Donnerstag, 28. Dezember 2023

Erledigt

Nach vielen Tagen des Schweinsgalopps ist das Gewicht, Feiertage sei Dank, wieder drauf. Von einer nicht-biodeutschen Kollegin lernte ich, dass Deutsche im Dezember im Schnitt drei bis fünf Kilo zunehmen. Da will ich nicht hinterherhinken. Selbst der Baumkuchen des zweiten Feiertags überlebte nur in restlichen Krümeln. Er sei mir dieses Jahr auch besonders gut gelungen, meinte die Tochter. Immerhin haben wir die dunkelsten Tage des Jahres mit viel gutem Essen und Trinken nun überstanden. Ein Konzept, von dem man dächte, die Skandinavier haben es umständehalber perfektioniert. Doch lässt ihre Küche für mich Einiges zu wünschen übrig. Warum dort alles süß sein muss, erschließt sich mir nicht. Nur konsequent, dass die Tochter gestern erklärte, „in Schweden würde sie sich nur von Rosenkohl und Zimtschnecken ernähren“. Und anders als landestypisch vermutlich nicht zusammen.



Freitag, 8. Dezember 2023

Winterblues

So sehr es mich freut, was für altruistische Menschen meine Kinder sind, so sehr wünsche ich mir - nicht zuletzt aus eigenem Interesse -, dass sie dabei sich selbst nicht vernachlässigen. 
Es rührt mich, wenn der Sohn beispielsweise, selbst kein ausgesprochener Winterfreund, oft und gerne freudestrahlend am Fenster steht, nach draußen auf den Schneefall blickt und sagt: „Ich freue mich für die Kinder!“ Erstaunlich, wie sehr ein Anfangszwanziger dabei wie ein Großvater klingen kann. Auch ich finde es schön, dass die Kleinen rodeln oder Schneemänner bauen können (Schneeballschlachten hingegen beobachtet der Sohn eher als Schiedsrichter. Da ist er hauptsächlich dem Fair Play verpflichtet: Letzthin bemängelte er vehement, größere Schüler haben irgendwelche harten Objekte in ihre Schneebälle gearbeitet, die sie auf „höchstens Elfjährige“ abgezielt haben. Die Tochter pflichtete ihm bei, wie gefährlich das sei, das könne doch „ins Auge gehen“.) Doch im Grunde meines Herzens bin ich vor allem genervt, dass alles rutschig, kalt, nass und insgesamt ungemütlich ist. Die hohe Stufe der Selbstlosigkeit, die die Brut praktiziert, habe ich nicht erreicht. Kommt vielleicht noch - man lernt doch so viel von den eigenen Kindern.



Montag, 4. Dezember 2023

Wintersport

Das Wochenende zusätzlich durch Urlaubstage zu verlängern, ist in der dunklen Jahreszeit keine schlechte Idee. Ein paar saisonale Besorgungen ermöglicht ein freier Freitag außerdem. Besuche des Telekomshops oder einer Drogerie zum Beispiel. Denn Obacht: Rote Baumkerzen sind zumeist schon vor dem ersten Advent ausverkauft. Als ich keine fand (in der Drogerie, nicht bei der Telekom - versteht sich), wandte ich mich an die junge Fachkraft mit Klemmbrett. „Baumkerzen? Nee, haben wir nicht!“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. Um dann etwas später schüchtern nachzufragen: „Was sind Baumkerzen?“ Jetzt habe ich einen gut und muss mich nicht schämen, wenn ich nächstes Mal irgendeine Instagram-optimiert operierte Influencerin nicht kenne.
Blöd nur, wenn man sich zum Ende des Urlaubstages, zum Beginn des eigentlichen Wochenendes, auf dem vereisten Parkweg platt macht. Fast ohne Abzüge in der B-Note, weil der Stunt Telemark-Anmutung hatte. Aber leider mit zwei angeschlagenen Knien, die auch noch zu Beginn der neuen Arbeitswoche leicht bläulich, angeschwollen und etwas schmerzend unterwegs sind. Im Home Office wäre das nicht passiert. Vielleicht hole ich mir doch noch Spikes, damit es den Rest des Winters nicht mehr friert.



Donnerstag, 30. November 2023

Hamburg Wasser

Seit dem Sommer liefere ich mir einen Kleinkrieg mit den Wasserwerken. Was man eben so macht, wenn man sonst nichts zu tun hat. Los ging es mit dem geplanten Austausch der Warmwasserzähler. Irgendein Gesetz schreibt vor, sie müssen jetzt digital und von überall ablesbar sein. Bei zwei Dritteln meiner Zähler stellte dies kein Problem dar. Über einen brummelte der Techniker anschließend irgendetwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Ein paar Wochen später erhielt ich ein Schreiben von Hamburg Wasser, in dem sie mir mitteilten, einer der drei müsse noch ausgetauscht werden. Der Wechsel sei wegen eines Ventils nicht möglich. In bewährter Manier beschloss ich, den Brief zu ignorieren, zumal ich den Fall noch immer nicht verstanden hatte. Unterdessen Herbst erreichte mich ein weiterer Brief, diesmal in weniger freundlichem, dafür deutlich fordernderem Ton. Ich verstand zumindest so viel, dass ich mich um einen Handwerker für ein Ventil kümmern müsse. Da Hamburg Wasser nicht nur bei Zählern auf Digitalisierung setzt, konnte ich per Mail antworten, um die Lösung hoffentlich zu beschleunigen. Ich schrieb, ich habe keine Zeit, mich um Handwerker zu kümmern. Schließlich werde die Suche dadurch erschwert, dass ich weder wisse, wo der Schaden liege, noch welches Gewerk damit zu beauftragen sei. Die Antwort ließ wirklich nicht ganz so lange auf sich warten. Als Eigentümerin sei ich verpflichtet, für die Funktion der Ventile Sorge zu tragen - und ich dachte, mein Kontingent unerwarteter Pflichten erschöpfe sich mit zwei Kindern - und hier ein Link zu Handwerkern in meiner Nähe. Nichts jedoch zur Frage, welcher der drei Zähler der betroffenene sei (Wolle mache kleine Spielchen?). Die Handwerker-Akquise entpuppte sich als überraschend einfach. Ich geriet an einen freundlichen und zuvorkommenden Wassertechniker ganz in der Nachbarschaft, der zudem bereit war, demnächst vorbeizukommen. Vor seinem Besuch machte ich mich auf die Suche nach dem analogen Zähler, Sherlock von Garnier fand ihn im Gästebad. Bei meiner Fahndung stellte ich fest, der neue fancy Digi-Zähler in der Küche ist so beschlagen, dass man ihn klassisch vor Ort nicht mehr ablesen kann. Wie ich nun weiß, bin ich selbst zuständig für die einwandfreie Funktion dieser Geräte. Der Handwerker übrigens kam, sah und lachte. Das vermeintlich defekte Ventil im Gäste-WC arbeite tadellos, an wen er seine Rechnung schicken könne. An mich, damit ich die Mail zusammen mit Sinnlosigkeit des Unterfangens und der Info über den nicht fachgerecht verbauten anderen Zähler an die Wasserwerke weiterleiten kann. Obwohl digital ließ die Antwort von Hamburg Wasser in dem Fall länger auf sich warten. Honi soit qui mal y pense. Sie wiederum brachte mich zum Lachen: Um welche Zählernummer es sich beim Beschlagenen in der Küche handele. Ich antwortete mit dem Foto. Mal sehen, ob ihnen die Digitalisierung hilft, wenn das trübe Auge überfordert ist.





Freitag, 24. November 2023

In echt Flamingo Friday

Immer wieder heißt es, es gebe in fortgerücktem Alter keine ersten Male mehr. Erneut muss ich widersprechen.
Heute bzw. schon gestern habe ich erstmalig vergessen, dass ich einen Urlaubstag habe. Der Wecker klingelte, ich quälte mich aus dem warmen Bett, um dann festzustellen, dass es lediglich notwendig ist, über meine Abwesenheit zu benachrichtigen. 
Kürzlich ist mir außerdem zum ersten Mal beim Stoßlüften (das ich in den Augen mancher Nachbarn als Biodeutsche sogar beherrschen kann) ein spatzengroßer Vogel ins Zimmer geflogen. Um sich in seiner Verwirrung auf meinen Bildschirm niederzusetzen und diesen vollzukacken. Das war nicht nur ein Novum, sondern bringt sicherlich auch noch Glück. Dabei ist doch heute gar nicht Freitag, der Dreizehnte. 



Freitag, 17. November 2023

Friday Night Fever

Sähe ich nicht aus wie an die Wand gespuckt, hustete oder schniefte nicht abwechselnd und fühlte mich nicht noch einigermaßen niedertourig, könnte ich ab jetzt das verpasste letzte Wochenende und alles, was danach gewesen wäre, ausgiebig nachholen. Es liegt wahrscheinlich nur an der allgemein novembrigen Stimmung, dass rechte Euphorie nicht aufkommen möchte. Als einen klitzekleinen Affront deute ich es allerdings, dass der leise Strich, der heute Mittag verschwunden ist, sich hartnäckig bis in die gestrige Dunkelheit hielt. Hatte ich doch Pläne für heute. Nicht nur einen Urlaubstag genommen, nein, auch Bahntickets nach und ein Hotel in Frankreich gebucht. Ja, dort sogar eine schicke Restaurantreservierung für heute Abend. Das wäre eine anständige Überraschung geworden. Und dann macht mir nicht etwa der Bahnstreik, sondern der weitere hellrosa Balken einen Strich (!) durch die Rechnung. Um sich heute - Pardon my French (!) - zu verpissen. Das darf man dann schon persönlich nehmen. Nur nicht allzu lange. Schließlich freue ich mich, zum Einkaufen wieder unter Menschen zu dürfen und einen Freund aus Berlin zu treffen, den ich bis jetzt hinhalten musste. Schade einzig, dass mein andauernder Nikolaustag mit schönen Gaben vor der Tür nun zu einem Ende gekommen ist.



Mittwoch, 15. November 2023

Seuchentrude

Prinzipiell ist gegen Tage im Bett nichts einzuwenden, wenn es draußen zu jeder Uhrzeit dunkel ist, der Regen gegen die Fenster peitscht und der Sturm die letzten Blätter von den Bäumen fegt. Schön wäre nur, wenn dies selbstbestimmt geschähe und weniger mit Unwohlsein, als mehr mit Lust zu tun hätte. Doch auch - oder gerade? - in erzwungener Bettruhe/Isolation kommt es zu Erkenntnisgewinn. Knäckebrot und trockener Husten interagieren und entwickeln katalytische Wirkung. Für Sie getestet! Doch ich will nicht den falschen Eindruck entstehen lassen, ich darbe derzeit. Erhalte ich doch nicht nur viele Hilfeangebote, sondern auch einiges an Nahrung; Geistiges in Form von Büchern und Kalorisches in Form von Gebäck, Obst, Getränken und gar warmen Mahlzeiten, die allesamt vor meiner Tür landen. Bei letzterem handelte es sich nicht nur um irgendein Essen, nein! Es war ein ganzer Hektoliter, speziell nach meinen Wünschen konfigurierter Hühnersuppe. Auf die Frage, ob sie mit Nudeln oder Reis sein solle, kann es ohnehin nur eine Antwort geben. Die uns Maurice Sendak schon in Kindertagen mitgegeben hat: Hühnersuppe mit Reis. Sie alleine sorgt dafür, dass der Strich auf dem Selbsttest immer blasser wird. Ganz so steht es zwar meines Wissens nicht im Buch, aber ich bin sicher, so ist es. Langsam verflüchtigt sich sogar die Watte in meinem Kopf. So kann ich mich der Lektüre widmen. Und in den Momenten, in denen ich mit Buch über dem Kopf kurz davor stehe einzuschlafen, freuen, wie liebevoll ich verwöhnt werde.

Dienstag, 7. November 2023

Goldener Herbst?

Was soll man an diesen Zeiten mögen? Ganz abgesehen vom Weltpolitischen wäre ich bereit für einen mindestens viermonatigen Winterschlaf.
Ja, irgendwelche Blätter färben sich bunt. Wenn sie nass und platt auf Gehwegen und Straßen liegen, sind sie ungefähr so attraktiv wie eine entsprechende Anzahl bunter Kaubonbonpapiere. Vor allem, weil sie sich im feuchten Zustand nicht ohne Mühe wegfegen lassen.
Ab und an gibt es trockene Momente mit Flecken blauen Himmels. Die soll man dann überschwänglich als schönste Jahreszeit feiern. Doch ganz ehrlich: Das hiesige Balkonkraftwerk liefert seit Anfang Oktober nichts mehr. Rien, nada, niente. Und wenn es so schön wäre, warum muss ich dann von morgens bis abends Licht anhaben? Komme mir jetzt niemand mit: „Kerzen sind doch so gemütlich!“. Was an Adventskranz und Tannenbaum stimmt, muss am Arbeitsplatz noch lange nicht richtig sein; vielleicht ist es sogar gefährlich.
Zugegeben, es gibt Lichtblicke wie das Wochenende. Doch die gibt es zu anderen Jahreszeiten auch. Und kann dort mit ihnen eventuell mehr anfangen, als im Schummerlicht die Steuererklärung fertigzustellen oder Laub zu fegen (besser: glitschige rot-braun-gelbe Masse zu verschieben). Bei der Gelegenheit: neben denen an der Hand existieren die Blasen an meinen Füßen, hervorgerufen durch unmenschliche, geschlossene Schuhe, noch immer.
Ein Trost sind die vielen schönen Bücher, die um diese Jahreszeit erscheinen. Doch Lesen geht in der warmen Sonne viel besser als in Decken gehüllt. Sie brauchen kein tristes Grau im Hintergrund. Meine Meinung. Blöd außerdem, wenn das schöne Buch nach fast tausend Seiten plötzlich und unerwartet ausgelesen ist. Das kann schon mal ein tiefes Tal bedeuten.
Wahrscheinlich muss auch der Feiertag am Reformationstag aka Halloween als ein Herbst-Highlight herhalten. Ich feiere ihn allein deswegen, weil seit seiner Einführung keine Abendschüler mehr an meiner Wohnung vorbei marodieren, um unsere Fenster mit Eiern zu bewerfen. Da nehme ich gerne in Kauf, am 31.10. am U-Bahn-Kiosk hoffnungslos überteuerte Kaubonbons erstehen zu müssen, um sie an vorbeiziehende Kinder verteilen zu können. Hätte mir schließlich früher einfallen können.
Vermutlich liegt der Abgabetermin für die Steuererklärung nur deswegen in trüber Jahreszeit, um etwas Stimmungsaufhellendes zu haben, wenn man sie endlich geschafft hat. Psychologie, so wichtig.
Neben dieser Erkenntnis bringt mir der Herbst noch eine weitere: Die Attraktivität von Laubpustern liegt darin begründet, dass man von ihrer Betätigung keine Blasen an den Händen bekommt. Somit war und ist die Herbsttristesse doch nicht umsonst.

(Sie nennen es Fachliteratur - Von der Steuer absetzen?)


Montag, 30. Oktober 2023

Vergessen oder Verdrängen?

Dass es hier ganztägig bleiern dunkelgrau sein kann, hatte ich in meiner langen Abwesenheit (Der Sohn: „Warst du jemals so lange weg?“) ausgeblendet. Es macht Rückkehr und Eingewöhnung nicht leichter. Zumal seit gestern die definitive Dunkelheit bereits am Nachmittag Einzug hält. Danke, Winterzeit! Die Umstellung, mit der ich mich allerdings am schwersten tue, ist die auf geschlossene Schuhe. Ein halbes Jahr waren meine Füße von ihren unmenschlichen Fesseln befreit, doch bei geringen, immerhin positiven Höchsttemperaturen müssen sie sich wieder dem Elend fügen. Nun reagieren sie - zu recht! - mit fetten Blasen. Mehrzahl nicht nur, weil es zwei sind. Eher, weil es mehrere an manchen Zehen sind. Aus Symmetriegründen habe ich mir zusätzlich noch welche an den Händen zugelegt. Zumindest dafür ist Laubfegen auf dem Hof gut. Doch ich will nicht undankbar sein. Gestern gab es immerhin sonnige Momente. Wen kümmert es da, dass die wenige Bräune, die nicht durch Blasen verdeckt wird, um diese Jahreszeit nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis präsentiert werden kann? 



Freitag, 27. Oktober 2023

Tut nicht Not

Es wäre nicht nötig gewesen, mir den Rückweg in die hiesige Herbsttristesse zu erschweren. Eine Temperaturdifferenz von knapp zwanzig Grad hätte gereicht. Doch es sollte wohl klargestellt werden, dass ich nicht zum Spaß in protestantische Freudlosigkeit zurückkehre.
Gesetzt waren die Querelen wegen des abgelaufenen Personalausweises. Mein Schengen-Gepöbel sorgte zumindest dafür, dass die junge Schalterkraft sich lediglich bei ihrer Vorgesetzten erkundigte und mich danach schmallippig durchwinkte. Geschenkt auch das Gepiepe mit eingehender Leibesvisitation, weil die spanischen Sensoren beim Security Check im Gegensatz zu den deutschen noch immer auf Metall innerhalb des Körpers reagieren. Dass der letzte Kaffee vor Rückkehr nicht ganz so gut war, habe ich allein mir selbst zuzuschreiben. Ich musste ja unbedingt zu Tim Hortons, um meine Kinder neidisch zu machen. Dass sich der Abflug um eine halbe Stunde verspätete, lag nicht mehr in meiner Hand. Ein nachgefragter Fluggast meldete sich trotz vielfacher Aufrufe nicht. 
Zum Glück hatte ich einen Wunschplatz  gebucht, denn das Flugzeug stellte sich trotz später Ankunftszeit in Hamburg als knallvoll heraus. Leider war dort mir nicht lange Zeit beschieden: in der Reihe hinter mir war es nach Durcheinander dazu gekommen, dass Hund und Katze nebeneinander saßen. Ich wurde gebeten, mich umzusetzen. Statt sich zu bedanken, nörgelten meine neuen Nachbarn (sie Freizeitrevue, er Sudoku-Heft), Hund neben Katze, das sei unmöglich und so weiter. Eigentlich klar, dass ich den Platz neben der Katze ergatterte. Immerhin brachte mir das Personal klaglos eine Maske, damit ich nicht zu sehr auf das Tier reagieren musste. Die wiederum war auch deswegen sinnvoll, weil das kränkelnde Kind auf dem Gang gegenüber bereits vor dem Abheben sein Abendessen von sich gab. In den zweieinhalb Stunden Flug schaffte es übrigens sechsmal zu spucken. Da es in Valencia sehr windig war, kam es zum Anfang des Flugs zu einigen Turbulenzen. Wenn ich aufmerksam hätte gucken können, hätte ich tolle senkrechte Blicke aus beiden gegenüberliegenden Fenstern auf das mediterrane Lichtermeer haben können. Alle krallten ihre Finger in die Arme ihrer Nachbarn. Ich nahm davon Abstand. Das wäre nun wirklich unmöglich gewesen. Der Pilot gab sich alle Mühe, die verlorene Zeit aufzuholen. Und schaffte es fast. Wir landeten kurz nach 22:30 Uhr. Natürlich kamen wir in Hamburg nicht am Finger an. Wir durften noch Bus fahren. Ich sogar barfuß in offenen Schuhen (Schuhwechsel neben Katze: auch unmöglich). Meine Laune steigerte sich nicht merklich, als wir anschließend eine Stunde auf das Gepäck warten mussten. Immerhin etwas, als sich die Wartezeit als erfolgreich herausstellte.
Glücklicherweise bleiben mir als Erinnerung an sonnigere Zeiten nicht bloß die zahlreichen Mückenstiche - denn sie wären schnell verflogen - sondern auch das persönliche Übergewicht - das hält sich noch etwas.





Sonntag, 15. Oktober 2023

Jetzt echt: Fin de temporada

In einer Viertelstunde wird die Flagge eingeholt, dann ist die diesjährige Saison beendet. Ist egal, ob es noch 26° Wasser- wie Lufttemperatur sind: jetzt ist Schluss. Der Kalender will es so. Ab morgen müssen die hiesigen Pamela Andersons ihre roten Bojen gegen den Arbeitslosenausweis austauschen. Erinnert mich an einen meiner favorisierten OL-Cartoons (im Kreißsaal:„Ist mir egal, ob es ein Junge ist, das Kind heißt Renate!“). Mir ist es unterdessen auch fast gleichgültig, denn ich habe gerade mein Home Office in der Sonne um ein paar Tage ausgedehnt.
Auch, dass man mir hier keine Postkarten andienen möchte, nehme ich mit mediterranem Stoizismus - und baue sie kurzerhand selbst.





Freitag, 13. Oktober 2023

Fin de temporada

Heute also mein letzter Urlaubstag. Gierig wie ich bin, könnten, wenn es nach mir ginge, Sommer, Sonne und Nichtstun noch ein wenig anhalten. Doch als Vizeweltmeisterin des Zweckoptimismus‘ weiß ich: es ist auch gut so. Ansonsten müsste man mich nach Hause rollen oder ich hätte für die Rückfahrt gleich zwei Plätze buchen oder meine Garderobe auf mindestens zwei Größen mehr umrüsten müssen. Wenn‘s gut läuft, schafft Schmalhans ein paar Wochen nach meiner Rückkehr die Kehrtwende. Wenn nicht, bleibe ich zwei Öltanks.



Montag, 9. Oktober 2023

Auf der Habenseite

Das Gute ist, ich werde nun doch keinen Selbstbräuner brauchen. Die hiesige Abendsonne reicht, um mir etwas gesunderen Teint zu verschaffen. Dass die Bräune der Beine außer mir nur einem sehr exklusiven Kreis vorbehalten bleibt, steht auf einem anderen Blatt. 
Weniger gut, dass ich den Strand und das Wasser mit tausenden von glibberig-violetten Quallen teilen muss. Vorbei die guten, alten Zeiten, als man mit einem Ausruf „¡una medusa!“ den Strand leerfegen konnte. Die früher vorherrschende Angst vor Verbrennungen scheint der allgemeinen Erkenntnis gewichen zu sein, dass die meisten Exemplare zwar irgendwie eklig, aber nicht tödlich sind. So muss ich den Strand nicht nur mit wabbligen Medusen sondern auch mit vielen Einheimischen teilen - schließlich ist wieder einmal ein Feiertag. 
Das Schwierigste jedoch wird sein, dass ich morgen zum ersten Mal in seinem Leben nicht beim Sohn sein werde, wenn er Geburtstag hat. Zwar weiß ich, dass sie es sich laut seiner Freundin „nett und fett“ machen werden und ich seit bald 23 Jahren keinen aktiven Part mehr an der Geschichte habe, aber ganz verdrängen kann ich den Gedanken nicht. Am Ende werde ich mich vielleicht - altersgemäß? - dem Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel der drei Damen am Strand anschließen („Kennen Sie Schnipp-Schnapp? Das ist auch ein Spiel für drei Personen.“), um meinen Kummer zu vergessen. 25°, etwas wärmeres Wasser, wenngleich mit Qualleneinlage, und Sonnenschein dürften zusätzlich helfen.

(Damals)

(Heute)



Donnerstag, 5. Oktober 2023

Hiesige Gepflogenheiten

Unterdessen gut eine Woche hier reift die Erkenntnis, dass ich zwar gut erholt, aber kaum gebräunt aus diesem Urlaub zurückkehren werde (hitzebedingt hier statt „Eleven to three under the tree“ eher „Nicht vor 17 Uhr das Haus verlassen“). Außerdem habe ich mitbekommen, dass der Mittwochabend bzw. die Nacht auch hier den beliebtesten Ausgehzeitpunkt der Woche markieren. Die Nacht eben, in der sich die meisten Feiernden und Müllarbeiter treffen. Zusätzlich bin ich wieder und wieder verwundert, dass im Gegensatz zu Frankreich, das nun nicht so weit entfernt liegt, Höflichkeit als übertrieben eingeschätzt zu werden scheint. Es klingt sehr verallgemeinernd, doch irgendwie werde ich den Eindruck nicht los. Tür vor der Nase zuknallen, auf der Straße bis zum Bodycheck nicht ausweichen, Eltern nicht mit Kinderwagen oder älteren Menschen nicht mit Rollatoren helfen, gehört hier alles zum guten Ton. Und doch hat es mich überrascht, als ich gestern einer Frau - nicht älter als ich, am Ende wahrscheinlich zehn Jahre jünger - half, ihre zwischen uns an der Kasse auf den Boden kullernden Münzen aufzulesen, ihr eine ihrer Fünfcentmünzen in die Hand drückte und außer einem mürrischen Blick keinen Dank dafür erhielt. Ich wiederum dankte ihr mit einem deutlich vernehmbaren „Gern geschehen, dumme Kuh!“. Wenn sie es nicht verstanden hat, war es mir genauso recht, als wenn sie des Deutschen mächtig wäre. Da keine weitere Reaktion kam, nehme ich Ersteres an. Wieder einmal zu gut, dass meine Kinder nicht vor Ort sind. Das wäre ansonsten eine Vollkatastrophe geworden, sind sie doch schon höchst peinlich berührt, wenn ich mich im Schutze der eigenen Wohnung despektierlich zu grundlos greinenden Kindern oder kläffenden Hunden äußere - und checken lieber noch einmal, ob alle Fenster vollständig geschlossen sind.



Mittwoch, 4. Oktober 2023

Feiertage

Ausnahmsweise ist heute keiner der hiesigen siebzehn festivos im Oktober. Nicht einmal ein deutscher Feiertag. Deswegen haben wir uns in preußischer Härte zum bilingualen Anwalt aufgemacht, um ein paar organisatorische Dinge zu regeln. Dankenswerterweise hat er beim Termin etwas nachgegeben und uns eine Stunde mehr am Morgen verschafft. Es sieht - wieder einmal - so aus, als sei Deutschland in Sachen Bürokratie lange nicht führend. Viel eher hat Spanien einen Medaillenplatz in dieser Disziplin. Bei der Gelegenheit wurde offenbar, dass mein Personalausweis seit etwa anderthalb Monaten abgelaufen ist. Ich sehe mich auf der Rückreise wieder empört „Schengen!“ schreien, wenn sie mir am Flughafen bedeuten, dass sie nicht in der Lage seien, mich zu befördern, weil ich keinen gültigen Ausweis besitze und meine Krankenversicherungskarte inklusive Lichtbild nicht akzeptiert wird. Wie gut, dass meine Kinder diesmal nicht dabei sein werden. Dann müssen sie nicht wieder vor Scham im Boden versinken, weil ihre Mutter peinlich laut den Namen von irgendwelchen blöden Beneluxorten skandiert.
Bis es so weit ist, wird hier erstmal jedweder Feiertag - und sei es nur, weil es ein toller Sommertag mit dem ersten Mal Hauch einer Brandung ist - mit Sekt, Crémant oder Cava begangen, denke ich. Auch in dem Punkt bin ich ganz Europäerin.



Freitag, 29. September 2023

Nase voll, trotzdem toll

Es war vorprogrammiert. Wenn ich endlich Urlaub habe, werde ich zum Start erstmal krank. Aber ich bin gut davon gekommen, denn es ist nur die erste Erkältung seit ungefähr drei Jahren. Es hätte schließlich auch Scharlach oder das böse C sein können. So ist es nur ein Schnupfen. Dessen größte Probleme darin bestehen, bei dreißig Grad an die notwendigen Taschentücher zu denken und bei azurblauem Himmel die Sonne zu meiden. Gut war hingegen, quasi serienmäßig eingebaute Wadenwickel zu nutzen. Das geht so: Beim Strandspaziergang zum Sonnenuntergang die Hose hochzukrempeln. Dann gleich die ersten kleinen Wellen mitnehmen, so dass sich die Hosenbeine wegen der Nässe entkrempeln. Im Anschluss etwa sechs Kilometer mit gut befeuchteten Waden durch die Meeresbrise laufen. Diese Erkältung kann gar nicht anders, als ganz schnell zu verschwinden.



Sonntag, 24. September 2023

Endlich

Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten stand der Sohn am Küchenfenster und drückte sich dort die Nase platt. Nicht nur bildlich sondern wirklich: ich versuchte mich hinterher daran, die Spuren von der Scheibe zu wischen. Normalerweise kann er nicht weit genug von den Fenstern entfernt sein. Man könnte ihn von außen sehen. Es ist nur meiner hartherzigen Art zu verdanken, dass ich seinem fortwährend vorgetragenen Ansinnen nach Vorhängen oder Jalousien in der Küche (und im Wohnzimmer) aus Prinzip nicht nachkomme. Verwraste Gardinen sind schließlich kein Argument. Und doch, diesmal stand er ungeachtet dessen im Spotlight. Zusätzlich überraschend, dass es ihm nicht darum ging, die Hunde auf dem gegenüberliegenden Auslaufplatz zu beobachten. Stattdessen schien er eine andere Mission zu haben. Irgendwann hörte ich seinen Ausruf: „Der ist von DHL, das respektiere ich nicht!“ Zugegeben, die gelben Jacken mit roten Applikationen tun nichts für die Kollegen, aber derartige Modegesichtspunkte sind dem Sohn bei anderen eigentlich fremd. Es hatte zwar im weitesten Sinne mit Mode zu tun, aber es stellte sich heraus, dass er auf Hermes wartete. Deren Mitarbeiter sollten ihm vor seinem Italienurlaub zwei Hosen liefern („Bis 15 Uhr gebe ich ihnen noch, danach habe ich keine Hoffnung mehr.“). Zur Überbrückung hörte der Sohn nicht etwa „Urlaub in Italien“ sondern Anleitungen in Landessprache, wie man am besten süditalienische Köstlichkeiten zubereite. Irgendwann nach 16 Uhr ging er nicht ganz so beschwingt wie sonst zu seiner Freundin. Zum Glück blieb ich wie sonst noch etwas länger im Home Office. Kurz vor 19 Uhr kam die ersehnte Fracht. Als partiell weniger hartherzige Mutter schickte ich ihm eine Nachricht mit Fotobeweis. Auf die ich wie sonst keine Antwort bekam. Nun ist er angemessen bekleidet in Italien, während ich Urlaub in Frankreich machen darf. Er mag Lieder und Hosen haben, wir haben Le Touquet.


 

Mittwoch, 13. September 2023

Ach so

Den zweiten Tag in Folge wachte ich auf und wusste nicht, in welcher Welt ich mich befand. Und das, obwohl ich seit einigen Tagen im gleichen Bett schlafe. Die Orientierung war nicht das Problem. Die Geräusche von draußen waren nicht zu deuten. Irgendwann dämmerte es mir: Regen. Eigentlich hätte ich gedacht, dass nach diesem Sommer das Geräusch vertraut sein müsste. Doch im Juli und August war viel Tristesse mit gelegentlichem Niederschlag. Jetzt ist viel Regen mit Sommerendblues. Gebt mir noch ein paar Tage, damit ich weiß, was mir besser gefällt. So wäre es mir am liebsten:



Mittwoch, 6. September 2023

Ohne Liebe geht es auch

Nach wie vor fremdele ich mit dem neuen Album, doch als Abschluss eines hervorragenden Konzertsommers eigneten sich Sven Regener und die Seinen in jedem Fall. Vielleicht gehören die vielen Moll-Lieder einfach zwingend zur leicht melancholischen Spätsommerstimmung. Andere haderten mehr mit der Konzertstätte. Ich fand die Laeiszhalle stimmungsvoller als die Sporthalle und wahrscheinlich auch als die Elbphilharmonie. Vielleicht waren die Sitzplätze einfach nur zielgruppenadäquat und altersgemäß. Nicht nur auf der Bühne sondern auch davor dominierten die Grauhaarigen. Zusätzlich die Gefärbten (zu denen Herr R. zum Glück nicht mehr zu gehören scheint), Haarlosen und Haarreduzierten. Meine Gunst hatte sich Element of Crime wieder vollständig erspielt, als sie - anders als beim letzten Mal im schlammigen Stadtpark - wie es sich gehört für einen Auftritt in Hamburg „Vier Stunden vor Elbe 1“ darboten. „Scheiß‘ doch auf die Seemannsromantik…“ entschädigt für Drinnen und Sitzplätze allemal.







Dienstag, 29. August 2023

Und umgekehrt

Ebenso wie Eltern nicht alles über ihre Kinder wissen sollten, sollten auch Kinder nicht über alles Kenntnis haben, was Eltern tun. Eine Binsenweisheit, die auch und gerade für das Thema Sex gilt - sind Eltern doch per se asexuelle Wesen. Doch selbst dieses Grundwissen scheint einigen Elternteilen nicht geläufig zu sein. Ebenso sollten viele profane Dinge nicht ins Bewusstsein meiner Kinder gelangen, obwohl oder gerade weil sie schon erwachsen, nun ja: volljährig, sind.
Nie, nie dürfen sie erfahren, welcher Ausdrücke ich mich außerhalb ihres Beiseins bediene. Goldene Zeiten, als es nur darum ging, die Kleinen vor den eigenen, allzu derben Schimpfwörtern zu bewahren!
Die tendenzvegetarischen Kinder, der Sohn hat aus Tierwohlgründen immerhin drei Jahre lang vegan gelebt, dürfen auch nicht wissen, dass ich meine gestrige Mittagspause damit verbrachte, den überhandnehmenden Feuerwanzen auf dem Balkon den Garaus zu machen (oder es zumindest zu versuchen). Immerhin könnten meine echt Hamburger Kinder goutieren, dass ich vielen von ihnen eine ans-tändige Seebestattung zuteil werden ließ. Doch dieses Feld öffne ich aus Gründen lieber nicht.
Am Ende bleibt wenig, was sie aus meinem Leben mitbekommen dürfen. Vor allem, da der Sohn sich bereits daran stört, wenn wir abends würfeln. Liebevoll immerhin, wie er uns alternative Aktivitäten andient: ob wir es nicht mit historischen französischen Serien versuchen wollen, die letzte habe mir doch gut gefallen. Hartherzige Mutter, die ich bin, ignorierte ich seinen Vorschlag. Gutmütige Mutter, die ich bin, zog ich keinen Vergleich zu seinen, deutlich zeitintensiveren Daddelspielen vor dem Bildschirm.



Sonntag, 27. August 2023

Silver Jubilee

Die Feierlichkeiten fielen etwas anders aus als geplant. Genau genommen fielen sie ins Wasser. Nicht nur, weil in diesem Jahr am 27. August eine ebenso gewittrige Stimmung wie vor 25 Jahren herrschte. Offiziell gibt es wohl nichts zu feiern, wenn der silbernen Hochzeit eine Scheidung vorausgeht. Ich lasse für mich dennoch hochleben, dass aus dieser Verbindung zwei unvergleichlich tolle Kinder hervorgegangen sind. Wer braucht da eine Party? Ich nicht. Der Ex-Gatte offensichtlich auch nicht. Darin immerhin sind wir uns einig.



Montag, 14. August 2023

Verstehe

Schön ist, wenn das Wochenende naht. Vielleicht noch schöner, wenn man einen Teil davon sturmfrei hat. Sehr schön ist außerdem, wenn das Wochenende auf eine Woche folgt, die in der Mitte statt Arbeit einen Ausflug bereithält.
Nicht ganz so schön, wenn man direkt nach besagtem Ausflug anfängt, sich krank zu fühlen. Vor allem, da man es noch schafft, trotz Kopf- und Gliederschmerzen an den nachfolgenden Tagen über zehn bzw. sechs Stunden zu arbeiten. Um Freitagnachmittag ins Bett zu fallen und dort den Rest des Tages und des Wochenendes frierend oder schwitzend (oder beides) zu verbringen. Positiv immerhin, dass es nicht Corona ist - wie die ungelenk erstellten Tests (man verlernt so schnell) ergaben. Schön ist dabei immerhin, einen fürsorglichen Sohn vor Ort zu haben, der einkauft, kocht und Unterhaltung anbietet. Der dann am Sonntag im Morgengrauen in die Hauptstadt fährt (siehe auch: sturmfrei). Neutral bis preußisch bewerte ich, heute wieder halbwegs auf dem Damm zu sein. 



Montag, 7. August 2023

Kernkompetenzen, auch nicht mehr das, was sie mal waren

Auch wenn man es in meiner Unordnung nicht immer sehen kann, von Haus aus bin ich Planerin. So war ich selbst verwundert, als mir bereits im Losgehen einfiel, was ich alles vergessen hatte zum Spontanaufenthalt bei meiner Mutter mitzunehmen. Immerhin wurde ich entschädigt durch ein ziemlich leeres Abteil in einem Zug, der laut DB-App außergewöhnlich hohe Auslastung aufweisen sollte. Zusätzlich belohnt wurde ich durch die Ansage zur Öffnung des Bordrestaurants: „Our service crew will be exciting to your visit.“
Am Ziel angekommen ging die außergewöhnlich hohe Planlosigkeit weiter. Vor meiner Eingebung bzw. Umsetzung, an einem Abend mit etwas weniger Niederschlag zu grillen, hätte man durchaus checken können, ob sich Kohle im Haus befindet. Immerhin kann ich Improvisation. Dann eben aus dem - zugegeben etwas feuchten - Holz selbst Grillkohle herstellen. 1A gelungen. Fast genauso stolz war ich übrigens auf meine Eingebung, eine mit zehn Kienäppeln beschickte Eierpappe als Grillanzünder zu nutzen. 

Doch auch der Entschluss, zu Fuß in die Stadt zu gehen, bestach nicht durch übertrieben viel Planung, wenn er nicht auf einem Blick auf die Wettervorhersage basierte. Die Wanderung fiel am Freitag buchstäblich ins Wasser, weil es richtig regnete, als ich losgehen wollte. Die Wiederholung fand zwar am Folgetag statt, war aber auch nur mäßig vorbereitet, weil kein Regenschirm mit von der Partie war. Dieser hätte gegen nasses Beinkleid und Schuhwerk (offen, versteht sich, da läuft das Wasser besser wieder heraus) zwar auch nichts ausrichten können, aber zumindest den senkrechten Teil des Starkregens etwas aus dem Gesicht abgehalten. 
Langer Rede, kurzer Sinn: meine privaten Planungskapazitäten scheinen in Summe erschöpft. Wenn nun der professionelle Anteil sinkt, sollte sich im Alltagsleben wieder Raum für bessere Vorbereitung und Ausrüstung ergeben. Es wird also alles wieder gut - vermutlich auch das Wetter.



Donnerstag, 27. Juli 2023

Urlaubsreif

Auch auf die Gefahr hin, wie eine meckernde ältere Frau zu klingen - die ich vielleicht einfach bin? -, muss ich feststellen: Die topfschlagenden Nachbarn sind seit heute Nacht aus dem Urlaub zurück. Ich habe sie nicht vermisst. Schön für sie, dass sie gut erholt und entsprechend gelaunt zu Hause angekommen sind. Aber deutlich nach Mitternacht fällt die Laune des arbeitenden Umfelds ins Bodenlose, wenn sie laut über die beste Strategie diskutieren, den Fahrradträger vom Auto zu demontieren, dabei Metallstangen auf den gepflasterten Boden werfen (offenkundig nicht die beste Strategie), ihr Gepäck mit weiterer Diskussion und Türenknallen (Auto- wie Haustüren) separieren und nach oben schaffen sowie generell lautstark ihren Urlaub bilanzieren (Macht das, wenn es sein muss, in eurer Wohnung, aber nicht vor der Tür bzw. vor meinem Schlafzimmerfenster!). Das Harmloseste war noch das Ein- und Ausparkgebimmel ihres Autos - und das nervt mich normalerweise am Tag schon. Irgendwann hielt mir der nächtliche Zinnober zu lang an. Im Schutz der Dunkelheit traute ich mich im Snoopy-Nachthemd ans Fenster und gab wirklich die nörgelnde Alte. Es scheint nicht meine Paraderolle zu sein. Mein gar nicht gebührend unfreundlich vorgetragenes „Schafft ihr das auch leiser?“ wurde vollständig ignoriert. Trotz Müdigkeit kann ich heute sagen, es lag nicht an mir. Als ich besagten Nachbarn eben traf und ihn auf die Nachtaktion ansprach, quittierte er dies nur mit einem „OK“ und ging in bester spanischer Edelmannmanier darüber hinweg, dass ich mir von ihnen an der Stelle ein klitzekleines „Tut mir leid/Sorry/Désolé/Lo siento“ vorgestellt hätte. Und wenn ich meinen Ärger überwunden habe, bin ich nur noch müde.

(Damals als ich noch jünger und ausgeschlafener war. Ein Wunder, dass es zu der Zeit schon Farbfotografie gab.)

Montag, 24. Juli 2023

Zu viel Work, zu wenig Life

Wegen zu vieler Arbeit musste dringend etwas Aufbauendes her. Traditionell kann ein Friseurbesuch einiges bewirken. Zum Glück bekam ich spontan einen Termin. Fachkräftemangel, Personalknappheit - hätte sein können, dass ich auch darauf wochenlang warten muss. Selbst mit vollem Terminkalender klappte es von einem Tag auf den anderen. Es ging auch gut weiter mit Kümmern und Kopfmassage. Währenddessen gefiel mir alles gut. Doch unterdessen hadere ich mit der neuen Frisur. Ich finde die Haare zu kurz. Dauerhaft lassen sie sich nicht mehr hinter die Ohren klemmen und alle zusammenzubinden fällt schwer. Ich weiß, sie wachsen nach. Aber selbstwertsteigernd ist das Wissen auch nicht. Folglich kam es zu trüben Gedanken an einem mehr als trüben Sonntag. Neben dem Blick nach draußen verbat sich der in den Spiegel. Der in die und aus der Kamera heute wird ebenfalls nicht helfen. Zumal die Umstände nicht besser werden, wenn müde Augen ins Spiel kommen. Der Dank geht - wieder einmal - an die Hamburger Müllabfuhr für die Glascontainerleerung um Sechs-Uhr-Irgendwas. Als Ego-Boost blieb mir von diesem Wochenende vor allem die gelungene Umsetzung eines Blumenstraußes. Zum echten Eskapismus taugt diese Beschäftigung nicht. Floristinnen müssen viel zu früh aufstehen.



Samstag, 15. Juli 2023

Back Again

Seit ich aus der hauptstädtischen Sommerfrische zurück bin - immerhin fünf Tage aus der gewohnten Umgebung und letzten Freitag ein echter Urlaubstag -, kann ich endlich wieder die wohlstandsverwöhnte mittelalte Haushaltsführende geben. Nach ein wenig Arbeit in meiner Boutique sitze ich, die Füße hochgelegt, auf dem Sofa und esse Pralinen. Obwohl ich letzteres natürlich nicht tun sollte, denn das ruiniert ja die Figur. 
Das utopische Szenario rückt in fast greifbare Nähe, seit der Saugroboter (aka Gregor Samsa) nach jahrelangem Streik seine Arbeit wieder aufgenommen hat. Er erkennt seine Programmierung wieder, die ihm der lange nicht mehr amtierende Freund der Tochter dank seiner technischen Fähigkeiten damals eingehaucht hatte. Allein dafür wird er - nicht der Saugroboter! - immer einen Platz in meinem Herzen haben. Umso beeindruckender, als ich ihn gleich zu Beginn seiner Amtszeit dauerhaft hätte verprellen können. Er, bekennender Waldorfschüler, erkundigte sich bei einem seiner Antrittsbesuche, „wer in diesem Haushalt auf Pelikane stehe“? Wer wiederum unseren Haushalt nur ein wenig oder mich schon länger kennt, weiß, es handelt sich um allerlei Flamingos. Ich antwortete, er habe wohl im Pelikan-Epochenunterricht gefehlt. Das verriet mich nicht unbedingt als Besucherin der Charmeschule, zugegeben. Weil er netter als ich ist, programmierte er Gregor Samsa. Leider waren die Beziehungen zur Tochter schon unterbrochen, als er beziehungsweise die Programmierung aufhörte. In meiner Unlust, Gebrauchsanweisungen zu studieren (bei modernen Geräten weigere ich mich schon, sie mir von irgendwelchen Links herunterzuladen), stand Gregor ewig nutzlos herum und staubte selbst ein. Jetzt zieht er wieder seine Bahnen. Welche kosmischen Zyklen ihm das auch immer vorgegeben haben. Und ich chille.

(So in etwa.)

Donnerstag, 13. Juli 2023

Work-Life-Balance

Es begann mit einem Urlaubstag. Ein verlängertes Wochenende in Berlin, das schon am Freitagmorgen startete. Mal was Verrücktes tun. Dieses Motto setzte sich fort. Gleich einer Gruppe alternder Kegelschwestern hatten wir eine Zugfahrt mit einem Piccolöchen (pro Person). Nicht direkt, aber doch anschließend kam eine ausgedehnte Shoppingtour durch West-Berlins entsprechende Meile. Der Erfolg waren unter anderem diverse Shirts und Wäsche (der Reiseleiter) sowie ein Kleid und drei Paar Schuhe (ich). Nach verschiedenen Stärkungen machten wir uns - zum Glück später als ein großer Teil der Schwarzgekleideten - noch tiefer in den Westen auf, um den übrig gebliebenen Herren Gahan und Gore zu huldigen. Das taten wir. Wenngleich etwas weniger als manch andere. Neben mir beispielsweise ein großflächig tätowierter Hüne gehobenen mittleren Alters, der in Tränen ausbrach, als sie auf der Leinwand Bilder des Kollegen Fletcher zeigten. Im Gedenken an ihn scheint sich Herr Gahan stärker durchgesetzt zu haben als Herr Gore, der auch in seinem eigenen Auftritt mehr zur Tränendrüsenvariante neigt. Toll, dass der Himmel über dem Olympiastadion eine zusätzliche Lightshow lieferte. Derart beseelt störte uns selbst die Rückfahrt in einer heißen S-Bahn (in der Dose gekochte Sardinen?) nicht weiter. Führte nur dazu, dass wir anschließend in der Bar unter anderem literweise Wasser tranken. 

Um die Stimmung in den nächsten Tag zu retten, stand am nächsten Morgen ein Frühstück im Schwarzen Café an. Einziger Minuspunkt dort: der früher so gefragte Balkon zur Kantstraße ist geschlossen. Wie mir scheint aus Sicherheitsgründen. Überhaupt konnte ich ein ganzes Wochenende im Westen verbringen, ohne dass es mir an irgendetwas mangelte. Richtig schön war‘s.

Erst mit Beginn der Arbeitswoche habe ich rübergemacht.
Ost-Berlin hat sicherlich seinen Reiz, doch leider ist er - zumindest mir - an vielen Stellen verbaut. An vielen Orten gibt es Berlin-typische Ecken, die dann durch unmotivierte Bebauung zu einem städteplanerischen Durcheinander verkommen. 

Die Hamburger Schanze nimmt sich waisenknäblich aus gegenüber den entsprechenden Hotspots in der Hauptstadt. Touristenfolklore wird im Osten Berlins groß geschrieben. So sehr ich mich über das bunte Sprachengewirr freue, so sehr nervt mich die Hipsterdichte. Ich frage mich ernsthaft, ob es in Mitte überhaupt noch Eingeborene geben darf, wenn sich an jeder Straßenecke mindestens vier gastronomische Angebote für eine global-urbane Jugend oder solche, die sich so fühlen, befindet. Fürs erfolgreiche Geschäft der Restaurationsbetriebe ist es unerlässlich, meist zusammenhanglos das Schlagwort „vegan“ prominent auf Angebotstafeln (oder gleich die Fassade) zu schreiben und Preise immer in der Version „Iced Oat Foam Latte 5.9“ anzugeben.
Doch egal, um diese Jahreszeit kann selbst die bauliche Rumpelkammer und Arbeit bei hohen Temperaturen nicht das Gefühl abwenden, dass alle fünf Tage in der Hauptstadt wieder rischtisch jut jewesen wa‘n und ich schon im Aussteigen am Hamburger Hauptbahnhof gleich wieder zurück möchte.



Donnerstag, 6. Juli 2023

Helden der Kindheit

Manchmal frage ich mich, wie alt ich bin. Das gelebte und das faktische Alter weichen stark voneinander ab. Wenn ich mich in lichten Momenten daran erinnere, dass ich zumindest so weit gediehen bin, Kinder zu haben, stellt sich die Altersfrage bei ihnen gleich mit. Sicherlich ist das Delta bei der Brut nicht so groß wie bei mir, aber es existiert. Da bin ich sicher.
Wenig überraschend daher, dass wir alle uns unabhängig voneinander, aber gleichermaßen vehement über durchsichtige Marketingschludereien aufregten. Wenn man im Valensina-Management meint, man müsse die Olchis als Testimonials oder Namenspatrone für einen neuen Saft nehmen, dann sollten sie es auch richtig umsetzen. So jedenfalls geht es nicht, Apfel-Zitrone! Die Mutter: „Ich hätte erwartet, dass es eine stinkende Sorte ist.“ Die Tochter: „So etwas Erfrischendes hätten die Olchis niemals getrunken.“ Der asienerfahrene Sohn: „Die Sorte hätte mit Durianfrucht sein müssen.“ Die Mutter nochmals: „Zumindest Pflaumensaft hätten sie reintun können, damit es wenigstens brackig aussieht.“ Der Sohn verwundert: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Olchis 2023 noch ein Ding sind.“ 

Wer nur irgendetwas über die grünen Gesellen weiß, muss zum gleichen Schluss kommen: Schöne Idee, uninspirierte Umsetzung. Ich stelle anheim, ob wir drei noch nicht erwachsen genug oder zu erwachsen für dieses Produkt sind. Was die stolze Mutter jedoch sagen kann: Der etwa vierjährige Sohn kennt sich in Flora und deren Fachtermini schon hervorragend aus. „Mama, das sind Dickrosen - oder wie heißen die?“



Dienstag, 27. Juni 2023

San Juan

Mögen andere lautstark das Ende dieser Spargelsaison bedauern, ich hatte einigen. Es gibt also nichts zu jammern. Wenn überhaupt, dann über wieder kürzer werdende Tage. Was mich hingegen erfreut: Dass ich fachgerecht saisonal am 24. Juni Johannisbeeren nicht nur geerntet, sondern auch mit Bordmitteln zu 1A-Marmelade verarbeitet habe. Besonderes Augenmerk möchte ich dabei auf  - Achtung! - mein Augenmaß lenken. Auswahl und Anzahl der Gläser entsprechen exakt der finalen Marmeladenmenge. Manchmal scheine ich zu Übermenschlichem in der Lage - Kleiner habe ich es um diese Jahreszeit nicht.



Mittwoch, 21. Juni 2023

Bon retour

Die Mutter in mir ist selig. Der Sohn ist nach ewig dauernder und doch ganz kurzer Zeit wohlbehalten zurück. Braun gebrannt und durchtrainiert mit ganz vielen Geschichten, die sich in dieser Form nicht wiedergeben lassen, weil sie in Erzählweise und Intonation eines begnadeten Causeurs und Darstellers wie ihm bedürfen.
Die zeitweilig alleinstehende, mittelalte Frau in mir muss nun ihre Freiheiten umarrangieren.
Und die Haushaltsführende in mir muss sich wieder an altbekannte Verhältnisse gewöhnen.
Doch am Ende siegt immer die Mutter.

(Küche, nachdem er schon wieder weg war.)

Dienstag, 20. Juni 2023

Aufregende Zeiten

Nach gut zwei Monaten in Asien heißt es nun, der Sohn sei am Morgen in Europa gelandet. Es heißt außerdem, er habe in der Zeit Farbe bekommen und abgenommen. Die besorgte Mutter muss sich jedoch keine Sorgen machen, habe er doch auf diversen Stationen in der Ferne Komplimente für sein gutes Aussehen bekommen - von Frauen wie von Männern. Dies wurde mir von der Tochter zugetragen. Sowie auch, dass er meinte, so viel Lobhudelei tue seinem Ego nicht gut. Ich bin gespannt, ob ich all das bestätigen können werde. Und wann.
Als ob das nicht genug wäre, gab es gestern noch Geburtstagsfeierlichkeiten mit Überraschungsgästen. Nicht nur, dass die jüngste Enkelin der Jubilarin, aka die Tochter, beim schnieken Abendessen ungeplant dabei war, ihr Sohn war es auch. (Sprich der Bruder, der mir gestern im Vorbeigehen die App einrichtete, anhand derer ich nun endlich sehen kann, wie viel mein Balkonkraftwerk produziert.) Als die Dessertkarten verteilt wurden, rief die Tochter aus, was das denn sei, dass man dort überall Fotos von „dreckigen Kindern“ zeige. Das sei ihr auch schon auf der Toilette aufgefallen. Ganz offensichtlich fehlt ihr noch die Reife für die fotografischen Meisterwerke eines Robert Doisneau. Kein Wunder also, dass der frankophone Kellner sie für „under age“ hielt und sich über ihren Wein- und Zigarettenkonsum wunderte.
Im Nachhausekommen waren wir - wenngleich mit Ausnahme der Jubilarin -  auf dem Spielplatz. Die Tochter nutzte juchzend die Seilbahn, während wir klassisch die Schaukeln bevölkerten. Was soll ich sagen? Irgendwann ließ ich es auslaufen (mit ganz viel Sand in den Schuhen), egal wie heimelig es im Schummerlicht war. Weil es mir einfach zu anstrengend wurde, die Beine zu häufig voll auszustrecken. Mein guter Vorsatz zu fast Mittsommer: mehr Workout auf dem Spielplatz. Und Vorfreude auf den Sohn.



Freitag, 16. Juni 2023

Hier und jetzt

Das Wochenende naht und es wird vollständig auf Erholung ausgerichtet sein - so der Plan. Das letzte war zwar sehr schön, trug aber in seiner paritätischen Aufteilung zwischen Hansestadt (Freitagabend bis Samstagmittag plus späterer Sonntag) und Hauptstadt (Samstag- bis Sonntagnachmittag) zur Verwirrung bei. Wo fühle ich mich mehr zu Hause? Die Frage bleibt unentschieden. Schließlich konnten auch die Insekten nicht zur Antwort beitragen. Während sich die Hamburger Mücke bemühte, durch meine ledrige Fußsohle zu stechen, und fette Wirkungstreffer erzielen konnte, setzte ihre Berliner Kollegin in typisch hauptstädtischer Großmannssucht gleich eine ganze Stichstraße auf mein unteres Schulterblatt, das selbst bei mir nicht mit allzu viel Fettschicht über dem Knochen aufwarten kann. Zum Kratzen sind beide Stellen gleichermaßen schlecht geeignet. Vielleicht leichte Vorteile für Berlin, weil der Rücken zwar schwerer zu erreichen ist, sich die Haut jedoch - anders als unterm Fuß - vergleichsweise leicht aufkratzen lässt. Eines ist sicher: Über die Intelligenz der ansässigen Insekten entscheidet sich der Städte-Battle nicht. Übers Wetter auch nicht, das war vor einer Woche hier wie dort schön - wenn auch ausnahmsweise mit kleinen Pluspunkten für die Hansestadt (!), denn dort sah ich keine Wolken.
Blick nach vorne gerichtet! Dieses Wochenende keine Zerrissenheit, nur Chillen, Schlafen, Lesen und maximal Blumengießen. Die Welcome-Back-Feierlichkeiten für den Sohn lassen sich bestimmt zu einem anderem Zeitpunkt organisieren. Um mit dem Profi zu sprechen: „Lösen wir später.“



Freitag, 9. Juni 2023

Kehrwoche

Unterdessen habe ich mich mit meiner Empty-Nest-Testphase arrangiert. In zwei Wochen ist sie schon wieder beendet. Kinder, wie die Zeit vergeht! Ein weiterer Vorteil der Sturmfreiheit besteht darin, viel Platz und viele Schlafgelegenheiten bieten zu können. Kein Problem also, zahlreichen Besuch unterzubringen. So sehr mich die aktuellen Besucher freuen, eine Herausforderung bringen sie doch mit sich: sie kommen aus Schwaben. Das setzt mich als Gastgeberin unter Druck. Weniger, weil sie bei Fußballspielen in jüngster Zeit die Popp-Bandenwerbung sahen und sich zwingend diesen Eiersalat wünschten - diesen Wunsch erfülle ich gerne und im Vorbeigehen. Vielmehr, weil ich im Vorfeld die Notwendigkeit sah, die Wohnung zu putzen, die ich nach Wochen des orgiastischen Alleinlebens natürlich vernachlässigt habe. Den Hinweis meiner Mutter, die Schwaben lieber selbst putzen zu lassen, erstens wegen der größeren Expertise, zweitens weil sie meine kläglichen Versuche ohnehin nicht bemerkten, fand ich sehr richtig, aber leider für mich nicht praktikabel. Schließlich freute ich mich nach langer Durststrecke wirklich auf ihren Besuch. Auch wenn die Jahreszeit nicht dafür gemacht ist: ich putzte. Zumindest oberflächlich. Am Ende war es wie im echten Leben. Gegen die schwäbische Übermacht konnte ich nichts ausrichten, aber ein Treffer gelang dem Nordlicht. Ich habe größere Mengen Popp-Eiersalat.

(Fotos nur draußen)

Montag, 5. Juni 2023

Zweites Standbein

Sollte es irgendwann nicht mehr mit Media hinhauen und das lange totgesagte Fernsehen wirklich verstorben sein, bleibt mir noch immer die Floristik. Falls ich nicht - wie von der Tochter vorgeschlagen - professionelle Geburtstagstischgestalterin werden sollte, spezialisiere ich mich auf Konzeptblumensträuße. Dieser entstand übrigens pünktlich zum Erdbeervollmond. Man könnte den Eindruck bekommen, ich fange an, so transzendental wie das unterdessen kahlköpfige Jugendidol zu werden, das seine neuen Titel zu jedem Vollmond veröffentlicht (Peter Gabriels neue Auskopplung „Road to Joy“). Mit dem Alter darf man schrullig werden, denke ich. Solange nur die Sträuße schön sind.



Dienstag, 30. Mai 2023

This is Home

Spätestens wenn die Glascontainer im Morgengrauen geleert werden, weiß ich vor dem Weckerklingeln im natürlichen Habitat angekommen zu sein. Dass ich wieder in meinem Bett lag, konnte ich allerdings schon Pfingstsonntag feststellen, als die Stadtreinigung zu ähnlicher Zeit wie heute alle herumliegenden Flaschen aufklaubte und gesammelt in besagten Container neben meinem Schlafzimmer expedierte. War doch unser Dorf an zwei Tagen wegen des Straßenfestes nicht ganz so beschaulich wie sonst gewesen. Allein das wäre ein guter Grund gewesen, in die alte Heimat zu entfliehen, aber es gab noch bessere. Erst ein Konzert, dann noch weiter und weiter auf der Straße der Erinnerungen. Ich fühlte mich zu Hause. Umso mehr, als mein neues - leider noch immer unveröffentlichtes - Lieblingslied nun „This is Home“ heißt. Home is where the Funkturm is. 






Umso überraschender, dass ich mich nur kurze Zeit später auch wieder am Alltagsstandort heimisch wähnte. Irgendwie konnte ich - auch ohne zu lügen - mitsingen „in Hamburch, da bin ich zu Haus“ und irgendwie fühlte es sich an, als ob ich mir etwas erschliche.

So bin ich mit gespaltener Seele, wenn auch hoffentlich nicht mit gespaltener Zunge, unterwegs. Alles Luxusüberlegungen, denn jetzt hat mich der Alltag mit Arbeit, Wohnungsputz und Balkonkraftwerk wieder. Aber das ist eine andere Geschichte.

Montag, 22. Mai 2023

Sonne

Unlängst bin ich unter die Kraftwerksbetreiber gegangen. Zugegeben lediglich ein Balkonkraftwerk, aber auch das klingt nach der Verwirklichung eines Traums. Die Installation hingegen war es nicht. Höchstens in der Hinsicht, dass ihre Beschreibung („kinderleicht“, „gelingt jeder/jedem mühelos“) weit von der Realität entfernt war. Genau genommen ist sie auch noch nicht abgeschlossen. Unterdessen hängt die Anlage zwar bombenfest am Balkongeländer (ich will nie wieder über Ikea-Aufbauanleitungen fluchen, sie sind der Goldstandard verglichen mit SelfPV; allein der Name ist irreführend, denn ich habe in der Spitze zwei Nachbarn plus Telefonseelsorge des Bruders als Dauerhotline gebraucht), scheint auch an den Stromkreis angeschlossen. Doch die App, die mir Produktion und Verbrauch anzeigen soll, bekomme ich nicht zum Laufen. Wie soll es auch gehen, wenn ich schon Magenta TV nicht mehr gestartet bekomme? Wahrscheinlich ist es sogar gut, den Sohn aktuell nicht um mich zu haben. Er hätte sich wieder über meinen Unmut bei technischen Problemen lustig gemacht, was in mir nur noch mehr Wut erzeugt hätte, so dass ich ihn irgendwann angeblafft und er am Ende wegen übermäßiger Reaktion meinerseits geschmollt hätte. So trennen uns liebevoll etwa 10.000 Kilometer. Zum zusätzlichen Ärgern brauche ich ihn auch gar nicht. Es reichte, dass ein Nachbarssohn mit nur einem Kumpel bei wiederum einer anderen Nachbarin die Anlage innerhalb von 20 Minuten an deren Balkon anbrachte. Und ohne unser lautstarkes Fluchen. Ich tröste mich damit, dass die Jungs das professionell machen. Für eine TV-Planung bräuchten sie sicherlich ewig und wären schließlich - trotz jungen Alters - um einige Haare ärmer.