Samstag, 30. Januar 2021

Auch das noch

Als ob das übliche Päckchen nicht reichte, ließ sich der Besuch der vermeintlichen Architektin und ihres favorisierten Odd-Job-Handwerkers nicht weiter aufschieben. Gerade hatte ich die Heimarbeitsmaschinerie angeworfen - und das vor der Zeit, die mir mein Biorhythmus empfiehlt -, da standen sie gestern früh vor meiner Tür. Erst der polnische Handwerker und sein Landsmann, den er zur Unterstützung mitgebracht hatte. Dann Frau Bauleiterin. Sie war noch etwas länger damit beschäftigt, ihr Auto auf unserem Parkplatz so außerhalb der vorgesehenen Parkbuchten zu rangieren und letztlich abzustellen, dass es für die Durchfahrt anderer maximal ungünstig stand. Ein Unterfangen, das ihr fast perfekt gelang. Außerdem verzögerte sich ihre Ankunft noch etwas, weil sie ihre profunden Grundriss-Lesefähigkeiten dazu zwangen, nicht den naheliegenden Wohnungseingang (mit Glastür zum Parkplatz) zu nehmen sondern den, der bedeutet. einmal außen ums ganze Haus und einmal innen durch die gesamte Fläche zu laufen. Anschließend brauchte sie geraume Zeit, ihre FFP2-Maske aus dem Tütchen zu nesteln und passgerecht aufzusetzen. Als sie sich ebenso umständlich daran machen wollte, ihre Schnürstiefel auszuziehen, hielt ich sie ab. Schließlich sei die Wohnung nicht allzu sauber und die Handwerker vor Ort, um einige Quadratmeter Holzverschalung von der Wand zu reißen sowie sie danach neu zu verputzen. Wer gibt da einen Sechser auf Dreck aus Schuhprofilen? Sie begrüßte ihren Handwerker mit „Herr plus Vorname“, weil sie seinen  slawischen, nicht übertrieben konsonantlastigen, aber viersilbigen Hausnamen zu anspruchsvoll finde. Er rächte sich wie üblich, indem er sie analog mit „Frau Vorname“ anredete. Von und mit Nummer zwei wurde gar nicht gesprochen. Erst später erteilte ihm sein Kollege Direktiven auf polnisch. Trotz unterdessen mehrerer Begegnungen kenne ich das Gewerk des Chefs nicht. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, seine Auftraggeberin wisse es auch nicht so genau. Ist auch nicht so wichtig, es geht schließlich nur um die Innendämmung eines denkmalgeschützten Gebäudes. Ich musste etwas laut werden (wer mich kennt: ich neige nicht unbedingt dazu), als die beiden Strategen beschlossen, das Dämmmaterial direkt auf die Holzverkleidung aufzubringen. Dann können sie auch gleich alles einpacken und wieder gehen. Mit solchem Flickgeschustere handele ich mir mehr Probleme ein, als dadurch behoben werden. Endgültig verlor ich die Geduld, als Madame mit ihrem Lieblingsargument „Aus bauphysikalischen Gründen...“ kam. Mich könne sie damit nicht so leicht blenden, da meine Mutter Architektin (sogar eine echte!) und mein Vater Physiker sei. Natürlich ein wenig diplomatischer vorgetragen. Dass meine Vorbehalte weniger mit meiner Herkunft zu tun haben als mit Menschenverstand, musste ich ihr nicht auf die Nase binden. Gerade von Physik habe ich trotz Vater, Bruder und Ex-Mann dieses Metiers wirklich keine Ahnung. In jedem Fall wirkte meine Intervention. Es hieß, erst Entfernen, dann Dämmen. Dass ich es mit echten Fachleuten zu tun hatte, zeigte sich in den anschließenden Diskussionen. Meine Lieblingszitate daraus kommen, wenig überraschend, von Frau+Vorname: „Haben Sie das Redstone-Video gesehen? Da wird alles sehr gut erklärt.“ und „Darf man auf Styrodur direkt Redstone kleben? Das weiß ich nicht.“ Auf letzteres hatte der Fachmann für was auch immer keine Antwort, meinte ich doch körpersprachlich wahrzunehmen, dass er besagtes Erklärvideo entgegen seinen Beteuerungen noch nicht angesehen hatte. Macht immer wieder Spaß mit Profis zusammenzuarbeiten. Unterdessen ist mein Schlafzimmer zwar nicht mehr nutzbar, weil der Putz an den Wänden trocknen muss und der dortige Dreck auf dem Fußboden selbst vom Sohn als störend empfunden wird, aber was soll‘s. Meine Expertise besteht nicht zuletzt darin, im Wohnzimmer zu übernachten. Auch wenn das die Distanz zwischen Schlaf- und Arbeitsplatz auf ein Minimum von etwa einem Meter verringert. Somit kann ich mich arbeitend und schlafend an den schönen Blumen erfreuen. Es ist nicht alles schlecht.



Dienstag, 26. Januar 2021

Beschäftigung

Heute soll mir die Arbeit helfen, meiner Aufregung Herr zu werden. „Danke für meine Arbeitsstelle... lalala...“ Leider ist es keine Vorfreude sondern Nervosität. Der Sohn hat am Morgen eine Operation. „Entfernung eines zystischen Tumors am Handgelenk“ stand auf dem Überweisungsschein. Als ich die Diagnose im Beisein des Sohnes laut vorlas und das angegebene „re“ professionell durch „rechts“ ersetzte, war er erstaunt. Er hatte sich schon gefragt, was die zwei Buchstaben zu bedeuten haben. Manchmal wirken die volljährigen Kinder wieder ganz klein. Aber das ist wahrscheinlich nur meine verblendete Mutterperspektive. Der Eingriff zwingt uns, früher aufzustehen. Was umso anstrengender ist, als ich ob meiner Sorge ohnehin schlecht geschlafen habe. Es war zusätzlich wenig hilfreich, dass die Tochter nachts wahlweise neben oder unter mir irgendwelche Videos mit laut blökenden, amerikanischen Stimmen hörte. So sehr sie sich auch freut, dass ihr Bruder ihr einen YouTube-Premium-Account spendiert hat, irgendwann muss doch dieses neumodische Internet mal leer geguckt sein! Immerhin war die Ruhestörung gut dafür, meine Gedanken von Vollnarkose, Wundschmerz und Ähnlichem weg zu kanalisieren. Dafür sollte ich dankbar sein. Überraschend finde ich nach längerer Überlegung, dass ein solcher Eingriff heutzutage ambulant vonstatten geht. Am Ende bedeutet es, dass ich neben mindestens acht Stunden bezahlter Arbeit ehrenamtlich Schwester Antje geben darf, vermute ich. Nicht weil der Sohn es forderte, sondern weil es die verordnete Nachsorge ist. Immerhin qualifiziert mich meine Müdigkeit für den Job. Ein Gutes hat die Operation: ich konnte den heute avisierten Besuch der vermeintlichen Architektin abwenden. Sie mag zwar eine Migränetante sein, die wenig Plan hat, aber wenigstens ist sie so gut erzogen, dass sie dem Sohn „alles Gute“ wünscht.

(Blumen bitte außerhalb des Krankenzimmers!)

Freitag, 22. Januar 2021

Prognoseanpassung

Leider muss ich meine Vorhersage für die letzten 24 Stunden von gestern revidieren. Sie waren eher kein Feiertag, sondern mehr zum Ärger angetan. Vielleicht gut, dass ich mein neues Lieblings-Tool, die Säge für frisches Holz, außerhalb meines direkten Zugriffs verstaut habe. Zu lange gearbeitet: Schwamm drüber! Am Nachmittag freute ich mich noch, dass es außer dem schwammigen „Schnellstmöglich“ endlich eine Ansage gab, ab wann die verschärfte Maskenpflicht nun in Hamburg gelten solle. Prima, dachte ich, ab Freitag. Bis mir auffiel, dass es genau genommen schon Donnerstagnachmittag war. Als ich also, zu spät, meine Heimarbeit einstellte, beschloss ich, mir in Gottes Namen endlich diese FFP2-Masken zu besorgen. Wenngleich einigermaßen unmotiviert, habe ich doch unterdessen eine Vielzahl an Stoffmasken, die zu Outfit und/oder Stimmung passen. Guter Plan, aber schlecht in der Ausführung. Die Apotheken waren natürlich schon geschlossen („Aufgrund der aktuellen Lage eingeschränkte Öffnungszeiten“ - hervorragend geeignet, um das Aufkommen im Geschäft zu erhöhen). Auch „Einmal Hin Alles Drin“ hielt sein Versprechen nicht. Keine passenden Masken. Unverrichteter Dinge kehrte ich nach Hause zurück. Morgen sollte ja auch noch ein Tag sein. Ich erkor die heutige Mittagspause als neuerliche Gelegenheit. Da waren sogar noch welche verfügbar. Zähneknirschend kaufte ich ein paar der langweiligen weißen Dinger und steckte sie fürs Erste in meinen Rucksack. Um dann schnell noch etwas zu essen einzukaufen. Um mich herum viele Kunden mit schlampig aufgesetzten, ausgeleierten Einwegmasken, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Während ich noch ein vorerst letztes Mal eine meiner Snoopy-Masken (die mit eingelegtem FFP2-Filter) ausführte. Was an den schlabberigen, dünnen Varianten, die ich rechts und links sah, nun besser sein soll als an mehrlagigen Stoffmasken, muss mir auch erst erklärt werden. An der Kasse wies mich die Verkäuferin, selbstverständlich maskenlos, darauf hin, dass ich kein statthaftes Modell trage. Nur meiner guten Beherrschung und meiner Rücksicht aufs gebeutelte Kassenpersonal ist zu verdanken, dass ich ihr nicht an den Hals ging. Zum Glück hatte ich anders als sonst keine Säge oder keinen Vorschlaghammer zum Einkauf mit.

Donnerstag, 21. Januar 2021

Einjähriges I

Heute gibt es etwas zu feiern. Ich könnte mir glatt überlegen, am späteren Abend den - ohnehin nicht konsequent durchgezogenen - Dry January auszusetzen. Allerdings würde es nicht so ein erlesener Tropfen wie vor einem Jahr. Downgrading ist in diesem Punkt nicht statthaft, fürchte ich. So bleibt es wahrscheinlich bei einem verrückten Tonic oder Vergleichbarem. Als erstes Einjähriges dieses jungen Jahres begehe ich heute das Scheidungsjubiläum. Es gab schon weniger triftige Gründe zum Feiern. Ich freue mich über ein Jahr, in dem mir unsere Wohnung allein gehört, in dem ich dennoch nicht auf Heiratsschwindler hereingefallen bin, in dem ich die Kontakte zum Vater meiner Kinder aufs Minimum beschränken konnte, im dem ich nun wirklich keinen Ehebruch mehr begehe, in dem ich keine Wohnungsunterlagen mehr zusammensuchen und keine Anwaltstermine wahrnehmen musste. Natürlich zeigen sich auch Schattenseiten auf. Stellte ich doch letzthin bilanzierend fest, dass es positive Aspekte des Zusammenlebens mit dem Ex-Mann gab: niemand, den ich kenne - und ich schon mal gar nicht, kann so ordentlich Spannbettlaken zusammenlegen wie er. Dafür bestehen meine Fähigkeiten vor allem darin, dass ich mir Haltbarkeitsdaten vieler Produkte im Haushalt ungestützt merken kann. Es wurden schon Ehen aus nichtigeren Gründen geschlossen.

(Leider nicht mehr vorrätig.)

Mittwoch, 20. Januar 2021

Spätfolgen des Brauchtums

Derzeit plagt mich nicht ein Muskelkater, nein, es sind gleich multiple. Sie resultieren weniger aus dem neuen Crosstrainer, den ich brav und vorsatzgetrieben frequentiere. Vielmehr rühren sie vom Abwracken des Weihnachtsbaumes her. Leiterauf, leiterab, um den Schmuck anzuhängen, wäre wahrscheinlich ob des Trainings (s.o.) noch gegangen. Doch dabei blieb es nicht. Hatte ich doch letzte Woche vorausschauend eine Handsäge bestellt, die wegen ihres ausgeprägt grobzackigen Blatts besonders „für frisches Holz geeignet“ sei. Was soll ich sagen? Eigentlich wollte ich den Baum nur auf die zulässige Länge von unter 250 cm kürzen und die beiden Teile vor die Haustür expedieren. Doch sagte mir mein Nachbarschaftsscan, dass kein einziger fremder Tannenbaum mehr auf dem Trottoir lag. Die offizielle Abholung war wohl vorbei. Also sägte ich alle Zweige ab - ein dichter, gut drei Meter hoher Nadelbaum hat ganz schön viele - und zersägte den Stamm in kamin- oder grilltaugliche Stücke, der nächste Sommer kommt bestimmt - auch dafür musste ich bei drei Metern kann schön viel sägen. Als ich ungefähr zwei Drittel der Arbeit erledigt hatte und meine Hände wahlweise nicht mehr von der Säge oder vom Stamm bekam, weil sie so harzig waren, fiel mir ein, dass Handschuhe vorteilhaft gewesen wären. Die besten Ideen kommen meistens zu später Stunde. Merke: klebrige, nadelige Hände lassen sich nur schwer in Handschuhe stecken. Die anspruchsvollste Handwerksarbeit war die direkt am Weihnachtsbaumständer. Ihn wollte ich trotz meines amtlichen Sägewahns gerne in die nächste Saison retten. Bis auf ein paar Kerben in den Halterungen scheint es mir gelungen zu sein. Am Abend selbst war ich im wesentlichen echauffiert. Die Tage danach zeigten jedoch, dass meine Heimwerkertätigkeit Muskeln beansprucht hat, die Homo Officensis nicht einsetzen muss. Da hilft auch die Badewanne nur bedingt. Dabei habe ich mich um die Entsorgung der (vielen) Zweige nicht einmal gekümmert. Wollte ich damit doch auf die Rückkehr des Sohnes und auf weniger Regengüsse warten. Die Folge ist, dass die Zweige (einige) weiterhin große Teile des Flurbereichs einnehmen. Falls noch jemand schönes Tannengrün benötigt, ich hätte einiges abzugeben.
Trotz allem positiv anzumerken: Nun habe ich einen Ballsaal zum Wohnzimmer. Warum ist mir das vorher nie aufgefallen? 

Sie nennen es: Cerrado por fin de temporada.

Sonntag, 17. Januar 2021

Traditionell

Heute berufe ich mich auf alte Familientraditionen. In der Familie meiner Urgroßeltern mütterlicher-mütterlicherseits war es üblich, den Weihnachtsbaum noch mindestens bis zum Geburtstag meiner Großtante in der Wohnstube zu belassen. So halte ich es nun auch. Heute noch ein letztes Mal weihnachtliche Stimmung, ehe der ganze Schmuck für ein Jahr eingemottet wird. Was im Berlin des beginnenden 20. Jahrhunderts wohl nicht untypisch war, ruft im Hamburg der 2000er bestenfalls Verwunderung hervor. Schon bald nachdem alle Kerzen erleuchtet waren, hörte ich die ersten Kommentare an meinem Wohnzimmer vorbeilaufender Menschen. Dank schlechter Fensterisolation kann ich sie selbst drinnen verstehen.. Energetisch Nachteiliges ist nicht nur schlecht. Besser ich weiß, was die Mitmenschen von mir denken. Meine Freude an Lichtern, Geruch und festlicher Stimmung lasse ich mir ohnehin nicht kleinreden. Vielleicht bin ich sogar nicht die einzige, die sich daran erfreut. Wenn die Theorie der Tochter zutreffen sollte, dass die Patientinnen und Patienten des Krankenhauses gegenüber den Baum auch sehen können und der Anblick sie glücklicher stimmt.



Samstag, 16. Januar 2021

Es geht voran

Zu meiner Freude endete diese Arbeitswoche bereits am Freitagabend. Es geht bergauf, denn ich kann einen positiven Trend gegenüber der Vorwoche erkennen. Umso besser, dass der Frondienst früher pausierte, weil es so viel zu verarbeiten galt. Ich habe live Menschen gesehen. Ich habe einen Geburtstag ausgerichtet. Bekam darauf viel positive Resonanz. Am überraschendsten war die helle Begeisterung der Kinder, als ich meinen Plan vortrug, als Geburtstagsabendessen meinen guten alten Nudelauflauf zu kredenzen. „Den machst du am allerbesten!“, „Das ist wirklich ein Wohlfühlessen.“ und die Vorgabe, er müsse unbedingt in der blauen Souffléform zubereitet werden, sonst sei er nicht echt, waren die einstimmigen Reaktionen der Brut. Der Sohn verwunderte mich allerdings auch als er vorgestern fragte, wie lange ich eigentlich noch vorhabe, den Tannenbaum stehen zu lassen. Ich rechnete mit Kritik, das Ding störe bei der Sicht auf den Bildschirm oder ähnlichem. Stattdessen meinte er mit Griff in die Zweige anerkennend: „Der verliert überraschend wenig Nadeln, dafür dass er schon fast einen Monat hier steht.“ Kein Wort davon, der Baum müsse weg. 
Am meisten habe ich mich gestern allerdings selbst überrascht, als ich beim Gießen der Geburtstags-Deko-Pflanzen feststellte, dass die Blumentöpfe zu beleuchten sind. Wie viel beeindruckender wäre der Tisch gewesen, wenn ich früher um dieses Feature gewusst hätte! Die Raumfahrtforschung ist also doch für einiges gut.



Dienstag, 12. Januar 2021

Mal was Schönes

Der Übergang vom letzten Wochenende zur neuen Arbeitswoche verlief fließend, wenn nicht gar unbemerkt. Hätte das frühe Weckerklingeln eigentlich die Zäsur markiert, erwies sich der Alarm als unnötig. Ich war Montagfrüh (manche, mich eingeschlossen, sagten „Nacht“) ohnehin wach und wälzte Jobthemen. Selbst die bekannte Glascontainer-Leerung neben meinem Ohr an der Matratze konnte um 6:38 Uhr nichts mehr ankündigen, was nicht ohnehin klar gewesen wäre. Neben ein paar Stunden mehr oder weniger bezahlter Arbeit war das Wochenende geprägt durch Vorbereitung auf den ersten Saisonhöhepunkt des Jahres: den Geburtstag der Tochter. Nicht dass die Schnapszahl der Lebensjahre derzeit irgendetwas besagte. Daher versuchte ich, die allgemeine Freudlosigkeit zumindest in Sachen Tischdeko etwas aufzufangen. Wobei ich gestehe, die Farbgebung griff eher die Stimmung auf, als dass sie etwas gegen Tristesse täte. Erschwert wurde das Projekt durch eingeschränkte Besorgungsmöglichkeiten. Man kennt das. Bis Samstagnachmittag versuchte ich, Zutaten für meinen Plan einzukaufen. Den Rest des Tages und des Abends widmete ich mich dem Backen. Heidesand und Baumkuchen waren das Ziel. Für Letzteren hatte ich mir in den Kopf gesetzt, er solle golden werden. Das Goldpuder verteilte ich am Sonntag auf das Backwerk. Ordnung und weitere Dekobemühungen waren das folgende Projekt. Immerhin blieb als Ausgleich Zeit für einen Alsterspaziergang. Danach wieder der Frondienst. Mein schwerstes Unterfangen war dann, der Tochter - die mit einem Wintergeburtstag wirklich Kummer gewohnt ist - beizubringen, dass mich andere Verpflichtungen nicht in die Lage versetzen, vor 17 Uhr gebührend die Korken knallen zu lassen. Sie nahm auch das mit Fassung. Um meine wiederum war es geschehen, als sie vorsichtig fragte, ob eine Freundin zu ihrer orgiastischen Feier kommen dürfe. Was für eine Frage. Traurige Zeiten, in denen Kindern nicht ansatzweise Gäste gemäß ihrer Lebensjahre erlaubt sind. Und statt fetter, fetter Party Kaffeetrinken mit Muddie auf dem Programm steht. 
Unerschütterlich fand sie alles schön. Die eher spärlichen Geschenke und meine Dekoration: „Mama, der Disclaimer (ich könne dieses Jahr aus Gründen nicht adäquat für die Deko sorgen) wäre nicht nötig gewesen. Das ist der schönste Geburtstagstisch!“. Lediglich meine goldenen Zahlenballons waren nicht ganz ihr Stil („Das ist mir zu Instagram.“), aber ein schönes Detail fand sie sie trotzdem. Ich glaube, ich habe nicht nur die beste Tochter der Welt, sondern auch eine der genügsamsten. Und das schon seit 22 Jahren.



Freitag, 8. Januar 2021

Gute Idee, machen wir auch nicht!

Den guten Vorsatz, im neuen Jahr weniger zu arbeiten, kann ich bereits in Kalenderwoche 1 als gescheitert ansehen. Wenn Freitagabend bereits etwa 50 Wochenarbeitsstunden auf der Uhr sind und bis Montagfrüh noch einiges erledigt werden muss, sollte dieses Projekt fürs Erste zu den Akten gelegt werden. Meine Zeitnot wird nicht kleiner durch den Geburtstag der Tochter am Montag.Wenn sie schon keine Gäste haben darf, muss doch die Mutter an ihrem Ehrentag wenigstens für etwas Unterhaltung und Kuchen sorgen.
Meine Vorstellung, den Weihnachtsbaum bis Ultimo stehen zu lassen, erfährt auch Hindernisse: ich komme an keine Kerzen mehr. Unterdessen habe ich in allen umliegenden Drogerien schon alle Kindergeburtstagskerzen aufgekauft, um den Baum am Montag passend umzufunktionieren. Danach bin ich kerzenlos, fürchte ich. Es wird wieder einmal deutlich, dass ich in der Werbung arbeite. Ich habe zwar keine Zeit und aus Gründen auch keine echten Geschenke, aber Präsentation und Optik werden super.

Donnerstag, 7. Januar 2021

Mein Freund, der Baum

In Zeiten wie diesen hilft es ungemein, einen geschmückten Weihnachtsbaum im Wohnzimmer stehen zu haben. Gestern konnte ich nicht nur standesgemäß „Reyes“ feiern, indem ich am Abend die 29 Kerzen ansteckte, ich konnte anschließend auch kontemplativ auf die Lichter starren. Für einen Moment konnte mir gleichgültig sein, was in der Welt oder auf meinem Telefon passierte, denn ich befand mich inmitten spätweihnachtlichen Glanzes. Andere haben einen Kamin (der in unserer Wohnung leider nicht einzurichten war), ich habe einen Baum. Der Sohn war nicht ganz so feierlicher Stimmung wie ich. Er probierte lieber aus, ob die Kerzen wirklich nicht ausgehen, wenn er mit aller Kraft durch seine FFP 2-Maske pustet (tun sie nicht). An manchen Stellen merke ich eben doch, dass er ein paar Physiker in seiner näheren Verwandtschaft hat.

Im Zuge des verlängerten Shutdowns sollte ich überlegen, den Baum als Ausgleichsmöglichkeit auf jeden Fall bis Ende Januar bei uns zu lassen. Wen kümmert schon der versperrte Arbeitsplatz (beziehungsweise der nicht ganz so kommode Ersatz am Küchentisch) oder dass der Baum am Ende nicht mehr von der Hamburger Stadtreinigung abgeholt wird? Letzteres ginge ohnehin nicht problemlos, da er die zulässige Abhollänge von 2,50 Meter überschreitet. Ich rechnete sowieso damit, ihn kleingeschreddert in der Biotonne versenken zu müssen. Apropos: Was das Wohlbefinden überhaupt nicht fördert, ist das nächtliche Schrappen eines Schneeschiebers auf Kopfsteinpflaster. Es hält nämlich vom Schönheitsschlaf ab. Nutzlos ist es außerdem, wenn mindestens 90% des Schnees bis zum Morgengrauen geschmolzen sind und sich das norddeutsche Wintergrau wieder in voller Pracht präsentiert.

Mittwoch, 6. Januar 2021

Living on the Edge

Im Nachhinein war es noch sinnvoller, den Sonntag vor dem ersten Arbeitstag des Neuen Jahres auswärts zu verbringen. Wir entschieden uns für die Ostsee an der nächsten uns bekannten Stelle, an der sie schon als Meer und nicht als Binnengewässer auszumachen ist. Gebucht mit allen Schikanen: Sandwiches (zugegeben, Leftovers vom High Tea des Vortages), Tee und sogar einem Fähreneinsatz. Letzterer - beziehungsweise das Warten auf die Fähre - verhalf, Regenphasen zu überbrücken und die baltische Vogelwelt zu beobachten. Völlig anders als bei uns. Schwäne auf dem Trockenen, Lietzen und Enten, die auf dem kabbeligen Wasser wipperten, Krähen, die sich um essbare Schätze stritten und Möwen in der bewegten, wenngleich grauen Luft. Doch nicht nur ornithologisch kamen wir auf unsere Kosten, auch maritim hatte die Szenerie einiges zu bieten. Vom Erkenntnisgewinn ganz zu schweigen. Seit dem 3.1.2021 ist mir klar, warum wir die Briten nicht mehr in der EU haben wollen: Wenn sie uns Schiffe des Namens „Corona Sea“ aus London in unsere Gewässer schicken, müssen sie sich nicht wundern.

Wie gut, dass wir im Schutz des Autos saßen.
Am Strand tobte der Wind. Ich überlegte, aus Kältegefühl die Maske aufzusetzen, was ich am (voll isolierten) Kassenhäuschen der Fähre eben noch als Spleen der Schleswig-Holsteiner angetan hatte, aber selbstverständlich trotzdem befolgte. In jedem Fall war ich froh über die Plustemperaturen, fühlten doch sie sich schon wie Eisregen im Gesicht an. 

Kilometerweit stapften wir bei Gegenwind durch den Sand. Sogar an der Stelle vorbei, von der wir annahmen, sie könnte die Zonengrenze markiert haben. Ab dem Moment (undefiniert) befanden wir uns im illegalen Bereich. Akzeptierte doch Mecklenburg-Vorpommern keine Tagestouristen. Wir waren von der Nachbarin vorgewarnt, dass das Verbot durchaus ernst genommen werde und sie auch im Grenzgebiet Strafen verhängen. Wenn sie jedoch ihre unmenschliche Grenze nicht kennzeichnen, können sie sich eigentlich nicht beklagen. Es blieb ein Wagnis. Um unsere Nerven nicht überzustrapazieren, nahmen wir das Picknick lieber auf dem guten Alt-Bundesländer-Parkplatz ein. Da war es außerdem ein wenig windgeschützter.

Sonntag, 3. Januar 2021

Neues Spiel, neues Glück

Eigentlich dachte ich, ein Jahr kann nicht schlecht starten, wenn es am Neujahrsabend mit einem Tatort aus Weimar beginnt. Vor allem nachdem das Jahr gegenüber Referenzwerten weniger verkatert anfing, die wenig störendere Helligkeit mit einem Spaziergang ausgenutzt werden konnte, es anschließend - wie am Vorabend im letzten Jahr - leckeres Essen und das eine oder andere Glas Wein vor dem Fernseher gab. Doch auch der ansonsten gute Start konnte nicht verhindern, dass mein Fernsehorakel daneben lag. 2021 kann nun doch nichts mehr werden, wenn sie einfach den Lieblingskommissar über die Klinge springen lassen. Lange Zeit klammerte ich mich an den Gedanken, es werde ausgehen wie bei Dallas. Bobby Ewings Tod nur ein böser Traum und so. Aber nein, die Schweine haben Herrn Lessing echt sterben lassen. Selbst wenn sie diese Folge produziert hatten: auf diese Weise schafft die ARD keine Durchhaltemotivation. Diesen Tatort hätten sie schon der Diskussion um GEZ-Gebühren wegen unter Verschluss halten müssen. Ich sehe jetzt leider doch schwarz für 2021.

(Sinnbild: Neujahr in der Hansestadt)