Samstag, 30. März 2019

Glückssträhne

Ein Wochenende im Frühling ohne größere Pläne, allein das wäre auf der Glücksskala schon im Top Ten- Bereich. Doch es kam noch besser: morgens Tee auf dem Balkon, in Farbe und bunt.

Da guckt man einmal kurz nicht hin, schon explodiert in den Kästen alles. (Zugegeben, ich habe meinem Balkon aus Gründen drei Wochen keine Beachtung geschenkt.). Ein paar Wermutstropfen (!) gibt es natürlich noch immer: die Spüle leckt. Solange sich der Klempner tot stellt, erfordert das den Besuch eines Baumarktes. Nur kurz hadere ich mit der Neuzeit. Dass es keinen 1000 Töpfe-Laden mehr um die Ecke gibt. Wenn er noch da wäre, jaulte ich sicherlich, dass sich kein anständiger Supermarkt in der Nähe befindet. Für Dichtungsringe werfe ich mich daher ins geliehene Linedancemobil. Und was soll ich sagen? In meinem üblichen Baumarktverlorensein, das mich auch in der Sanitärabteilung nicht verlässt, kommt ein freundlicher (!) Mitarbeiter auf mich zu und fragt, ob er mir helfen könne. So etwas ist mir in meinem unterdessen nicht mehr ganz so kurzen Leben noch nie passiert. Es bleibt wie im Traum. Er berät mich trotz der geringen Verkaufssumme und verzichtet komplett auf die handelsüblich herablassende Art. Nicht nur er, sondern auch ein weiterer Kollege, der mich durch die halbe Verkaufsfläche leitet, mich 1A berät, auf Schnäppchen hinweist und mir am Ende gar noch meine Ware zur Kasse trägt. Ob es nur am Frühling oder an stellaren Konstellationen liegt?
Doch dass das Wochenende bereits am Sonnabend ein voller Erfolg wurde, lag am Ende an den von wohlmeinenden Nachbarn ausgelegten Flyern gegen den Drogenabusus (die Redaktion berichtete). Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde uns zugetragen, diese stammen aus der Feder von Scientology. Nimm das Gesinnungspolizei! So sind sie, die kleinen Freuden des Lebens.

Freitag, 29. März 2019

Gerecht?

Während der illustre Nachbar laut eigener Aussage „quietschvergnügt im ICE Sascha Hehn auf dem Weg nach Frankfurt sitze“, um dort ein Flugzeug zu besteigen, „das mit 1001 Köstlichkeiten beladen werde“ und ihn „ans mausetote Meer“ bringe, muss ich in Hamburg bei Wind und Regen ohne Drei-Wetter-Taft zur Arbeit hechten und mehreren Rudeln Fast- und Knappteenagern im Rahmen des Girls & Boys Day erklären, was ich den lieben langen Tag so mache. Gerechtigkeit sieht anders aus. Doch was sind mehrere Wochen Aufenthalt in der Sonne, wenn ich am Ende der ersten Führung von einem der kleinen Besucher formvollendet gefragt werde: „Antje, darf ich diesen Papierkorb benutzen?“? Mehr geht nicht: Er kann meinen Namen korrekt wiedergeben - so viel Glück wird mir im beruflichen Umfeld selten zuteil.

Donnerstag, 28. März 2019

Wo ist sie geblieben?

Kläglich gescheitert bin ich gestern Abend mit dem Projekt, um acht Uhr ins Bett zu gehen. Das wäre nicht weiter bemerkenswert, hätte ich diesen Plan nicht beim Feierabend mehr oder weniger vollmundig angekündigt, nachdem ich mich mit verstopfter Nase, Kopfschmerzen, Frieren und Ibus durch den Arbeitstag geschleppt hatte. 
Die Wirklichkeit sah anders aus. Auch nicht weiter überraschend, dass es mit der frühen Bettzeit nicht klappt, wenn man erst gegen 19:30 Uhr anfängt, sich eine Suppe zu kochen, und kurz danach eine Waschmaschine anstellt. Davor und danach die Küche und den Wohnraum auf mitteleuropäische Hygiene- und Ordnungsstandards bringt, Tee kocht und trinkt. Dann noch Essen, Konversation mit dem Sohn und etwas Fernsehen. Die Wäsche aufhängen - und schwups ist es später Abend. 
Erschreckend finde ich nur, jetzt nicht nur morgens sondern auch abends nicht zu wissen, wo die Zeit geblieben ist.

Dienstag, 26. März 2019

Unglaubwürdig

Leider muss ich wohl von der Idee Abstand nehmen, ein Buch über die Nachbarschaft zu schreiben. Wie gut, dass ich aus dem Seminar am vorletzten Wochenende auch anderes gezogen habe, sonst wäre es unnütz gewesen. Das Buch nimmt mir kein Mensch ab, wenn ich erzähle, wie es hier ist. Andererseits kann ich es auch nicht unerwähnt lassen: Auf unserer Gemeinschaftsfläche liegen neben DER Stadtteilpostille (es kann nur eine geben!) seit neuestem Flyer aus, die den jugendlichen Drogenkonsum eindämmen sollen. Broschüren über, vielmehr gegen, das Kiffen („Fakten über Cannabis“). Da hat sich die Gesinnungspolizei was ganz Feines überlegt. Das Pixi-Buch „Conni probiert Pot“ ist vermutlich vergleichbar faktenorientiert und edukativ. Bei der intendierten Zielgruppe ruft es bestenfalls Belustigung hervor. Statt mit Drogenkonsum befassen sie sich jetzt ausschließlich mit der Frage, wer den Blödsinn mit welchem Behuf dort hingelegt hat. Ich kann sie verstehen. Vielleicht bin ich doch noch nicht alt.



Montag, 25. März 2019

Frühling vertagt

Vielleicht ist das, was ich für Heuschnupfen hielt, doch einfach nur ein klassischer Schnupfen. Die Planschnase hält sich trotz der Rückkehr der allseits beliebten Sturmtiefs.

Gerade als ich damit hadern will - nasse Füße, wenn man den Frühling schon gerochen hat -, raunt mir die Stimme des Zweckoptimismus‘ etwas zu: „Immerhin musst du dir keine Gedanken machen, dass du vergessen hast, dein Fahrrad aufzupumpen.“

Sonntag, 24. März 2019

Eine Hauptstadt, die ist lustig

Auch wenn ich mich am Berliner Hauptbahnhof so zuhause fühle wie etwa in Mexiko-City, ist es doch schön wieder einmal in der alten Heimat zu sein. Anfangs, nach sieben überwundenen Stockwerken von Hbf tief bis zum S-Bahnsteig steckt noch die Hamburger Taktung in mir. Ich ärgere mich etwa 15 Sekunden, das ich auch hier nur die Rücklichter meiner S-Bahn sehe. Dann sehe ich auf der Anzeige, die nächste folgt in einer Minute. Berlin im Frühling, ein Sehnsuchtsort. Der Braunkohlegeruch wird übertüncht vom schweren Duft der Baumblüte. Die Spree glitzert malerisch. Am S-Bahnhof Tiergarten noch schnell ein Foto vom 17. Juni, ehe die nächste S-Bahn die Sicht versperrt (wiederum eine Minute!).
Wie eine Rentnerin kommentiere ich Veränderungen („Hier war doch früher Bolle.“, „Warum heißt Wertheim Karstadt?“). 

Überall Philosophie am Straßenrand. Doch das Glück, wie auch jedes Wochenende, währt zu kurz. Schon bald geht es zurück in die Hansestadt. Um dort aus dem ICE zu steigen und am U-Bahnsteig mit der Anzeige „9 Minuten“ empfangen zu werden. Welcome back!

Mysteriös, mysteriös

In letzter Zeit musste ich innerhalb einer kurzen Spanne den Verlust zweier Bürsten hinnehmen. Sie waren einfach verschwunden. Als die erste abhanden kam, sah ich mich gezwungen, sie durch eine neue zu ersetzen. Ungebürstet zur Arbeit erhöht die Karrierechancen nicht. Bei der zweiten scheute ich die Investition in eine Ersatzbürste. Hatte ich mich doch kurz zuvor erst über die gängigen Preislagen informiert und mich nicht für die allergünstigste entschieden. Als mir letzthin also der Verlust des zweiten guten Stücks auffiel, wie üblich kurz vor meinem zeitverzögerten, hektischen Abflug zur Arbeit, war die schnellste Erklärung, den Sohn verantwortlich zu machen. Ich stürmte in sein Zimmer und riss ihn mit meinen Schmähungen aus dem Schlaf. Er versicherte, glaubhaft wie ich zugebe: „Mama, ich habe noch nie in meinem Leben eine Bürste benutzt.“ Meine Hoffnung, nein: Überzeugung, ist, dass er ausschließlich das Modell für die Haare meint. Ok, eine neue Erklärung musste her. Kurzzeitig spielte ich mit dem Gedanken, die gute, alte Strategie meines Vaters zu übernehmen. Er machte noch Jahre nach dessen Auszug meinen Bruder dafür verantwortlich, wenn Werkzeug unauffindbar war. Im Grunde weiß ich nicht, ob er sich den Verlust nicht immer noch so erklärt. Es wäre also ein leichtes gewesen, den Bürstenschwund der Tochter in die Schuhe zu schieben. Mutterliebe versperrte mir diesen Weg. Über diese Entscheidung war ich sehr froh, als ich einige Stunden später zwei Bürsten im Geheimfach des Rucksacks fand. Von dessen Existenz ich nichts wusste, weil ich den Rucksack vor längerem dem Sohn gemopst habe.

Freitag, 22. März 2019

Zrügg zu mir

Bei so viel Schweiz in meinem Leben war es wahrscheinlich unausweichlich, gestern Abend die Wohnung putzen zu müssen. Dass sich die eigentliche Fachkraft seit längerem auf den Philippinen aufhält, hat die Entscheidung weiterhin verstärkt. Ich also mit Feudel, Lappen, Eimer und Kopfhörern bewaffnet nach der Arbeit am Werk. Die Kopfhörer deswegen, weil das überteuerte Harman/Kardon-Soundsystem nach wie vor meine Musik nur dann ausspuckt, wenn es Lust hat, die kosmischen Zyklen dafür sprechen oder Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Das mag in meinem normalen Leben akzeptabel sein, beim Putzen ist es das nicht. Irgendwann kam der Sohn nach Hause. Er bemerkte leicht belustigt, ich sehe aus wie eine Putzfrau. Ich bestrafte dies mit der etwas schnippischen Replik, es müsse wohl daran liegen, dass ich in diesem Haushalt die einzige Putzkraft SEI, und der Aufforderung, er solle - statt mir ständig durchs Gewischte zu laufen - sich lieber nach oben verziehen (oberes Stockwerk: fertig!) und Wäsche aufhängen. Auch wenn er diese Aufgabe ganz anständig erledigt hat, war früher doch alles besser: da pflegte er in solchen Situationen wenigstens anerkennend zu sagen, es rieche nach Spanien.

Donnerstag, 21. März 2019

Weiss nid, was es isch

Bei uns sind Schweizer Wochen. In der elterlichen Wohnung sind aktuell zwei eidgenössische Musiker untergekommen. Bei diesen handelt es sich nicht um Stephan Eicher oder dessen Bandmitglieder. Meine Bemühungen, die nicht nutzbaren Karten der Nachbarin für letztere über soziale Medien loszuschlagen, schlugen fehl. Wahrscheinlich habe ich mich mit meiner Snapchat-Verweigerung und anderen antiquierten Einstellungen in die virtuelle Isolation begeben. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich ganz old school vors Kassenhäuschen zu stellen. Ein Erlebnis, auf das ich hätte verzichten können. Jede Hafennutte wäre vermutlich von den helvetienaffinen Kulturliebhabern besser behandelt worden. Einhellige Reaktion auf mein unmoralisches Angebot, Karten zu verkaufen, war empört-lautstarkes Naserümpfen. Und natürlich kein Kauf. Derart ernüchtert beschloss ich, wenigstens eins der Tickets für mich selbst zu nutzen und mich gegebenenfalls wie eine fette Qualle auf zwei Plätzen auszubreiten. Ab da ging es aufwärts. Erst traf ich eine der Teilnehmerinnen aus dem letzten Wochenendseminar, dann befanden sich meine Plätze direkt neben einem netten ehemaligen Kollegen. Und das Konzert war auch noch gut. Nicht nur wegen der hochdeutschen Text-Untertitel.



Mittwoch, 20. März 2019

Übernatürliche Fähigkeiten

Ob ich wohl als Superheldin durchgehe mit meiner Fähigkeit, immer genau in dem Moment den U-Bahnhof zu erreichen, in dem ich noch die Rücklichter des Zuges sehen kann? Unerlaubt selbstlobend muss ich sagen, diese Präzision ist einmalig. Einschränkend sei jedoch erwähnt, dass ich mir mit dem Standort Hamburg sehr günstige Bedingungen ausgesucht habe. Denn hier sind die wenigen Linien - wahrscheinlich mit Vorsatz - grundsätzlich nicht synchronisiert. Als Zweitgeborene lernt man, mit Freunden den leichten Weg zu nehmen.

Dienstag, 19. März 2019

It Must Be Love

Gelegentlich wirke ich wahrscheinlich etwas lieblos in Bezug auf meine Mitbewohner. Das ist bestimmt nur meine wahnsinnig raue Schale. In echt bin ich sehr eingenommen von meiner Brut. Besonders wenn wir - wie gestern der Sohn und ich - Sprache erörtern. Er gestand mir, ihn grusele es immer, wenn von „kultig“ die Rede sei. Ich gab daraufhin zu, dass für mich Ähnliches für „Powerfrau“ gelte. So erschuf er kurzerhand die kultige Powerfrau. Als ich gerade spucken wollte, lieferte er mit unserer prominenten Fast-Nachbarin Ina Müller gleich ein Beispiel mit. Und zeigte mir ein bescheuertes YouTube-Video von ihr. Manchmal droht mein Herz gesprengt zu werden vor lauter Mutterliebe.

Montag, 18. März 2019

Warum?

Immer noch bin ich meiner Brut dankbar, weil sie damals die Warum-Phase anders als viele andere Kinder nicht exzessiv ausgelebt haben. Mag an meinen unwirschen Reaktionen gelegen haben, wenn ich das Gefühl hatte, es ging nicht darum, Dingen auf den Grund zu gehen, sondern nur um das Kommunikationsritual. Ein wenig stolz bin ich, meines Wissens nie die Antwort „Weil das so ist!“ gegeben zu haben.
Heutzutage gibt es drei zentrale Fragen nach dem Warum, die sich mir wiederum im Zusammenhang mit meinen Kindern stellen: 
Warum schaffen es die pubertierenden Kinder, wenn doch ihr Hirn angeblich wegen Umbaus großflächig geschlossen ist, genau die Bemerkungen fallen zu lassen, die maximal verletzend sind?
Warum verstehen selbst einigermaßen intelligente Kinder nicht, dass die bei ihnen so beliebten Feuchttücher (nicht immer für den vorgesehenen, aber immer für einen guten Zweck) nur dann ihrem Namen Ehre machen, wenn man die Verpackung schließt?
Warum können sie nicht längerfristig ankündigen, wenn sie aushäusig übernachten, damit sich ihre Mutter auf ihre Sturmfreiheit einstellen und vorbereiten kann?
Letzteres Phänomen hatte zumindest ein Gutes: unfreiwillig und unbewusst war ich zum St. Patrick‘s Day adäquat gekleidet, weil ich in Ermangelung der Wechselwäsche den grünen Celtics-Hoodie nach meinem ungeplant möglichen Sleepover auch am Folgetag trug. 

Sonntag, 17. März 2019

Ach, diese Mitte, diese entsetzliche Mitte

Von Zeit zu Zeit fühle ich mich - ob zu recht oder zu unrecht - zu Höherem berufen. Dann denke ich, es muss auch Längeres zu verfassen geben als nur kurze Blogposts, oder wie sie gestern so euphemistisch genannt wurden: „literarische Vignetten“. Zum Glück kann man Hilfe vom Profi bekommen. Denn für einen längeren Text scheint es unumgänglich, Handlung in der Hinterhand zu haben. „Zum Plotten gezwungen“ war tatsächlich eine Redewendung, die im Laufe des Wochenendseminars fiel. Selten hat sich Zwang so schön und kurzweilig angefühlt. Wenn ich es jetzt nicht kann, liegt es wirklich an mir.
Selbst wenn das Seminar nichts gebracht hätte, hätte ich doch immerhin schöne Sätze daraus mitnehmen können. Wie zum Beispiel: „Tagträumen ist ja auch Arbeiten.“ oder „Ein Buch hat ganz schön viel Mitte.“ Nur eine Frage bleibt offen: Warum ist morgen eigentlich Montag?

Freitag, 15. März 2019

Wo ist das blaue Band?

Seit mindestens zwei Wochen ist genau das Wetter, das der Sohn so schätzt: regnerisch, grau und kühl. Ich frage mich einerseits natürlich, was ich in der Aufzucht falsch gemacht habe; andererseits, warum er dann nicht häufiger draußen ist, wenn er es doch so schön findet. Irrationale Mutterlogik eben. 
Mir, die ich wegen alltäglicher Frondienste zwangsläufig öfter das Haus verlassen muss, ist echter Bilderbuchfrühling lieber. Gestern dachte ich mir: „Wenn schon nicht das Wetter, dann wenigstens die Kleidung.“ Ein blöder Quiddje-Anfängerfehler, zugegeben. Denn genau in dem Moment, als mir auf dem Arbeitsweg bewusst wurde, dass ich mich besonders beeilen muss, lag ich wegen rutschigen Geläufs und ungeeigneten Schuhwerks schon auf der Nase. Nicht ganz: in meinem Bemühen, das neue Ersatzteil unbedingt zu schützen, landete ich in fast perfektem Telemark auf dem Knie. Ein wenig Punktabzug wird es wohl für die den Boden leicht touchierende, abstützende Handfläche gegeben haben. Hoffentlich hat mich niemand gesehen! Ein Wunsch, der in der leblosen Hafencity zum Glück zumeist erfüllt wird. Neben dem angeschlagenen Knie musste ich als Verlust auch einen intakten Schuh beklagen. Dies erschwerte den restlichen Arbeitsweg zusätzlich zu Knieschmerzen - und hatte zur Folge, dass ich noch später als befürchtet ankam. Um nicht die weiteren Strecken des Tages im gleichen Geeier zu begehen, nahm ich mir eine provisorische Reparatur des geschlachteten Schuhs vor und bat den Kollegen erst um eine, letztlich um vier Büroklammern. Das Ergebnis erinnert an eine zonale Improvisationsarbeit. Wir hatten ja nichts.

Detailgetreue Betrachter werden feststellen, hier wurden nur drei Büroklammern verbaut. Die vierte (bzw. erste) ist auf dem Altar meiner handwerklichen Unfähigkeit geopfert. 
Egal. Schnee (Regen?) von gestern. Heute ist wetterunabhängig Flamingo Friday. Oder Pelikan Pfreitag wie mancheiner sagt.

Donnerstag, 14. März 2019

Geständnis

Es ist nichts Grundsätzliches. Wirklich nicht. Ich kann nicht sagen, dass ich prinzipiell Kinder mag oder nicht mag. Es verhält sich mit ihnen bei mir wie mit Kunst: irgendetwas spricht mich an, rührt mich - oder eben nicht. Anders als mit Kunst lasse ich Kinder bei Nichtgefallen nicht vollkommen links liegen. Ihnen gegenüber wahre ich die mitteleuropäischen Höflichkeitsstandards. Schon allein, weil ich nicht mit fremden Federn schmücken möchte. Für ihre Schäden soll schon das echte Umfeld die Meriten bekommen. Eine Frage allerdings, die mich nicht für Kinder einnimmt, ist die in einer bestimmten Altersklasse gerne gestellte, völlig sinnentleerte: „Was machst du?“ Ich bilde mir ein, meine Kinder haben sie jeweils einmal gestellt. Meine wenig freundliche Antwort, „Wonach sieht es denn aus?“, hat ihnen vermutlich aufgezeigt, dass dieser Kommunikationsweg im Umgang mit ihrer Mutter kein allzu zweckdienlicher ist. 
Ich treffe morgens auf dem Weg zur Arbeit, beladen mit Altpapier, das ich im Vorbeigehen in den Container werfen möchte, das Nachbarkind und grüße formlos. Ehrensache, dass ich ignoriert werde. Sein Nichtgrüßen ist immerhin nicht ganz so demonstrativ wie das seiner Mutter, die mich anguckend meine Hallos notorisch ins Leere laufen lässt. Bei so viel Überlegenheit ist verständlich, dass sie sich nicht mit blödem Pöbel abgibt. Aus welchem Grund auch immer beschließt das Kind, nun doch mit mir zu reden. Und stellt, wie ich vermute, die Killerfrage. Nicht bloß einmal, gleich mehrmals. Da sie so schleißig vorgetragen sind, frage ich mit mehreren neutralen Wie-Bittes nach. Derart unkooperatives Verhalten meinerseits lässt die Mutter aus ihrer Wohnung schießen. Sie erklärt ihrem Kind: „Sie trägt eine Kiste.“ Auch wenn die Erklärung meinem Leben fast ein wenig Dirty Dancing-Glamour gibt, stelle ich fest: a) Mit Leuten, die mich vorsätzlich nicht grüßen, möchte ich keine Schwachgeistigenkonversation führen.
b) Sie sitzt im Stall und melkt die Kuh.

Dienstag, 12. März 2019

Zukunft

In der gegenwärtigen Situation denke ich manchmal, wie viel mehr von meinem selbst verdienten Geld mir selbst zur Verfügung stehen wird, wenn ich nicht mehr für die Finanzierung von täglich zentnerweise konsumiertter veganer Kalorien zuständig sein werde. Das Glück über diese Zukunftsvision währt kurz. Denn mir wird bewusst, wie arm mein Leben dann sprachlich wird. Viel zu selten werde ich Kommentare wie den erleben, als ich den Sohn fragte, wie ihm der mitgebrachte vegane Riegel geschmeckt habe: „Nothing to write home about.“

Montag, 11. März 2019

Geschundene Hände, Wochenende

Irgendwas läuft nicht, wenn die Essenz des Wochenendes nach dem Frauentag ist, es fehlt am Mann im Haus. Den Freitag und Samstag habe ich hauptsächlich mit zwei Dingen verbracht: erstens den Zustand meiner Finanzen in der näheren Zukunft zu analysieren. Hier hätte geholfen, nicht jahrelang vor allem dem ohnehin prall gefüllten Konto des angehenden Ex-Mannes zuzuarbeiten. Die Auswertung ergab eher beklagenswerte Zustände. Also lieber das zweite Thema: die Installation der neuen Spülmaschine. Was soll ich sagen? Ihre Verbindung mit dem WLAN hat nicht geklappt. Und das, obwohl ich einen Gutteil der über 120 Seiten Gebrauchsanweisung wirklich gelesen habe. Die vielen Seiten kommen tatsächlich allein mit deutschem Text zustande - nicht etwa weil das Ganze noch in zwanzig Sprachen erläutert wird. Mit dem fehlenden WLAN-Feature habe ich mich relativ schnell abgefunden. Doch dass ich die Maschine nach Beendigung der Jungfernfahrt nicht aus eigener Kraft öffnen konnte, ließ den Wunsch nach einem männlichen Retter in mir aufleben. Der Sohn ist es leider nicht. Er schlug vor, sein Onkel, mein Bruder,  könne bei seinem nächsten Besuch das Verbindungsproblem in Angriff nehmen. Der kontaktierte Bruder konnte in jedem Fall das Türproblem fernmündlich lösen („Die Dame aus dem Miele-Tutorial öffnet die Tür einfach.“). Entgegen allem Materialgefühl zerrte ich, ermutigt durch diese Worte, einfach fester und siehe da, die Tür öffnete sich ohne Murren. Vielleicht ein kleiner Erfolg.
Der Sonntag war dann beherrscht durch Klempnerarbeiten. Die Spülmaschine lief zwar rückstandsfrei, doch die Spüle daneben leckte. Ich muss leider sagen: sie tut es auch immer noch. Trotz tatkräftiger Unterstützung der Nachbarin und ihrer Rohrzange. Dann wird der Mann im Haus eben ein zeitweilig gemieteter Klempner.
Immerhin, ein Highlight des ansonsten eher mediokren Wochenendes tat sich in Alsternähe auf:

Ich denke, er wollte uns vor allem das sagen:
„Jeder nur ein Kreuz.“ und „Vergesst mir die Tischlerinnung nicht!“

Freitag, 8. März 2019

Escht ma‘!

Ihr könnt Euren internationalen Frauentag wiederhaben, wenn ich an einem Tag wie diesem von Handwerkern in üblicher Baumarkt-Attitüde behandelt werde. Doch genau so war es heute. Zugegeben, morgens vor acht bin ich optisch wie kommunikativ noch nicht in Topform. Blöderweise war der Liefertermin für die sauteure Miele-Spülmaschine, die ich mir trotz Gender Pay Gap einfach mal geleistet habe, heute aber zwischen 7 und 11 Uhr, und die jungen Männer haben sich für die erste Stunde des Zeitraums entschieden. Verstehe schon, früher Feierabend und so. Und doch habe ich wenig Interesse, mich wie das tendenzblonde Dummchen behandeln zu lassen; mit einem neutralen Umgang wäre ich schon zufrieden gewesen. In Berlin wäre mir das heute nicht passiert. Das allein ist schon ein Grund für einen Feiertag auch bei uns.

Isso

Es gibt Dinge, mit denen man sich abfinden muss. So muss ich damit leben, dass mein Vorname wohl nicht zum Corporate Design, wenn nicht gar nicht zur Corporate Identity passt. Das Telefon der neuen, alten Wirkungsstätte führte mich trotz Kritik wochenlang als „Antja“. Dies wurde erst geändert, als ich etwas vehementer den richtigen Namen einforderte. Der Umgang mit der IT scheint sich nicht wesentlich von dem mit Kindern zu unterscheiden. Man muss immer erst einmal laut werden. Gestern Morgen präsentierte mich der CEO der versammelten Belegschaft unter einer weiteren Namenvariante. Das hatte zur Folge, dass ich in der Mittagspause von allen Kollegen, denen ich begegnete, freudig mit „Hallo Anja!“ gegrüßt wurde. Vielen Dank. Ein Teil von ihnen schwenkte allerdings auf „Anke“ um, als ich auf ihren Anja-Gruß meinte, ich sei schon froh, dass er nicht Anke aus mir gemacht habe. Dieses Eingeständnis war ein Anfängerfehler meinerseits - zugegeben. Zur Erklärung: Unter diesem Namen lief ich bei der Großmutter eines Ex-Freundes (als er natürlich noch nicht Ex war). Anfangs fand ich Anke für mich sehr doof. Als ich jedoch bemerkte, dass sie nicht einmal den Familiennamen ihrer Tochter/ihres Schwiegersohnes/Enkels hinbekam, war ich damit fast versöhnt. 
On the bright side: die ersten beiden Buchstaben sind in allen Variationen korrekt. Das ist doch ein schöner Anfang. Und wenn der echte Name nun partout nicht zur Firma passt, bin ich ausreichend Dienstleister, um es so hinzunehmen. Der Ausblick gefällt Anja auch.



Mittwoch, 6. März 2019

Jetzt aber!

Eine Woche kann sich nur positiv entwickeln, wenn sie am Montagmorgen mit zwei Stunden Wartezeit beim Arzt beginnt. Vor allem, wenn der Besuch mit früherem Aufstehen verbunden ist, es nur um ein Rezept geht und die Nettozeit mit dem Weißkittel aus 45 Sekunden inklusive Händeschütteln besteht. Der Arbeitstag wird dann von Nachsitzen beherrscht. Doch der ersehnte Aufwärtstrend folgt am Abend. Der Sohn erfreut mich durch seine Frankophonie. Erstens übersetzt er meine - in welchem Zusammenhang auch immer eingesetzte - Vokabel „vergurkt“ mit „concombrée“. Nicht schlecht für den Spanischschüler. Zweitens sehen wir auf seine Anregung hin in trauter Zweisamkeit eine französische Netflix-Serie mit Carole Bouquet. Im Original - Ehrensache. Er guckt währenddessen auf dem iPhone Videos und versteht trotzdem einen Großteil. Größter Liebesbeweis, als er mir ein besonders „süßes“ von einem niesenden anderthalbjährigen (französischen!) Kind zeigt. 
Ein kurzer Tiefpunkt erwartet mich dann am Dienstag in der frühen Nacht: in meinem Traum agiere ich auch bei der kirchlichen Trauung der Freundin als Trauzeugin - nein, das ist nicht der Tiefpunkt! Selbst schlafend wundere ich mich über die Kirchenzugehörigkeit der Freunde. Meine stelle ich jedoch nicht in Frage. Auch das ist nicht der Tiefpunkt. Der kommt, als ich kurz aufwache. Ich merke, es dämmert schon ein wenig. Ich begebe mich beruhigt wieder zurück in den Schlafmodus, denn es ist ja Wochenende (s.o.). Bis mir irgendwann bewusst wird, dass nicht Feiern angesagt ist und Dienstag in unserem miesen System serienmäßig nicht als freier Tag durchgeht. Diesen Rückschlag und den nachfolgenden Arbeitstag verkrafte ich dennoch. In der darauffolgenden Nacht endlich eine Erkenntnis, mit der der Woche endgültig nicht mehr der positive Dreh zu nehmen ist: ist mir doch finalement klar, warum der angehende Ex-Gatte die Scheidung sucht. Er scheut die Ausgaben für die ausufernden Feierlichkeiten zur Silberhochzeit in vier Jahren. Endlich Gewissheit, damit kann man arbeiten. 
Jetzt ist nur noch ein Downer möglich. Dass das Date am letzten Samstag mit einem Verschnupften nicht ohne Folgen blieb. Doch das wird die Geschichte der nächsten Woche. Bevor meine dreiwöchige Urlaubsvertretung nicht beendet ist, werde ich ohnehin nicht krank.

Montag, 4. März 2019

Alles richtig gemacht

Es sind nicht nur die Sonnenuntergänge und Flamingofreitage. Es ist auch das Telefon. Nicht dass ich die Anlage an der einen Stelle besser beherrschte als an der anderen. Damit rechnen sie bloß. Nein, es liegt an der Begrüßung. Während ich zwei Jahre lang bei der Arbeit immer kurz innehalten musste, wenn das Telefon klingelte, um mich an das passende Sprüchlein zu erinnern, kann ich es jetzt spontan. Wahrscheinlich könnte man mich sogar nachts um 3 Uhr wecken und ich könnte es fehlerfrei aus dem Schlaf aufsagen. Wenn ich zuhause häufiger ans Festnetz ginge, spulte ich es dort vermutlich auch ab. Schließlich habe ich auch schon im Kaufhof die Chipkarte vor die Tasten gehalten, um ins richtige Stockwerk zu kommen.
Aber was das Tollste ist: ich bekomme Komplimente für meine ansprechend vorgetragenen Ansagen. Wenn alle Stricke reißen, bleiben mir also immer noch Callcenter oder andere telefonische Dienste. So schwarz sieht die Zukunft also nicht aus.

Sonntag, 3. März 2019

Allgemeine Lage

Eigentlich hatte ich nur zwei Stationen geplant. Trotz zentraler Lage unseres Dorfes beschloss ich, wegen des mediokren Wetters mit der U-Bahn in die Innenstadt zu fahren. Im Wagon fühlte ich mich erst etwas unwohl, weil ich ungewollt distanzlos in einen Beziehungsstreit kam. Ein junges Paar stritt. Wie üblich aus vermeintlich nichtigen Gründen. Und wie üblich mit den typisch vorwurfsvollen Killerphrasen: „Immer...!“, „Nie...!“ Wenn ich es richtig verstanden habe, warf sie ihm vor, dass seine Freunde und Verabredungen mit ihnen doof sind. Was ihn dazu zwang, vehement zu widersprechen. Ich wollte nicht übertrieben auf mich aufmerksam machen, indem ich mir die Ohren zuhielt, aber danach gewesen wäre mir schon. Besonders bei dem beiderseitig skandierten „Schatz!“, das in der entsprechenden Betonung eigentlich „Arschloch!“ meint, wurde mir flau. Doch wäre ich nicht die Vizeweltmeisterin des Zweckoptimismus‘, wenn mir die Situation nicht auch Positives entlockt hätte. Erstens ist in Scheidung zu leben nicht nur schlecht. Zweitens dankte ich wem auch immer, dass ich nicht Paarberater/-therapeut der beiden sein muss und ihnen somit nicht die Vorteile des Paraphrasierens erklären muss. Dann nahm der Streit plötzlich eine überraschende Wendung. Sie (!) meinte bilanzierend: „Und dann hat auch noch Dortmund verloren! Wäre doch zu blöd, wenn Bayern schon wieder Meister würde, obwohl die Dortmunder bisher so schön gespielt haben.“ Mit diesen versöhnlichen Worten konnte ich fast beruhigt aussteigen. Auf die Tordifferenz wird sie schon selbst gekommen sein. Zu meinem Date am Abend bin ich trotz Regens aber lieber zu Fuß gegangen. Wahrscheinlich ein besseres Warm-Up.

Freitag, 1. März 2019

Richtigstellung

Mir ist nicht klar, woher gerade jetzt der Drang in mir kommt - schließlich haben wir weder ein gerades Jahr noch die klimatischen Verhältnisse, aber es wird Zeit, mit einem Mythos aufzuräumen. Das Sommermärchen 2006 war gar keines. Damit meine ich nicht die sterbenslangweiligen Korruptionsgeschichten. Die sind doch bei und vor allem vor jeder Großveranstaltung mit eingepreist. Ich meine, dass diese WM für uns gar nicht so toll war. Der Sohn widerspräche vielleicht; kann er sich nach meinem Gefühl an jede Begegnung, jeden Torschützen und jeden Halbzeitstand erinnern. Ich wiederum habe mehr irgendein Fußballspiel im Vorfeld in Erinnerung, als er wieder einmal unter Beweis stellte, dass er sich fünfjährig das Lesen beigebracht hatte, indem er die Bandenwerbung der Tapete „Erfurt“ kommentierte: „Erfurt, da ist Clemens Fritz geboren.“ Und dann auf meine nicht ernst gemeinte Frage auch noch das Geburtsdatum herbeten konnte. 
Meine zentrale Assoziation mit dem vermeintlichen Sommermärchen ist neben einer bereits kriselnden Ehe Freitag, der 30. Juni 2006. Die Tochter kehrte von ihrer ersten Klassenfahrt zurück. Zur Begrüßung meinte sie, sie fühle sich nicht so wohl. Netterweise hatte sie sich während der Woche wacker gehalten, um dann den dort allseits grassierenden Magen-Darm-Virus erst zuhause auszuleben. So verbrachte ich den ohnehin aufregenden Abend um das Elfmeterschießen zwischen Deutschland und Argentinien hauptsächlich damit, im möglichst rechten Moment eine Schüssel unter das spuckende Kind zu halten. Das Ganze musste natürlich vor dem Fernseher stattfinden. Denn die Tochter suchte Nähe. Weniger krankheitsbedingt als vielmehr, weil ich ihr hatte unterbreiten müssen, dass sie am folgenden Tag kein gern gesehener Gast auf dem sechsten Geburtstag ihres Kindergartenfreundes wäre und deswegen nicht teilnehmen werden könne. Ich hatte schon Schwierigkeiten, ihren Bruder weiter auf der Gästeliste zu belassen. Was die Sache auch nicht besser machte. Spannung, Kotzen und Heulen. Man dächte, die Stimmung sei auf dem Nullpunkt. Doch dann kam auch noch die Nachricht vom Tod Robert Gernhardts. Wie soll man so etwas ernsthaft Märchen nennen? Albtraum trifft es eher.