Montag, 20. Dezember 2021

Warnung

Jede oder jeder, die oder der mir und meiner Familie frohe oder gar fröhliche Weihnachten wünscht, bekommt ansatzlos eine gedrückt. Und ausnahmsweise ist mit mir nicht zu spaßen. 



Samstag, 18. Dezember 2021

Asterix bei den Schweizern

Umständehalber hielt ich mich in der Schweiz auf. Wunderbar, wie dort alle Stereotypen aus französischen Comics bedient werden. Selbst im Dunkeln sah ich, dass es sehr ordentlich, aufgeräumt und sauber gehalten wird. Dass alles unglaublich teuer ist und dennoch - oder deswegen? - an jeder Ecke Reichtum zu erkennen ist. Busse und Züge sehen außen wie innen wie geleckt aus. Selbst öffentliche Toiletten sind so blitzeblank, dass man sich mit Freunden auf den Boden schmisse, wäre es nicht vergleichsweise kalt. In der hintersten Ecke des Genfer Bahnhofs gibt es dann einen Bereich, durch den alle müssen, die zu französischen Zügen wollen. Betrifft man den schmalen Gang zum Zoll, umgibt einen sofort eine graubraune Schmuddeligkeit, von der man vermutet, dass sie mit diversen ansteckenden Krankheiten aufwarten kann. Der Charme eines in die Jahre gekommenen Gefängnistraktes. Dann weißt du, du bist in Frankreich. Nicht nur wegen der Zollkontrolle. Das Umfeld mag schmuddelig wirken, und der Besuch einer öffentlichen Toilette ist jetzt nur noch im absoluten Notfall statthaft, aber sofort empfängt einen von jeder Stelle eine unglaubliche Höflichkeit. Die Zöllnerin glaubt mir zwar nicht ernsthaft, dass ich keine Zigaretten oder keinen Alkohol mitführe, doch sie bleibt über alle Maßen freundlich und zuvorkommend. Bienvenue en France! Und ein Glück, dass ich nicht in den See musste, weil ich Brot in den Topf fallen ließ.

(Bett 1, 2 oder 3? Ob du wirklich richtig liegst, zeigt sich, wenn das Licht ausgeht.)

Freitag, 17. Dezember 2021

Wie ein Urlaubstag!

Es läuft nicht ganz wie geplant. Damit ist nicht einmal  das Erstweltproblem schlechteres Wetter im sonst so sonnigen Süden gemeint. Das kann mir unterdessen egal sein, denn ich muss die Erholung an den Nagel hängen und mich peu à peu in Richtung Nordosten vorarbeiten. Die Bilanz meiner geplanten 14 Tage nachgeholter Sommerfrische sieht mit einem entspannten Urlaubstag netto gar nicht mal so gut aus. Heute früh habe ich also aus Gründen meine Zelte in Spanien abbrechen müssen. Der Plan war, sich über die Schweiz vorzuarbeiten. Kein wirklich guter. Denn seit ein paar Tagen ist es den Schweizer Behörden vollkommen wumpe, ob Einreisende dreimal geimpft sind. Sie wollen in jedem Fall einen rotzfrischen PCR-Test. Das geht aus den Bestimmungen leider nicht hervor. Damit wird man erst am Schalter konfrontiert. Dreimal darf geraten werden, was der Flughafen in Valencia aktuell nicht anbietet? Genau, einen PCR-Schnelltest. Richtig schnell war auch die Alternative nicht: ungefähr zweieinhalb Stunden nach einer Taxifahrt vom Flughafen in ein Krankenhaus erhält man sein Ergebnis. Der Test dort ist zumindest so rapido, dass er mit 150€ bepreist wird (exklusiv Taxifahrten, Ehrensache). Hätte ich es vorher gewusst, wäre ich gleich nach Frankfurt geflogen. Aber damit rechnen sie bloß. Stattdessen stehen alle um den Flug Gebrachten nach dem Test am Flughafen-Service-Schalter an, um auf anderen Wegen zu ihrer Destination zu kommen. Auch diese Wartezeit entpuppt sich als nicht allzu kurz. Meinem französischen Wartekameraden gegenüber spreche ich davon, „tuée par fatigue“ zu werden. Er hat etwas mehr Glück als ich und darf schon mit dem Flugzeug nach Frankfurt in Richtung Schweiz reisen, so dass er nur etwa fünf Stunden später als geplant ankommen dürfte. Ich hingegen soll über Brüssel dorthin gelangen. Ungefähr sieben Stunden später als gedacht. Und so spät, dass ich nur noch versuchen kann, zumindest aus der Schweiz herauszukommen, um keine Übernachtung in Schweizer Franken finanzieren zu müssen. Doch so weit ist es noch nicht. Denn zeitweilig sah es so aus, als ob ich erst einmal in Belgien steckenbliebe, weil man mich auf dem - Ehrensache: verspäteten - Flug ohne gültiges PLF (WTF?) nicht befördern möchte. Nie wieder will ich über das spanische Gesundheitszertifikat meckern. Es gibt deutlich nutzlosere. Das besagte aus der Schweiz zum Beispiel. Dieses hat zudem noch den Nachteil, dass es in meinem Fall nicht funktioniert und angeblich nur in digitaler, nicht in Papierform bereitgestellt wird. In ihrer unendlichen Güte lassen mich die Bodenmitarbeiter mitreisen, wenn ich verspreche einen Screenshot der Fehlermeldung zu erstellen. Dreimal darf geraten werden, was die „äußerst schwer erziehbaren schwulen Schwager aus der Schweiz“ (Max Goldt) im Flugzeug durch die Reihen ziehend austeilen? Genau, ein Papierformular - natürlich nur gültig „mit Durchschlag“ (meine Mutter). Und dann viermal, was in der Schweiz angekommen von niemandem eingefordert oder angeguckt wird?



Dienstag, 14. Dezember 2021

Best of Both Worlds

Fest hatte ich mir vorgenommen, es nicht zu tun. Schließlich hatte ich nicht umsonst mit Beginn des vierten Quartals noch mehr als zwei Drittel meines Urlaubsanspruchs offen - sowie zu der Zeit eine Historie von vierzig 50 Stunden-Wochen hinter mir. Und doch empfinde ich jetzt so: Mir tun alle leid, die die gerade angebrochenen dunkelsten zwei Wochen des Jahres nicht wie ich in Shorts kilometerweit durchs laue Wasser watend verbringen können. Am Ende mit nassen Hosenbeinen und nassem Hosenboden. Die nicht die Gelegenheit haben, sich zum Trocknen nachmittags um 16 Uhr in die Sonne zu setzen. Die nicht mit lateinamerikanischer Musik aus dem Beach Club beschallt werden, zu der auf der Bühne am Strand grauhaarige Männer und naturidentisch frisierte Frauen in Paaren ihre Tanzschritte für Silvester üben. Doch ehe alle in Neid ausbrechen. Einen Wermutstropfen gibt es schon. Super Mario hat das Internet repariert. Es gibt keine Ausrede mehr, nicht in den Jobaccount zu gucken. Aber nicht vor mañana. Assimilation ist schließlich ein Gebot der Höflichkeit.



Montag, 13. Dezember 2021

Fin de temporada

Ausnahmsweise bin ich nicht stumm, weil ich außer Arbeit zu nichts komme. Diesmal liegt es an schlechter Internetverbindung. Und das, obwohl ich mich vermeintlich rettend ins Ausland verbracht habe. Wer dachte, in Sachen Digitalisierung lebten wir in Deutschland als Einzige vollkommen hinterm Mond, sieht diese Theorie zwar bestätigt, wenn er/sie nach Moldawien reist, wird jedoch bei einem Besuch in Spanien eines Besseren belehrt. Impfen und Sonnenschein können sie hier zwar, aber Internet scheint auch nicht so ihr Geschäft. 
In der Wohnung meiner Eltern gab die Box zwar noch flackerndes grünes Licht von sich. Das war allerdings ihr einziges elektronisches Signal. An Datenübermittlung war nicht zu denken. Der Hausmeister versprach, sich zu kümmern. Nach nur zweimaliger Aufforderung klappte zumindest diese Face-to-Face-Übermittlung. Ein Techniker sollte kommen. Zugegeben, er erschien nicht am angekündigten Tag, sondern erst am Folgetag. So viel mañana-Tradition muss sein, besonders in der Adventszeit. An der Gegensprechanlage kündigte sich der Fachmann am Freitag als „Mario del Internet“ an. Das machte auch mit Verspätung Mut. Oben angekommen glaubte er erst einmal nicht die Zustandsbeschreibung von meiner Mutter und mir. Darin unterschied er sich wohltuend wenig von seinen teutonischen Kollegen. Er machte sich ans Umstöpseln und Schrauben. Leider vergeblich. Nach einer Weile befreite Super Mario die Box, klemmte sie unter den Arm und beschied uns, er kehre in „cinco minutos“ zurück. Diese sind auch nach 72 Stunden nicht verstrichen. Fünf Minuten oder fünf Tage, stört doch keinen großen Geist. Immerhin kann ich auf die Weise definitiv nicht während meines Urlaubs arbeiten.
Und Sonne können sie hier wirklich.



Montag, 6. Dezember 2021

Zapfenstreich

Eine neue Ära hat begonnen. Ich habe die gute alte Zahnbürste zu den Akten gelegt und bin nun ins Geschäft des elektrischen Modells eingestiegen. Deutlich später als die Generation meiner Kinder. Wegen dieses Zeitverzugs fehlt mir ihre Expertise. Ich frage mich nach wie vor, wie es gehen soll, beim Zähneputzen nicht das ganze Badezimmer und vor allem meine Haare mit Zahnpastaspritzern zu überziehen. Wenn ich es mir recht überlege, gelingt es ihnen auch nicht richtig. Bin ich doch diejenige, die unter anderem die Badezimmerspiegel putzt.
Außerdem kann ich seit gestern der weiteren Wellen und Varianten etwas entspannter entgegensehen, denn ich bin geboostert. Am Ende war es sehr unkompliziert und sogar schon nach etwa fünf Monaten möglich. Fünf Minuten nach meinem Termin war ich fertig, zum Glück nicht im anderen Sinne.
Neben diesen bahnbrechenden Entwicklungen hat auch die Kanzlerin ihren Abschied gefeiert. Zu diesem Anlass fanden wir uns spontan zu einer Videoschalte zu dritt zusammen. Unser Kreis passte wunderbar zur Anzahl der Wunschtitel. Während der erste Kanzlerinnenwunsch ganz eindeutig dem einzigen mit 
Ostsozialisation zufiel („Wisst Ihr, worum es in dem Lied eigentlich geht?“), gehörte der letzte ebenso klar der einzigen mit einer Karriere in protestantischer Jugend. Textsicher konnten uns sämtliche neun Strophen von „Großer Gott“ virtuell und virtuos dargeboten werden. Blieb für mich also nur „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ übrig. Mit dieser Zuteilung war ich nicht unzufrieden. Wenngleich „mein“ Song in der Feier etwas zu kurz kam, fand ich. Mit Verruchtem tut sich eine Militärkapelle wahrscheinlich schwer, deswegen wollten sie es so kurz wie möglich halten. Der Miene der Kanzlerin nach war unsere Videoveranstaltung deutlich amüsanter.
Der wichtigste Punkt jedoch, weswegen sich ab jetzt alles zum Guten wendet: Im März 2020 hatten wir Karten für die Premiere des neuen Studio Braun-Theaterstücks im Schauspielhaus. Aus Gründen fand sie nicht statt. Mit nur 20 Monaten Verspätung war es am Samstag so weit. Und umso schöner. Wen kümmert da, dass der Saal entgegen der Ankündigung komplett ausgebucht war, wir trotzdem keine Plätze nebeneinander hatten und die Maske den ganzen Abend aufbleiben musste?



Dienstag, 30. November 2021

Umsetzung

Die neu erworbene Fähigkeit, Großgeflügel essbar verarbeiten zu können, reiht sich in die althergebrachten Skills ein, einigermaßen anständige Adventskränze bauen zu können. Bauen ist allerdings nicht ganz die passende Vokabel, da ich die eigentliche Herstellung des Rumpfkranzes den Profis überlasse und bereits gebundenes Grün kaufe. Wenn nicht, würde der Kranz nie fertig. Die Produktion scheiterte an meinem Symmetrie-Perfektionismus. Bei anderen, selbst bei den Profis, bin ich auch in dem Punkt nachsichtiger; die Unregelmäßigkeit liegt dann nicht mehr in meiner Verantwortung. Ich bin also nur für das Bunte zuständig. Selbst das trifft es nicht ganz, habe ich doch gestern noch einen Kranz für einen bedürftigen Freund fertiggestellt, dessen Farbgebung sicher über allen Kummer hinweghilft. Nicht nur über den, dass er erst nach dem ersten Advent nutzbar ist. Dieses Modell nannte ich „Brutalismus“, auch wenn es mir dafür noch ein wenig zu verspielt geraten ist.
Jemand anderes empfahl mir, eine Adventskranz-Zeitreihe auszustellen, weil unter ihnen ein paar gelungene dabei sind. Dies will ich gerne mehr oder weniger unkommentiert tun, wenn auch unvollständig. Mein eigener Favorit ist übrigens das Modell „Club Tropicana“, bei dessen Ansicht sich im geistigen Ohr unweigerlich „Last Christmas“ festsetzt. Gefolgt von „Damp 2000“ aus dem Jahr 2018. Auch der letztjährige Corona-Kranz (!) ist mir nicht schlecht gelungen, finde ich. Mit den Exponaten will ich nicht angeben. Im Grunde geht es mir darum, mein schlechtes Gewissen loszuwerden, weil ich dieses Jahr erstmalig wenig Gedanken an Adventskalender für die Brut verschwendet habe und auch garantiert keinen fristgerecht erstellt bekomme. Als Rabenmutter muss ich mich am Ende nicht über Traumata der 22-Jährigen und des 21-Jährigen wundern. 























Montag, 29. November 2021

Viel Brauchtum

Nach einer wenig traditionsbasierten, privaten Thanksgiving-Feier am dafür vorgesehenen Donnerstag kam die eigentliche Veranstaltung etwas verspätet am Samstagabend. Die Verzögerung lässt sich nicht ernsthaft durch Zeitverschiebung erklären. Sie hatte ihren Grund darin, dass sich 50-Stunden-Arbeitswochen nicht mit der Garzeit einer Pute vertragen. Vor allem, wenn man die opulente Mahlzeit vor Mitternacht einnehmen möchte. Und anders als die meisten Amerikaner nicht den Freitag danach frei hat. An diesem Tag scheinen hier nur die dortigen Kaufgewohnheiten herübergeschwappt. In Unkenntnis der Lage hatte ich für letzte Besorgungen rechtzeitig kurz vor 19 Uhr Feierabend gemacht, um mich in den gebremsten Slalomlauf zwischen vielen beladenen Black Friday-Kaufwütigen zu begeben. Als zusätzliche Hürden dienten dabei Weihnachtsmarktbuden. Kein Vergleich zum Marktbesuch am Mittag, nach dem ich den schweren Vogel nach Hause geastet hatte. Doch was tut man nicht alles fürs Übersee- und Heimatbrauchtum. Denn nach dem Erntedank ist nur kurz vor dem ersten Advent. Zu letzterem hatte sich die Brut zum Frühstück, nein, zum Brunch (Der Sohn: „Mama, was isst man da überhaupt?“) eingeladen. Leichte Enttäuschung auf Seiten der Tochter, weil vom Vorabend kein Rosenkohl übrig geblieben war, den sie zum Frühstück, ach nein, Brunch hätte essen wollen. Für später bekam ich noch eine Einladung zum Käsefondue, mit dem ich wiederum vorher keine Erfahrung verzeichnen konnte.
Bilanz dieses Wochenendes: Ich bin mindestens fünf Kilo schwerer. 







Montag, 22. November 2021

Noch mehr November

Letzthin wunderte ich mich, warum mir die nächtliche Einschlaflektüre schwer fiel. Von sinnentnehmenden Lesen, diesem wichtigen Bestandteil schulischer Bemühungen, will ich gar nicht sprechen. Ich hatte vergessen, das Licht anzuschalten. Es brauchte allerdings eine Zeit, bis ich auf die Lösung kam. Wahrscheinlich beschreibt die Begebenheit die aktuelle Verfassung recht gut. Herbst und nicht zu bewältigende Mengen Arbeit. Es trug nicht unbedingt zur Verbesserung der Stimmungslage bei, dass die zeitweilige Untermieterin nur noch ein touristisches Wochenende mit ihrer Schwester einlegte, um dann endgültig ihre Zelte nach Süddeutschland zu verlagern. Gestern Vormittag fragte ich die Schwester nach ihren Tagesplänen. Sie kündigte einen Flohmarktbesuch an und dass sie auf den Dom gehen wollen. Ehe sie loszogen, gab ich ihnen den Profitipp „Fischbrötchen erst nach der Krake“ auf den Weg. Ihre Reaktion auf den Ratschlag konnte ich nicht sehen, waren sie doch im Rausgehen begriffen. Im Nachhinein musste ich feststellen, dass sie mich wahrscheinlich für eine in Rätseln sprechende, verrückte Norddeutsche gehalten haben müssen. Denn heute erfuhr ich, dass sie den Tagesordnungspunkt „Auf den Dom gehen“ ausfallen ließen, weil es ihnen zu feucht und zu windig gewesen sei. Die Kirche selbst habe ihnen jedoch sehr gut gefallen. Sie hielt den Michel für den Dom. Der Plan beschrieb nicht den Besuch der Kirmes, sondern den des Kirchturms. Es gibt sie also doch, die Nord/Süd-Verständigungsschwierigkeiten. 

(So schön ist die Heimat.)

Mittwoch, 17. November 2021

Hoch und Tief

Auch wenn ich nicht als größte Befürworterin der aktuellen Jahreszeit bekannt bin, wartet sie mit Höhen und Tiefen auf wie alle anderen Zeiten.
Zu den Höhen gehört, wenn der Paketzusteller handschriftlich auf das Päckchen der Nachbarin schreibt, das er bei einem anderen Nachbarn abgeliefert hat: „Tut mir leid, aber Frau von Garnier war nicht da.“ Das muss Liebe sein. In dem Zusammenhang fällt auch eine weitere positive Wendung auf. Seit letztem Mittwoch/Donnerstag sind die Pusteln auf dem Rückzug. Wenn ich jetzt noch rote Punkte auf der Haut entwickele, sind es klassische Pickel. Diese haben den entscheidenden Vorteil, bei mir nicht so zahlreich aufzutreten und vor allem nicht zu jucken. Doch wo Sonne ist (hier nicht so), ist auch Schatten: Seit ich die narkotisierenden Tabletten gegen den Juckreiz nicht mehr nehmen muss, beschäftige ich mich nachts wieder intensiv mit Grübeleien. Meine Gedanken drehen sich sicherlich nicht ausschließlich darum, aber ein Teil befasst sich auch damit, wie ich in Zukunft meine Wohnung sauber halten soll. Die Untermieterin, die hier so eifrig den Staubsauger führte, gehört der Vergangenheit an. Sie bekam am Donnerstag einen Nachrücker-Studienplatz in Freiburg, den sie bis Montag antreten musste. Was sie tat. On the bright side: Mein tolles neues Vileda-Spielzeug kann ich nun wieder ganz alleine benutzen. Sie nennen es Ausgleichssport. Feudeln bei Flutlicht nach zehn-elf Stunden vor dem Bildschirm. 

(Es ist nicht alles grau im November.)

Freitag, 12. November 2021

Neblige Zeiten

Je trister die Tage und je kahler die Bäume werden, umso schwerer fällt neben allem anderen die eigene Motivation. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, sind kleine Fluchten sicherlich nicht schlecht. Sie haben jedoch den Nachteil, nicht allzu lange für Strahlkraft zu sorgen. Für längerfristige Effekte hilft eine Reiseplanung und vor allem -buchung. Dachte ich mir auch. Und habe endlich etwas klargemacht. Mein Konzept überzeugt mich besonders, weil ich lediglich die Hinreise organisiert habe. Um die Rückkehr ins montägliche, dunkle und voraussichtlich regnerische Tal kümmere ich mich später. Das Ding hat das Zeug zu einer pfiffigen Geschäftsidee: Vielleicht werde ich demnächst Hinreiseanbieterin. Die Rückreise erledigen  dann alle auf ihre eigenen Kosten, viel zu spät und viel zu teuer - versteht sich! Das Konstrukt ist außerdem  ungeheuer demokratisch, denn ich schließe mich selbst nicht aus.



Montag, 8. November 2021

Herbstreigen

Unterdessen bin ich so alt, dass meine größte Freude durch ein neues Vileda-Produkt hervorgerufen wird. Wahrscheinlich ein Abfallprodukt der Weltraumforschung. Tritt man auf eine Pedale, wirft der Wischmob seine Haare im Kreis und schleudert mithilfe der Zentrifugalkraft nahezu alles Wasser aus ihnen heraus. Technik, die begeistert. Wenn ich nicht die Wohnung feudele, begebe ich mich nach draußen, um dort Blätter aufzufegen, die uns saisonbedingt verlassen, Wege in glitschige Angelegenheiten verwandeln und, wenn man sie ungehindert ließe, Siele in der Nähe meines Kellers verstopfen. Mit Chance schaffe ich die Outdoor-Aktivität, ohne eine fette Husche mitzunehmen. Doch so viel Glück wird mir selten zuteil. Nachdem ich begossener Pudel dann die Wohnung betreten habe, kann ich gleich wieder nebelfeucht durchwischen. Und immer so weiter. Bis plötzlich Weihnachten ist.

(Als sie noch alle obenauf waren.)

Dienstag, 2. November 2021

Weiter so

Außerhalb eines Dermatologenkongresses ist mit mir nach wie vor kein Staat zu machen. Pusteln und Juckreiz haben unterdessen das Regiment über den ganzen Körper übernommen. Den ganzen Körper? Nein, ein kleiner Teil wehrt sich standhaft: das Gesicht! Danke dafür. Dennoch musste ich gestern die Arbeit eine Zeit lang unterbrechen, um draußen aus der Kratztrance herauszukommen. Damit Luft an die Haut kommt, bringt ein Spaziergang im November vergleichsweise wenig. Davon profitiert nur das Gesicht. Vor allem das Auge. Zum weiteren Glück wurde ihm einiges geboten. Vorsatz im November (zum Jahreswechsel kann jeder): ich sollte diese kleinen Fluchten öfter einbauen. 



Montag, 1. November 2021

Über Nacht

In Anlehnung an ein von mir seit langer Zeit geschätzten Liedes einer Lieblingsband singe ich seit gestern eine leicht abgewandelte Version. Im Original ein traurig-schöner Herbstsong, in dem es unter anderem heißt: „Über Nacht kamen die Vögel und bildeten einen Verein…“ Ersetze „Vögel“ durch „Pusteln“ - und meine Bilanz stimmt. Bleibt zu hoffen, dass der zweite Part der Strophe hier auch bald eintreten wird: „… der verzieht sich bald ans Mittelmeer und lässt uns im Regen allein.“ Ich spekuliere sehr darauf, denn momentan befinde ich mich noch im Stadium „Vereinsbildung“. Außerdem jucken die Dinger wie blöde und sehen auch noch ekelhaft aus.




Freitag, 29. Oktober 2021

Meine erste Banane

Das also war meine erste 2G-Veranstaltung. Irgendwie unspektakulär. Nicht schlecht, ohne Frage, aber auch nicht so herausragend, wie ich sie mir nach bald zwei Jahren Event-Abstinenz vorgestellt hätte. Vielleicht werde ich einfach alt und verliere meine Begeisterungsfähigkeit? Dabei schaffte ich es gestern Abend noch, den Altersschnitt zu senken. Wahrscheinlich ist es eher so, dass sich Luftqualitätswerte und Abstandsgebote unterdessen so sehr in die vordersten Bereiche unserer Hirne eingebrannt haben, dass Spaß und Ausgelassenheit nur nachgelagert vorkommen. Es ist noch viel aufzuholen. Bis dahin ist der Weg das Ziel.








Donnerstag, 28. Oktober 2021

Wieder einmal

Hamburger Herbst, Du versuchst vergeblich mich von Dir zu überzeugen! Zwar tarnst Du Dich heute ausnahmsweise mit blauem Himmel, doch das täuscht mich nicht im Geringsten. Seit geraumer Zeit ist es so, dass es immer wieder überrascht, auf dem Kalender kein Novemberdatum zu finden. So kalt und nass und dunkel wie Du bis jetzt schon warst. Die heutigen Sonnenstrahlen helfen nicht darüber hinweg, dass ich die Sandalen weg- und die Stiefel ausräumen musste. Auf diese Höchststrafe kann es keine Bewährung geben. Schon gar nicht, wenn am Wochenende der letzte Termin für die Steuererklärung festgesetzt ist. Die eine Stunde mehr wird es auch nicht reißen.



Montag, 25. Oktober 2021

Wochenendfreuden

Freitag begann vielversprechend: durch die derzeitige Mitbewohnerin ließ der Sohn ausrichten, er sei bis Montag in Niedersachsen. Sie selbst wolle das Wochenende in Berlin verbringen. Das hieß sturmfrei. Leider war es nur bedingt möglich, dies auch anständig auszunutzen. Einige Menschen scheinen das vorletzte Wochenende im Oktober für Ausflüge in andere Bundesländer einzuplanen. Spontan lässt sich daher wenig organisieren. Dennoch fielen zwei schöne Abende in netter Gesellschaft ab - dass ich sie genauso auch mit den anderen Bewohnern verbracht hätte, interessiert keinen großen Geist.
Das Beste aus der Situation zu machen, bedeutete am Samstagnachmittag einen Besuch im schwedischen Möbelhaus und anschließend nahezu zwangsläufig einen im nahegelegenen italienischen Supermarkt. Wenn das nicht sticht über Ausflüge in andere Bundesländer! Als größten Erfolg meines Ausflugs deute ich, ohne Teelichter, Kerzen oder Servietten zurückgekommen zu sein. Das muss man mir erst einmal nachmachen. Stattdessen nur Kleinmöbel und große Mengen Nudeln. Plus ein wenig Beifang. Der Abend ging mediterran weiter mit Anklängen an einen nicht allzu lange vergangenen Spanienurlaub. Wenn schon nicht klimatisch, dann wenigstens kulinarisch.

Der eher protestantische Teil des Ganzen folgte am Sonntag. Irgendwie mussten die Möbel schließlich aufgebaut werden. Die Gleichung „Aufwand steigt mit Größe des Möbelstücks“ geht übrigens nur bedingt auf. Schritt 6 und Schritt 23 sorgten für tiefe Verzweiflung. Nicht nur, dass ich die Piktogramme oftmals nicht deuten kann und lange Zeit über ihre Bedeutung sinnieren muss, häufig scheint mir die Umsetzung technisch unmöglich. Nach überraschend langer Aufbauphase, die nur mit tatkräftiger Unterstützung zu schaffen war, steht nun ein kleines Sideboard in meiner Küche. Es bietet Platz für die Unmengen an Teelichtern, Kerzen und Servietten, die ich bereits besitze.


Montag, 18. Oktober 2021

Nun

Es ist gleichgültig, dass ich bereits anderthalb Wochen zurück bin: ich hadere nach wie vor mit dem hiesigen Klima. Ein klassischer Fall von Fremdeln in der Heimat. Saisonal nicht untypisch für mich. Wer will schon grauen Himmel, nebelfeuchte Blätter, auf denen man hervorragend ausrutschen könnte, Temperaturen, die es mit Chance in den zweistelligen Bereich schaffen (immerhin im positiven Bereich, thank God for His small mercies!), im Dunkeln aufstehen und im Dunkeln Feierabend einlegen, Strümpfe und geschlossene Schuhe? Ich jedenfalls nicht. Darüber helfen auch nicht die vermeintlich hübschen bunten Blätter oder die Gemütlichkeit bei Kerzenschein. Auch hält sich der Spaß in Grenzen, wenn man wie ich am Wochenende die Balkonmöbel im Keller einmottet. Weiß ich doch, dass sie dort all’ die Monate der Tristesse stehen bleiben - im Zweifel sogar im Weg. Ich wiederum sehe nur wenige Auswege: entweder ganz bald (morgen?) nach Spanien zurück oder ab sofort in den Winterschlaf zu fallen und erst wieder aufzuwachen, wenn die ersten Krokusse (oder auch: Krokanten, wie wir Kenner sagen) blühen. 



Dienstag, 12. Oktober 2021

Gute Nachrichten

Noch immer hadere ich mit den hiesigen Temperaturen und Klimaverhältnissen. Von der Rückkehr in die Galeere möchte ich gar nicht sprechen. Wenn hier Wasser rauscht, ist es nicht das Meer, das mit bester Brandung aufwartet, sondern wahlweise drinnen die Toilettenspülung oder draußen der Regen. Oder beides zusammen. Selbst wenn die Sonne in Erscheinung tritt, tut sie dies vergleichsweise weit unten und vermittelt kein Gefühl von Wärme. Einige wissen es vermutlich: der Herbst ist nicht meine favorisierte Jahreszeit. Umso schöner, wenn mich Nachrichten aus meiner WhatsApp-Geflügelgruppe erreichen. Es gebe pünktlich zum 11.11. das erste Mal in diesem Jahr Martinsgänse (14,50€/kg). Dieser freundliche Niedersachse zumindest versteht sich auf die Kunst der Motivation. Es läuft eben nicht alles schlecht in Deutschland.




Sonntag, 10. Oktober 2021

Pfiffig

Fern der Heimat entwickelte sich eine ungebührliche Nähe zur FDP. Nicht etwa, dass ich mit Abstand Freundin der Ampel- oder gar Jamaika-Konstellation geworden wäre. Oder dass ich im Ausland mein Herz fürs Fallschirmspringen entdeckt hätte. Es war eher eine weitere Anregung Jürgen W. Möllemanns: die pfiffige Geschäftsidee. Sie manifestierte sich an verschiedenen Stellen. Erst hatten wir den Plan, mit T-Shirts „Geimpft in Gandia“ ganz groß herauszukommen. Dann den Vertrieb des Licor de Arroz in Deutschland breitflächig aufzuziehen, eines Schnapses, der wie in Flaschen gefüllter Milchreis schmeckt und dessen Alkoholgehalt noch weniger auffällt als der von 43. Allein der Umgang mit dem vor dem Trinken großzügig aufgebrachten Zimt erfordert ein längeres Training, ehe man überall als Expertin durchginge. Er erreicht dich in den Aggregatzuständen „Erstickung am Zimtstaub durch Inhalieren“ oder „Zimtgestöber in den Augen durch Atmen oder Pusten auf die Getränkoberfläche“. Das schnelle Geld ließe sich so vermutlich nicht machen. Erfolgversprechender die Idee, das Stuhlbusiness durch herunterskalierte Reproduktionen der örtlichen Baywatch-Hochsitze (mit Branding) zu revolutionieren. Wahlweise als Barhocker oder als Kinderstühle. Ein Markt, dessen Regelung uns sicher mehr als 18% gebracht hätte. Aus Zeitmangel entfiel jedoch, einen ausgeklügelten Businessplan zu erstellen. Schon wieder ein Traum geplatzt. Nun hat uns unverrichteter Dinge die Kälte wieder. Als anerkannte Zweckoptimistin zermartere ich mir selbstverständlich das Hirn, wie ich mir die Rückkehr in den hiesigen Herbst mit Aussicht auf Dunkelheit und Arbeit schönreden kann. Bisher bin ich darauf gekommen, dass das Wasser aus dem Hahn trinkbar ist und nicht in schweren Kanistern angeschleppt werden muss. Mehr will selbst mir beim besten Willen nicht einfallen. 



Samstag, 2. Oktober 2021

Nah und fern

Das Leben im Konjunktiv hat ein Ende. Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder echt auf Reisen, das erste Mal seit langem Temperaturen, die über das in Norddeutschland saisonal Übliche hinausgehen. Lange vermisst, endlich wieder in einem Meer baden, das der handelsüblichen Vorstellung von ihm entspricht: warmes, blaues Wasser mit etwas Brandung und ohne Quallen. Selbst die durch fortwährende Abstinenz verschütteten Spanisch-Kenntnisse kommen gemächlich und bruchstückhaft wieder. Fürs Bestellen nicht ganz alltäglicher Kaffeespezialitäten zumindest reicht es. Neben Nichtstun und Kaffeetrinken ist es auch schön, andere Menschen als Kacheln auf dem Bildschirm zu sehen oder einfach nur das Treiben zu beobachten. Die landestypischen Gepflogenheiten stellen sich etwas anders dar als in Hamburg. Zum Mojito (aka „Feldsalattee“, wie der Sohn es früher nannte) am Strand kann man hier auch eine Impfung der Wahl ordern. Einmal mit Johnson & Johnson, bitte! Auch wird hier ein etwas anderer Umgang mit den „mascarillas“ gepflegt. Seltener als bei uns sieht man einzelne Menschen mit Maske in Autos vorbeifahren. Dafür sind sie häufiger in Gruppen auf der Strandpromenade unterwegs, von denen oftmals nur eine Person Maske trägt und diese laschetgleich unter der Nase angebracht hat. Hübsch anzusehen auch der Mann, der alleine mit keck etwas tiefergelegter OP-Maske (da war sie wieder, die freie Nase!) den Müll in die Tonne expedierte, um dann gleich wieder nach oben zu gehen. So ist sie, unsere gute, alte EU: irgendwie sind wir uns ähnlich, aber dann doch ein bisschen anders.


 

Freitag, 1. Oktober 2021

Bin raus

Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir so lange des Urlaubs entwöhnt waren. Er gestaltet sich schwierig. Der gebuchte Mietwagen kann nicht abgeholt werden, weil zur vereinbarten Uhrzeit die Geschäftsstelle bereits geschlossen ist. Die Wohnung kann nicht verlassen werden, weil ich mich eingesperrt habe. Ein Hotelzimmer kann nicht bewohnt werden, weil die Klimaanlage des Nachbarzimmers dermaßen laut ist. Doch alles ist gleichgültig, wenn das Meer rauscht, die Nacht lau ist und die Grillen zirpen.



Donnerstag, 30. September 2021

Schengen, Schengen, Schengen!

Es gibt Dinge, die ich nicht vermisst habe. Bahnfahren zum Beispiel. Doch um zu Momenten zu gelangen, die ich vermisst habe, muss ich mich erst durch solche arbeiten. Ich spreche hier nicht vom bezahlten Frondienst. Der bindet aktuell noch mehr Zeit als ohnehin und bietet einiges an Aggressionspotential. Am Dienstag gar so viel, dass dabei in einer Art Mittagspause einiges an Handwerksarbeiten zum Seelenfrieden abfiel. Nur so viel: der Balkon ist komplett mit der Drahtbürste abgeschmirgelt, abgesaugt und über die gesamte Fläche geölt. 

Doch das fällt vielleicht unter Grundrauschen. Was mich wieder einmal erbost: Warum haben wir einen EU-weiten QR-Code in Sachen Corona, wenn Spanien für die Einreise in ihr Land ein zusätzliches Formular fordert? Eines, in das ich (bzw. alle) das Impfzertifikat der EU umständlich als Datei einbauen muss (müssen). Das zu erlangen natürlich maximal nutzerunfreundlich ist. Es erinnert mich an meine Reisen damals, vor langer, langer Zeit, als ich zur Ausreise nach Deutschland in Spanien x-fach meinen Personalausweis oder Reisepass vorzeigen sollte. Und mein Argument „Schengen“ sang- und klanglos in den Mühlen spanischer Bürokratie unterzugehen drohte. Mir sogar avisiert wurde, man werde mich ohne Vorweisen der entsprechenden Dokumente nicht außer Landes befördern. Nicht einmal in übertriebener Bürokratie sind wir Weltmarktführer! Das können andere deutlich besser.

Montag, 27. September 2021

Ich hatte die Wahl

Wenngleich ich auf die kurzfristige Anfrage nach meinem langfristigen Angebot ein wenig patzig reagierte, siegte schließlich - wieder einmal - die Preußin in mir und ich sagte keine Woche vor den Wahlen zu, beim Stimmenauszählen mitzuhelfen. Es war klar, dass genau dieser Sonntag wahrscheinlich der letzte sommerliche Tag des Jahres in Hamburg sein würde. Den ich jedoch für sechs-sieben Stunden in den Messehallen verbringen sollte. Es besteht die berechtigte Hoffnung, den verlorenen Tag ab Ende der Woche mehr als an einem an anderer Stelle nachzuholen. Eine weitere Kompensation bestand darin, beim Betreten der Messehallen ein rotes Bändsel mit grünem Schild „Hamburg-Mitte“ um den Hals gehängt zu bekommen. Leider durfte dieser nach getaner Arbeit nicht mitgenommen werden. 
Spätestens 14:30 Uhr ging es in den Messehallen aka Impfzentrum wieder geschäftig zu. Gefunden hatten sich die einzelnen Wahlbezirke wie am Flughafen: mit Schildern, auf denen „WB 23“ oder „WB 35“ stand, mit Hüpfen und Winken oder mit geschwenkten Regenschirmen, sogar einem Flamingo-Modell (leider nicht mein Bezirk). Es warteten wirklich viele Menschen auf ihren Einsatz. Manche hatten sich sogar ein wenig herausgeputzt. „Habt ihr euch auch über Parship kennengelernt?“ „Nein, bei der Auszählung der Wahlbriefe des Bezirks 113 98 07.“ „Wie romantisch!“
Vor 18 Uhr durften wir nicht auszählen, doch auch die Vorbereitungen füllten die drei Stunden vorher aus. Schließlich mussten Ämter bestimmt werden. Der Schriftführer, sein Beisitzer oder eben auch die Hygienebeauftragte. Letztere eine Position, die mir auf den Leib geschneidert ist, weswegen ich sie übernahm. Ich überlege eine Änderung meiner Mail-Signatur. Für die Klassengemeinschaft übernahm Antje gerne Sonderaufgaben. Es war auch nicht ganz trivial, die Toiletten aufzutun. Die Beschilderung und die Ordner, bekannt aus Impfzentrum und Supermarkt, schickten mich in die Irre. Auf die Weise kam ich an sehr vielen Wahlbezirkkabinen vorbei. 
Kurz vor 18 Uhr machte sich in der gut gefüllten Halle Silvesterstimmung breit. Lautstark wurden hinter vielen Stellwänden die Sekunden heruntergezählt, ehe wir mit dem entsprechenden Werkzeug anfangen durften, die blauen Wahlbriefe aufzuschlitzen. Anders als bei der Wahl vor Ort gab es hier Umschläge. Stunden vorher hatte ich noch dem Sohn assistieren müssen, den ellenlangen Zettel so zu falten, dass außen nur blanke Seiten zu sehen waren. Es musste gehen, aber er bekam es nicht hin. Das Origami war wirklich die größte Herausforderung an der Sache. Doch wieder einmal beruhigend, wenn auch nicht verwunderlich, dass das Kind mehr auf dem Kasten hat als Armin Laschet.
Mit dem Auszählen der Erst- und Zweitstimme hatten wir alle gut zu tun. Unser Wahlvorstand wies uns daraufhin, dass wir mit einer Bundestagswahl gut bedient seien, weil jeder gültige Stimmzettel nur maximal zwei Kreuze enthalte. Bei der Hamburgwahl seien es doch fünf. Es fiel wieder das wunderschöne Wort „Panaschieren“. 
Als ich am Ende gegen 20:30 Uhr nach Hause radelte - leider ohne Schild -, erfreute mich, dass die Luft selbst mit Fahrtwind und ohne Jacke noch lau war. Allerdings stellte ich auf halbem Weg fest, dass ich das Licht nicht eingeschaltet hatte. Es beginnt wohl wieder diese Zeit.

Mittwoch, 22. September 2021

So schön ist die Heimat

Neben den üblichen Stunden Arbeit hatte der gestrige Tag einiges zu bieten. Gegen Mittag maikäferte der Sohn um meinen Arbeitsplatz - im wesentlichen um mich - herum und erzählte mir nicht ganz gradlinige Geschichten vom Geburtstagsgeschenk für seine Freundin. Nicht, dass ich ihn nicht ernst nähme, aber ich habe ihm nicht allzu große Aufmerksamkeit geschenkt, da ich wie gesagt eher Head of war als Head of Family. Irgendwann dämmerte mir auch als unaufmerksame Zuhörerin, es ging darum, besagtes Geschenk aus der Einöde in Schleswig-Holstein abzuholen. Wenn er seine Freundin bitte, ihn dorthin zu fahren, sei es keine Überraschung mehr, und sie liebe doch Überraschungen so sehr. Ob ich ihn nicht fahren könne. Er habe nachgesehen, das Auto der Nachbarin stehe auf dem Parkplatz. Ich klärte die Verfügbarkeit des Wagens ab. Meine Frage nach dem Wann und Wo ergab, dass die Aktion in der geplanten Form nicht jobkompatibel gewesen wäre. Als erfahrene Verhandlerin bot ich Alternativen an. Nach der Arbeit beispielsweise. Gesagt, getan. Die Tochter stellte sich als zusätzliche Begleiterin für den Ausflug zur Verfügung. Ehe wir das Haus verließen, schenkte mir der derzeitige Logiergast einen Blumenstrauß. Damit ich nicht nur auf den Bildschirm, sondern auch mal auf etwas Schönes gucke. Wie lieb! Vor Fahrtantritt erkundigte sich der Sohn, ob ich ausreichend geschlafen habe. Ich fragte mich schon, ob ich so abgerockt aussehe, als er mir erklärte, Müdigkeit habe den gleichen Effekt wie Trunkenheit auf die Fahrtüchtigkeit. Habe er gelesen. Trotz anhaltender Regengüsse machte sich Urlaubsstimmung breit. Der Sohn ließ zur Tour meine Party-Playlist aufspielen. Diese wurde lediglich durch Uschis Kommentare „Nach 950 Metern halbrechts auf Segeberger Chaussee abbiegen.“ unterbrochen. Zum Glück unterhielt uns unser männlicher Begleiter mit der wiederholten Äußerung, Deutschland sei ein fruchtbares Land. „Guckt mal, wie saftig grün die Wiesen sind!“ Wir verrichteten alle geplanten Besorgungen in bester Stimmung und schlechtem Wetter. Anschließend bedankte sich der Sohn vielmals, dass ich ihm Fahrt und Überraschung ermöglicht habe. Umso mehr, nachdem er feststellte, dass ich selbst nach unserer Rückkehr noch etwas arbeiten musste. Als ob der Dank des Kindes nicht genug wäre, hatte der Gast während unserer gut zweistündigen Abwesenheit Wohnzimmer und Küche gesaugt und letztere sogar noch geputzt. Wir sollten öfter Ausflüge zur Naherholung einplanen.



Montag, 20. September 2021

Unverhofft

Überraschend, dass das Wochenende vor der Wahl mit so vielen Überraschungen aufwarten konnte.
Es ging bereits am Freitag los. Ich bekam einen Anruf von offizieller Stelle, ich habe doch meine Bereitschaft zur Wahlhilfe bekundet, ob mein Angebot noch stehe? Da seid Ihr Schnarchnasen nicht gerade früh dran, mein Interesse hatte ich Anfang des Jahres angemeldet, als ich noch hoffte, darüber an eine (ach, was sag‘ ich: zwei!) Impfung zu kommen. Ich begann meine Antwort zwar etwas schnippisch mit, das falle ihnen neun Tage vor der Wahl richtig früh ein, fuhr aber mit einer Einwilligung fort, als ich hörte, dass es zwei Schichten gebe. Ein klassischer Fall von „Nimm 2“.
Das Wochenendwunder ging weiter, denn nun hat mein Balkon einen Boden, der nicht nur schön ist, sondern bei dem man nicht mehr Gefahr läuft, durch morsches Holz oder Löcher in ebendiesem durchzubrechen. Die Arbeiten hierfür begannen am Freitag und setzten sich Samstag bis mittags fort. Die Reaktionen der Nachbarn lagen zwischen „Ah, das ist Holz, na, da muss ja der Reichtum ausgebrochen sein!“ (Woraus bestand der Belag denn vorher, El Blindo?) und „Ich habe auch noch ein Brett. Ob er das auch zurechtsägen könnte?“. Doch in ihren Reaktionen waren die direkten Nachbarn noch fast liebenswert gegen die Herrschaften der Hundewiese nebenan. Die dort häufig, aber leider nicht immer anzutreffende Dänische Dogge, ein schwarzes Kalb namens Aron mit einer gefühlten Stockhöhe von 1,80 m, und Rocky, den ich als Bulldogge verorte, stromerten - nicht angeleint und herrenlos, Ehrensache! - ob der Aktivität auf unseren Parkplatz. Selbst die Handwerker bekamen ein wenig Angst. Ich möchte mir die Reaktionen von Kindern gar nicht vorstellen. Irgendwann bequemten sich die Hundebesitzer, mal nach ihren besten Freunden zu sehen. Ich mahnte an, sie und ihre Biester befinden sich auf Privatgelände, und rechnete mit einer Entschuldigung. Doch nichts da. Arons Herrchen (in dem Fall passend, um die Größenverhältnisse aufzuzeigen), der mich ohnehin oft und gerne durch sein lautes „Aaaronnn!“-Geblöke von der Arbeit abhält, kanzelte mich ab: „Ja, und die dahinterstehende Attitüde ist uns auch wohlbekannt!“ Leider nicht bekannt genug, um sich auch an die Spielregeln zu halten. Egal, ich habe wieder einen schönen Balkon!
Ein wenig überraschend war zusätzlich, dass der Sohn nun auch Spinat isst. Ich hatte abends in großen Mengen Farfalle (mag er sonst auch nicht) mit Spinatsoße gekocht und damit gerechnet, noch tagelang selbst daran zu essen. Dann kam der Befund, er habe sich unterdessen an Spinat gewöhnt und finde ihn gar nicht so schlecht. Gar nicht so lange danach war der Topf leer. 
Verwunderlich auch, dass in dieses aktionsreiche Wochenende gestern noch ein Wandertag passte. Wenig verwunderlich hingegen, dass er wieder sehr schön war. Wir wurden zwar selbst in Norddeutschland wegen unseres Outfits kritisch beäugt (die kurze Hose der Reisebegleitung und meine offenen Schuhe), doch nie hätten wir öffentlich zugegeben, dass beides bei grauen 13° nicht hundertprozentig opportun war. Gegen Ende der zwölf Kilometer störte der sommerliche Dress ohnehin nicht mehr. Die vorbeilaufenden Gespräche waren oftmals sehr unterhaltsam und ließen mich manchmal über einen unauffälligen Richtungswechsel nachdenken. „Er möchte Melissa genannt werden.“
Wenig verblüffend, dass ich anschließend noch etwas arbeiten musste. Ohne diese Routine wäre ich gut ausgekommen. Ein Wochenende kann nie genug Überraschungen haben. 



Dienstag, 14. September 2021

Bücherherbst

Vom Wetter oder von den Sonnenauf- und untergangszeiten lasse ich mir nicht vorschreiben, in welcher Jahreszeit wir uns gerade befinden. Damit rechnen sie bloß! Konsequent halte ich an offenen Schuhen fest, obwohl andere eher auf Stiefel setzen und obwohl zerstörte Fußnägel sicherlich nicht zu meinen größten optischen Reizen gehören. An der Anzahl spannender Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt lässt sich jedoch nicht länger leugnen, dass die dunkle Jahreszeit vor der Tür steht. Mein Zu-Lesen-Stapel erhöht sich mit vielen neuen Büchern, von denen ich mich nicht entscheiden kann, welches zuerst drankommt. Normalerweise verringert sich der Turm darüber, dass ich beschließe, dieses oder jenes spricht mich noch am ehesten an. Jetzt liegen dort eine Vielzahl Kracherbücher. Heute bekam ich ein weiteres Exemplar zugestellt. Eigentlich wollte ich schon meckern, weil die Verpackung eingerissen war und es dadurch auf den hinteren Seiten ein paar Eselsohren hatte. Dann krümelte ich es beim Durchblättern mit Schokokeksen voll und verlor damit etwaigen Anspruch. Das müssen diese Sorgfalt und dieses Materialgefühl sein, das meiner Brut so offensichtlich abgeht. Ich kann gar nicht erwarten, die Krümel in Till Raethers „Hausbruch“ wiederzufinden. Vorher (oder nachher?) ist aber noch „Glitterschnitter“ fällig. Oder dass ich „Ich weiß noch, wie King Kong starb“ auslese. Oder. Oder. Ich bin trotz meiner Freude etwas zerrissen. Irgendwie auch politisch nicht korrekt, dass es vornehmlich männliche Autoren sind. Aber egal, lieber überhaupt lesen. Ich glaube, der Verweis auf Damp 2000 hat meine Entscheidung besiegelt: ich ziehe Till Raether vor. Schließlich hatte ich aus Gründen mal einen Adventskranz gleichen Namens. Womit wir wieder bei der Jahreszeit wären.



Montag, 13. September 2021

Wochenendnachlese

Aktuell fühle ich mich so, wie die Haltestelle nahelegt, an der ich letzthin vorbeikam: „Fiskalische Straße//Energieberg“. Administration und Steuern liegen ganz dicht (an einer Busstation!) neben dem Wunsch nach mehr Schwung und Energie, die einem der Besuch an ebendiesem Berg mit Sicherheit verschafft. Die Hamburger Antwort auf Yin und Yang. 

Freitag, 10. September 2021

Noch etwas

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich - vor allem mir - bewiesen, dass Smalltalk und mehrere Menschen auf einmal nach wie vor möglich sind. Gestern wartete eine neue Herausforderung auf mich: Kann ich noch spontan sein? Gegen Mittag bekam ich die Einladung zu einer kleinen Geburtstagsfeier deutlich außerhalb unseres beschaulichen Dorfes. Ein mäßig erfüllender Arbeitstag (immerhin mit einer erfüllten Pause) bewog mich endgültig dazu, früher als sonst Feierabend zu machen und an der Party teilzunehmen. So stieg ich am frühen Abend in den Bus vor der Tür und fuhr entspannt eine Dreiviertelstunde bis fast vors passende Gartentor. Verrückt! Außerdem bewies ich, selbst Spontaneität habe ich noch drauf. Neben der Live-Begegnung erfreute die Vorstellung, den Sommer - also gestern - auf diese Weise maximal ausgenutzt zu haben. Denn heute scheint er endgültig beendet. Es blitzt taghell und donnert so laut, dass ich fast die Prognose der Gallier teilen möchte, der Himmel falle uns auf den Kopf. Vielleicht sollte ich gleich wieder in einen Bus steigen, um dort möglichst lange den Faradayschen Käfig zu nutzen? 



Mittwoch, 8. September 2021

Haushaltsdebatte

Nun ärgere ich mich doch. Unverrückbar habe ich an meinem Entschluss festgehalten, meine zwei Urlaubstage nicht durch Wohnungsputz abzuwerten. Schließlich waren sie mein Sommerurlaub. Es scheint in der Familie zu liegen, denn die Tochter sagte vor kurzem, ihr Jahresurlaub habe aus vier Tagen Göttingen bestanden. Ich blieb also standhaft und putzte nicht. So weit geht die Genetik nicht: die Tochter plagen meine Sorgen nicht, sie findet meinen Wohnraum gepflegt. Nun, da ich mich seit Anfang der Woche wieder in Heimarbeit verdinge, fällt mir jedoch oft störend auf, wie unordentlich und dreckig es um mich herum ist. Allein nach neun bis zwölf Stunden Frondienst fehlt mir die Energie, mich anderen Dingen als Nahrungsaufnahme und Füße Hochlegen zu widmen. So laufe ich nun wie eine schrullige Alte durch mein staubiges Reich und diskutiere mit mir selbst: „Alles richtig gemacht… hättest du mal… wie entspannt es doch war… wie dreckig es doch ist…“ Und wenn sie nicht an mangelnder Hygiene gestorben ist, dann lebt sie noch heute zwischen Restmüll und Wischmob.

Sonntag, 5. September 2021

Vinceremos

Technisch gesehen war es nur ein normales Wochenende, doch es fühlte sich an wie ein Urlaubstag. Immerhin passierte ich zwei Ländergrenzen. Davon träumt der Ostblock. Fürs letzte und dieses Jahr muss es an Exotik genügen, dass es solche von Bundesländern waren. Der September mühte sich außerdem redlich, die Kerben des Augusts auszuwetzen, und diente uns Sommerwetter an. So wurde aus dem Wandertag ein schrittweise eher armer Strandtag. Die Temperaturen spiegelten jedoch den kalendarischen Status wider, so dass wir die aquatischen Einsätze beim Strandspaziergang mit Füßen im Wasser beließen, später ziemlich bekleidet auf den Tüchern im Sand lagen und mir noch später durch eine Hand auf meinen Knien „eiskalte Beine“ attestiert wurden. Egal wie platt: der Weg war das Ziel. Zumal wir auf dem Weg 1A-Sozialstudien anstellen konnten. Erst standen wir nach der Ankunft auf einem Parkplatz in der Nähe der Ospa, an deren Namen wir uns sehr wegen der Hamburger Entsprechung der Sparkasse Haspa erfreuten, und suchten, gestählt durch jahrzehntelangen Umgang mit Hamburger Pfeffersäcken, vergeblich einen Parkautomat. Ein Seebad ohne Parkgebühren, wo gibt es denn sowas? In Mecklenburg. Der Weg an den Strand war nicht weit. Kurz vor dem Ziel beschlossen wir, an einem Kiosk im kurzen Waldstück Kurkarten zu besorgen. Bedient wurden wir durch eine nicht ganz westeuropäischen Sauberkeitsstandards genügenden Durchreiche, die ein wenig wie ein Kasperletheater wirkte, von einem rüstigen Mittsechziger mit Leninbart. Im Hintergrund hörte man noch eine weitere Männerstimme, die in ähnlicher Alterskohorte zu verorten war. Kurkarten gebe es aktuell keine, da müsse man noch eine halbe Stunde warten, der Kollege sei gerade erst losgefahren, um neue zu besorgen. Es gebe aber die Möglichkeit, führte Lenin überraschend freundlich und verkaufsorientiert an, sich durch die Anschaffung anderer Waren bei ihm mit ausreichend Kleingeld für einen Kurtaxenautomat an der Treppe zum Strand auszurüsten. Wenn diese auch nicht so ein hübsches Foto auf der Rückseite wie seine haben, die man als schöne Erinnerung aufheben könne. Diverse Schilder und Aufkleber zur Unterstützung Kubas neben der Luke ließen vermuten, dass ein Kaffee keine allzu große Belastung für Leib und Leben darstellen dürfte. Die Wartezeit aufs Heißgetränk nutzte der Reisebegleiter geschickt, um kurz die angeschlossenen Sanitäranlagen zu besuchen. Leider verpasste er dadurch die Konversation hinter den Kulissen des Theaters zwischen Lenin und seinem gesichtslosen Mitstreiter. Letzterer meinte, der Rollenwechsel sei gut gewesen. Er mit seinem Alkoholgehalt und seiner Fahne könne derzeit wirklich keine Kunden bedienen. Daraufhin meinte Freund Lenin, er setze mal neuen Kaffee auf. Ich versüßte mir gerade noch mein Getränk („Achtung der Deckel geht ab, in der Zuckerdose ist ein goldener Löffel!“), als auch schon „Hansi“ mit den neuen Kurkarten zurückkehrte. Bereitwillig verkündete dieser, ein ergrauter Mann mit kubanischer Khaki-Kappe mit rotem Stern und in farblich wie stilistisch angepasstem Kleidungsstil, er sei an der Pflaumenkuchen-Front nicht so erfolgreich gewesen wie bei der Kurticket-Beschaffung. Es hatte nur für Hefeschnecken gereicht, die er und der nicht bedienende Kollege sodann in trauter Eintracht auf einer Holzbank vor dem Kiosk sich zu vernichten anschickten. Der bisher Unentdeckte, auch standesgemäß in olivgrünem Che Guevara-T-Shirt gewandet, sah mit seinem vollen weißen Haar und entsprechendem Vollbart aus wie der jüngere, leider etwas fehlsichtige (dicke schwarze Brille) Cousin von Fidel und Raoul. Wir fühlten, ohne Kurtaxe „no pasaran“ in Rerik. 




Mittwoch, 1. September 2021

Friday Night Fever

Zwar habe ich heute wieder einmal zwölf Stunden vor der Maschine gesessen, doch es war für den guten Zweck. Denn morgen und übermorgen schicke ich mich an, den Urlaubstageberg abzubauen und mir ein verlängertes Wochenende zu gönnen. Als ich vom abendlichen Einkauf nach Hause hechtete, um meinen Besuch in Empfang zu nehmen, der schon vor der Tür wartete, tat ich dies mit einem breiten Grinsen. Nicht weil ich ihn warten ließ; das war mir schon ein wenig  unangenehm. Sondern weil es eine gute Vorstellung war, sich für ein paar Tage einfach treiben lassen zu können. Fertig war der laue Sommerabend mit dem schönen Freitagsgefühl. Und das an einem Mittwoch im September.



Montag, 30. August 2021

Spieltagsanalyse

Selbst das schöne Programm der vorletzten Tage vermochte nicht, mit dem Grau der letzten Tage (wie viele eigentlich schon?) aufzuräumen. Für den Moment tat es gut, am Freitag eine ausgedehnte Mittagspause einzulegen (mit viel Regen im Hintergrund), doch die gute Stimmung ließ sich nicht über die Nacht hinaus konservieren. Der Ausflug in Sachen Kultur am Samstag begann für meinen Geschmack zu früh, war mit viel nassen Füßen verbunden (trotz geschlossener Schuhe!), aber hellte zumindest den Tag durch andere Perspektiven und Personen auf. Die Exkursion mag zwar nicht ins Havelland gewesen sein - wir wollen mal nicht überschnappen mit der Exotik -, aber für den Reim-Ohrwurm reichten die Bilder.

Es mochte heißen: „Sie bewegen sich mehr als sonst um diese Uhrzeit“, doch Herbsttristesse und das Konzept geschlossener Schuhe gewannen am Ende die Oberhand. 

Ich entschied nach der Erfahrung aus den vorangegangenen Tagen, den anthrazit-getünchten Sonntag mit nicht mehr Aktivität als nötig zu verbringen. Nur mit Zeitung Lesen und dem üblichen Ausgießen der Outdoor-Blumentöpfe; das musste reichen. Als meine Stimmung wieder zu kippen drohte, beschloss ich, doch einen höheren Gang einzulegen und tauschte todesmutig in schwindelerregender Höhe die Glühbirne an der Küchendecke aus. Meine Energie und Körpertemperatur stiegen vor allem darüber an, dass ich mich ärgerte. Erstens darüber, dass der Nachbar, als er sich vor nicht allzu langer Zeit meine Leiter auslieh, als Gegenleistung ankündigte, er werde den nächsten und überhaupt jeden Glühbirnentausch mit Leitereinsatz bei mir übernehmen. Um dann kurz nach dem Versprechen auszuziehen. Zweitens - und das wiegt viel schwerer - dass es wieder einmal ein Tag im August war, an dem es zwischen vermeintlichem Sonnenauf- und Untergang nicht hell wurde. Eben so dunkel, dass die Zeitung nicht ohne künstliches Licht gelesen werden kann. Wir nähern uns wieder bedenklich dem Zirkelbezug. Von trüben Tagen kommen im echten Herbst noch mehr als genug, fürchte ich. Immerhin sollte die Lebensdauer der neuen Glühbirne auch dafür ausreichen, sagt die Zweckoptimistin in mir.

Freitag, 27. August 2021

Nach dem Frühjahr ist vor dem Herbst

Gerade ist alles etwas widersprüchlich. Der Kalender sagt etwas anderes, als die Füße fühlen. Vorbeilaufende, in wärmende Jacken verpackte Schülerschaft signalisiert etwas anderes als braun gebrannte süddeutsche Familien in kurzen Hosen. Der unterdessen vollständig durchgeimpfte Nachbar zeigt, dass wir uns früher im Jahr befinden müssen, da er Frühjahrsputz spielt und alleine mit Maske vor meiner Wohnungstür saugt. Innerlich passt das, schließlich warten wir noch auf den Sommer. Nach äußerlichen Merkmalen ist das Warten wohl umsonst. Seit geraumer Zeit werden schließlich schon Astern und Dahlien angeboten. Nie in diesem Jahr hörte ich neben meinem Ohr so viele Rollkoffer über das Kopfsteinpflaster rattern, doch nie war auch Sommerfrische so weit entfernt. An manchen Tagen trage ich jetzt schon geschlossene Schuhe. Ist vielleicht auch besser so, nachdem ich beim Flaschenwerfen meinen großen Zeh getroffen und daraufhin seinen Nagel verloren habe. Von der Sandale in Bestzeit zum Sicherheitsschuh. Ist doch auch egal; ich hab‘ die Haare schön!




Montag, 23. August 2021

Nachlese Wochenende

Abrupt endete dieses Wochenende heute um 6:30 Uhr. Wie üblich läutete die Leerung der Glascontainer den Beginn der Arbeitswoche ein. Es musste wohl so kommen. All good things they say never last. 
Am Freitag hatte ich mich - saisontypisch im August -nur zum Aufstehen motivieren können, indem ich mir einen Aufenthalt in der Badewanne in Aussicht stellte. Neben der Wärme bestand der Vorteil darin, später in der ungewöhnlich extensiven Mittagspause gesagt zu bekommen, ich rieche gut. Ich hoffe, es lag nicht an dem allzu großen Kontrast zu sonst. Den Rest des Tages verbrachte ich zwar genauso arbeitend und den Abend fernsehend wie gewöhnlich, doch alles in allem besser gelaunt. Wenn schon keinen Urlaub, dann wenigstens innerhalb des Hamsterrads ein paar mehr kleine Fluchten, beschloss ich. Nach einem schönen Tapas- und Weinabend am Samstag folgte am Sonntag ein Mädelstag mit der Tochter. Als sie am Vormittag beseelt und befreit von ihrer Zweitimpfung zurückkam, begingen wir dies mit einem ausgiebigen Frühstück. Am Abend aßen wir als zusätzliches Soul Food gemeinsam Nudeln. Um das Ganze abzurunden (Pardon the pun!), wünschte sie sich, dass wir gemeinsam „eine historische Serie gucken“. Sie schlief bald ein. Nirgendwo schlummert es sich so gut wie vorm Fernseher - und selten geht es so schnell. Aber vielleicht lag es auch nur an der schummrigeren Beleuchtung oder der Impfung oder der schlappen Gesellschaft.



Dienstag, 17. August 2021

Weitermachen!

Wie nicht unschwer zu erraten ist, hat mich die Idee von vornherein nicht überzeugt. Doch umständehalber musste ich am Montagmorgen vor 9 Uhr „in echt“ bei der Arbeit sein. Dass ich am Abend davor zu spät ins Bett ging, anschließend wenig zusammenhängend schlief und am Morgen der Wecker eindeutig zu früh klingelte, war vermutlich in das Konzept eingepreist. Selbst die kurze Radfahrt vermochte mich nicht zu ermuntern. Im Gegenteil, sie ermüdete mich zusätzlich. Nicht ganz so früh wie geplant, aber noch pünktlich erreichte ich immerhin das Ziel. Um dort festzustellen, dass ich mit dem Laptop nicht richtig arbeiten kann. Er weigerte sich, sich zu verbinden. Am Ende ist auch der Computer ein spontankonservatives Wesen, das am liebsten in vertrauter Umgebung arbeitet. Immerhin war der Live-Auftritt im Rahmen des Möglichen erfolgreich. Da Hard- und Software nicht mitspielten, beschloss ich bald, wieder an meinen gewohnten Arbeitsplatz zurückzukehren. Zur Beschwörung meinte ich zum Abschied leise, vielleicht schaffe ich es noch vor der Husche zuhause anzukommen. Famous last words als normaler Mensch - anschließend Auftritt als begossener Pudel.



Montag, 16. August 2021

Mal wieder Montag

Der Alltag plätschert in seiner Gleichförmigkeit vor sich hin. Oft frage ich mich: War dieses oder jenes letzte oder vorletzte Woche oder fand es gar schon vor drei Wochen statt? Man weiß es nicht. Mit das Schwierigste am Verstreichen der Zeit ist, wie schnell Dreck und Unordnung sich darin vermehren. Es war doch erst letztes Wochenende, dass ich gründlich sauber gemacht habe. Und schon begegnen mir wieder Staubmengen, die passender mit Wollratten als mit anderen Schadnagern (von Kammerjägern lernen!) beschrieben werden, tote Fliegen auf den Fensterbänken und Soßenflecken (Ersatzflüssigkeit, wie damals in der Werbung?) auf dem Küchenboden. Vielleicht ist es einfach gut, jetzt wieder die meisten Stunden des hellen Teils des Tages auf einen Bildschirm gucken zu dürfen.

Samstag, 14. August 2021

Immerhin Wochenende

Endlich einmal gute Nachrichten: Gestern testete ich, ob ich noch mit mehr als drei-vier weiteren Personen auf einmal klarkommen kann. Ich kann vermelden, es geht. Selbst die Gesprächsthemen gingen nach bald anderthalb Jahren weitgehender Isolation gepaart mit 50-Stunden-Wochen und Reiseverzicht nicht aus. Der Zufallsgenerator meines internen Smalltalkthemenprozessors schöpfte zwar aus einem über die lange Zeit reduzierten Fundus, aber mir schien, ich fiel damit nicht unangenehm auf. Umso besser. Kritisch war lediglich, dass der Ort des Zusammentreffens in direktem Umfeld des Stadtderbys lag und ich - unterdessen ungeübt darin, überhaupt physische Verabredungen zu haben - mir ein 1A-Doubledating organisiert hatte. Daher musste ich vergleichsweise früh von der Party verschwinden, um zum verabredeten Treffpunkt der zweiten Privatverpflichtung zu radeln. Das wäre zwar auch mehr Bewegung als sonst gewesen, aber die alleine hätte ich problemlos geschafft. Etwas schwieriger war hingegen, dass mein Abgang nahezu zeitgleich mit dem Abpfiff des Spiels stattfand. Erschwerend kam hinzu, dass die Begegnung nicht unentschieden endete. So fand ich mich alsbald inmitten voll verpackter Polizeimassen und tropfender Wasserwerfer wieder. Die Fahrzeuge sprühten zwar (noch?) nicht, aber auf dem Fahrrad, da hilft auch die Rahmengröße nicht, sind sie beklemmende Ungetüme. Gerechnet hatte ich auf Hin- und Rückfahrt mit marodierenden Fußballfanhorden, nicht aber mit diesem Aufgebot. Eine Erfahrung, auf die ich gut hätte verzichten können. Da nichts weiter passiert ist immerhin kein dauerhaft schädigendes Erlebnis. Süß war, dass die Tochter heute meinte, gegen ihre Vorlieben wegen meiner Anwesenheit im Hotspot für ein Unentschieden gewesen zu sein. Den gleichen Gedanken hatte ich auch. Wir müssen wohl seelenverwandt sein.
Einzig offene Frage dieses Wochenendes: werde ich es am Montagmorgen schaffen, ausnahmsweise vor 9 Uhr vor Ort in der Agentur zu sein? Die Abenteuer des Alltags.

(Remains of last Christmas Tree)