Sonntag, 21. April 2024

Frühling? Demnächst.

Nach Barfußtagen ist es nicht zulässig, wieder in Stiefel und Wintermäntel zurückkehren zu müssen. Mit Kälte könnte ich noch leben - auch wenn es ein herber Rückschritt ist -, doch der anhaltende Regen lässt mich Hamburg als Wohnort überdenken. Genauso wenig zulässig finde ich, in meinem Alter mehr Pickel zu haben als in der Adoleszenz. Mit unausgereiften Gesichtern mögen sie harmonieren, mit Falten ganz sicher nicht. Zugegeben, sie resultieren vermutlich aus Exzessen um Ostern und den Geburtstag herum, aber auch hausgemacht sind sie nicht ansprechender. 
Für die Stimmung wenig zuträglich war meine gestrige Nachmittagsbeschäftigung. Der Sohn befand vorgestern, er habe zu viel Bargeld bei sich. Es handelte sich um 65€. Ich bot ihm an, er könne es mir geben - schließlich besuche ich noch solche Oldschool-Verkaufsstätten wie Märkte - und ich überweise es ihm auf sein Konto. In meiner mütterlichen Sorge konnte ich den Betrag auf 50€ herunterhandeln. Zur Sicherheit 15€ bar in der Tasche zu haben, kann doch nicht schaden. Nach meinem Marktbesuch gestern wollte ich die Überweisung in Angriff nehmen. Dazwischen kam das unsägliche Wetter. Ich musste mich nach kurzer Zeit an Marktständen mit einem Kaffee von Wind im Gesicht und Regengüssen im Nacken aufwärmen. Als ich endlich bei der Postbank ankam, waren dort die Türen vollständig verschlossen. Der „SB-Bereich“ sei sonnabends von 8-13 Uhr geöffnet. Mein Wutschnauben wärmte mich immerhin weiter. Sie wollen mich wirklich zum Online-Banking zwingen. Ich beschloss, nach einem kurzen Pitstop zu Hause (Blumen, Rhabarber, Bärlauch etc. Parken) das Postbank Finanzcenter aufzusuchen. Um dort festzustellen, dass es das nicht mehr gibt. Innerstädtisch gibt es in Hamburg nun offenbar keines mehr. Einen letzten Versuch gab ich ihnen noch, ehe ich mein Konto kündigen wollte. Im Einkaufszentrum, in dem ich letztes Wochenende beim Friseur war, erinnerte ich mich an eine Filiale, von der ich hoffte, dass zumindest der „SB-Bereich“ geöffnet haben könnte. Die gute Nachricht für die Postbank: Es ging, ich bleibe weiter Kundin, wenngleich nur aus Bequemlichkeit, nicht aus Leidenschaft. Wenn ich schon einmal da war, konnte ich aus einem Kiosk noch ein paar Fußballbildchen ziehen. Bargeldlos, versteht sich. Ich gestehe nicht nur die Kartenzahlung sondern auch, dass ich bei dem Wahnsinn wieder mitspiele. Was soll ich machen? Ich freue mich so auf den nächsten Saisonhöhepunkt, der am 14. Juni beginnt. Ehrensache, dass ich auch an anderen Devotionalien nicht vorbeikomme. Was fällt einem schließlich ein, wenn man an Mario Götze denkt? Sicherlich als erstes vegane Bio-Pistazienschnitten. Wie gut nur, dass die Investition von 1,49€ nicht umsonst war, weil die tendenzvegane Freundin des Sohnes alles liebt, das Pistazien enthält. Für Mario Götze wiederum empfindet sie allerdings wenig, vermute ich.



Dienstag, 9. April 2024

Noch mehr Frühling

Wenn Sonntag ist, er seinem Namen Ehre macht und der Besuch abgereist ist, besteht ein weiterer Vorteil der Jahreszeit darin, auf dem Balkon spät und mit Zeitung frühstücken zu können. Die Freude ist umso größer, wenn am Ende wieder Besuch kommt. Und dann auch noch solcher, der auf den ersten Blick die pflanzliche Wurst erkennt und zu goutieren weiß.

Besonders erfreulich, wenn man der Tochter gleich das besondere Foto ihrer Lieblingswurst schickt und sie antwortet: „Ich habe noch nie so ein schönes Bild von einer Fleischwurst gesehen“ Das freut mich so sehr, dass ich sogar über die mangelnde Interpunktion hinwegsehen kann.

Sonntag, 7. April 2024

Frühlingsanfang

Wäre da nicht das aktenkundige Fortschreiten des Alters, könnte meinetwegen häufiger im Jahr Frühling und damit Geburtstag sein. Beschert diese Zeit doch erste Outdoor-Momente (wenngleich nicht an meinem Geburtstag), viele nette Gäste, Geschenke und wunderschöne Blumen - drinnen wie draußen. Die Vorteile überwiegen gegenüber einem klitzekleinen Nachteil: Zu viel Essen. So wird es garantiert nichts mit der Bikinifigur. On the wrong side of fifty vielleicht ohnehin nicht mehr allzu erstrebenswert? Als Tochter meines Vaters hatte ich Sorge, die kulinarische Versorgung meiner Feier könnte unzureichend sein. Der Sohn unterstützte mich in der Vorbereitung zusätzlich mit leckeren Dips und der Berechnung, wie große Quiche-Anteile pro Person aus meinem Backwerk resultieren. Wie immer hatte er recht - und ich jede Menge Reste. Mit deren Vernichtung ich unterdessen allerdings alleine gelassen wurde. Doch was ist galoppierendes Übergewicht gegen „wiesig gebundene“ Blumensträuße? Gar nichts. Ich wäre demnächst bereit für den nächsten Geburtstag.



Mittwoch, 3. April 2024

Feiertage

Dass Ostern vorbei ist, merke ich vor allem an der Spülmaschine. Sie läuft unterdessen nur noch ein- bis zweimal die Woche und nicht ein- bis zweimal am Tag. Ansonsten graut das Wetter weiter vor sich hin. Früh Aufstehen musste ich auch über die Feiertage, schließlich hat man uns kürzlich eine Stunde Freizeit geklaut. Eine Stunde weniger Schlaf ist übrigens das einzige Argument, das ich akzeptiere, wenn es um Irritationen durch Zeitumstellung geht. Bei allen anderen Malessen, die angeblich durch das riesige Durcheinander hervorgerufen werden, vermute ich Absicht. 
Die große Menge Abwasch resultierte nicht aus meinen kulinarischen Anstrengungen. Die beschränkten sich auf Frühstück und Eierkochen mit anschließendem Färben. Erstmalig habe ich es geschafft, dass sich mehr Farbe an den Eiern als an Fingern und Küche befand. Ich hatte Besuch - und passenderweise viel Platz. Die Brut befand sich in Wien. Während sie dort die Stadt erkundete, konnte ich Sightseeing in der Wahlheimat betreiben. Endlich war ich beispielsweise mal auf dem Bunker in Wilhelmsburg und konnte den spektakulären Blick bewundern, den es gegeben hätte, wäre das Grau gewichen. Außerdem waren die vielen Kilometer, die wir zu Fuß zurücklegten, bestimmt gut für die körperliche Gesundheit. Ein weiterer Unterschied zum Alltagsmodus. 
Nun ist der Spaß vorbei. Die Arbeit hat mich wieder. Allerdings bin ich manchmal abgelenkt. Nach dem Saisonhöhepunkt ist vor dem Saisonhöhepunkt. Oder eben manchmal umgekehrt. In meiner Zeitrechnung ist nur die Frage, ob Ostern vor meinem Geburtstag liegt oder danach. Diesmal davor, was bedeutet, ich muss mich um die Organisation des Tages kümmern. Wenn vollmundige Einladung auf Planlosigkeit trifft. Egal, bis Freitag ist noch lange hin! Ist doch erst Die… ach, nein… Mittwoch.
Wenigstens weiß ich nun, dass „Wien die schönste deutschsprachige Stadt“ sei, alles dort „ur-leiwand“ war, und mir semantische Finessen des Österreichischen dargebracht wurden, weil der Sohn nach vier Tagen dort das Idiom perfekt beherrscht. Mal hören, wie viel Schmäh über meine Geburtstagsfeier ergehen wird.



Mittwoch, 20. März 2024

BKS

In meinem Wunsch, die Hintergründe des hiesigen Brauchtums zu erkunden, stieß ich bei Wikipedia auf meine neue Lieblingsvokabel. Blitzknallsatz oder auch BKS - wie die Profis sagen, zu denen ich mich auch gerne zählte. Bis zu 120 kg Blitzknallsatz dürfen in Valencia anlässlich der Fallas täglich um 14 Uhr eingesetzt werden. Eine Woche lang Feuerwerk tagsüber, man muss wohl hineingeboren sein, um das zu goutieren. Um die Zahl besser einordnen zu können: Eine handelsübliche Knallerbse hat einen BKS von 2,5 mg. Wenn ich mich nicht wie üblich mit den Dimensionen verhaue, müssten 120 kg pro Tag 48 Millionen Knallerbsen entsprechen. Bei der Gewichtsangabe handelt es sich, wenn ich es richtig verstanden habe, um die Menge Kaliumperchlorat und Aluminium, die - wie jeder Mensch weiß - unter entsprechendem Getöse zu Kaliumchlorid und Aluminiumoxid reagieren. Natürlich beschränkt sich die Knallerei nicht auf Valencia. Jeder Ort in der Region knallt täglich herum, nur eben nicht mit einem ebenso hohen Blitzknallsatz. Hatte ich erwähnt, dass mir das Wort gefällt? Neben den Effektsätzen gibt es übrigens auch andere schöne wie den Trennsatz, Verzögerungssatz, Rauchsatz oder Nebelsatz. Gestern jedenfalls kulminierten die Feierlichkeiten zu San José (Feiertag, Ehrensache!). Warum man Josef, dem mit Jesus ein Kind untergejubelt wurde, als Schutzpatron des Vatertags gewählt hat, muss sich mir nicht erschließen. Ich freue mich einfach daran, dass hier keine sturztrunkenen Vätergruppen mit Bollerwagen durch die Gegend marodieren, sondern stattdessen alle Menschen, bevorzugt Männer und Kinder, böllern. Ein Gutes hat allerdings die deutsche Vatertagssitte: Sie bringt vergleichsweise wenig Nebelsatz mit sich. Ich weiß jedenfalls, warum ich abgesehen von semantischen Nebeneffekten kein großes Interesse an Brauchtum habe. Wenn man nicht mehr das Meer sehen kann, hört der Spaß auf.



Freitag, 15. März 2024

Inicio de temporada

Heute sind zum ersten Mal in diesem Jahr die grünen Fahnen geflaggt. Seit die Saison begonnen hat, kommt einem das Wasser wärmer vor als die 15°, die es eigentlich hat. Plötzlich ist es auch für Einheimische statthaft, Zeit am Strand zu verbringen. Schließlich kann man ab 14:30 Uhr von dort aus zum Mittagessen in Restaurants gehen. Sind sie doch ab dem Nachmittag wieder geöffnet, nachdem die hiesigen Straßen am Vormittag mit Lieferanten aller Gewerke voll waren. Es ist eine Freude und Ehre an der Saisoneröffnung teilnehmen zu dürfen. Alle kriechen aus ihren Löchern, der unwirtliche Winter (haha!) ist vorbei. Alle liegen sich in den Armen. Selbst wir erarbeiten uns Hochachtung ob der Weinmengen, die wir anlässlich der diesjährigen Premiere konsumiert haben. Die ausgelassene Stimmung geht so weit, dass ich auf dem Ausnüchterungsspaziergang angesprochen werde, man finde mich „cute“ und wolle sich mit mir treffen. So viel Wein hatte ich nicht, dass ich zusagte. Freue ich mich doch lieber für mich alleine (die Reisebegleitungen machen lieber Siesta), dass die Aborigines mich für sommerlich gebräunt halten. Nur im hintersten Bereich meines Kopfes irrlichtert die Herausforderung, sich irgendwann wieder auf deutsche Zeitrechnung einstellen zu müssen. Lösen wir später. Mañana noch nicht.

(Wieder mal bumsvoll)

Dienstag, 12. März 2024

Fachkräftemangel

Meine Fähigkeit, leidlich gut Nettoreichweiten zu prognostizieren, wird unterdessen sekundiert durch die, den Benzinverbrauch - wie jetzt auf der Westeuropatournee - abzuschätzen. Gestern antizipierte ich vor dem Tanken einen Verbrauch von 60 Litern. Und was soll ich sagen? Die Anzeige der Zapfsäule zeigte 59,99 l an (bei festgestelltem Einfüllstutzen, sonst wäre es nicht zu dem Schnitzer mit dem einen Milliliter gekommen). Seit diesem Erfolgserlebnis überlege ich krampfhaft, welchen Einfluss die beiden Kernkompetenzen auf meinen Karrieresprung hatten. War ich bei der letzten Bundestagswahl noch eine von vielen, die in den Messehallen Briefwahlstimmen auszählte, soll ich wegen dieser Vorerfahrung bei der kommenden Europawahl nun zur Wahlbezirksleiterin aufsteigen. Wahrscheinlich sollte ich mir die Frage gar nicht stellen und mir erst recht nichts darauf einbilden. Der Fachkräftemangel ist inzwischen sicherlich auch in der Wahlhelferbranche angekommen.



Montag, 4. März 2024

„What is a week-end?“

Heute habe ich mich ausnahmsweise nicht über die Altglascontainerleerungen vor sieben Uhr echauffiert. Das liegt weniger daran, dass es verdammt nötig war, da beide Behälter überfüllt waren. Als mehr daran, ich mich der mit den Händen arbeitenden Bevölkerung zugehörig fühle. Allein gestern hatte ich netto gerechnet einen Acht-Stunden-Tag. Gegen 10:30 Uhr habe ich meinen Balkon weiter bearbeitet, den ich am Vortag in Angriff genommen hatte. Mit einer vergleichsweise kleinen Drahtbürste den Holzboden bearbeiten, anschließend etwas glatt schleifen, den Staub wegfegen beziehungsweise absaugen und am Ende das Holz ölen. Normalerweise finde ich, dass mein Freiluftbereich durchaus noch etwas größer sein könnte, gestern verfluchte ich jeden Quadratzentimeter. Pünktlich um 14:30 Uhr kam dann die aktive Pause mit einem Alsterspaziergang, durch Kaffee und Kuchen zusätzlich aufgewertet. Um direkt im Anschluss mit dem zweiten Balkon in meiner Obhut weiterzumachen. Dort erwischte mich die Dunkelheit. Flutlicht wäre gut gewesen. In der Dämmerung bot sich der Sohn zum Glück als Assistent an, was ich dankbar annahm. Gegen 19 Uhr waren wir fertig, in jedweder Hinsicht. Selbst der Sohn attestierte nach einer halben Stunde Mitarbeit, es sei anstrengend gewesen, er spüre seine Beine und Arme. Mir hat nicht unbedingt geholfen, dass ich mir am Sonnabend beim Staubsaugen des Hochbetts den kleinen Finger entweder gebrochen oder geprellt habe und dass ich mir später beim Einsteigen ins Bett das Knie ausgerenkt habe (wie doof kann man sein?). Dessen Einrenken habe ich aus Müdigkeit länger herausgezögert, wissend, dass es dann nur umso schmerzhafter wird. Nach dem letzten Balkon war übrigens vor dem Abendessen, das der Sohn und ich in trauter Zweisamkeit zubereiteten (Kochen zur Entspannung) und in ebenso trauter Dreisamkeit verspeisten.
Nun ist es Montagmorgen und ich frage mich: Wo ist eigentlich dieses Wochenende, von dem alle immer sprechen?




Donnerstag, 29. Februar 2024

Unruhe

Manchmal braucht es nicht einmal die frühmorgendliche Altglasleerung, um mich vom Schlaf abzuhalten. Dann genügt eine Reizüberflutung, um den Job zu übernehmen. Erst nicht einschlafen können, obwohl es mitten in der Woche nach 1 Uhr ist, danach nur kurzzeitig einschlafen und am frühen Morgen in irgendeiner Form wach sein. Weil es immer so schön ist, einen Buhmann zu benennen: Ich gebe Kai Pflaume die Schuld. Das kam so. Am Dienstagmorgen im Schweinsgalopp zur Arbeit, dort wie üblich - und mehr als im Home Office - mit der Technik kämpfen. Anschließend aus dem Großraumbüro ins Großraumtaxi, um einmal quer durch die Stadt zu fahren. Im Studio der Aufzeichnung einer Quizshowfolge beizuwohnen und vorher wie nachher mit den Akteuren sprechen zu dürfen. Danach wieder in die Agentur. Dort festzustellen, dass alle meine Schlüssel weg sind. Nicht nur der Chip für die Arbeit, auch die für zu Hause, fürs Fahrrad und so weiter. Sie tauchen nicht auf, nachdem ich den gesamten Rucksack sowie alle Jackentaschen einmal ausgeleert habe. Netterweise werde ich bei der Arbeit von den letzten Kollegen, die Feierabend machen, eingelassen. Meine Vorstellung, das Gesuchte prominent auf dem Schreibtisch vorzufinden, bewahrheitet sich auch nicht. Panik macht sich breit. Ich überlege, welche Nummern ich anrufen soll. Erstmal räume ich meine Sachen zusammen. Und siehe da! Hinter dem nun nicht mehr aufgeklappten Laptop tauchen die Schlüssel wieder auf. Nach diesem Intermezzo schnell zu einer Podiumsdiskussion, an der ich nur als unbeteiligte Zuschauerin teilnehme. In meinem Tunnel ignoriere ich bekannte Gesichter, was in meinem etwas wirren Zustand vermutlich besser ist, und erkläre/entschuldige mich hinterher telefonisch. Von dort aus nach kurzem Pitstop nach Hause, in das ich zum Glück komme, obwohl außer mir niemand vor Ort ist (der Sohn bereitet mich schon einmal auf den nahenden Empty-Nest-Status vor, indem er - wenn überhaupt - nur zur Unzeit kurz in der Wohnung auftaucht). Selten habe ich so erfreut mit dem Schloss gekämpft. Aber Schlafen, das fiel aus.



Freitag, 23. Februar 2024

Geduld

Ein Gutes scheint das Älterwerden zu haben: Das Warten fällt leichter. Wahrscheinlich eher, weil die Tage im Schnelldurchlauf verstreichen, als dass mit dem Alter die Geduld zunähme. Vielleicht sind es auch die Ruhe und das Wissen, dass sich alles schon irgendwie regeln wird. Zumindest im Kleinen. Mich jedenfalls terrorisiert es nicht mehr wie früher, auf mehr Licht, den Geburtstag oder den Weihnachtsmann zu warten, darauf, dass der Sohn zurückkehrt, dass es endlich nicht mehr regnet, dass dieser oder jener Lichtblick naht oder dass sich die Krokusse (Krokanten, wie wir Profis sagen) durch die Pfützen kämpfen. Es wird schon irgendwann so weit sein. Nur beim Warten auf reibungslos funktionierende Technik verspüre ich nach wie vor keine Besserung. Da mutiere ich zu Teilzeit-Tourette-Muddie (dass der Sohn dies höchst belustigend findet, verstärkt das Phänomen nur noch). Egal. Heute sehe ich blauen Himmel und den einen oder anderen Frühblüher. Sag‘ ich doch.



Montag, 12. Februar 2024

Mal was Neues

Man könnte denken, heute sei wieder ein grauer Tag, der sich nahtlos in eine Abfolge von farblosen norddeutschen Wintertagen einreiht. Der zusätzlich erschwert wird, weil er ein Arbeitstag ist und den Start einer ebensolchen Woche bedeutet. Dessen Hauch von Frühling darin besteht, dass wieder zwielichtige Gestalten versuchen, auf der Fußmatte vor unserer Wohnungstür zu schlafen. Nein! Dieser Tag hält echte Aufreger bereit. So zum Beispiel, dass ich über Mittag erste Schritte unternehme, meinen in die Jahre gekommenen Führerschein gegen eine fancy internationale Karte einzutauschen. Ein Teil der Aufregung besteht in der Frage, ob alle Unterlagen da sein werden. An das notwendige Foto habe ich - dank der Erinnerungsmail des Hamburg Service - am Wochenende gedacht. Das konnte nur ein Gewinn gegenüber dem vorherigen werden, auf dem ich laut Aussage der Kinder aussehe „wie eine Ordensschwester“ (Immerhin lobte der Sohn den Zustand des alten Lappens: „Dafür, dass der so alt ist… den hebst du aber auf?“). Wie gut außerdem, dass die amtierenden Fotos immer mit geschlossenem Mund sein müssen. Auf denen sieht man keine Essensreste zwischen den Zähnen.
Am Ende doch spannend, diese tristen Februartage.



Dienstag, 6. Februar 2024

Für und Wider

Es gibt gute Gründe, wieder im Norden zu sein. Und doch fühlt sich die Abwesenheit die meiste Zeit falsch an. Übers Wetter brauchen wir nicht zu reden. Hamburgs herzlicher Empfang waren 7° und andauernder Regen. Ich habe in Bestzeit verdrängt, wie dunkel ein hiesiger Wintertag sein kann. Dass es nötig ist, den ganzen Tag das Licht anzuschalten. Grau ist eben nicht gleich Grau. Den ganzen Tag drinnen - und das bei Heizungsluft: kein Spaß. Vom Effekt, spätestens am Feierabend an den Strand zu gehen, brauche ich erst recht nicht zu sprechen. Auch die Begrüßung gestern Morgen, als gegen sechs Uhr die Altglas-Container neben meinem Ohr geleert wurden, überzeugt mich nicht.
Worin liegen also die Vorteile? Als Zweckoptimistin suche ich sie natürlich - und finde sie. Da ist zum Beispiel die Freude über den Sohn, der die Wohnung vor meiner Rückkehr blitzblank geputzt hat, über eine Spülmaschine, über beliebig warm Wasser in der Dusche, über ein Bett, das nicht erst gebaut werden muss, und über so viele geöffnete Restaurants (für die „draußen“ allerdings keine Option ist, siehe oben). Eines der gewichtigsten Argumente stellt die Post: Wenn endlich der Bescheid über die Rückzahlung der Einkommensteuer 2022 im Briefkasten liegt und einen wirklich warmen (!) Regen verkündet.



Sonntag, 4. Februar 2024

Globalisierung

Die Grenzen verwischen. Goldene Zeiten, besonders für die Tochter, als man - kurz nach der Umstellung von Peseten auf den Euro - noch nicht mit Münzen umgehen konnte, und sie in jedem Automaten oder drumherum einige Euro einstreichen konnte. Zuweilen nur mit vollem Körpereinsatz, wenn sie sich auf den Boden warf und mit langen Fingern eine Münze ergatterte. Ebenso schöne Erinnerungen als la loca, in anderen Worten: ich, die Einzige war, die während einer ola de frío in der dunklen Jahreszeit barfuß am Strand entlang ging und sogar die Füße (diese geplant, den Rest des Körpers unfreiwillig) im kalten Wasser hatte. Unterdessen gibt es Menschen, die im Januar/Februar im Meer baden und offenkundig keine Skandinavier sind. Oder solche, die in Shorts spazieren gehen, während ich lange Hosen trage. Oder die, die ihre Fußspuren in den Sand drücken, während ich den Strand mit Schuhprofilen ziere, nicht einmal zwingend von offenen Schuhen. Manchmal sehen sie allerdings aus, als seien sie sich nicht ganz sicher: zu ihren nackten Füßen und hochgekrempelten Hosenbeinen tragen sie Schal und Daunenjacken. Oder sie selbst sind leicht bekleidet, doch ihre Hunde tragen lustige Mäntelchen. Was sie, die Hunde, leider nicht davon abhält, sich auf dem Strand zu erleichtern („Warum wollen Sie Spanisch lernen?“ „Um sagen zu können: Ihr Hund hat auf den Strand gekackt; machen Sie das weg!“). Daran hat sich dummerweise wenig geändert. Vielleicht sind wir auch einfach vernünftiger geworden. Die Tochter, weil sie sich nicht mehr bäuchlings auf Böden legt, um an Münzen zu kommen, und ich, weil ich mich angemessener kleide. Doch noch gibt es Hoffnung. Solange die Einheimischen bei 14° und hellgrauem Himmel im Januar von „traurigem Wetter“ sprechen, ohne auch nur den Hauch einer Idee zu haben, was echte Wintertristesse bedeutet.



Dienstag, 30. Januar 2024

Wie man‘s macht…

Vielleicht war ich etwas zu euphorisch, als ich sagte, Wetter können sie hier. Kaum dass meine spärlichen Urlaubstage beginnen sollten, war es hier anhaltend grau. Zugegeben, nicht das bleierne Grau des Nordens, sondern mehr ein helles, aber definitiv kein strahlendes Blau mehr. Auch die Temperaturen unterscheiden sich um San Paolo herum nur unwesentlich von Sankt Pauli. Man spricht hier von „traurigem“ und kalten Wetter. Dabei habe ich brav aufgegessen. Und mich pfadfindergleich im Dienste der noch weniger Einheimischen als mich begeben. Einem - ihrem Zahnstatus nach zu urteilen - etwa neunjährigen asiatischen Mädchen auf seine auf spanisch gestellte Frage, was das (tellergroßes, gestrandetes Objekt grau-lila Färbung) sei, ebenso auf spanisch geantwortet, dass es sich um eine Qualle handele. Was es pflichtschuldig seinem Vater in eine mir nicht geläufige Sprache übersetzte, woraufhin mich beide anstrahlten. Das Mädchen umso schöner, mit seinen zweireihigen Eckzähnen. So weit ich weiß, habe ich mir während meiner Arbeitswoche hier nichts zu schulden kommen lassen.
Nächstes Mal mache ich es andersherum: erst Urlaub, dann Arbeit. Wenn das Wetter dann umgekehrt ist, nehme ich es persönlich.



Sonntag, 21. Januar 2024

Unglaublich

Eine Woche ist es her, dass ich mich mit dem Weihnachtsbaum beschäftigt habe. Am Vorabend noch einmal die Kerzen anzünden und anschließend das große Abschmücken, Zersägen und Vor-Die-Tür-Bringen. Und jetzt sitze ich hier, entledige mich ungläubig nach und nach meiner Oberbekleidung sowie der Schuhe und Strümpfe. Anfangs noch in Yeti-Hausschuhen und dicken Socken - schon ein Gewinn gegenüber den ewigen Profilschuhen der kalten Heimat - ist unterdessen selbst der Steinboden durch die Januarsonne so aufgewärmt, dass man ihn barfuß betreten kann, ohne zu frieren.
Im Restaurant gegenüber - dem einzigen, das zu der unwirtlichen Jahreszeit geöffnet hat - füllen sich die Tische draußen langsam mit wackeren Menschen in Daunenjacken, die zum Glück zeitweilig einen Kaffee haben, der sie zusätzlich wärmt. Während ich im T-Shirt schwitze, trotzen sie der ola de frío. Heute nur Höchsttemperaturen von +14° im Schatten. Die winterliche Atmosphäre wird verstärkt durch die aufgewühlte See, der mediterranen Entsprechung des blanken Hans‘.
Sie finden mich hier vermutlich verrückt in meinem T-Shirt. Unentschieden. Ich sie auch mit ihren Handschuhen.



Dienstag, 16. Januar 2024

Beendet

Endlich kann ich wieder entspannt durch unser beschauliches Dorf gehen. Ich muss nicht mehr an jeder Ecke denken: „Och, der ist doch noch gut!“, denn nach der zweiten Runde sind nun alle Tannenbäume von der Stadtreinigung abgeholt. Nicht ganz rückstandsfrei, weil sie einige Zweige am Wegesrand gelassen haben. Ich gebe zu, sie sind von mir - und ich finde es kleinlich, dass sie nicht mit gehäckselt wurden. Gehörten sie doch einst zum großen Konzeptbaum, den ich allerdings zersägen musste, weil er die statthafte Abholhöhe von 2,50 m überschritt. Egal. Es siegt die Freude, es rechtzeitig zum zweiten Entsorgungstermin geschafft zu haben. Erledigt nicht nur, den Weihnachtsbaum aus dem Wohnzimmer zu expedieren, auch den Schmuck ohne Schäden zu verstauen (einziger Verlust diese Saison: ein kleiner Pilz, der beim Wiederverwenden des Einwickelpapiers herausfiel), die Nadeln auszufegen, aufzusaugen, Wachsreste vom Boden zu kratzen und anschließend feucht durchzuwischen. Der Sohn, der vorher vollmundig seine Mithilfe bei diesem Projekt angekündigt hatte, tauchte erst auf, als der Baum schon vor der Tür war, und wunderte sich über den vielen Freiraum und dass schon alles - naja, nicht ganz alles - passiert sei. Offensichtlich arbeite ich nicht nur effektiv, sondern auch lautlos. Trotz größter Anstrengung werden wir Nadeln vermutlich noch über den Sommer hinaus wiederfinden. Ähnlich wie ich noch immer auf schwarze Hundehaare treffe, von einem Besuchshund im letzten Jahr. 
Noch entspannter werde ich nur unterwegs sein, wenn auch Schnee und Eis erledigt sein werden. Frau Holle ist leider eine weniger ordentliche Hausfrau als ich.





Donnerstag, 11. Januar 2024

Und so weiter

Für alle, denen es bisher zu schwer war, das Alter der Jubilarin zu erraten, haben wir hier noch ein paar zusätzliche Hinweise eingebaut (bei Tag ist es zudem leichter):



Zahn der Zeit

Leider merke ich unterdessen das Alter meiner Kinder in den Knochen, wenn ich fast noch am Vorabend ihrer Geburtstage nach Back- und Deko-Aktionen - im Anschluss an einen vollwertigen Arbeitstag - ins Bett falle. Gestern habe ich sogar zweimal gebacken. Da hier skandinavische Temperaturen herrschen, dachte ich mir, ich könnte zusätzlich zum obligatorischen Geburtstagskuchen auch noch das backen, was die Tochter für landestypische Küche hält: eine Rosenkohl-Quiche. Die letzte Silberdekoration am eigentlichen Kuchen kann erst à la minute erfolgen, daher befindet er sich noch nicht auf dem Bild. Fragt sich bloß, wie alt das Kind wird?



Donnerstag, 4. Januar 2024

Alles neu

In unserem kleinen Dorf nimmt man offensichtlich die guten Vorsätze fürs neue Jahr ernst. Trotz Wind und vor allem Regen wurden die Bäume auf dem nahe gelegenen Schulhof geschnitten. Von Profis mit dem entsprechenden Werkzeug, fachgerechter Absperrungen mit vielen Pylonen und mehreren Fahrzeugen mit blinkenden Hebebühnen. Das erfreute nicht nur mich als Passantin, die sich nun weniger über fallende Äste sorgen muss. Für Spektakel sorgte es auch im angrenzenden Kindergarten. Technik, die so sehr begeistert, dass sich viele Kinder an Zaun und Fenstern die Nasen platt drückten. Bei den bewunderten Akteuren wiederum war die Begeisterung kaum geringer: hatten sie doch einen schülerlosen Pausenhof für sich und konnten in ihrer aktiven Mittagspause die Tore selber für ein munteres Fußballspiel nutzen. Erstaunlich wie viel Freude allerseits aus einem trüben Tag Anfang Januar zu holen ist.



Montag, 1. Januar 2024

Schwein gehabt

Was ich zum Jahresende eines okayren (die Tochter), aber nicht superen Jahres nicht gebraucht hätte, wäre ein Gerstenkorn gewesen. Mich fragt aber keiner. Wie gut, dass derzeit an einem Großteil des Tages Dunkelheit herrscht. Meine Kur „Silvester am Grill“ war vermutlich nicht die geeignetste. Dafür waren immerhin Glut und Grillgut exquisit. Außerdem konnte ich klietschäugig ohne Übertreibung behaupten, das nächste Jahr wird besser. Wenn nicht in jedweder Hinsicht, dann zumindest im Hinblick auf die Sicht. Eigentlich kann in diesem Jahr dank Neujahrsdeko nichts mehr schiefgehen: unsere Showtreppe habe ich kurzerhand zur Schweinetreppe umarrangiert. Einzig Eberhard Porkow (zu sehen auf der unteren Stufe; ein Türstopper, den ich von den Kindern zu Weihnachten bekam und der die Feiertage im wesentlichen auf meinem Arm verbrachte) habe ich schweren Herzens für die Allgemeinheit hergegeben. Doch fürs Glück meiner Lieben bringe ich selbstverständlich Opfer.