Dienstag, 18. September 2018

Back to 1990

Nachdem ich dem dubeligen e-Reader nun doch alle fünf Teile (vollständig!) der Cazalets abtrotzen konnte, belohne ich mich nun zusätzlich mit dem neuen Gerhard Henschel. Das bedeutet, ich befinde mich aktuell im Sommer 1990. Auch eine Form des Eskapismus‘. Es ist schön, bei dieser Buchreihe langsam zu Zeiten vorzudringen, in denen auch das eigene Leben mehr bereit hielt als Schule, Hausaufgaben, Mag-er-mich? oder Mittagessen.
Ich habe die dunkle Erinnerung, mich zur Währungsunion am 1. Juli 1990 mit meinem damaligen Freund  - oder: „mein damaliger Ex-Freund“ wie meine jugendliche Mit-Rehabilitandin zu sagen pflegt - an der Ost-Ostsee befunden zu haben. Auf dem Darß. Es war ein Wochenende. Alles, von Unterkunft bis Sprache, war wunderbar zonal. Die Servicekräfte verstanden zwar bestens den Umgang mit der neuen West-Mark, fanden es aber übertrieben, für diese auch Leistung zu erbringen oder gar freundlich zu sein. Die Sonne schien und die Ostsee schwapperte gemächlich vor sich hin. Im Grunde alles wie zu Hause in Berlin.
Eine weitere Erinnerung an jenen Sommer ist - wie sollte es anders sein - das Finale der Fußball-WM. Nach dem Spiel wollte ich zu besagtem, damals amtierenden Freund fahren, der in Spandau lebte. Da ich auch damals noch nicht hundertprozentig wieder von einer Hüftoperation genesen war, fuhr ich von Kreuzberg mit dem Auto dorthin. Der Weg führte mich über die Budapester Straße am Breitscheidplatz vorbei. Dort staute sich der Verkehr wegen der Autokorsos und des tobenden Mobs. Besoffene Trikotträger versuchten unter anderem auch mein Auto durch ihr nicht unerhebliches Lebendgewicht ins Wippen und Kippen zu bringen. Gruselig. Damals beschloss ich wegen dieser Penner, nie wieder solle Deutschland Weltmeister werden. 2014 revidierte ich meinen Beschluss, weil ich dachte, seitdem sei vieles besser geworden. Wie man sich täuschen kann.

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