Mittwoch, 30. Juni 2021

Tag 17

An uns lag es nicht. Ausstattung und Catering unseres EM-Studios waren auf den Punkt gebracht. Nach dem Krachertag vorneweg ließen sich jedoch zwei schwache Spiele schwer ertragen. Überraschend schien die Enttäuschung der Nicht-Bio-Deutschen unter uns größer zu sein als bei unseren deutschen Zuschauerinnen. Für erstere war der Tag nach Runde 1 gelaufen. Sie zogen sich anschließend größtenteils ins Private zurück. Vielleicht hatten wir einfach mehr mit einer Niederlage gerechnet und konnten nicht weiter enttäuscht werden. Immerhin die Vorrunde geschafft und nicht peinlich verloren. Ein Erfolg und eine Steigerung gegenüber 2018. 
Auch wenn irgendwo im Empire bereits die Sonne untergegangen war, galt das ungeschriebene Gebot, erst zur zweiten Partie die Ü16-Getränke zu öffnen. So konnten wir Zurückgebliebenen uns erst die Ikea-Meisterschaften schöntrinken - was mit Verlängerung umso nötiger war. Selten so sehr gegen ein Elfmeterschießen plädiert. Allein die deutsche Hausfrau in mir monierte blöde Reste. Mit reduzierter Personenzahl ließ sich beim besten Willen nicht alles aufessen.

Ein Vorteil des deutschen Ausscheidens: Uns werden fürs Erste die Interviews mit Trainer und Spielern erspart bleiben, die jubelnden sowieso. Wenn sie zurückkehren, müssen alle wegen des Virusvariantengebiets erst einmal für 14 Tage in Quarantäne - selbst wenn sie geimpft sind. Oder sollten für sie etwa andere Regeln als für alle anderen gelten? Kann ich mir gar nicht vorstellen.

Dienstag, 29. Juni 2021

Tag 16

Da meine ausgedehnte Sommerfrische andauert - unglaubliche fünf Urlaubstage -, hätte ich es auch einmal pünktlich zum Anpfiff der ersten Spielrunde schaffen können. Aber nein. Ich musste alle Vorurteile hormonell bedingter Ungeschicklichkeit bedienen (wäre ein Erntedankfest für den Ex gewesen). Akkuschrauberbits bei der ersten von vier Schrauben durch die Löcher des Balkonbodens verlieren, dann überlegen, wo ich ein lustiges Angelspiel herbekomme, daran scheitern und mir stattdessen mit Grillspießen und Pfannenwendern behelfen. Mir dumme Kommentare des Nachbarn oben anhören, der sich vermutlich auch bestätigt fand (siehe oben), Gießkannen vollflächig im Badezimmer auskippen, an jeder sich bietenden Ecke anstoßen usw. usf. Immerhin konnte ich die restlichen drei Schrauben dank meines erfolgreichen Küchenutensilieneinsatzes später halbwegs versenken. Die nächsten Tagesordnungspunkte verschieben sich um eine Stunde. Dafür war ich überraschend zeitig im EM-Studio. Anfangs mit etwas anderer internationaler Besetzung. Wieder einmal waren wir eher gegen eine Mannschaft als für die andere. Zwischenzeitlich lief alles nach Plan und Tipp. Spanien lag vorne. Zeitweilig sogar genau richtig, nämlich 2:1. Als es 3:1 stand, wünschten wir Tipper uns ein kroatisches Tor, um wenigstens mit der Tordifferenz zu punkten. Der Ausgleich ließ uns alles egal werden. Unbewusst und ohne Grund hielten wir plötzlich den eben noch unsympathischen Kroaten zu. Die Energien schwappten wohl nicht bis nach Kopenhagen herüber. 
Neues Spiel, neues Glück. Oder wie Kevin De Bruyne sagte: „Jetzt ist alles auf nix.“
Unsere Aufstellung war leicht verändert. Die auf dem Platz auch. Erstens befand sich der Platz nun in Bukarest, zweitens spielte nun Frankreich gegen die Schweiz. Ansonsten war es eine Wiederholung: wir feuerten entgegen unseren Tipps und zum Teil auch gegen unsere Überzeugung an. Unterdessen war selbst die Tochter virtuell beteiligt, da sie festgestellt hatte, dass „unser Mann“ für die Schweizer spielte (wir beide hatten Ricardo Rodriguez einmal live, also gegen Wolfsburg, gesehen und waren schockverliebt wegen seines Nackens und seiner schleichenden Bewegungen über den Platz). Nach seinem verschossenen Elfmeter schickte mir sie sehr viele weinende Emojis. Ich mutmaßte (vielleicht sogar richtig), dass er vor der Verlängerung ausgewechselt wurde, um beim Elfmeterschießen seiner Elf kein Hindernis zu sein. Ebenso wie ich vorhersagte, dass Mbappe verschießen würde. Auch wenn es unterdessen spät war und wir bettreif, waren wir begeistert, als es so eintraf. Wie gut, dass ich dieses Mal mit meinen echten Tipps ohnehin nicht Fuß gefasst habe, denn nun sind sie endgültig verloren. Nicht nur, dass ich ein dreckiges 1:0 für Frankreich getippt hatte, sie waren in meiner Prognose auch Halbfinalisten und gar Europameister. Viel größer ist ohnehin die Freude, dass die schweizerische Nummer 13 nun gegen Spanien alles geben kann. Laut der späteren Recherche der Tochter kommt sein Vater aus Spanien (seine Mutter übrigens aus Chile). Ricardo, Deine Chance die Scharte auszuwetzen!

Montag, 28. Juni 2021

Tag 15

Nachdem ich meine Sturmfreiheit vorher weidlich ausgelebt hatte, traf ich gestern zwar selbst zum ersten Spiel pünktlich in unserem EM-Studio ein, sah aber mit Sonnenbrand, Blasen an den Füßen und sonstigen Kollateralschäden etwas kaputtgespielt aus. Egal, wir waren wieder einmal entre nous. Umso mehr, als unser portugiesischer Fußballexperte häuslicherseits gezwungen war, ebendort zu bleiben. Wir hätten ihn gerade im zweiten Spiel so dringend gebraucht. Allein um uns weitere Hinweise zu geben, an welcher Stelle Tom Bartels Spielernamen falsch ausspricht (für die Nummer 21, Diogo Jota, reichen selbst meine nicht vorhandenen Portugiesischkenntnisse; Superlearning, das dank familiärer Unterstützung für nahezu alle Liverpool-Spieler gilt). Wir hätten uns nicht beklagt, wären es seine einzigen Kommentator-Fauxpas‘. Doch wir wollen nicht undankbar sein. Schließlich lief unser AFC-Repräsentant in typisch asiatischer Höflichkeit zum ersten Spiel im Oranje-Jersey und zum zweiten im Seleção Portugesa-Outfit auf („Jedesmal im Verliererdress“, wie ich mir vor Anpfiff des zweiten Spieles in meiner deutschen Tölpeligkeit leider nicht klemmen konnte). Dass er als glühender Holland-Verehrer während des Spiels seiner Mannschaft vor Enttäuschung einschlief, steigerte zusätzlich die Stimmung des Abends für die Wachgebliebenen. Außerdem sollten wir dankbar sein, dass uns der einstudierte Torjubel CR7s erspart geblieben ist und stattdessen ins Gesicht von TH16 geschrieben war. Auch der edukative Aspekt des Abends soll hervorgehoben werden: seitdem konnte der Begriff „Neuroathletiktraining“ bei uns Einzug halten - zumindest in den aktiven Wortschatz.

Sonntag, 27. Juni 2021

Tag 14

Wieder habe ich das erste Spiel verpasst. Diesmal nicht für Arbeit sondern für eigene sportliche Betätigung. Nun ist also auch die zweite britische Mannschaft der Herzen raus. Aber Dänemark gönnen wir es auch.  
Zum zweiten Spiel beehrte ich unser kleines EM-Studio fast pünktlich mit meiner Präsenz. Echte Sympathie herrschte für keine der Mannschaften. Österreich, insbesondere Arnautović, war einfach nur noch unbeliebter. Auch wenn gegen Ende, zumal Arnautović da nicht mehr auf dem Platz stand, die Standhaftigkeit schon fast hätte honoriert werden sollen. Richtig unglücklich waren wir mit dem Spielausgang nicht. Allerdings fehlte das Elfmeterschießen. Häufigster Satz des Abends war in jedem Fall: „Bela, halt‘s Maul!“ Obwohl er uns den Satz des Tages bescherte:  „Linien lügen nicht.“ Als serviceorientierter Post liefere ich unseren gestrigen Ohrwurm hier gleich mit.

(Wir nennen es: Diversität an Duftrosen.)

Samstag, 26. Juni 2021

Spielfrei II

Schon viel besser! Entweder lag es an der Gewöhnung an den Urlaubsmodus oder ich hatte mit dem zweiten Tag einfach mehr Glück. Nur noch selten waren die Momente, die mich in die Arbeitswelt zurückholten. Ein paar Tage sturmfrei habe ich außerdem. Vom Sohn erreichen mich Bilder aus Südostniedersachsen, auf denen er mit Mops auf dem Schoß zu sehen ist. Beide wirken glücklich und zufrieden. Dann bin ich es natürlich auch. Selbst der neuerliche Ausflug in die (andere) portugiesische Gastronomie war erfolgreich. Ich wurde zuvorkommend bedient und genoss zwei Runden Kaffee und Törtchen. Einzig die Bezahlung war etwas holprig, doch das lag an mir. Das Café erfordert Barzahlung (Bargeld, was war das nochmal?) und nach Monaten der Cash-Brache befanden sich aus Gründen nur ein paar Münzen in meinem Besitz. Ich versprach der netten Servicekraft, schnell Geld zu holen, um meine Zeche zu begleichen. Zwar befindet sich fast direkt nebenan eine Sparkasse, doch bin ich unterdessen ausreichend zum Pfeffersack mutiert, dass ich nicht einsehe, am Scheinewerfer Gebühren zu lassen. Meiner Erinnerung nach hätte sich eine Commerzbank nicht allzu weit entfernt auftun lassen müssen. Natürlich hatte ich das Filialenabwickeln dieser Bank nicht eingerechnet. Mein Gedanke war richtig, nur standen die Räume indes leer. Lediglich schriftlose gelbe Markierungen erinnerten noch an die ehemalige Bestimmung. Weiter ging’s. Ich kam mir vor wie in der guten alten Aral-Werbung. Ich ging meilenweit. Nicht für Benzin sondern für Bargeld. Als ich endlich echauffiert zurückkehrte, erzählte ich der netten Dame hinterm Tresen von meiner Exkursion. Der hinzugekommene portugiesische Wirt hob die Arme und erklärte radebrechend etwas, von dem ich im wesentlichen „Corona“ verstand. Ich widersprach, dass Lockdown etc. am Filialsterben sicherlich keinen Anteil gehabt habe, da dahinter System stehe. Dass mein Exkurs zur Kapitalismuskritik ankam, wage ich zu bezweifeln. Immerhin bin ich ihn losgeworden.



Freitag, 25. Juni 2021

Spielfrei I

Der Zufall wollte es, dass der erste spielfreie Tag und der erste Urlaubstag aufeinander fielen. Beides gab mir endlich wieder Zeit und Gelegenheit, entspannt zu lesen, ohne auf die Uhr gucken zu müssen. Den Wunsch auszuschlafen konnte ich noch nicht ganz wie vorgesehen umsetzen, da hier der rechte Abstand zur Arbeit fehlt. So machten sich morgens zur alltäglichen Weckzeit Arbeitsthemen im Kopf breit, die am Ende nicht anders als durch Lektüre zu vertreiben waren. Schlaf ging jedenfalls nicht mehr.
Ganz ließ sich der Beruf auch beim Lesen nicht unterdrücken, als ich später in einer unteren Ausgabe meines kumulierten Zeit-Stapels diese Perle der Anzeigenkunst entdeckte (zusätzlich bestimmt perfekt platziert in der Erinnerung an die Invasion Russlands vor 80 Jahren):

Es mag meinem wenig ausgeschlafenen Zustand oder der langen Entwöhnung zuzuschreiben sein. Erst am Nachmittag entsann ich mich der Möglichkeit, mir Urlaubsgefühl durch einen Cafébesuch zu bescheren. Ich fragte mich, ob es nur mir so geht oder ob jüngere Menschen vielleicht noch viel weniger auf die Idee kommen, ein Restaurant zu besuchen, weil ihr „vorheriges“ Leben so viel kürzer war als meins. Ich weiß es auch nach längerem Überlegen nicht. Meine (späte) Wahl fiel auf die portugiesische Pastelaria um die Ecke. Neben gutem Kaffee und Törtchen wird das mediterrane Gefühl gleich mitgeliefert. Die Rechnung ging nicht auf. Drinnen gibt es dort keine Möglichkeit Platz zu nehmen. Draußen war alles belegt, so dass ich mich mit Espresso und einem Pastel de Nata etwas abseits vom Geschehen, aber relativ dicht daran, an einen ungedeckten Tisch ohne Stühle stellte. Die Servicekraft ermahnte mich, dort dürfe ich nicht stehen, der Tisch gehöre nicht zu ihnen, sondern zum asiatischen Restaurant nebenan (dessen Tische, selbst die eingedeckten, um diese Zeit niemand - in Worten: null Personen - nutzte). Ich solle mich auf ihren Bierbänken irgendwo dazwischen klemmen. Klingt nach einem überzeugenden Hygienekonzept. Sie blieb neben mir stehen, um mich zum Weggang zu bewegen. Genervt tat ich ihr den Gefallen, wenngleich nicht ganz wie geplant: ich trank den Kaffee mit einem Schluck aus (wie umsichtig, dass ich keinen Milchkaffee geordert hatte), knallte die Tasse auf ihr Tablett und aß mein Törtchen im Gehen. Diesem Ausflug in die Gastronomie werde ich wohl nicht die Ehre eines Aufsatzes „Mein schönstes Urlaubserlebnis“ zuteil werden lassen. Die verpatzte Generalprobe gestern macht immerhin Mut für eine gelungene Premiere heute.

Donnerstag, 24. Juni 2021

Tag 13

Natürlich war unser EM-Studio geflaggt. Nicht umsonst steht es in unserem beschaulichen Dorf, das zwar recht heterogen, aber nicht zwingend heterosexuell bewohnt wird. Da durften die Maskottchen/Protagonisten nicht hintanstehen.
Schon fast zur Tradition geworden verpasste ich die erste Spielrunde in unserem Studio. Vor dem Arbeitsbildschirm konnte ich nebenbei wenigstens verfolgen, wie der Sohn lustig zwischen Magenta 1 und 2 herumschaltete. Er ertrug weder die in den Sieg stolpernde spanische Mannschaft („Wieso setzt der Idiot Thiago nicht ein?“, „Wie kann man die besten Spieler nicht mitnehmen, nur weil sie bei Real Madrid spielen?“ usw. usf.) noch das Spiel der Schweden, weil sein bevorzugter Spieler Isak („Liverpool hat Interesse an ihm.“) nicht das Tor schoss - sondern „der langweilige Forsberg“. Immerhin konnte ich auf die Weise trotz Arbeit etwas vorglühen, um nicht den Stimmungsvorsprung zu den anderen Studiogästen gänzlich uneinholbar werden zu lassen. Gegen 20 Uhr konnte endlich zusammenkommen, was zusammen gehört.
Doch die Arbeit war noch nicht ganz beendet. Neben der Fertigung der standortadäquaten Mützen musste auch die Voodoopuppe aktualisiert werden. Genau genommen hat die deutsche Mannschaft ihren gefühlten Sieg nur meinem Einsatz zu verdanken. Alert tauschte ich das Kopfbild Sallais nach seiner Auswechselung gegen das des Kapitäns aus, so dass ersteres neben dem von CR7 (unser jüngster Studiogast: „Wieso liegt da ein Kopf?“) zu seiner letzten Ehre kam. Ja, sagen wir es, wie es ist: Deutschland hat mir so viel zu verdanken. 
Darauf durften wir trotz Alltags nach Abpfiff noch ein Glas Wein trinken. Vielleicht auch auf meine Urlaubswoche. Sie könnte über die schweren spielfreien Tage hinweghelfen.



Mittwoch, 23. Juni 2021

Tag 12

Die Technik wird immer ausgefeilter, die Laufwege spielen sich langsam wieder ein, die neue Optik bereitet uns keine Probleme mehr.

Es ist schade, dass sich die Vorrunde dem Ende zuneigt. Vor allem, da wir uns im Zuge dessen gestern von Schottland verabschieden mussten. Die Sympathiewertung sah die schottische Mannschaft nicht auf Platz vier. Und die Kroaten garantiert nicht auf Platz zwei. Schwer hinzunehmen war außerdem wieder einmal, dass es nur die 21 Uhr-Spiele gab. Erstens weil dem Abend die übliche Struktur fehlt. Zweitens weil wir im EM-Studio auf juniore Unterstützung verzichten mussten. Immerhin habe ich mich mit meinen Tipps ins Mittelfeld zurück gekämpft. Mal sehen, was der letzte Vorrundentag - außer ganz viel Liebe - mit sich bringen wird.

Dienstag, 22. Juni 2021

Tag 11

Der Tag war ohnehin zum Bombenwerfen. Da passte es perfekt hinein, dass ich zum 18 Uhr-Spiel noch arbeiten musste. Meine Stimmung steigerte sich erst, als unser jüngstes Mitglied der Studiorunde insistierte, ich müsse kommen, er habe extra ein Schüsselchen für mich mit gedeckt. Dieses Argument zog selbstredend. Schnell fuhr ich den Rechenschieber herunter und siehe da: noch vor 20 Uhr war ich in unserem lauschigen EM-Studio mit zweimal zwei Spielen. Zusätzlich mit Verpflegung, denn die eigens für mich aufgetragene Schüssel stand nicht zum Spaß dort. Corona-Pfunde sind nichts gegen EM-Pfunde.

Montag, 21. Juni 2021

Tag 10

Selbstkritisch müssen wir nach wie vor unsere Laufwege monieren, die noch immer nicht an die aktuelle Situation angepasst sind. So haben uns - pünktlich zur Zweistelligkeit des Turniers - die parallelen Übertragungen ge-, zeitweilig überfordert. Etwas spät eingelaufen, dann Probleme mit der Ausrüstung und kurz vor Anpfiff den Verlust der gastgebenden Schlüsselspielerin. Da lief einiges nicht rund. Als wir zumindest das Equipment herangeschafft hatten, fiel uns Verbleibenden auf, dass das Streaming des zweiten Spiels ohne WLAN schwer möglich sein dürfte. Zum Glück konnten wir das Problem lösen, denn der Zusammenhalt der Mannschaft funktioniert auch ohne direkte Nähe. Später kritisierte unser Junior-Ehrengast lediglich, dass er jetzt nicht wisse, wo er hinsehen solle. Doch bin ich weit davon entfernt, ihn als undankbare Jugend zu schmähen. Hatte er schließlich meinen Lacher (unterdrückt, versteht sich!) des Abends gesorgt, als er uns erzählte: „Der Mann, der schwarz ist und eine Maske hat, der sieht aus wie ein Betrüber.“
Anderer Nachwuchs hatte beschlossen, sich das 21 Uhr-Spiel mit uns gemeinsam im unterdessen gut gerüsteten Studio anzusehen. Groß war die Enttäuschung, dass es keines gab. Damit war die Jugend nicht alleine. Auch wir wussten nicht mehr recht, was mit diesem angebrochenen Abend anzufangen sei. Als stufenweise Vorbereitung auf die nahenden, spielfreien Tage jedoch vielleicht kein schlechtes Training.

Sonntag, 20. Juni 2021

Tag 9

Endlich einmal ein Tag, an dem ohne schlechtes Gewissen stundenlang ferngesehen werden konnte. 

Spiel 1 brachte uns dazu, gegen unsere Überzeugungen anzufeuern. Eigentlich waren wir uns im Vorfeld - wenn auch eventuell aus unterschiedlichen Gründen - einig, dass wir den Ungarn ihrem Chef sei Dank nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. Doch dann hatten wir die schöne Vorstellung, wie Didier Deschamps seine zurückliegende équipe während der Halbzeit in der Kabine zusammenstaucht. Ich steigerte mich hinein, wie er seinen Jungs nicht nur das Abendessen sondern auch die PlayStation vorenthält oder gar wegnimmt. Wie sich aufgrund letzterer Drohung die Augen gestandener Männer wie Paul Pogba mit Tränen füllen. Ja, ich gestehe, so niederträchtige Gedanken hatte ich, als ich Gesichtsausdruck und Körperhaltung des französischen Trainers sah. Zu Beginn der zweiten Halbzeit bestätigte sich meine Theorie, fand ich. Anschließend war mir der Ausgang nahezu gleichgültig. Ohnehin war das Catering umso wichtiger, als wir im Studio einen Ehrengast knapp  unterhalb des Maskenpflichtalters hatten. Dieser konnte mit Beerentörtchen und Sprühsahne (eine Öko-Schweinerei, die aus Gründen nur zu Fußballevents zulässig ist) über die ersten 45 Minuten gerettet werden. Danach beschloss er, der Pool auf dem Balkon habe ihm mehr zu bieten.

Auch Spiel 2 musste auf dem Esstisch detailgetreu nachgestellt werden. Es gab iberische Spezialitäten und die deutscheste Mahlzeit, die man sich in Asien vorstellen kann: Bockwürste mit Senf und Brot. Authentizitätsabzüge gab es lediglich für Beilage und Präsentation. Statt dreieckig geschnittener Toastscheiben waren es Brötchen (immerhin im Fußball-Dessin) und statt rechteckiger Pappen mit Abriss als Halter waren es Porzellanteller (immerhin in schwarz-rot-gold). Auch hier hatten wir in der ersten Halbzeit freundlicherweise Unterstützung des Under-Age-Spielers. Fast wäre das Glück perfekt gewesen. Wenn noch ein weiteres Tor gefallen wäre, hätte noch ein Feld beim taz-EM-Bingo abgestrichen werden können. So mussten wir uns mit Manuel Neuers Reklamationsarm zufriedengeben, der dort ebenfalls aufgeführt ist.

Spiel 3 erreichten wir damit sowohl satt als auch entspannt. Der juniore Ehrengast wurde durch unseren portugiesischen Fußballexperten ersetzt. Dieser hatte die vorangegangene Partie nicht etwa deswegen nicht in unserer Gesellschaft gesehen, weil er für die andere Mannschaft hielt oder Sanktionen des anderen Publikums befürchtete. Nein, vielmehr hatte er als einziger die Niederlage seiner Mannschaft bereits am Dienstag vorhergesehen („Die verlieren gegen Deutschland mindestens 3:0! Das ist gegen die für Deutschland leichter als gegen Frankreich.“) und das Ergebnis lakonisch zur Kenntnis genommen. Er war früher einfach nicht fitgespritzt. Besser spät als nie, dachten wir uns auch im Hinblick auf die Getränke. Da die Sonne irgendwo im Empire bereits untergegangen war, konnten wir unsere Hütchenspielerschiebereien aufgegeben und zu Prosecco umsteigen. Passte immerhin zum italienischen Schiedsrichter. Und zum Geburtstag meiner Mutter, den sie in Italien feierten. Ihre Enttäuschung war hoffentlich nicht allzu groß, dass an Tag 9 einfach noch kein Elfmeterschießen ansteht.




Samstag, 19. Juni 2021

Tag 8

Wegen eines Calls verpasste ich nicht nur den Anpfiff sondern gleich die erste Halbzeit des Tages. Mir wurde hinterher zugetragen, ich habe nichts verpasst. Blöderweise ging es in der zweiten Halbzeit und im darauffolgenden Spiel ähnlich weiter. Dabei sei mir schon mehr entgangen, hieß es. Zumindest, wenn spritzendes Blut eine heimliche Leidenschaft sei. Mir machte es nichts aus. Nicht etwa, weil Nasenbluten nicht meine Passion ist. Erstens gab es immer noch die dritte Begegnung. Zweitens hatte der Sohn über Mittag seine vermeintlich erste Impfung ergattert. Über den Arbeitskollegen der Frau eines meiner Kollegen hatte ich sie ihm organisiert (vor ein paar Jahren, erinnere ich mich, war ich sehr stolz, einmal ähnliche Verwebungen auf spanisch erklärt haben zu können). Was ich hier parallel zu Fünfzigstundenwoche und EM organisiere, grenzt schon an Beschaffungskriminalität. Danke für nichts, Jenser! Die Vermittlung jedenfalls bestand aus „einem Astra-Shot“, wie der Kollege es nannte. Leider, leider kam es in der Praxis zu einem Versehen. Der Sohn bekam Johnson & Johnson. Als er die Praxis verlassen hatte, bekam er eine Nachricht, in der sie sich vielmals für ihren Fehler entschuldigten. Feixend beschlossen wir, in unserer unendlichen Güte von Regressforderungen Abstand zu nehmen. Jetzt hat mich der Sohn rechts überholt. Fehlen also nur noch die Tochter (zweimal) und mein zweiter Piks. Meinen Arbeitgeber wird es freuen, dass bald noch mehr Zeit für Heimarbeit bleibt. 
Dann war da noch England gegen Schottland. Wenn ich schon vorher durch Abwesenheit glänzte, wollte ich es wenigstens mit adäquatem Catering ausgleichen. Unser EM-Studio füllte sich mit leichten Anklängen von Fish & Chips-Aromen. Es muss ja kein Brite wissen, dass ich sie nicht aus der Fritteuse zog, sondern aus dem Backofen holte. Auch bei Soße und Getränk pfiffen wir auf Authentizität. Essig und schottischen Wein (oder umgekehrt)? Och, nö. Fettes Essen zu später Stunde bei schwülen 33° ist Hardship genug. Dass die Sieger unserer Herzen mit gefühltem Sieg vom Platz gingen, steigerte die Stimmung. Diese torlose Begegnung war spannend genug, als dass wir sie uns hätten schöntrinken müssen. Doch alles kann, nichts muss.

Freitag, 18. Juni 2021

Tag 7

Langeweile kam in unserem beschaulichen kleinen EM-Studio auf. Sie entstand weniger durch die Abwesenheit unseres portugiesischen Experten, auch wenn er natürlich fehlte, aber Verletzungspech macht eben auch vor amtierenden Europameistern nicht Halt. Der Ennui war vielmehr Folge des Geschehens auf dem Platz, obwohl es „Nicht-Geschehen“ eher zu treffen schien. Dummerweise gab es weder Handarbeit noch Alkohol zur Ablenkung. Letzteres stand uns nicht zur Verfügung, weil der 17. Juni kein Feiertag mehr sein soll und an einen nachfolgenden Brückentag erst recht nicht zu denken ist. Sollte die Art des Spiels mit England und Schottland heute in die Wiederholung gehen, gab es gestern schon den Vorsatz, sich zumindest diese Begegnung schön zu trinken. Von Sonnabend wollen wir gar nicht sprechen. Bis dahin muss sich außerdem unser Fußballexperte fitgespritzt haben!
Doch wir wollen nicht undankbar sein. Die Heimarbeitspartie vor der Abendveranstaltung war dafür umso spannender und attraktiver. Vermutlich ist die Summe sehenswerter Fußballszenen jeden Spieltag identisch. Nur waren sie gestern sehr ungleich verteilt.

Donnerstag, 17. Juni 2021

Tag 6

Fast schon einer Tradition folgend werden die ersten beiden Spiele parallel zum Home Office angesehen. In der zweiten Halbzeit der zweiten Begegnung spendiere ich uns sogar Ton. „Uns“ deshalb, weil mich seit Vorrundenbeginn der Sohn öfter mit Anwesenheit an meinem Arbeitsplatz erfreut. Er gibt zwar vor, sich nicht mehr für Fußball zu interessieren, besitzt aber nach wie vor eine profunde Kenntnis und freut sich jedesmal wie Bolle, wenn ein Liverpool-Spieler reüssiert oder eingewechselt wird. Manchmal assistieren mir zusätzlich ein Freund und die Tochter bei der Arbeit. Endlich wieder Anflüge eines gefühlten Großraumbüros. Der Sohn besteht darauf, dass wir auch nach dem ersten Spiel bei Magenta TV bleiben. Er wolle, wenn schon, dann „maximal schlechte deutsche Moderatoren und Kommentatoren“. In diesem Zusammenhang fragten mich die Kinder, für was das B in Johannes B. Kerner stehe. Ich klärte sie auf. Darauf entbrannte eine Diskussion zwischen Tochter und Sohn, ob Baptist (Kerner) ein schlimmerer zweiter Name sei als Robinette (Biden). Mein Beitrag, Bidens mittlerer Name klinge wie Waschbecken und passe zu Bidet, wurde als albern vom Tisch gewischt. Dann fühle ich mich wieder jung, eben wie in der Schule.
Doch zurück zum Sport: Erst das dritte Spiel fand auch gestern wieder im gewohnten EM-Studio statt. Allerdings mit noch weniger zahlreicher Besetzung. Nur zu dritt. Trotzdem wieder so schön, dass wir in Sorge sind, in welchem tiefen Loch wir erst an spielfreien Tagen, dann nach der EM landen werden. Gestern war zusätzlich gut, dass ich in Sachen Handarbeit noch etwas nachsitzen musste. Ohne diese Ablenkung wäre die einseitige Überlegenheit zu langweilig gewesen. Apropos Langeweile, hier der Erfolg meines Finetunings (Wir haben zwei Fehler in diesem Bild versteckt.):



Mittwoch, 16. Juni 2021

Tag 5

Es gehört wohl zu menschlichen Eigenschaften, sich selbst oft klein oder schlecht zu reden. In unserem illuster besetzten EM-Studio wurden nach dem Eigentor Stimmen laut, die deutsche Mannschaft werde das Spiel 6:0 verlieren. Selbstverständlich waren das übertriebene Unkenrufe. Unser portugiesischer Fußballexperte hingegen prognostizierte dieses Ergebnis für das Spiel seines Teams gegen die Deutschen (gegen Frankreich traut er ihnen immerhin ein Unentschieden zu). Da passt ins Bild, dass ich bei näherer Betrachtung der deutschen Trikots feststellen musste, hier muss in Sachen Handarbeit noch einmal nachgebessert werden, auch wenn diese Arbeit sicherlich nicht zu meinen Kernkompetenzen zählt.
Aber die Schnittchen waren gut.




Dienstag, 15. Juni 2021

Tag 4

Die Laufwege stimmen noch nicht. Weder unsere noch die der Müllabfuhr. Seit die Container wieder neben meinem Kopfkissen stehen, rechnete ich damit, am Montagmorgen durch die Glascontainerleerung geweckt zu werden. Doch nichts. Stattdessen war es heute kurz nach Dämmerung der Hausmüll am Fußende meines Bettes. Ich hätte ein bisschen mehr Rücksicht vertragen können, schließlich habe ich bereits gestern am späten Abend die nationale Aufgabe erledigt, die beiden Trikots fertigzustellen, die den Einsatz am heutigen Abend ermöglichen. Eine größere Herausforderung als sonst, musste ich doch zusätzlich die Corona-Bäuche unserer Protagonisten berücksichtigen. Es scheint mir gelungen zu sein. Selbst der Sohn äußerte sich positiv über die neuen Jerseys seiner ehemaligen Schützlinge. Es half sicherlich, dass das dritte Spiel des vierten Spieltages vergleichsweise highlightarm war. So wie mir neben der internationalen Publikumsbesetzung die Handarbeit half, während der Übertragung nicht durch lautes Schnarchen aufzufallen. Die vermeintlich weniger hochklassigen Begegnungen davor waren spannender. Außerdem gaben sie mir fast das Gefühl von sommerlichem Büroalltag wieder: irgendwo neben dem Arbeitsplatz läuft lautlos ein Fernseher. Früher, in der guten alten Zeit, neideten meine Kinder mir die Arbeit. Schließlich durfte ich dort den ganzen Tag fernsehen. Heute wissen sie es besser. Oder es ist ihnen egal, da auf ihrem Second Screen ohnehin immer etwas anderes läuft und die Attraktivität von Super RTL altersgemäß rückläufig ist.
Zu den Laufwegen zurückkehrend muss ich nichts weiter sagen als „Null Punkte“. Eigentlich könnte ich aufhören zu tippen. Dafür war ich produktiv, in verschiedenen Disziplinen.

(Ja, ich weiß. Die schwarzen Auswärtstrikots wären sinnvoller gewesen. Weiß tut nichts für die beiden.)

Montag, 14. Juni 2021

Tag 3

Ganz gleich, wie groß die Freude über ein Fußballturnier ist, gestern war die Priorisierung aufgehoben und lag auf anderen Outdoor-Aktivitäten. Die See rief lauter als der Ball. Obwohl das Wetter anfänglich nicht dafür sprach. Doch wieder einmal war es außerhalb der Stadt besser. Sonne und Wind, ja, sogar Brandung. Sofort bedauerte ich es, nicht fürs Baden ausgestattet zu sein. Dann eben einfach nasse Hosenbeine, die zur Rast im Sand anschließend zu großflächig paniertem Stoff führten. Weil es so schön war, wurde der Ausflug weiter ausgedehnt als geplant. Die Folge: noch weniger Fußball und dafür mehr sonnengerötete Haut. Während der Reisebegleiter meinte, nur er sei verbrannt, stellte ich auch bei mir Vergleichbares fest. Meine Anmerkung wurde mit dem Argument vom Tisch gewischt, ich sei ausreichend vorgebräunt und sehe besser aus als Roberto Blanco zu seinen besten Zeiten, nur dass ich die Haare schöner habe. Wenn das so ist. Die ausgedehnte Sommerfrische führte dazu, dass ich erst zum Ende der zweiten Halbzeit Österreich - Nord-Mazedonien live vor dem Schirm sitzen konnte. Vorher wurde ich glücklicherweise mit Live-Schalte über die jeweiligen Spielstände und Qualität der Partie informiert. Doch alles hilft nicht. Ich muss gestehen, dass sich der lange Trainingsrückstand schmerzlich bemerkbar macht: meine Tipps sind bestenfalls mittelmäßig. Das wird sich nach sonntäglicher Schludrigkeit wohl nicht bessern.



Sonntag, 13. Juni 2021

Tag 2

Aus verschiedenen Gründen mussten wir uns keine Gedanken über zulässige Personenzahlen machen. Den zweiten EM-Tag bestritten wir im trauten Damen-Doppel. Spielerisch die beste Partie war überraschend Wales gegen die Schweiz. Wieder einmal musste festgestellt werden, dass die vermeintliche Frisur nichts für Gareth Bale tut. Man kann vielleicht sagen, dass es für ihn keinen passenden Haarstil gibt, aber Dutt ist so 2015 - und war auch damals maximal unter der Dusche statthaft.
Eigentlich wollten wir uns das 18 Uhr-Spiel schenken. Da die Nachbarin jedoch das taz-EM-Bingo sehr ernst nimmt, mussten wir es mitnehmen, da Bela Rethy kommentierte und ein abzustreichendes Feld „Bela Rethy hustet ins Mikrofon“ heißt. Manchmal ist auch in der Freizeit Härte gegen sich selbst gefordert. Wie hart es würde, war uns anfangs natürlich nicht bewusst. Je länger die Reanimation von Christian Eriksen dauerte, desto banger wurde uns beiden ums Mutterherz. Meine einzige Beruhigung war, wie ruhig der dänische Trainer die ganze Zeit blieb. Aber vielleicht verhielt er sich auch nur einfach wie ein Skandinavier? Am Ende war zum Glück das Schlimmste, dass der blödeste unter den Kommentatoren über die lange Zeit nicht einmal das Husten hinbekam. Weitere preußische Härte gegen uns selbst bewiesen wir, als wir uns nach überstandener Aufregung keinen Schnaps genehmigten. Der wäre schließlich nicht nur für die Begegnung Dänemark - Finnland sondern auch für die nachfolgende Belgien - Russland angemessen gewesen. Da fanden wir zwar den Sieg der Belgier durchaus angemessen und erstrebenswert, sorgten uns um Verlauf des Spiels doch sehr darum, wie es den nicht mehr ganz taufrischen „Rüssen“ (Marc Wilmots) nach dieser Niederlage im Gulag ergehen werde. Die Partie war ansonsten langweilig genug, dass ich mit meinem für Dienstagabend avisierten Job ein gutes Stück weiterkam.



Samstag, 12. Juni 2021

Tag 1

Es ist nicht ganz das Gleiche, aber wir haben das Beste aus den Möglichkeiten herausgeholt. Quasi unser volles Potential abgerufen. Draußen zehn Erwachsene und später drinnen fünf sind für ein klassisches Spiel etwas zu wenig. So beschränkten die neuen Regeln zwar die üblichen Eröffnungsfeierlichkeiten, taten jedoch der Spielfreude keinen Abbruch. Selbst das kurzzeitige Fritz-Walter-Wetter hielt uns nicht davon ab, warmzulaufen und den Grill anzufeuern. Einige der Laufwege waren ob der Zwangspause ein wenig eingerostet. Dieser Rückstand konnte jedoch durch nicht-biodeutsche Tugenden wie Fleiß und Disziplin ausgeglichen werden. Unser Team und damit auch der ebensolche Geischt sind - und bleiben auch in kleinerer Zahl - vielfältig: originär Nord- und Ostdeutsche, Portugiesen, Südamerikaner und Asiaten. Wir waren klar die bessere Mannschaft.
Die eigentliche Begegnung später im noch ausgewählteren, aber gleichermaßen internationalen Publikum holte mich nicht ab. Für ein Eröffnungsspiel vielleicht nicht überraschend kam erst durch ein Eigentor Bewegung hinein. Das Kommentatoren-Gejubel, wie bravourös die Italiener performt haben, ließ sich eigentlich nur mit alkoholischen Erfrischungsgetränken ertragen. Das war neben der fehlenden Übung vermutlich der Grund, warum sich unser Nachspielzeitorakel um 50% verhauen hat. Immer noch eine bessere Quote als mein Spielstand-Tipp, der mit einer Differenz von 200% daneben lag. Wir sind auch beim Antizipieren noch nicht wieder eingespielt. Gerade wegen unserer Qualität als Turnier-Mannschaft bin ich überzeugt, dass wir den Trainingsrückstand bald aufgeholt haben werden. Heute und morgen folgen in Summe schließlich sechs weitere Trainingseinheiten.





Freitag, 11. Juni 2021

In den besten Jahren

Herrlich, sich wieder jung zu fühlen! Nur weil ich von verschiedenen Stellen Angebote bekommen habe. Zugegeben, sie waren fürs Impfen, aber unterdessen nehme ich, was ich kriegen kann. And therefore, as a free woman, I take pride in the words “Frau Dokta hat ma jeümft!“. Für alle, die es nicht wissen: Ich schmücke mich nicht etwa mit amerikanischen Politikern; bei diesen Worten handelt es sich um ein Selbstzitat. So begrüßte ich als etwa zweijähriges Kind meine Eltern, als sie mich im Krankenhaus besuchten. Anders als ihre eigenen Eltern nahm meine Mutter zwar keinen Anstoß an meinem Berlinern (oder sollte ich ganz präzise „Spandauern“ sagen?), doch befremdlich war es für sie schon, dass ein Gutteil meiner Sprachsozialisation nicht durch die Familie sondern durch Krankenhauspersonal erfolgte. Ich selbst war ob des Norddeutschen Idioms meiner Kinder ähnlich irritiert (oder sollte ich „ürretiat“ sagen?).
Langer Rede, kurzer Sinn: gestern habe ich plötzlich und unerwartet die erste Impfung verpasst bekommen. Ich mag mich nun zwar jung und unsterblich fühlen, aber im Grunde meines Herzens weiß ich um mein Alter. Daher erspare ich uns allen das Oberarm-Mit-Pflaster-Selfie. Bei diesen kleinen Piksern ohnehin albern. Kinder, ich könnte Euch meine Pockenimpfungsnarbe zeigen - das war noch was Reelles! So zum Beispiel:

Dass ich heute morgen mein Kleid nicht ganz schließen konnte, weil mich der etwas immobile linke Arm daran hinderte, den Reißverschluss hinten bis ganz oben zu ziehen, kann wegen Geringwertigkeit nicht einmal als bereitwillig gegebenes Opfer klassifiziert werden. Das nehme ich einfach so hin. Den Kommentar eines Kollegen dazu zitiere ich hier aus Jugendschutzbelangen nicht. Alles Weitere, was wiederum dazu gesagt wurde, ebenso wenig.
Mein größter Schatz ist unterdessen mein Impfausweis. Schade nur, dass man ihm, der im Übrigen wirklich noch jung ist, weil er erst 2005 seinen verlorenen Vorgänger ersetzte, meine Wertschätzung mit allem Tesafilm, Seitenankleben und allen Eselsohren nicht ansieht.

Dienstag, 8. Juni 2021

Fotofinish

Es fällt mir gerade schwer zu entscheiden, über wen oder was ich mich am meisten ärgern soll. 
Dass ich seit gestern nominell auch geimpft werden könnte, jedoch - besonders hier - nur noch mehr Menschen eine Chance suggeriert wird, die es aufgrund des Missmanagements und zu sparsam eingekaufter Impfdosen in Wirklichkeit nicht gibt? Irgendwas hält mich davon ab, mich als Teil einer großen Familie oder Wartegemeinschaft gut zu fühlen.
Dass ich derzeit eigentlich Urlaub gehabt hätte, stattdessen trotz anderer Vorsätze mindestens so lange arbeiten muss wie sonst und am Ende erst mit Beginn der Dämmerung (im Juni!) Feierabend mache? Dass ich dann zu spät esse, anschließend nicht sofort ins Bett möchte oder kann und so erst nach Mitternacht dort lande? 
Dass der Nachbar wiederum kurz nach der Dämmerung (im Juni) mit seinem röhrenden, stinkenden Auto - An dem er unablässig herumschraubt, vielleicht um es noch lauter und abgasreicher hinzubekommen? - vom Hof fährt? Natürlich nicht ohne vorher die Kette zum Parkplatz lautstark in die Einfahrt zu werfen und knirschend darüber zu fahren - Ehrensache! Auf jeden Fall so dröhnend, dass ich trotz Schlafdefizits (s.o.) aufwache und nicht wieder einschlafe.
Was es auch sei, das den größten Ärger verursacht: Weitermachen!

Freitag, 4. Juni 2021

Zum Ersten

Nachdem gestern der erste Tag des Jahres war, an dem es hier nach Sommerregen roch, ist heute der erste Tag, an dem es auch an meinem Nordost-Erdgeschoss-Altbau-Arbeitsplatz warm genug ist, um sich von Pullover oder Strickjacke zu trennen. Apropos: heute ist außerdem der erste Tag, an dem ich unter neuer Flagge sogar fast vollständig arbeiten kann. Dass heute der erste Tag meines Urlaubs gewesen wäre, blenden wir besser aus. Vielleicht genauso wie die Tatsache, dass nun die Zeit begonnen hat, in der ich mich wirklich fürs Aussehen meiner Füße (zwei Stück Totholz mit jeweils fünf dilettantisch aufgebrachten Stellen Farbe) schämen muss und eigentlich besser mit Brown Bag über dem Kopf unter Menschen ginge. Ach, egal! Die Sonne scheint - und das Wochenende naht in Siebenmeilenstiefeln (oder Siebenmeilensandalen?).