



Dienstag, 19. Juli 2022

Next Level

So viele Unterschiede gibt es unterdessen nicht mehr. Sommer ist hier in der Stadt ebenso, nicht nur in der ländlichen Einsamkeit. Waldbrandgefahr ist nun auch für den hiesigen Norden ausgerufen. Um nicht von der lieb gewonnenen Tradition der Mittagspause auf dem Balkon Abstand nehmen zu müssen, habe ich heute die nächste Sommerstufe gezündet und den Sonnenschirm installiert, der seit dem letzten Sommer, damals allerdings praktisch nie benötigt, ein tristes Dasein im dunklen Schrank fristete. Der Aufbau soll die einzige Bewegung des Tages bleiben. Das unterscheidet den Tagesablauf als einziges vom Urlaub. Zwölf Stunden Arbeit als trennendes Merkmal kann ich ohne Probleme ausblenden.



Mittwoch, 13. Juli 2022

Hinterher

Wenn der Post-Vacation-Blues weiter anhält, muss ich das Konzept Urlaub überdenken. In dem Fall könnten sich selbst drei freie Tage in der Sommerferienzeit als zu viel fürs innere Gleichgewicht erwiesen haben. Auch heute Abend wünsche ich mich noch sehr in die brandenburgische Einöde zurück. Da kann auf dem Nachbarbalkon ein gar nicht mal unattraktiver Mann noch so lautstark und klangvoll italienisch sprechen. Hilft  nur bedingt gegen Trübsal.



Dienstag, 12. Juli 2022

Katzenjammer

Da ich nun nicht mehr da bin, wo sich Hase und Igel Gute Nacht sagen sondern da, wo es Polizist und Penner tun, bin ich betrübt. Time flies when you're having fun. Vor allem, wenn es nur fünf Tage sind. Und wer wäre nicht wehmütig, wenn er gestern noch an der Perle der Prignitz aka Perleberg weilen durfte und heute zurück im Alltag ist? Aus der Region habe ich nun nicht nur schöne Erlebnisse und viele Kontakte zu diversen, mir zum Teil unbekannten Tieren mitgenommen. Nein, auch eine pfiffige Geschäftsidee: Anbieterin für Soziophoben-Reisen zu werden. In der Prignitz kann man tagelang unterwegs sein, ohne einen Menschen zu treffen oder kommunizieren zu müssen. Gut, wenn man dann in die Fänge eines Brandenburgers oder einer Brandenburgerin gerät, wünscht man sich nach Mecklenburg-Vorpommern, aber das passiert zum Glück selten. Online-Buchung der Reise, in schalldichten Einzelkabinen eines Busses, Übernachtung in freistehenden, einzelnen Ferienwohnungen, Bezahlung via Paypal. Weniger Kontakt geht kaum. Wenn das Geschäftsmodell Früchte trägt (keine Frage!), diversifiziere ich nach Skandinavien.









Sonntag, 10. Juli 2022

Von wegen

Vorher wurde ich oftmals kritisiert, wenn ich ankündigte, in die Einöde Brandenburgs verreisen zu wollen. Heute kann ich sagen: Meine Prognosefähigkeit ist ungetrübt. Es gibt sehr viel schöne Natur, viele Pflanzen und Tiere - manchmal sogar Menschen. Nähert man sich jedoch zivilisatorischen Errungenschaften wie Einzelhandel oder Gastronomie, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersagen, dass diese geschlossen sein werden. Nicht ausschließlich wegen dieses neuen Personalmangels, sondern vielleicht der Planwirtschaft folgend. Nie wird sich mir erschließen, warum Ausflugslokale am Sonntag Ruhetag haben. Aber damit rechnen diese Besserwessis wie ich bloß!







Samstag, 9. Juli 2022

Hier bin ich!

Die Bahn hatte etwas gegen den ordnungsgemäßen Start meiner Sommerferien. Dass der Urlaub wegen eines längeren Jobs am Donnerstagabend später begann - Schwamm drüber. Aber da eine Zugreise mit Fahrrad wirklich nur angenehm wird, wenn man den reservierten Zug erreicht und dieser auch einigermaßen pünktlich verkehrt, barg der Beginn der Sommerfrische Fehlstartpotential. Doch kein Problem für Hartholzmenschen wie mich. Zumal im tschechischen Eurocity eine tatkräftige DB-Angestellte aus Dresden - Typ Mittelschwergewichtringerin - für meine Radunterbringung zuständig war. „Wohten Se, ich helf Ähnen mit däm Fohrohd!“ Ich hätte gerne weiter ihrem Sächseln gelauscht, wurde jedoch bestimmt auf einen echten Sitzplatz verwiesen. Dort tummelte sich halb Dänemark, um zum Rave an der Goldelse zu kommen. Irgendwann kam ich doch in Wittenberge an. Der Sohn fragte mich im Vorfeld, ob man hier norddeutsch oder berlin-brandenburgisch spreche. Seit gestern weiß ich, dass meine Vermutung stimmt. Man wird beim Bäcker mit „Tach schön!“ begrüßt und bekommt vom Evelyn Hamann-Lookalike hinter der Theke ungefragt den Türcode „Öllfviaunddreißisch“ durchgegeben.
Natur ist zahlreich vertreten, Straßenschilder eher nicht so. Einer großstädtischen Orientierungs-Legasthenikerin wie mir kann das zum Verhängnis werden. Gut nur, dass es hier auch nicht viele Straßen gibt, die mich vor die Wahl stellen könnten. Ein wahres Ornithologen-Paradies präsentiert sich. Milane und Störche zuhauf. Letztere machen mir mit den Jahren zum Glück keine Angst. Mir bringen sie trotz allem keine Kinder mehr. Insgesamt ist es ein ländliches Idyll. Man grüßt sich beim Entgegenkommen. Ich oute mich auf dem Elbdeich als Norddeutsche, die ich eigentlich gar nicht bin. Grüße deich-konditioniert freundlich mit „Moin!“ und werde schief angesehen. Am Ende stellte sich heraus, Schilder sind gar nicht nötig. Ich habe wie Hänsel und Gretel meine zielgenaue Rückfahrt gesichert, indem ich nach und nach die Einzelteile meiner Fahrradklingel unterwegs verteilte.









Freitag, 8. Juli 2022

Mal was Verrücktes tun

Meine Aufregung steigt. Seit einigen Jahren fahre ich zum ersten Mal in den Sommerurlaub. Stimmen, die sagen, fünf Tage beziehungsweise drei Urlaubstage seien zu wenig, um ihn als solchen durchgehen zu lassen, ignoriere ich gekonnt. Ihr nehmt mir nicht Jungbrunnen und Aufregung, die sich anfühlen wie damals, wenn lange sechs Wochen Sommerferien bevorstanden. Das Wetter passt auch zum Gefühl: Wie fast immer zu Beginn der schulfreien Zeit regnet es. Mit den gut 150 Kilometern die Elbe herunter entfliehe ich dem Regen bestimmt ohnehin!
Die traurige Gesellschaft lasse ich sowieso mit Freuden zurück.



Dienstag, 5. Juli 2022

Freund oder Bastard?

Wieder einmal drohte ich gestern zu spät zu kommen. Zwar fuhr ich mit dem Fahrrad, doch der Reifendruck spielte keine Rolle. Wenngleich ich die Luftpumpe auf längere Sicht betrachtet nach wie vor schmerzlich vermisse. Diesmal war es die Verkehrslage. Gleich die nächste Kreuzung auf meinem Weg war so mit querstehenden Autos zugestellt, dass mit dem Rad kein Durchkommen war, ja, nicht einmal die Fußgängerampel zu erkennen gewesen wäre. Dennoch war mir, als ich anrollte, wegen des Autoverkehrs in meiner Richtung links von mir klar, dass sie eigentlich grün gewesen wäre. Es bildete sich eine wenig amüsierte, größere Radfahrer-Wartegemeinschaft. Die Stimmung änderte sich, als aus einem wartenden Polizeiwagen in Querrichtung eine Megafonstimme erscholl: „In der Fahrschule wäre Ihnen das nicht passiert! Da hätte Ihnen allen der Fahrlehrer in diesem Moment gesagt: Fahren Sie bitte rechts ran, Ihre Fahrt ist beendet! Die Fahrprüfung hätten Sie natürlich nicht bestanden.“ Zur Belustigung lasse ich mir den Einsatz des Megafons gefallen. Vielleicht sind doch nicht alle Cops Bastards? Zumindest den Verkehrskasper können wir ausklammern. So störte es mich kaum noch, dass die Fahrzeuge anschließend unbeeindruckt weiter auf die Kreuzung und vor allem den Fußgängerübergang fuhren, als etwas Bewegung aufkam. Pünktlich kann jeder.

(Das Bild ist reines Clickbaiting, hat nichts mit dem Text zu tun. Tiere sollen doch immer gehen. Bestimmt auch ein Hummelschweber auf meinem Balkon, um den es sich dabei handelt - wie ich von der erfahrenen Fachkraft erfuhr. Dass es mein Balkon ist, weiß ich übrigens selbst.)

Sonntag, 3. Juli 2022

Fit für die Sommerfrische

In Vorbereitung meines ausgedehnten Sommerurlaubs von Ende nächster Woche bis Anfang übernächster Woche erschien es mir sinnvoll, das Fahrrad aus seiner 9-Euro-Ticket-bedingten Untätigkeit zu befreien. Ein bisschen Training schadet selten. Meine Nachbarn sahen das anders. Hatten sie mich doch meiner Stand-Luftpumpe entledigt, deren Prinzip ich mithilfe eines Nachbarn erst kürzlich begriffen hatte. In der Erklärung meiner Unfähigkeit schwanke ich noch zwischen tendenzblond und intellektuell nicht erwachsen geworden. Zum Glück war ich hell genug, um mir mit einer anderen Pumpe zu helfen. So kam ich Dienstag nur mäßig später zu einem Termin. Da unter zehn Kilometer Strecke wenig Trainingseffekt haben, mussten weitere Einheiten her. Also fuhr ich Freitagabend mit dem Rad in die Vorstadt dicht an der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein. Eigentlich dachte ich als Innenstadtmensch mit meinem Melonencape ein bisschen Haute Couture in den Speckgürtel zu bringen, doch es regnete nicht einmal. Also blieb das Cape eingepackt. Auf den letzten fünf der vierzehn Kilometer haderte ich mit meiner Kondition. Nicht, dass ich aus der Puste gewesen wäre. Es ging mich nur hart an, dass eine nicht wesentlich jüngere, aber dafür mit deutlich mehr überschüssigen Kilos ausgestattete Radfahrerin mich an jeder Kreuzung mit roter Ampel mühelos versägte. Sie fuhr unerreichbar schnell an - und lediglich der unvorteilhaften Ampelschaltungen wegen stand ich später wieder schnaufend neben ihr. Gegen Ende meiner Trainingseinheit ging mir auf, dass sie auf einem E-Bike saß und ihre Tretbewegungen eher folkloristischer Art waren. Vielleicht doch tendenzblond? Den Rückweg vertagte ich auf den Folgetag (sportphysiologisch ein No Go, ich weiß), denn ich erhielt das Angebot, vor Ort zu übernachten. Gestärkt durch ein leckeres Frühstück, nicht zu reden von einem ebensolchen Abendessen wenige Stunden vorher, und vom Hausherrn durch eine Fahrradwartung nach vorne katapultiert, schaffte ich die Strecke retour ohne größere Mühe. Einzig etwas schwere Beine und ein plattgesessener Hintern waren zu verzeichnen. Die schweren Beine wurden zugegeben durch samstägliches Einkaufen und Treppauf-Treppab nicht besser. Nichts, was nicht mit einem Kontergetränk zu kurieren gewesen wäre. Heute immerhin war ich so vernünftig, das Rad stehen zu lassen. Nur lockeres Laufen, eher Gehen, auf der üblichen Sonntagsstrecke. Dies allerdings mit dem Handicap, dass die ebenso übliche Stärkung entfiel, da das von uns sonst frequentierte portugiesische Café beschlossen hat, fortan sonntags nicht mehr geöffnet zu haben. Eine Ersatzlokalität war gefordert, die aufzutun innenstadtnah zum Glück keine Schwierigkeit war. Auf den Schock gab es Eiskaffee mit einem schicken Glas-Strohhalm. Dass ich doch kein kindliches Gemüt mehr habe, merkte ich daran, mit dem Strohhalm zwar zu schlürfen, aber nicht hineinzublasen, um das Getränk blubbern zu lassen. Die Frage wäre also geklärt.



Sonntag, 26. Juni 2022

Noch ein Wochenende

Wieder einmal hielt sich die Lust in Grenzen, auf den Teil der Nachbarn zu treffen, denen es nicht merkwürdig vorkommt, an unserem Haus - das gleichermaßen von Mietern und Eigentümern bewohnt wird - ein Transparent (schief) anzubringen, auf dem gefordert wird, Wohnbestände seien in Mieter:innenhände zu geben. Fun Fact am Rande zur Gestaltung: auf dem Plakat hat die hausanmutende Mieter:in gar keine brauchbaren Hände. Als Eigentümerin fühle ich mich auf eine Ebene gebracht mit diesen Immobilienhaien unseres Stadtteils, gegen die aktuell sicherlich zurecht demonstriert wird. Da nun ebendiese Nachbar:innengruppe plante, gestern Abend ein gemeinschaftliches Fest auf unserem Hof zu begehen, musste eine Exit-Strategie her. Die besagte, Vorglühen in meiner kalten Küche und ein anschließender Besuch beim Griechen in der Nähe. Es kam mir ein wenig vor wie in dieser französischen Geschichte, in der ein Kind wegen Fehlverhaltens ohne Abendessen ins Bett geschickt wird und als einziges Familienmitglied überlebt, weil es zum Diner Giftpilze gab. Nicht nur, dass wir gut aßen (Fleisch auch noch! Und kein Pilze.) wir fanden dort auch Schauspielerinnen an, die man aus verschiedenen, geschätzten Krimiserien kennt und deren eine Stimme nicht nur von hartem Zigaretten- sondern vermutlich auch Hartsprit-Konsum herrührt. Da störte überhaupt nicht mehr, dass vom rauschenden Fest, wenn es überhaupt stattgefunden hatte, bei der Rückkehr, noch vor Einbruch der Dunkelheit, nichts mehr zu sehen war.

(Gruß aus der kalten Küche. Nicht nur die eigenen Witze, auch die eigenen Sträuße sind einfach die besten.)

Donnerstag, 23. Juni 2022

Wochenendnachlese

Nachdem wir das vorangegangene Wochenende en route zwischen Spanien und Deutschland verbracht hatten, waren wir zum letzten in Ostfriesland. Ein stimmiges Konzept. Anders als in der Vorwoche mussten wir uns nicht auf klimatische Veränderungen einstellen. Das Ziel lag lediglich gut 200 Kilometer westlich. Dort herrschte die gleiche Sommerfrische wie in Hamburg. Die Sonne ging, wenn sie sich denn zeigte, lediglich ein paar Minuten später auf und unter als bei uns. Also auch kein Umgewöhnen nötig. Emden besticht durch unaufdringlichen Charme. Ein schiefer Kirchturm, der zwar im Guinnessbuch geführt wird, weil er sich mehr neigt als der in Pisa, dessen Schräglage sich auf Fotos jedoch kaum dokumentieren lässt. Eine Schleusenkreuzung aus dem späten 19. Jahrhundert, die wenig prominent neben einem Freibad liegt. Restaurants, die 1A-Fisch anbieten, aber sämtliche Gäste spätestens um 22 Uhr - vor Sonnenuntergang! - vor die Tür setzen. Fahrräder überall und auch entsprechend große Fahrradläden (die selbstverständlich Samstagmittag schließen), vor denen man wunderbare Konversationen hören kann. Wie zum Beispiel diesen Anfang: „Ich denke, wir haben unser Mobilitätskonzept grundlegend geändert…“ Wenn das nicht zum Verweilen einlädt! Alles inmitten einer Landschaft, die die Harburger Berge hochalpin erscheinen lässt. Fischbuden, an denen Menschen klaglos lange anstehen und am Ende doch nicht das Angebot kennen, auf dessen Beschreibung sie ausreichend lange gucken konnten: „Welche Soße dazu?“ - „Welche gibt’s denn?“ - „Remoulade, Knoblauch, Holländische Remoulade.“ - „Die holländische ist gelb?“ - „Ja.“ - „Dann nehm‘ ich die!“