Mittwoch, 30. Mai 2018

Schwielen der Vorfreude

Hochzeiten scheinen momentan das große Thema zu sein. Muss wohl an der Jahreszeit liegen. Auch wenn ich mich derzeit mit der Auflösung meiner Ehe befassen soll. Ein wenig wehmütig wurde ich übrigens schon, als ich kürzlich beim Aufräumen meine Unterwäsche dieser Gelegenheit fand. Damals, als Begehren noch in meinem aktiven Wortschatz existierte... Egal, Schnee von gestern. 

Aktuell freue ich mich, zum ersten Mal in meinem Leben Trauzeugin zu werden. Die Freude herrscht auch deshalb vor, weil ich weder Hochzeitsbücher, Spielchen noch Geschenkefluss organisieren muss. Das Brautpaar möchte es zum Glück nicht. Ça m‘arrange. Dennoch bekam ich vor nicht allzu langer Zeit einen Schreck: Die Braut schickte mir eine Nachricht, sie sei vom Brautkleid enttäuscht. Für einen kurzen Moment verfiel ich in Panik. Hatten wir das Kleid doch gemeinsam ausgesucht und für schön und passend befunden. Was um Himmels Willen war passiert? Dann fiel mir dankenswerterweise ein, es war der Zeitpunkt dieser komplett unwichtigen Hochzeit vom Sohn eines Stallburschen und einer amerikanischen Seriendarstellerin. Ihr Kleid war gemeint. Dem Himmel sei dank.

Montag, 28. Mai 2018

Saturday Night Fever

Lief nicht wie geplant. Was nicht an Technik oder Strategie lag. In diesen Punkten müssen wir uns trotz zeitweilig auf Eis gelegter Routine nichts vorwerfen. Dass Sergio Ramos unsympathisch ist, wussten wir schon länger. Aber dass er eine solch‘ miese Ratte sein würde, dafür fehlte uns die Vorstellungskraft. Sonst hätten wir die Voodoo-Puppe entsprechend umgerüstet. Mit CR7 hat sie schließlich funktioniert. Der hat nur ihretwegen keinen Stich gemacht - da bin ich sicher. Vielleicht müssen wir flexibler werden und am Abend eine Auswahl feindlicher Protagonisten vorhalten, die man dann bei Bedarf einsetzen kann. Wer konnte schließlich mit Gareth Bale rechnen?
Am Ende lag es wahrscheinlich einfach nur daran, dass ich Sonnabend den Nachtisch vergessen habe anzubieten.



Donnerstag, 24. Mai 2018

Bald geht‘s los

Dem Paniniheft fehlen nur noch 22 Sticker (nahezu ausschließlich Glitzerbilder - honi soit qui mal y pense) von 680 (wie viel macht das in österreichischen Schilling?), am Wochenende ist Champions League-Finale. Der Sohn plant am Sonnabend gegen 20 Uhr zu schlafen, weil ihm als Liverpool-Fan die Anspannung zu groß ist. Alles Indikatoren, dass die WM bald losgeht. Die Aufregung steigt auch bei den Erwachsenen. Naja, zumindest bei einigen. Da ist es ja wohl Ehrensache, den vorgeschlagenen Operationstermin im Juni kategorisch abzulehnen. Zumal ich laut orthopädischer Auskunft ohnehin fünf bis zehn Jahre später aufschlage, als zu erwarten war. Da werde ich dann wohl auch noch ein paar weitere Wochen warten können, bis der Sommer vorbei ist. Außerdem weiß ich nicht, wie ich in so wenig verbleibender Zeit - wir schreiben Ende Mai! - die zukünftig unerlaubten Dinge noch alle abarbeiten soll. Freizeitstress ist schließlich auch ungesund.



Mittwoch, 23. Mai 2018

Nach Pfingsten

Wenn die freien Tage vorbei sind, lässt sich die Routine noch etwas bitten. Was bei mir wahrscheinlich weniger an Feiertagen liegt als mehr an den unfreiwillig untätigen Tagen, die ich in den zwei Wochen davor verbracht habe. Immerhin merke ich, trotzdem kein Einzelschicksal zu sein. Alle tun sich schwer mit frühem Aufstehen - und vielleicht noch schwerer mit früher Schlafenszeit. Das wurde mir umso bewusster, als ich heute früh auf der Suche nach dreckigem Geschirr der Brut entdeckte, dass überraschend kein Abwasch um das Sofa drapiert war, sondern ich darauf die beste Freundin der Tochter zusammengekauert schlafend vorfand. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich ohne Kontaktlinsen blind wie ein Maulwurf bin, so dass ich sie erst in Atemnähe wahrnahm. Ich weiß nicht, ob mir mein Krach vorher oder ihr geringer Schlafkomfort unangenehmer war. Warum durfte sie nicht halbwegs bequem bei der Tochter im Bett schlafen? Ich hoffe, Teenager kennen noch keine Verspannungen. Ich kann mich nicht mehr zweifelsfrei erinnern.
So oder so wird es höchste Zeit für neue Routinen. Der Plan meines Kollegen und Freundes: „Eis um Fünfzehnhundert!“ Damit lässt sich arbeiten.

Montag, 21. Mai 2018

Pfingsten

Es hätte so schön sein können. Das Wetter entsprach der Vorstellung von Feiertagen im Mai. Am Pfingstsonnabend schnell noch ein Fahrrad gekauft, das mich trainiert und leichtgängig ist. Trotz Neuerwerbs plante ich, den weiten Weg in Hamburgs Nordwesten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Vielleicht der erste Fehler des Wochenendes. Schienenersatzverkehr gepaart mit diversen Baustellen und Rettungseinsätzen verlängerte die Reisezeiten merklich. Egal, an Feiertagen gibt’s keine Eile. Als ich dann Sonntagnachmittag/-abend beschloss, einen kleinen Ausflug mit dem neuen Rad zu unternehmen, wurde ich erstmals missmutig. Das Schloss, für das ich mich auf Anraten des Fahrradhändlers entschieden hatte (eigentlich hatte ich ein hübsches, quietschgrünes ausgewählt, von dem mir der Verkäufer - wahrscheinlich aus Provisionsgründen - abriet und stattdessen ebendieses empfahl), ließ sich anfangs nicht öffnen und anschließend ohne fremde Hilfe nicht schließen. Es gibt weniges, bei dem ich die Geduld verliere. Wenn Technisches nicht funktioniert, werde ich jedoch schnell laut und ungehalten. Ein Phänomen, das den Sohn stets zu Kommentaren veranlasst. Was mich umso mehr auf die Palme bringt. Als Gebrauchsanweisung brachte das Schloss lediglich Hinweise zur Installation am Rad mit. Vom Öffnen und Schließen war nicht die Rede. Na, toll! Während ich fluchte („Muss man für das verkackte Schloss Maschinenbau studiert haben, um es nutzen zu können?“), versuchte die Tochter sich daran. Auch sie scheiterte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob mich diese Tatsache weniger oder mehr erboste. Anders als ihre Mutter erging sie sich nicht in Flüchen, sondern googelte, wie sich das Modell Trelock 480 schließen lässt. Das kluge Kind. Blöd nur, dass sich das Internet in dieser Hinsicht als unbrauchbar herausstellte. Bleiben wir also doch bei Pranks und Schmink-Tutorials. Zu allem Überfluss klingelte es. Die Nachbarin auf der Suche nach Holzkohle. Auch sie musste meine Tiraden über sich ergehen lassen. Konnte allerdings nur wenig sachdienliche Hinweise geben. Wenigstens hatte das Intermezzo zur Folge, dass ich mich etwas beruhigte. Dann klappte es auch mit dem Schloss. Nur dass es unterdessen schon zu spät für die Tour war. Ganz auf Normalnull war ich noch nicht wieder, als ich statt eines Ausflugs die verdörrten Äste der Mandelbäumchen abknapste. Fast das Gleiche. Als ein Nachbar dazu einen Spruch brachte, hätte ich ihm Volley eine drücken können. Man muss es auch nicht übertreiben mit der christlichen Nächstenliebe, finde ich.

Sonntag, 20. Mai 2018

Kurz vor Pfingsten

Am Ende fand sich doch noch eine schwindelfreie Nachbarin, die dankenswerterweise die dreckige Aufgabe übernahm, dem Taubennest den Garaus zu machen. Vorher hatten die Anderen - allesamt nicht höhentauglich (ob bei uns die Ansammlung so vieler Höhenängstlicher schon statistisch auffällig ist?) - ihre Jugend wieder aufleben lassen, indem sie versuchten, eine Variante des Basketballs zu spielen, Bälle in den Eierkorb sozusagen. Doch die alten Zeiten, so sie denn jemals da waren, ließen sich nicht zurückbringen. Das Projekt „Bälle nach Nestern werfen“ scheiterte. Nicht weiter tragisch, denn besagte Nachbarin erbarmte sich. Nun waren die Bälle da - und wir beschlossen, sie zur Vereitelung weiteren Nestbaus auf dem Fenstersims zu platzieren. Ein Abend/eine Nacht war Ruhe. Danach fand es das Taubenpaar mit den flauen Bällen loungiger als je zuvor. Zum Glück hatte die aus dem Urlaub zurückgekehrte Nachbarin eine Idee: Wasserpistolen. So verbrachten wir die Zeit mit martialischen Ritualen. Mein neues Lebensmotto: Soak more, Soak fast. Was soll ich sagen? Die Tauben scheinen dauerhaft fort zu bleiben. Die Wunderwaffen wirken. Die Bundeswehr kann dagegen einpacken. Nimm das, Granaten-Uschi!

Mittwoch, 16. Mai 2018

Wozu in die Ferne schweifen

Der Sohn findet, Karlsson vom Dach sei der Mensch mit dem schlechtesten Charakter. Neben der Großspurigkeit stört ihn vor allem, dass er den armen Lillebror manipuliere, ihm zum Beispiel sein Geld aus der Tasche ziehe. Der sei doch der jüngste von allen und so hilflos. Als Mutter freut mich diese Empathie. Er hätte Karlsson unterdessen auch schon vergessen haben können. Allerdings finde ich, man muss nicht in Schweden und in der Fiktion nach charakterlosen Menschen suchen. Sie befinden sich manchmal ganz nah am eigenen Umfeld. 

Montag, 14. Mai 2018

Damals

Früher in meiner Jugend und Kindheit - damals, als noch nachgeschenkt wurde - galten Orthopäden aus Gründen als die etwas robusteren unter den Ärzten. Der eine oder andere fand sie sogar noch hemdsärmeliger als Chirurgen. Wer einmal halbwegs wach in einen orthopädischen OP-Saal hereingerollt wurde und die Werkzeuge an den Wänden gesehen hat, bekommt solche Vorurteile irgendwie bestätigt. 


Zu früheren Zeiten war diese Berufssparte meiner Erfahrung also nach nicht allzu bekannt für allzu viel Gefühliges. Umso überraschender, wenn mir heute ein Orthopäde erklärt, er von sich aus sei sofort bereit zu einer Operation, ich müsse das aber fühlen. Sonst hätte die Operation wegen des negativen Karmas keinen Wert. Nie, nie hätte ich ähnlich Transzendentales von jemandem erwartet, dem man zusätzlich zu seiner Berufswahl auch den American Football-Spieler ansieht („Sind Sie mit Maximilian von Garnier verwandt? Mit dem war ich bei den Blue Devils.“). Immerhin, seine überrascht-negative Reaktion auf mein Röntgenbild war gewohnt kernig. Man will ja nicht in allen Grundfesten erschüttert werden.

Freitag, 11. Mai 2018

Traumpaar

Als ob sie um meine eingeschränkte Mobilität wüssten, haben sich Tauben in einer Ecke zwischen meinem Schlafzimmer und dem Wohnungseingang ein Nest gebaut. Im Grunde war ich nicht ganz unglücklich darüber, dass es von meinen Schlafzimmerfenstern aus nicht einzusehen und nicht zu erreichen war. Sonst hätte ich die mörderische Aufgabe übernehmen müssen. Da ich die Brutstätte jedoch aus mehrerlei Gründen (Dreck, Krach, Präzedenzfall) losgeworden wäre, schrieb ich eine Nachricht an alle Nachbarn mit der Bitte, mir bei der Beseitigung zu helfen. Prompt reagierte der Lieblingsnachbar. Als Einziger. Ich solle das Problem als gelöst betrachten, er kümmere sich. Ja, es gibt sie noch, die Kavaliere der alten Schule. Blöd nur, dass er - wenn auch ohne mein körperliches Handicap - ansonsten die gleichen Widerstände spürt wie ich: Höhenangst und sich schuldig zu machen am Tod von Lebewesen. Anders als ich hat er immerhin versucht, die ersten drei Meter der Leiter zu erklimmen, ehe er die tödliche Mission abbrechen musste. Jetzt lerne ich ihn mit all‘ seinen Zweifeln kennen, meinte der Nachbar. Sie sind mir nicht fremd. Umso höher rechne ich ihm die Aktion an. Und umso gerührter war ich. Gilt ganz bestimmt nicht für alle, aber hatte ich erwähnt, dass ich die besten Nachbarn der Welt habe? Wen stört da Taubendreck.

Dienstag, 8. Mai 2018

Sommerfrische oder so ähnlich

Einer der wenigen Vorteile des Angeschlagenendaseins ist, dass in meinem derzeit reizarmem Umfeld ein neuer Sparschäler tiefste Befriedigung hervorrufen kann. Das Billig-Modell „Edeka Haushalt“ schafft, was vor ihm bisher nur das billigste Fackelmann-Exemplar konnte, das ich wegen Altersschwäche entsorgen musste und das aus unerklärlichen Gründen nicht mehr Teil der Range dieses Anbieters ist. Selten äußere ich an dieser Stelle Handlungsaufforderungen. Doch jetzt sage ich: „Ziehet aus und kauft Euch den günstigsten aller Edeka-Sparschäler! Es wird zu Eurem besten sein.“ Er hat für den kleinen Preis sogar ein durchsichtiges Plastikgehäuse zum Schutz der Klinge.
Ein weiterer Vorteil, dass die kurze Zeit, die ich am Tag sitzen kann, auch auf dem Balkon in der Sonne verbracht werden kann. Der Himmel ist strahlend blau, eine Meeresbrise weht - ansonsten wäre es auch zu heiß - und keine johlenden Schüler aus den umliegenden Schulen stören die Ruhe. Das und die Beständigkeit des Azorenhochs suggerieren sechs Wochen Sommerferien. Doch das sind vergangene Zeiten. 
Noch viel früher verbrachten wir die Sommerfrische manchmal an der Ostsee. Das bot sich an, denn die Verwandtschaft wohnte dort. Wegen meiner Krankenhaussozialisation hielt ich den Onkel, wenn er noch im weißen Kittel nach Hause kam, für den „ßefarzt“. Obwohl er nicht einen Tross serviler Weißkitteljünger hinter sich führte, sondern - wenn überhaupt - Frau, Kind und Hund. So oder so lief er bei mir unter diesem Titel, auch wenn die Position damals noch Zukunftsmusik war. Er freute sich jedenfalls, dass ich an ihn glaubte. Ich war wohl ein ziemlich hellsichtiges Kleinkind. Das Vertrauen ist wie erwartet bestätigt worden und geblieben. Wenn also mein ßefarzt mir sagt, das Röntgenbild lege eine neue Hüfte nahe, dann weiß ich, was Phase ist. Und habe außerdem die Gewissheit, die letzten zwei Wochen nicht simulierend hypochondrisch verbracht zu haben. Zweckoptimismus tut so viel für dich.



Sonntag, 6. Mai 2018

Tief im Osten

Um ein Lebenszeichen zu geben und weil ansonsten in meinem kleinen Radius nicht viel passiert, war ich schon versucht, die Röntgenaufnahme meines Beckens auf Instagram zu posten. War mir dann aber doch zu intim. Stattdessen kapriziere ich mich lieber auf unbedeutende Erlebnisse. 
Im Vorbeigehen entdeckte ich letzthin in unserem beschaulichen Dorf abends eine geöffnete Praxis für Physiotherapie. Ich vereinbarte einen Termin, der ganz spontan gestern (Sonnabend!) schon stattfinden konnte. Der Sohn wäre ob meiner Praxiswahl ganz begeistert: schienen doch alle Beteiligten russische Muttersprachler zu sein. Auf der Visitenkarte findet man gar eine Telefonnummer für die deutschsprachige Terminvereinbarung und eine für die russische. Der Anstand gebot vermutlich, die deutsche als erstere aufzuführen. Der Sohn wäre deswegen angetan, weil er gerade vollkommen verhaftet ist in den zahlreichen Videos der „Ost Boys“ (schönes Wetter, egal! Draußen ist der WLAN-Empfang nicht so gut.). Zwei originär russischsprachige YouTuber aus Marzahn, die sogar den Weg ins Feuilleton der aktuellen Ausgabe der Zeit gefunden haben. Besonders Wadik, der etwas pummelige der beiden Jungs, gefällt ihm gut („Der ist ein bisschen süß.“); vor allem wenn er in seinem Akzent von „Pomidoren aus seiner Datscha“ erzählt. Bei seinem nächsten Berlinbesuch will der Sohn unbedingt einen huldigenden Abstecher nach Marzahn unternehmen.
So war ich gestern versucht, die Belegschaft nach Erdäpfeln und Lauben zu befragen. Traute mich dann aber nicht. Genauso wenig wie ich in Erfahrung brachte, ob das Bild am Empfang, das anspruchsvoll-geometrisch aufgebaute Turner aus der vorletzten Jahrhundertwende zeigt, ebenso wie sie selbst russischen Ursprungs ist. Ich vermute es. Immerhin wagte ich, die behandelnde Physiotherapeutin, die zu meiner Enttäuschung nicht Svetlana, Ludmilla, Olga oder Oxana hieß, zu fragen, ob alle in der Praxis russisch sprechen. Sie verneinte für sich, meinte aber, es sei ihr auch schon aufgefallen, dass russisch die Umgangssprache der Teeküche (Samowar?) sei. Wäre ja auch überraschend, wenn nicht. Ihr slawischer Name passe nur zufällig rein, sie sei Polin und könne „nicht ein Wort russisch“. Auch egal, denn ihre Behandlung war so oder so gut. Und führte dazu, dass ich heute Nacht seit langem einmal ein paar Stunden am Stück schlafen konnte. 

Freitag, 4. Mai 2018

Aussichten

Längere Zeit war ich jetzt stumm. Das liegt am recht erlebnisarmen Leben. Man merkt, dass es nicht mehr uneingeschränkt aufwärts geht, wenn man seine Tage in scheddrigen Orthopädenwartezimmern unter flackerndem Neonlicht verbringt. Inwändig summte ich dort Kraftwerk, auch wenn es bei ihnen schimmernd und nicht flackernd ist. Zum Glück hatte ich länger Gelegenheit dazu, denn der Termin ließ trotz bestechend präziser Vereinbarung auf sich warten. Die ausgelegte Lektüre, die nicht aus dem eigenen Haus kam, barg wenig Reiz. Ich hätte schon sehr verzweifelt sein müssen, um mich in den zahlreichen AutoBild zu vertiefen. Vor dem Röntgen wurde ich zwar noch pflichtschuldig gefragt, schwanger sei ich ja wohl nicht? Aber es schwang doch schon sehr viel von In-dem-Alter-hat-man-doch-ohnehin-keinen-Sex-mehr-und-wenn-doch-zündet-es-sowieso-nicht-mehr in Blick und Tonfall der Sprechstundenhilfe („seit einer Woche habe ich meinen Röntgenschein“) mit. Als ob das Altern einem nicht allein dadurch stets bewusst würde, dass die Brut bald komplett volljährig ist. Der Befund war ähnlich aufbauend. Selten sind solche Aufnahmen meines Beckens Quell großer Freude gewesen. Doch diese war selbst für mein profundes Halbwissen wenig schön. Alt, abgenutzt und verzogen eben.
Und dann ist zu Hause alles vergessen, wenn der Sohn uns avisiert: „Ich koch‘ für Euch, Ihr leyleks!“ Was es auch heißen möge.