Samstag, 15. Dezember 2018

V2

Hier ist Lesen angesagt. Lesen auf der Überholspur. The story of my life. Ich bin auf Umwegen dorthin gekommen. Nicht, dass ich es erst spät beherrscht hätte. Genau wie der Sohn habe ich es mir mit etwa fünf Jahren selbst beigebracht - ich dabei vielleicht noch ein wenig mehr mit der Unterstützung des größeren Geschwisters. Für mich übte es einen Reiz aus, auch in diese Welt verschwinden zu können, in der sich mein Bruder befand, wenn sich nur ein irgendwie bedrucktes Objekt in seiner Nähe befand. Von Zeitschriften, Zeitungen oder Büchern wollen wir gar nicht sprechen. Ich habe mir wohl zu hohe Ziele gesetzt, als das Dechiffrieren von Joghurtbechern über Bilder hinaus („Da-no-ne Will-i-ams-Christ-Bir-ne“ stand da auf dem sich nach oben verjüngenden Pappbecher mit wulstigem Rand) nicht mehr ausreichte. Ein Buch sollte es sein. Am besten eines, das den großen Bruder noch mehr als jedes andere Druckerzeugnis in den Bann zog: ein Kaamai. Keine gute Idee meinerseits. Zunächst einmal nicht mein Genre (so viel weiß ich jetzt), doch viel schwerwiegender: quälend langweilige Landschaftsbeschreibungen, die sich am Anfang über viele Seiten hinwegzogen. Doch so weit kam ich gar nicht. Spätestens auf Seite fünf gab ich auf. Dass es ihnen auch an Authentizität mangelte, da sich der Autor nicht ernsthaft aus Sachsen entfernt hatte, blieb mir somit verborgen. Auch gut. Was mein Bruder an diesem Lesen fand, war höchst rätselhaft. Aber nicht so sehr, dass man es wieder versuchen müsste. Ich muss wohl in jungen Jahren schon einen gewissen Hang zur Effizienz gehabt haben. Der hielt mich ein paar Jahre vom Lesen über den Hausgebrauch hinaus ab. Wichtig ist es, zu erkennen, ob es sich bei einer Marmelade um Schwarze Johannisbeer (eklig) oder Schattenmorellen (lecker) handelt. Aber ob das Oeuvre von Karl May oder Stanislaw Lem besser ist: geschenkt! Die gesamte Grundschulzeit habe ich mich aus dem Büchergeschäft herausgehalten. Gut, man musste diese blöden Schreibschriftbücher über sich ergehen lassen. Sonst hätte es Ärger mit der mindestens genauso blöden Klassenlehrerin gegeben. Oder diese Bücher, die wir lesen mussten und deren Autorin ich vergessen habe, die mich nur ärgerten, weil die Illustrationen perspektivisch vollkommen falsch waren. Man bekam sie in den Siebzigern von wenig wohlmeinenden Menschen sogar zum Geburtstag geschenkt. Erst als Bilderbücher gar nicht mehr altersgemäß waren, bin ich über sie wieder ins Lesegeschäft eingestiegen. Dann gleich richtig und nicht einmal langsam. Dieser Tage liegt die Quote bei etwa einem pro Tag. Und die haben nicht einmal Bilder.
A propos Bilder: dies ist mit einer leichten Verzögerung eines von V1:

(Wenig erhellend, ich weiß. Nur so viel: wir haben Gnade vor Recht ergehen lassen.)

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