Freitag, 31. Juli 2020

Warum nicht gleich so, Sommer?

Der Juli hat sich im Norden aufgespart. Erst am letztmöglichen Tag präsentiert er sich hier endlich sommerlich. Irgendwie stellt sich die Frage, warum er das nicht früher geschafft hat. Vermutlich hat es mit dem Naturgesetz zu tun, das besagt, mit Beginn der Sommerferien wird das Wetter kalt, um frühestens gegen Ende etwas freundlicher zu werden und sich mit Beginn der Schule im besten Freibadmodus zu präsentieren. Dieses Jahr fällt das erste ernst zu nehmende Sommerhoch außerdem selbstverständlich mit dem Ende meiner Kurzarbeit zusammen. Es ist schließlich 2020. Apropos kurz, die letzte Woche mit reduzierter Arbeitszeit stand bei mir ansonsten ganz im Zeichen der Coiffure. Wunderbar, diese Studien zu betreiben, wer die fehlenden gut 15 Zentimeter wohl bemerkt. Der Ex-Mann schon einmal nicht. Damit war trotz Live-Begegnung auch nicht zu rechnen. Die Freundin/Mitbewohnerin der Tochter schon. Sie war zugegeben vorgewarnt, da ich im Vorfeld bereits über den Friseurbesuch sprach. Unbemerkt blieb die „freshe Frise“ - wie die Brut sagte - von den zahlreichen Bekannten, die ich am Dienstagabend traf. Überraschend hingegen kam das Statement einer Nachbarin, die ich nicht zu meinem inner circle zähle bzw. zu deren ich auch nicht gehöre (und das ist auch gut so). Sie sprach mich vor dem Haus auf die drastisch gekürzten Haare an und schob artig ein „Sieht gut aus.“ hinterher. Eine ähnliche Reaktion wie die nicht vollständig ungestützte eines mir bekannten Herrn, der salomonisch meinte, ich sehe mit langen wie mit kürzeren Haaren gut aus. Meine N=1-Studie bestätigt wieder einmal, dass Frauen mehr auf Frisurthemen anspringen als Männer. Meine Testreihe ist allerdings unvollständig, da Tochter und Sohn wegen Abwesenheit nicht an ihr teilnehmen können (und das ist für den Moment auch gut so). Ich hege dennoch den Verdacht, dass sie das Studienergebnis nicht komplett herumgerissen hätten. 

Romantik! (Oder: „Moon Over Burner Street“)

Mittwoch, 29. Juli 2020

Trotzdem Deluxe

Eigentlich hätte es mein mondäner Montag werden sollen. Endlich der Corona-Matte Einhalt gebieten und in der Mittagspause zum Friseur gehen. Auch wenn die Tochter im Vorfeld anmerkte, „Mall Friseure gelten in den USA als die schlechtesten Billigfriseure“, fand ich meine Wahl erlesen. Ich konterte, die deutsche Entsprechung seien vermutlich eher Kaufhausfriseurketten. Und wirklich, ich fühlte mich rundum umsorgt. Die Friseurin war sehr zuvorkommend. Als ich ihr sagte, ein weiterer Grund, mich von vielem Haar zu trennen, liege in der Hoffnung, dass mit weniger verknoteten Haaren vielleicht nicht mehr so viele ausfielen, fragte sie mich, ob ich eine Vermutung habe, woran der Haarausfall liege. Ich antwortete nur kurz: „Das Alter.“ Darauf sie: es könne auch an der Schilddrüse liegen. Lieb gemeint, aber ist schon ok so. Beim Schneiden kam dann eine weitere Charmeoffensive. Ob das meine echte Haarfarbe sei. Ich war etwas perplex. Wer sollte sie sich so färben? Schließlich wurde mir doch schon relativ früh in meinem Erwachsenenleben von der Mutter eines Crushs attestiert, ihr Sohn sei ja blond, aber ich habe „eine Arme-Leute-Haarfarbe“. Unnötig zu erklären, dass ich in ihren Augen nicht genügte. Doch die Frage der Friseurin war ernst gemeint, denn sie lobte anschließend den schönen „Karamellton der hellen Strähnen“, das müsse sie sonst bei ihren Kundinnen immer „mühevoll faken“. Wieder etwas dazu gelernt. Beeindruckend fand ich wieder einmal die Ausdauer, die sie an den Tag legte. Nach kürzester Zeit hätte ich an ihrer Stelle gesagt, sieht ganz ok aus, lohnt nicht wirklich, jetzt noch weiter zu schneiden oder zu föhnen. Aber nein, sie machte hart gegen sich selbst weiter.
So kam es, dass ich mich sehr wohl und insgesamt aufgewertet fühlte, als ich mich wieder auf den Weg ins heimische Kontor machte. Bevor ich meine Arbeit wieder aufnahm, schickte ich dem Chef schnell noch eines meiner unrühmlichen Selfies, um die verlorenen 15-20 cm zu dokumentieren. Über seine Antwort „Siehst deutlich jünger aus. Sorry“ sinniere ich noch immer. Meint er, mit den kürzeren Haaren sehe ich im Jahre verjüngt aus? Oder dass ich in echt viel jünger wirke als auf dem blöden Selbstbild? Bestimmt beides. 



Montag, 27. Juli 2020

Kleineres Übel

Selten habe ich eine solche Todesverachtung gesehen wie im Blick einer Nachbarin, als sie sah, wie eine andere auf unserem Parkplatz ein Auto verkaufte. Es war so:
Freitagmittag, ich kochte Marmelade der Sorte „Kurzarbeit“. Da die Tätigkeit im wesentlichen aus minutenlangem Rühren besteht, konnte ich blockwärtinnengleich wunderbar beobachten, was auf dem Parkplatz vor sich ging. Eine Nachbarin verkaufte ein nicht mehr voll funktionsfähiges Auto an zwei tätowierte Polen. Den Kaufvertrag unterschrieben sie auf der Motorhaube. Dabei rollte der Kugelschreiber mehrfach auf den Boden, den der eine Käufer ihr stoisch immer wieder aufhob. Dann wechselten einige grüne Scheine den Besitzer resp. die Besitzerin. Während des Handels brachte die selbsterklärt einzige Öko-Hardlinerin unseres Hauses im üblichen Stechschritt die Biotonne geleert vom Straßenrand an ihren eigentlichen Aufenthaltsort zurück. Trotz hoher Geschwindigkeit bemerkte sie die Transaktion mit 3-in-1-Fehler (1. Auto, 2. Kapitalismus, 3. falsche Leute). Angeekelt musste sich nun unsere treue Öko-Genossin abwenden, um nicht Gefahr zu laufen, grüßen zu müssen. Egal wie knapp hätte ein Gruß nicht ihre ganze Verachtung ausdrücken können. Blöd nur, dass in 180°-Richtung die marmeladekochende Nachbarin stand, die sie normalerweise auch nicht grüßt, weil die zwar kein Auto hat, aber als Eigentümerin einer viel zu großen Altbauwohnung zum Schweinesystem gehört.
In der modernen Fassung von Scylla und Charybdis aus unserem beschaulichen Dorf bin ich somit zur besseren Variante erkoren worden. Gute Nachbarschaft, so wichtig.

(Apropos Nachbarn, dieses Bild nenne ich: Die meisten Unfälle passieren im Haushalt - und manchmal ist es auch gut so)

Samstag, 25. Juli 2020

Ausgleichssport

Auch ohne konkret allzu viel geplant zu haben, habe ich mich sehr auf meine sturmfreie Zeit gefreut, denn es ist die erste seit etwa einem Jahr. Ich weiß, meine Freude klingt herzlos. Zumal die Kinder schon volljährig sind und ich sie an manchen Tagen in Summe vielleicht nur eine Viertelstunde sehe. Doch allein für zu wenig Kühlschrankinhalt oder das falsche Bewegtbildprogramm kritisiert zu werden, ist nicht jederzeit entspannend.
Zu letzterem: nachdem ich die Prime Time mit Wäsche der Lieblingsstücke verbrachte, die unbedingt mit zu Oma und Opa kommen mussten, versackte ich am späten Abend vor dem Fernseher. Mein unwirsches Zappen führte mich schließlich zu 3sat und „Scarface“, einem Film, den ich der Wahrheit die Ehre noch nie gesehen hatte. Was sich im Nachhinein nicht als Mangel herausstellte, fand ich. Selten einen gut besetzten Film gesehen, den ich weniger fesselnd, dermaßen vorhersehbar und schlecht gealtert fand. Nach Mitternacht sollte die Viertelstunde Zweisamkeit mit dem Sohn stattfinden. Während er durchs Bild huschte, war - wenn der Bildschirm für mich sichtbar gewesen wäre - Al Pacino von hinten in einer Unterhaltung mit irgendjemandem zu sehen. Nach flüchtigem Blick aufs Geschehen sagte der Sohn wie aus der Pistole geschossen „Ah, Scarface.“ und setzte sich aufs Sofa. Kurze Zeit später wusste er noch (ungestützt) den Titel des gerade laufenden, unglaublich schlechten Giorgio Moroder-Songs, den ich natürlich sofort wieder vergaß, sowie das Erscheinungsjahr des Films. Irgendwie schaffen sie es auch nach so vielen Jahren, immer wieder zu überraschen.
Ehe die Kinder heute abreisten, frühstückten wir noch gemeinsam. Anschließend räumte ich ihnen die Sachen hinterher, die sie auf der Reise nicht vergessen sollten. Später noch die herzliche Verabschiedung. Dann kamen fünf Minuten Ruhe, in denen ich mich fragen konnte, ob ich eher Leere oder Freiheit empfinde. Bis die Nachricht kam:

Damit wurde das Wochenende wirklich anstrengend. Wie gesagt nicht wegen des verpassten Programms, das hätte für den heutigen Tag ohnehin nur aus Entrümpelung meines Zimmers bestanden. Vielmehr wegen der asiatischen Gesichtsbeherrschung: die Genervtheit verbergen und sie meine Enttäuschung nicht allzu sehr spüren lassen, schließlich müssen sie mit ihrem eigenen „Scheitern“ fertig werden. Um meine Situation zu meistern, entschloss ich mich, drei Totholzäste mit einer Kindersäge in Kleinholz zu verarbeiten. Sehr zu empfehlen. Sollte ich die Zeit bis Montag (um welche Uhrzeit auch immer) nicht schaffen, bitte ich um Holzspenden. 

Freitag, 24. Juli 2020

Ich wär‘ bereit, Sommer!

Falls ihr euch fragt, warum das Wetter bestenfalls mittelmäßig ist: es liegt an mir. Mea maxima culpa. Seit gestern ist unser Balkon mit einem Sonnenschirm ausgestattet. Wir sind auch erst vor zwölf Jahren hier eingezogen. Gut‘ Ding will Weile haben und so. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir wohl noch immer keinen Sonnenschutz, weil ich - wie in so vielen Belangen - alleine nicht zu Potte komme. Erst als mir ein Freund durch seinen unermüdlichen Einsatz gestern eine Halterung für den Schirm auftat, kaufte, vorbeibrachte und auch noch installierte, war das Werk vollbracht. Leider hatte ich ihm die falschen Direktiven gegeben, so dass ich die Konstruktion anschließend noch einmal umtopfen musste, um den Schatten an der richtigen Stelle zu haben. Erst versuchte ich, über das Balkon gebeugt die Zwingen zu lösen. Über Kopf ging das nicht so richtig. Ich stieg für eine bessere Position also über die Reling. Dass es so besser klappen könnte, war natürlich eine Illusion. Denn bei dieser Aufgabe kamen gleich mehrere meiner Schwächen zusammen: Da wäre zum einen meine angeborene Rechts-Links-Blödheit. Ansagen wie „Rechts- oder linksrum!“ sind für mich vollkommen nutzlos, da die Richtung dann nach dem Randomverfahren verteilt wird. Die Einzige, mit der so etwas funktionieren kann, ist meine Mutter. Sie sagt, ich solle links fahren, ich fahre rechts, und wir sind auf dem richtigen Weg - zumindest manchmal. Zum anderen gäbe es noch meine Unfähigkeit, mit analogen Uhren klarzukommen. „Guck‘ mal, auf drei Uhr ein Reh!“ ist ein Garant dafür, dass ich vieles Schönes sehe, aber bestimmt kein Wild. Ähnliches gilt daher auch für die Anweisung, mit dem oder gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. In meinem Hirn vollkommen austauschbar. Unter uns kann ich es gestehen: niemand hat sich so wie ich über die großflächige Einrichtung der Einhandmischbatterien statt normaler Wasserhähne gefreut wie ich. Der Wahrheit die Ehre habe ich mir noch bis ins Erwachsenenalter gerne von anderen das Badewasser einlassen lassen, weil ich es mit herkömmlicher Wasserzufuhr selten ohne Verbrühungen oder Erkältungen geschafft habe.
Zurück zum Schirm. Ich drehte also wahllos an den Schrauben herum. Im Zweifel so, dass ich die Dinger nur noch fester zudrehte. Irgendwann schaffte ich zumindest die Zwinge, die den Schirmstock hielt. Deren Schraube war auch leichter, denn sie ist seitlich angebracht. Die der eigentlichen Halterung hat mich richtig fluchen lassen (der Sohn hätte seine Freude daran gehabt... obwohl... wenn er dabei gewesen wäre, hätte ich ihn sofort für den Job verhaftet. Doch am Ende hätten wir uns darüber gestritten, wer von uns die linkeren Hände hat, und ich wäre argumentativ von ihm niedergeredet worden.), sie liegt unter der Zwinge. Letztendlich habe ich es nur mit Gewalt, geschlossenen Augen und der Vorstellung geschafft, ich drehte eine kaputte Glühbirne - spätestens danach wäre sie zerstört! - aus der Fassung. 
Egal. Hinten kackt die Ente, das Ergebnis zählt! Wir haben jetzt Regen.



Mittwoch, 22. Juli 2020

Fast heiter

Wie gut, dass meine interne Zeitrechnung Mitte März stehen geblieben ist. So bereitet mir das zum Teil nass-, aber vor allem kalte Wetter weniger Schwierigkeiten. Außerdem kann ich nach den letzten Tagen immerhin ausschließen, bipolar zu sein. Himmelhochjauchzende Phasen kann ich an mir nicht beobachten. Stattdessen stellen sich wichtige Fragen wie: Warum habe ich keinen Antrieb aufzustehen? Warum sehe ich die Kinder so wenig? Warum muss ich mich mit lästigen Jobs und anderen Arbeitsthemen herumschlagen? Warum wird trotz kalten Wetters Essen so schnell schlecht? Warum habe ich Kopfschmerzen (und zwar echte!)? Warum tummeln sich so viele fette Fliegen auf meinem Balkon (Liegt unter ihm gar eine tote Katze? Das immerhin wäre ein Lichtblick!)? Warum sehe ich so alt aus, wie ich mich fühle? Warum schlafe ich schlecht? Warum friste ich noch immer ein wenig selbstwertsteigerndes Dasein in Kurzarbeit? Warum verzögern sich die Erscheinungstermine für die Bücher meiner Lieblingsautoren?
Am Ende heitert mich zumindest eine Sache auf. Dass ich ab dem Wochenende für ein paar Tage sturmfrei habe.

(Ich nenne es: Kinder, das wäre doch nicht nötig gewesen!)

Sonntag, 19. Juli 2020

Inakzeptabel

Oftmals ärgere ich mich im Nachhinein, nicht konsequenter oder manchmal gar dreister meine eigenen Interessen durchzusetzen. Doch dafür scheue ich wohl die Konfrontation. Ich schlage nie mit der Faust auf den Tisch, ich sage nie „Du Arschloch!“, auch wenn ich es gar nicht mal so selten denke. Anpassung, Harmoniesucht oder einfach nur Feigheit halten mich davon ab, zu direkt unliebsame Positionen zu beziehen. Da finde ich es oft bewundernswert, wenn andere unbeirrt ihr Ding durchziehen, egal was die anderen denken. Doch meine Bewunderung kennt auch Grenzen. Dann finde ich meine Nicht-Hardliner-Haltung gar nicht so verkehrt. Sollte ich zum Beispiel jemals in die Situation kommen, zu einem Zusammensein der Nachbarn zu stoßen, mich und die anderen zu fragen, ob meine Anwesenheit erwünscht sei, darauf „Nein!“ zur Antwort zu bekommen, dann setzte ich mich nicht dazu. Doch wenn ich zufrieden mit meiner Art bin, liegt es am Ende leider nur daran, dass ich die Messlatte an der untersten Stelle angesetzt habe. Schließlich pflege ich anders als besagter Nachbar nicht, trotz fortgeschrittenen Alters - zugegeben attraktive - Nachbarskinder (im Alter meiner eigenen) zu belästigen, so dass sich diese am liebsten nur noch an der Wand entlang drücken, um nicht gesehen zu werden. Ich erteile übrigens hiermit den Freibrief, mich zu erschießen, sollte ich jemals so werden. 
Wenn wir am Tag danach zur Verarbeitung ebendieser traumatischen Nachbarschaftserlebnisse einen Sonntagsspaziergang unternehmen, ist es nicht fair, von ähnlich wenig wohlmeinenden Mitmenschen mit der Nase darauf gestoßen zu werden, dass bis Weihnachten auch nur ziemlich genau fünf Monate Zeit sind.



Freitag, 17. Juli 2020

Wenn’s sonst keiner tut

Es ist der Moment gekommen, an dem ich mich einmal selbst loben muss. Für mein vorbildliches Klopapier-Management. Gestern nämlich musste ich das erste Mal seit dem Lockdown für unseren Haushalt Toilettenpapier kaufen - und gestern herrschte daran definitiv kein Mangel mehr. In weiser Voraussicht hatte ich im letzten Jahr auf hülsenloses Papier umgestellt. Meines Erachtens seit Menschengedenken die beste Erfindung dieses Sektors; vor allem wenn Teenagerkinder im Haushalt leben. Es erspart der Umwelt im Zweifel nicht viel, aber Eltern die selbstverständlich nicht im Altpapier untergebrachten, leeren Rollen. In mindestens genauso weiser Voraussicht hatte ich Anfang März noch ohne Not für jede Toilette des Haushalts eine Packung besorgt. Genau genommen hatte ich altersgemäß Coupons für ebenjenes favorisierte Produkt bekommen und auch genauso altersgemäß eingelöst. Ich muss wohl einen siebten Sinn gehabt haben, denn richtig notwendig war der Kauf zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vielleicht lag es auch nur an der Haltbarkeit der Gutscheine. Das Alter und die Erinnerung, ihr kennt das. So oder so ersparte es mir, mich in diesen unwürdigen Eiertanz um Hamsterprodukte einzureihen. Zumindest fast, denn einmal musste ich doch daran teilnehmen: damals, als die Eltern im bekanntermaßen strukturschwachen Nordrhein-Westfalen in dieser Hinsicht auf dem Trockenen saßen (falsches Bild, ich weiß!). Hier im beschaulichen Dorf erinnern uns aktuell zum Glück nur noch die Reste des 5kg-Sacks Nudeln vom italienischen Feinkosthändler an die schlechte, alte Zeit. Und ich hoffe, das bleibt auch so.

Dienstag, 14. Juli 2020

Rehabilitation

Über den Montag dieser Woche gibt es ausnahmsweise  Positives zu berichten:
Erstens war er nicht ganz so mies wie der der Vorwoche.
Zweitens regnete es nicht - und die Temperaturen waren schon fast gut.
Drittens sind viele Nachbarn im Urlaub - und auch verreist.
Viertens blieb uns das tiefe Loch erspart, in das wir gefallen wären, wäre am Vorabend die EM zu Ende gegangen.

Montag, 13. Juli 2020

Der feine Unterschied

Während vielerorts das Wochenende am Freitag um 18 Uhr mit Kirchenglocken eingeläutet wird, wird es in unserem nicht immer beschaulichen Dorf mit Leerung zweier Altglascontainer am Montag um 6:30 Uhr eindrucksvoll abgeschlossen. Die Endgültigkeit des Letzteren wird durch die kurze Distanz zwischen Altglas und Ohr deutlich erhöht. Trotz fehlender Zugehörigkeit zu einer christlichen Glaubensgemeinschaft finde ich das erstgenannte Konzept einleuchtender.

Sonntag, 12. Juli 2020

Besser war’s

Hinter uns liegt ein Wochenende mit Garten Roden, Äste Absägen und Biomüll Entsorgen. Der Nachteil daran: körperliche Arbeit ist ungewohnt, daher wird sie mit Muskelkater quittiert; Insekten halten sich bevorzugt im Garten auf und stürzen sich mit Vorliebe auf mich. Der Vorteil: die Klafter Apfelbaumholz stapeln sich beeindruckend, die Zentner Klaräpfel ebenso, der Garten sieht nach getaner Arbeit scheckheftgepflegt aus. 
Nach Hause kommend tauschte ich freiwillig stundenlanges Sägen gegen die etwas angegangene Wohnung, die mich mit Unordnung und Müllgeruch empfängt. 
Vor mir liegt eine Woche mit viel Arbeit, die in Kurzarbeit kaum zu schaffen ist. Während ich an den Insektenstichen kratze, überlege ich, ob ich nicht doch auf Gärtnerin umschulen sollte.

(Ich nenne es: A mit Säge; Profiequipment)

Donnerstag, 9. Juli 2020

Gerade eben

Unser Bürgermeister mahnte uns gestern zur Vorsicht bei der Wahl der Urlaubsziele. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob der Ausflug gestern Nachmittag (nicht alles an Kurzarbeit ist schlecht) nach Friedrichsruh unter diesen Vorgaben noch zulässig war. Er war schließlich mit S-Bahn- bzw. Zugfahrten verbunden, während derer wir schon einige Unmaskierte trafen. Am Auffälligsten darunter die zwei verschleierten muslimischen Frauen, eine von ihnen mit einem zweijährigen und einem neugeborenen Kind, die gemeinsam auf der Treppe zu den oberen Plätzen sitzend den Inhalt einer großen Burger King-Brown Bag vernichteten. Während die Mutter einen Burger aß, sollte ihr kleines Kind auch nicht darben und gab ihm die Brust. Nicht dass ich Ahnung hätte, aber es könnte sich dabei um mehr als nur die Masken-Gebotsverletzung gehandelt haben. Neben ungeschützten Zugfahrten scheint mir der Ausflug unvorsichtig gewesen zu sein, da ich viele Mückenstiche davongetragen habe. Einen sogar am Auge. Immerhin kann ich aufatmen, da mir die Corona-Warn-App nach wie vor attestiert, „bisher keine Risiko-Begegnungen“ eingegangen zu sein. Apropos App; was mich an ihr ärgert: dass sie genauso eine Petze ist wie die Health-App. Ja, ich war nur an 13 von 14 Tagen aktiv! Ja, ich gestehe, am Montag nicht das Haus verlassen zu haben und mich nur unterdurchschnittlich bewegt zu haben! Ist jetzt gut?
Was die Urlaubswarnung angeht, frage ich mich, ob unser Innensenator seinem Verhalten treu bleibt und nach der Ansage seines Chefs seinen Sommerurlaub an der Copacabana antreten wird. 

Dienstag, 7. Juli 2020

Gedankenreise

Manchmal, wenn ich nicht mit anderem beschäftigt bin, denke ich daran, wie wohl mein eigentlicher Arbeitsplatz jetzt aussieht. Ob er nach vier Monaten Abwesenheit mit einer fingerdicken Staubschicht überdeckt ist? Ob die Putzkräfte trotzdem vor Ort waren (ich wünsche es ihnen sehr!)? Ob ich den Tisch entgegen meinen sonstigen Usancen einigermaßen aufgeräumt hinterlassen habe? Ob in all‘ dem ein leicht aus der Form geschmolzener Osterhase steht? Wie viel echte Post ich in den vergangenen vier Monaten wohl bekommen habe?
Und während ich so vor mich hin träume, kann ich mich in echt wenigstens an einer Sache erfreuen: dass ich kurz vor Covid-19 in einem Moment der Weitsicht den bei der Arbeit stationierten  WoozleGoozle mit nach Hause genommen habe. Eigentlich nur, um ihm ein passendes Trikot für die EM anzufertigen. Aber, hach! Auch darauf müssen wir alle warten.



Montag, 6. Juli 2020

Le plat du jour

Heute auf dem Speiseplan in unserem beschaulichen Dorf:
Essenz von Montagstrisstesse an herbstlichem Grau aus der Region.
Mehr gibt es über diesen Tag nicht zu sagen, fürchte ich.

Sonntag, 5. Juli 2020

Steil nach oben

An mir liegt es nicht, wenn die Wirtschaft nicht in Schwung kommen sollte. Ich habe in letzter Zeit eifrig konsumiert. Erst hatte die Papiersuche und langwierige Ablage offenbart, dass es ganz sinnvoll wäre, in Sachen Dokumentenkopien wieder autark zu sein. Also habe ich einen neuen Drucker gekauft. Diesen konnte ich allerdings noch nicht installieren, da ich schon am zweiten Schaubild scheiterte. Dort soll irgendetwas geöffnet werden, was ich nicht hinbekomme. Ich fühlte mich wie in diesem Claire Bretécher-Cartoon, in dem eine Frau aus Liebeskummer um Alphonse beschließt, sich zu betrinken, um dann die Weinflasche nicht aufzubekommen und Alphonse nur noch mehr hinterherzutrauern. Keine Sorge, Liebeskummer quält mich nicht - es ist nur manchmal die Situation ohne wirklich erwachsenen Mann im Haus. Da liegt die Assoziation mit „Les Frustrés“ nahe.
In die hiesige Herbsttristesse kam danach der saisonal typische Wunsch, die Wohnung etwas aufzurüschen. Ich erging mich - wie die Kinder es nennten - im „Lemon Theme“ und muss sagen, diese Investition (im ungefähr gleichen Rahmen wie die des Druckers) befriedigte mich deutlich mehr. Der Brut geht es ebenso, denn das Agrumes Dessin mögen sie auch und mit der Druckerinstallation müssen sie ihrer unfähigen Mutter jetzt helfen.

(Nicht im Bild: passende Bettwäsche, Tischdecke und Küchenschnickes. Als Kompensation im Bild: letzte Reste meiner Ordnertätigkeit, Osterbeagle und Trosthuhn)

Donnerstag, 2. Juli 2020

Service

Wenn sich das Date für den Folgetag zerschlägt, ist es zwar nach wie vor sinnvoll, aber nicht stimmungsaufhellend, dich um die Ablage zu kümmern, damit du deine Scheidungsurkunde finden und wegsortieren kannst. Wenn du nicht nur die eingesparten Kurzarbeitsstunden sondern den ganzen Abend dafür brauchst, erhöht sich zwar der Sinn des Tuns, aber nicht unbedingt die Stimmungskurve. Wenn dann trotz vermeintlichen Sommers draußen noch Grau und Regen regieren, steckst du mitten in einer hässlichen Herbstdepression.
Langer Rede, kurzer Sinn: selbstlos für euch getestet und für bestenfalls schlecht befunden. Kann ich nicht empfehlen.

Mittwoch, 1. Juli 2020

Halbzeitanalyse

Auch wenn meine Zeitrechnung dieses Jahr Mitte März steckengeblieben ist, musste ich jetzt feststellen: ein halbes Jahr 2020 ist bereits vorbei. Diese Erkenntnis relativiert einerseits, warum es im Frühling schon so unglaublich warm ist. Andererseits führte sie auch dazu, dass ein kritischer Blick durch das hiesige Kühlschrankangebot einiges für die Tonne freigab. Dass ich noch nicht im Sommer angekommen bin, liegt vermutlich vor allem daran, dass wir ein gerades Jahr haben und dennoch im Juni keine EM oder WM gestartet ist. Wie sollen da saisonal typische Gefühle aufkommen?
Die Bilanz dieses Jahres fällt wohl - wie bei fast allen - bestenfalls durchwachsen aus. So will ich mich gar nicht lange mit lästigen Einzelheiten aufhalten. Meine aktuelle Devise lautet ohnehin „Zweckoptimismus 3.0“. Ich sehe einfach nur noch die Vorteile der derzeitigen Situation. Alles andere blende ich großflächig aus. Ich freue mich über meinen Balkon und über die Pflanzen dort, die meine Dauerpräsenz nicht allzu schlecht zu finden scheinen. Ich freue mich über die Kurzarbeit, weil sie mir die Möglichkeit gibt, Wochenenden auch mal früher als freitags gegen 18 Uhr zu beginnen. Ich freue mich, fast seit Beginn des Lockdowns die Tochter wieder hier zu haben. Die Freude liegt wirklich in ihr begründet und nur zu ganz kleinen Teilen in der Tatsache, dass weniger Unterhalt meine Gehaltseinbußen kompensiert. Ich erfreue mich auch an erzwungenen Urlaubstagen und am eigenen dilettantischen Tischtennisspiel in der Mittagspause. Sogar am iPhone, das im Gegensatz zur benachbarten Apple-Watch beim Spielen die Schritte mitzählt, mich aber dennoch gouvernantenhaft ermahnt, letztes Jahr um diese Zeit sei ich mehr in Bewegung gewesen. Selbst sein Unwissen belustigt mich. Und überhaupt: die Freude an den kleinen Dingen, wie Sonnenschein, Ruhe, Kniffelspiel und Trosthuhn. Ich erfreue mich an den vielen Komplimenten, die ich derzeit bekomme. Gestern sagte die Tochter noch, ich habe aber schön braune Füße. Ein Freund fand außerdem gestern, mein Gesicht wirke unglaublich entspannt. Am Wochenende sagte mir wiederum jemand, „Corona bekomme mir, ich sehe blendend aus“. Das alles freut mich umso mehr, als ich eigentlich dachte, über die Zeit alt und fett („Mama, das heißt dick!“) geworden zu sein. Am allermeisten freue ich mich, mich neben Home Office nicht mit Schulaufgaben und Kinderbetreuung herumzuschlagen zu müssen - dass ich erwachsene Kinder habe. Wen stört da schon, nachts hochzuschrecken, weil plötzlich die Frage im Kopf auftaucht, ob der Sohn am Vortag wohl seinen Prüfungsantrag unterschrieben habe. Der Morgen brachte Klärung: hatte er nicht - meine Frage war demnach nicht ganz unberechtigt. Wir verfielen gleichermaßen in Panik. Er, weil er mich vorher großspurig für meine Bevormundung kritisiert hatte und nun wohl einsah, warum. Ich, weil ich es so ärgerlich fände, wenn ihm die Prüfung wegen eines kleinen Formfehlers verwehrt würde. Zum Glück löste sich alles durch einen Anruf bei der Behörde (Er rief an! Fast klaglos und nur nach zweimaliger Aufforderung.), die sich überraschend kooperativ zeigte. Und ich kann nicht einmal sagen, von mir habe er es nicht. Mein neues Halbjahr 2020 fing nämlich damit an, dass ich am Morgen eine Mail meiner Anwältin bekam und diese offenbarte, dass ich die amtlichen Scheidungsdokumente („Bewahren Sie diese unbedingt in Ihren Unterlagen auf“ - ein Garant fürs Verschwinden) in meiner Unordnung nicht finden kann. Manchmal ist selbst mein Zweckoptimismus am Ende.

(Irgendeine meiner volljährigen Feng Shui-Beraterinnen hat mein Zimmer umarrangiert. Zu seinem Vorteil, versteht sich.)