Dienstag, 31. März 2020

Ankündigung

Eigentlich mag ich mit diversen, erzwungenen Aufenthalten über mehrere Wochen in einem Zimmer, gar in einem Bett, ausreichend gerüstet sein für eine fast schon freiheitliche Corona-Isolation. Nun sind aber ein paar Punkte anders. Zum einen war früher der Zeitraum definiert; schlimm genug, wenn er sich dann verlängerte. Zum anderen hatte ich damals nicht mit einem weiteren Pustelschub (besten Dank an die Stararchitektin!) zu kämpfen. Wer aktuell schon Schwierigkeiten hat, sich zum Aufstehen zu motivieren, der/dem sei ausdrücklich nicht empfohlen, ein Antiallergikum gegen den Juckreiz zu nehmen. Für Sie getestet. Wir beobachten das. 
Was mich aber am meisten stört, wenn in dieser schaumgebremsten Zeit mein Geburtstag liegt und kurz vorher Schnee fällt. Hiermit kündige ich offiziell an, dass ich Amok laufe, wenn es am kommenden Sonntag schneien, schneeregnen oder graupeln sollte. Ich möchte das nicht! Auf der Habenseite - auch der Sohn kann Zweckoptimismus: „Mama, wenn es egal ist, dann in diesem Jahr!“ Auf der Sollseite - auch ich kann bockig: „Ich will wenigstens auf dem Balkon sitzen können!“
So auf jeden Fall nicht:

(Und da war schon fast alles geschmolzen.)


Sonntag, 29. März 2020

Weitermachen!

Sei es die Gewöhnung, sei es das Wetter oder sei es das Wochenende, gestern fühlte sich fast ein wenig wie Normalität an. Ich saß am Sonnabend bis nachmittags ohne schlechtes Gewissen auf dem Balkon, denn die üblichen Verpflichtungen entfielen mehr oder weniger. Die Sonne tat das, was sie im März am besten kann: bräunen. Am Nachmittag dann fuhr ich dreimal mit dem Auto zwischen unserem beschaulichen Dorf und dem unterdessen auch fast beschaulichen Spinnerkiez hin und her, um den Kram der Tochter wieder nach Hause zu schaffen. Auch ohne das übliche Tischtennisspiel (meine Spezialität: das kontaktlose Spiel - auch in Richtung Tisch) hatte ich überraschend viel Bewegung für diese radiuseingeschränkte Zeit. 
Diesen Entspannungstag hatte ich verdient, fand ich, nachdem ich in der Nacht davor noch bis nach halb eins an der Maschine saß, da das Notebook doch deutlich langsamer arbeitet als der stationäre Rechner bei der Arbeit. Auch ansonsten lässt mich die Technik hier etwas hängen: das iPhone erkennt mein Gesicht nicht mehr. Es liegt wahlweise daran dass ich im  Home Office derangiert aussehe, dass ich in dieser Zeit so gealtert bin (ist auch nur noch eine Woche bis zum Geburtstag) oder dass ich so fett geworden bin. Vielleicht auch an allen drei Gründen zusammen. In jedem Fall finde ich, dass auch die Gesichtserkennung in diesem Ausnahmezustand einmal Gnade vor Recht ergehen lassen könnte. Doch auf diese Konzilianz warte ich wohl vergeblich.

(Keine Hafencity-Skyline, zugegeben)

Freitag, 27. März 2020

Unser Dorf soll beschaulicher werden

Auch wenn meine Temperatur gestern auf 35,7° angestiegen ist, bleibt die Stimmung bei uns unverändert gut. Dies ist umso überraschender, als ich vorgestern wieder einmal für doof verkauft wurde. Normalerweise reagiere ich darauf aus Gründen einigermaßen gereizt, doch unter den gegebenen Umständen bleibe ich entspannt. Seit mindestens vier Jahren warte ich darauf, dass sich jemand um die ständig wiederkehrende Schimmelbildung in meinem Schlafzimmer kümmert. Fun Fact am Rande: bei der Wertermittlung der Wohnung wurde der Mangel, dass ich seit bald fünf Jahren das Schlafzimmer nicht oder nur mit gesundheitlichen Problemen nutzen kann, natürlich nicht berücksichtigt. Während ich nicht nachlasse, meinen Unmut darüber zu bekunden, antwortet die Eigentümergemeinschaft/Nachbarschaft mit ihrem Mantra „Wir beobachten das.“. Nun jedoch, da die Auftragslage für Handwerker und Architekten nicht mehr ganz so golden ist, ruft mich plötzlich und unerwartet die Auftragsarchitektin der Verwalterin an, sie müsse sich doch noch um mein Problem kümmern. Meine gute Kinderstube verbietet mir zu antworten, sie solle sich lieber um ihr eigenes sorgen; wenngleich mir sehr danach gewesen wäre. Es gibt Menschen, die schon beim ersten Telefonkontakt unsympathisch sind. Ich versuche, sie davon zu überzeugen, im Gebot der Kontaktminimierung sei jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, auf ein paar Wochen komme es nun auch nicht mehr an und so weiter. Sie wischt meine Argumente mit der Begründung weg, sie trage Handschuhe. Na, dann. Sie komme an Folgetag (!) mit dem Glaser zwischen 10 und 11 Uhr. Treusorgende Mutter, die ich bin, informiere ich die Kinder, damit sie sich in der Zeit in ihren Zimmern verbarrikadieren können. Die Stararchitektin gewinnt auch live nicht mein Herz, als sie sich am Morgen dann mit ihrem Auto mitten auf die Zufahrt unseres Parkplatzes stellt. Und zwar so, dass die Nachbarin, deren Chef sie aus falsch verstandenem protestantischen Arbeitsethos zwingt, vor Ort zu erscheinen, mit ihrem Kleinwagen nicht vorbeikommt. Das Argument der Architektin ist ähnlich stichhaltig wie das mit den Handschuhen, diesmal aber larmoyanter vorgetragen: es sei in der ganzen Gegend keinen Parkplatz zu finden gewesen. Klar, im ausgestorbenen Viertel, direkt vor einem Parkplatz für acht Wagen, auf dem ein kleines Auto steht! Aus dem Küchenfenster sehe ich Diskussion mit der Nachbarin (hören kann ich sie auch, die Fenster schließen ja nur bedingt) und bin Team Nachbarin. Ihr Auftritt in der Wohnung besteht darin, den Glaser (keine Handschuhe!) mit „Abstand!“ anzufauchen und ihr - wie er feststellt - veraltetes Muster einer Innendämmung zu zeigen und mich darauf hinzuweisen, dass ich diese nicht mit normaler Dispersionsfarbe streichen dürfe. Den Schimmel beachtet oder bemerkt sie nicht weiter. Sie macht ein paar Fotos vom Fensterbereich, um jammernd anzumerken, sie habe ja keine Pläne des Hauses, daher müsse sie Bilder nehmen. Dann fragt sie den Glaser, ob er die Arbeiten vornehmen könne. Er antwortet, welch‘ Wunder!, das sei Sache eines Trockenbauers. Ob er einen kenne? Ja, kenne er, er wisse auch dessen Nummer, die er ihr dann gibt und die sie sich umständlich auf einem Block notiert. Danach unterhalten sich die beiden noch über ideale Feuchtigkeitsgrade für Wohnungen, Möbel und Holz. Abgang der unnötigen, potentiellen Viruskontakte. Um das Wohlbefinden meiner Brut nicht zu stören, desinfiziere ich anschließend Türklinken, Handläufe und alles Sonstige, was die beiden angefasst haben. Nach getaner Arbeit rufe ich, dass die Luft rein sei. Die Tochter merkt an, die Stimme der Frau habe durch die Wand „sehr unsympathisch geklungen“. Vielleicht in der Erziehung doch nicht alles falsch gemacht?
Der Sohn weiß zu berichten, dass ein Freund, den er „seit über drei Wochen nicht gesehen habe“, vor zwei Wochen positiv und jetzt negativ auf Corona getestet worden sei. Die Kinder feiern die Heilung, als ob er von einer Reise aus Lourdes zurückgekehrt wäre. Getestet wurde er übrigens, nicht weil er Symptome hatte, sondern weil er im Gesundheitswesen arbeitet. Die Brut findet mich stumpf, weil ich ihre Begeisterung nicht teile. Ich begründe es damit, dass der Verlauf für einen jungen Mann doch relativ normal sei. Ich finde sie eher übertrieben aufgescheucht in ihrer Vorstellung, ein positiver Test komme einem Todesurteil gleich. Mein Argument, aktuell sei zumindest in Deutschland die Mortalitätsrate von Corona geringer als die der Grippe, wird vehement bestritten. Sofort zücken sie ihre Telefone. Ich höre nichts mehr. Dem entnehme ich, das ich richtig lag. Vielleicht konnte ich ihnen so zumindest ein wenig Ruhe verschaffen. Dennoch will mir nicht in den Kopf, wie sie aktuell so hygienehysterisch sein können, wenn sie gleichzeitig die Zustände unserer Toiletten so gekonnt ignorieren können. 
Dennoch bin ich der Meinung, auch viel Positives an sie weitergegeben zu haben. So zum Beispiel den Zweckoptimismus. Gestern meinte die Tochter, dass alle/viele Eltern jetzt im Home Office seien, habe den Vorteil, dass ihre Kinder nun endlich einmal mitbekommen, wie die Arbeit ihrer Eltern aussehe, was sie so machen. Sie beispielsweise wisse jetzt mehr über die AGF/GfK. Na, bitte!



Mittwoch, 25. März 2020

In diesen Zeiten

Wir laufen Gefahr, dass uns das selbstgeißelnde Karfreitagsprogramm ausgeht. Meine 2018er Steuererklärung ist erledigt, der Fußboden ist gewischt und selbst der Sohn hat sein Zimmer gestaubsaugt. Sogar gründlich, wie seine Schwester ihm attestierte. Zugegeben, sie hatte ihm dafür ein Ultimatum gestellt (bis gestern 12 Uhr müsse er angefangen haben) und dabei seine üblichen Hinderungsgründe („Ich muss noch mein Telefon laden, 2%.“) nicht akzeptiert. Er startete um 11:48 Uhr. In jedem Fall bleibt die Erkenntnis, die Tochter hat‘s besser drauf als ich. Man lernt so viel von ihnen. Doch die Frage nach dem adäquaten Programm für Karfreitag bleibt. Vielleicht überliste ich mich mit paradoxer Intervention? Quäle Dich, lies die letzten zwei Zeit-Ausgaben!
Apropos Zeit: am Wochenende wird sie umgestellt. Ich wage die Prognose, dass selten so wenig über die gestohlene Stunde geklagt werden wird wie dieses Jahr.

Dienstag, 24. März 2020

Thank God For His Medium Mercies

Wenn es auch in einem Leben mit viel Home Office nicht viel zu berichten gibt, so ist doch viel Positives dabei. 
Zum Beispiel, dass ich jetzt ein Trosthuhn habe. Im großen Einmal-Hin-Alles-Drin-Laden fristete es ein einsames Dasein in der missachteten, verwaisten Oster-Aktionsfläche. Da nahm ich mir ein Herz und befand, dass ich erstens nicht nur Vernünftiges kaufen sollte und dass wir, das Huhn und ich, uns zweitens gegenseitig Zuspruch spenden könnten. Gibt es eigentlich schon Erkenntnisse, die besagen, um wie viel schlechter als im Vorjahr Osterartikel gehen? Ich habe jedenfalls meinen Beitrag geleistet, dass das Defizit nicht so groß wird.
Da ist außerdem die „Aktive Pause“, die die Nachbarin und ich gestern eingeführt haben. Wir spielen jetzt mittags Tischtennis. Damit verhält es sich übrigens so wie mit dem Fahrradfahren: du verlernst es nicht. Du kannst es allerdings auch nicht besser als früher. Ich schlage noch immer viel unmotiviert in die Luft. Dafür kommen nach wie vor ein paar geniale Schläge, die mich selbst am allermeisten überraschen. Schmettern kann ich immer noch nicht, dafür manchmal fies schneiden.
Zu erwähnen wäre weiterhin die ansteckende (!) Begeisterung der Tochter, dass sie „Schloss Einstein“ auf KiKa wieder für sich entdeckt hat. Vielleicht regredieren wir momentan alle ein wenig - warum also nicht mit Spaß?
Doch die größte Freude bereitet mir oder gar uns die Tatsache, dass die unerträgliche Nachbarin mit dem ebensolchen Kind und dessen benutzten Windeln, die sie zu riechen für die Allgemeinheit auf der Gemeinschaftsfläche hortete, rechtzeitig vor dem Lockdown ausgezogen ist. Ich sagte es bereits im Titel dieses Posts.



Samstag, 21. März 2020

Dr. Neil Tennant

Wieder einmal tragen die Pet Shop Boys zur Psycho-Wellness bei. Auch wenn ich wohl selbst den Gedanken an das Konzert am 22. Mai langsam aufgeben muss. Meine aktuelle, wenngleich nicht wirklich neue, Hymne kommt natürlich von den beiden Kollegen:

Ansonsten gibt es aus dem hiesigen Schmorsaft nicht viel zu berichten - wie auch? Ich bin deutlich ruhiger als die Kinder, obwohl ich mich wahrscheinlich eher in der Risikogruppe bewege als sie. Ich frage mich derzeit oft, wie wir damals im prädigitalen Zeitalter eigentlich Tschernobyl überlebt haben? Zu der Zeit war es sicher gefährlicher, nach draußen zu gehen, als im Moment. Aber damals hatten wir ja nichts, vor allem kein Netflix. Damals hätten Eltern, die mit Kindern an die Luft gehen, mit größerer Berechtigung schief angesehen werden können. Gestern beim Einkauf fiel mir auf, dass die wenigen Kinder draußen eigentlich nur noch missbilligend als potentielle Krankheitsherde betrachtet werden, egal, wie sehr sie auf Distanz achten. Ich könnte es auch hier mit Musik sagen: „Where Do the Children Play?“ von Cat Stevens. Nicht-Eltern dürfen sich gerne mal ausdenken, wie zäh es aktuell mit kleinen Kindern beispielsweise ohne Garten oder Balkon ist, wenn sie schon ihre eigene Isolation nur schwer und mit viel Jammern ertragen. So, das muss an Genörgel reichen! Kommen wir wieder zum Service: Lou Reed, Joy Division oder Yves Montand (unter anderen) eignen sich übrigens nicht besonders für kasernierte Zeiten, sagt meine N=3-Studie.

Donnerstag, 19. März 2020

Handwerkerehre

Meine Dienstleistungsmentalität führt dazu, dass ich mich im Home Office zu Pausen und zu geregelten Arbeitszeiten zwinge. Doch die gleiche Mentalität sorgt auch dafür, dass ich mich berufen fühle, alle um mich herum bei Laune zu halten. Wahlweise mit Essen oder mit sonstiger Motivation. Schließlich bin ich dankbar, dass meine Kinder nicht mehr klein sind. Da selbst mir an „My Home is My Castle“ derzeit berechtigte Zweifel kommen, will ich Euch die folgenden Worte, zuhause (wo sonst?) aufgeschnappt, nicht vorenthalten:
Der Sohn steht strahlend vorm geöffneten Kühlschrank: „Oh, welch‘ exquisites Angebot!“
Auch der Sohn: „Weißt du, welche Industrie wegen Corona einen Aufschwung erlebt?“
Ich: „Papier? Wegen Klopapier...“
Die Tochter: „Die Sagrotan-Industrie?“ (Wer kennt sie nicht?)
Der Sohn: „Nein. Die Smalltalk-Branche.“

Dienstag, 17. März 2020

Auch wichtig

Ja, das mit der Corona-Krise ist schlimm. Lagerkoller und die Verschiebung der EM um ein ganzes Jahr machen es nicht besser. Aber hat sich schon einmal jemand damit beschäftigt, dass wir zu Ostern nicht eine einzige blühende Osterglocke mehr haben werden? Keine einzige? Nein! In einem kleinen, beschaulichen Dorf gibt es eine Profiteurin, die ihre Blumenzwiebeln erst Ende Januar gesetzt hat...



Nicht ganz so beschaulich

So schön die Vorstellung vom Home Office auch ist, erstens war der Weg dorthin einigermaßen steinig, zweitens ist es auch in unserem Dorf aktuell nicht ganz so beschaulich. 
Doch immer der Reihe nach. Donnerstag wurden wir in möglichst großer Zahl dazu angehalten, ab dem Folgetag die Heimarbeit zu testen. Um zuhause auf dem MacBook nicht mit Arbeitsbetriebssystem in Konflikte zu geraten, wollte ich mir von der IT-Abteilung gleich ein Laptop ausleihen. Dies wurde mir jedoch mit dem Argument verweigert, ich habe vor Ort doch einen internetfähigen Computer. Vergeblich wies ich auf häufig auftretende Kompabiliätsprobleme hin. Vergeblich forderte der Chef ein Leihgerät für mich ein. Man brauche sie für Bedürftigere. Währenddessen stapelten seine Kollegen viele originalverpackte Laptops für den Notfall in einer Abseite. Am Freitag kam es, wie es kommen musste. Alleine bekam ich die Jobprogramme auf meinem MacBook nicht zum Laufen. Der IT-Kollege nach zwanzig Minuten Telefondiagnose auch nicht. Unser Telefonat endete mit seinen Worten: „Wie lange brauchst du, um hier zu sein?“ Was soll ich sagen? Nach einem Fahrradausflug mit Sturmböen in die Hafencity habe ich hier ein brandneues Notebook. So geht Home Office in Deutschland 2020. Wegen dieser Verzögerungen kam ich erst am Abend zu den notwendigen Versorgungseinkäufen. Da waren alle Beteiligten schon einigermaßen aufgescheucht und die Regale ziemlich geplündert. Auf dem Rückweg durch den Park sah ich ein gerade des Laufens mächtiges Kind, das einen Hundehaufenbeutel fand, diesen an sich nahm und sich damit freudestrahlend zu seiner Mutter aufmachte. Beherzt entriss ich dem Kind, das mich mit großen Augen ansah, den Beutel und sagte zur Mutter: „Besser, wenn ich mich unbeliebt mache.“ Muddie zeigte sich verhalten dankbar und meinte: „Heutzutage wahrscheinlich nicht das Schlimmste, was es mitnehmen kann.“ Meine Kinder hingegen scheinen für Vorratshaltung gänzlich ungeeignet. Sie freuen sich gebührend über all‘ die schönen Sachen, die sich ihnen nach meinen Einkäufen offenbaren, machen sich aber postwendend daran, sie in Bestzeit möglichst rückstandsfrei zu vernichten. Wir werden alle drei einige Kilo zugenommen haben, wenn der Wahnsinn vorbei sein wird. Und in unseren Essgewohnheiten vollkommen verroht. Heute früh fragte ich die Tochter: „Oh, du isst Chips zum Frühstück?“ Was sie zu der sprachlich wenigstens nicht verkorksten Antwort veranlasste: „Nein, die sind nur das Entrée.“



Freitag, 13. März 2020

Zuhause ist es doch am schönsten

In den nächsten Tagen werden die Hafencity-Skyline-Bilder hier nicht mehr so reichlich auftauchen. Wir sind angehalten, die Schutzmaßnahme Home Office zu testen. Ehe ich mich jedoch an den virtuellen Büroschreibtisch setze, verbringe ich noch ein paar Stunden im prall gefüllten Wartezimmer des Hautarztes, in dem um mich herum alles hustet und niest - und zwar höchst selten in die Armbeuge.

Das Bild von gestern Abend muss jetzt für länger reichen.

Donnerstag, 12. März 2020

Außen hui, innen pfui

Erschreckend, wie viel Enttäuschung und Desillusion in einen sonnigen Frühlingstag wie den gestrigen passen. Es macht den Tag nicht besser, wenn ich mich außerdem schämen muss, so wenig in die Tochter und unser Verhältnis vertraut zu haben. Es spricht immerhin für den Tag, dass sich gegen Abend zumindest diese dunkle Wolke aufgelöst hat. 



Mittwoch, 11. März 2020

Weitere Beobachtungen

Es begab sich, dass ich heute morgen früher als sonst bei der Arbeit war. Gerne behauptete ich, es wäre die neue Antje, die weniger trödelt. In Wirklichkeit war es der Versuch, einen Hautarzt aufzusuchen, der leider fehlschlug. Mein Wunsch, meine Dalmatiner-Gedächtnis-Punkte dokumentieren zu lassen, scheiterte an der Unterbesetzung der Praxis. Unverrichteter Dinge kam ich schneller als gedacht zur Arbeit. Wieder einmal zeigte sich die Regel, wer früher zur Arbeit kommt, bleibt abends länger da. Morgen kehrt wahrscheinlich die alte Antje zurück.



Montag, 9. März 2020

Neues Lebensmotto

Von Nachbarn lernen heißt meine neue Erfolgsformel. Die Zauberworte lauten: „Wir beobachten das.“
Ich habe einen Wasserschaden in der Wohnung, weil vor zwei Jahren (!) die Schmelze der Schneemassen auf dem Dach das Mauerwerk überforderte. Wir beobachten das. 
Mein Schlafzimmer ist seit vier Jahren als solches nicht ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen nutzbar, weil sich durch undichte Fenster etc. in jeder Heizperiode ein starker Schimmelbefall bildet. Wir beobachten das.
Unter dem Schlafzimmer der Nachbarin kampiert ein laut schnarchender Obdachloser, der es sich mit Schlafsack und Flasche unter dem Balkon gemütlich gemacht hat. Wir beobachten das. Hier allerdings gab es eine kleine Varianz: vor die übliche Aussage wurde noch ein „Warum schläfst du auch mit offenem Fenster?“ gestellt.
Das Haustürschloss funktioniert nur in den Varianten „Steht einen Spalt auf“ oder „Fällt mit Erschütterungen des gesamten Hauses zu“. Wir beobachten das. 
Die mehrfach zitierte Antwort wird jedoch nicht gegeben, wenn die richtigen Nachbarn ein echtes Anliegen wie beispielsweise Ameisen auf dem Balkon vorbringen.
Dennoch finde ich die Vorstellung sehr hilfreich, ihr wiederkehrendes Motto auf meine Anforderungen zu adaptieren: Den Sohn verlangt es nach etwas Leckerem zu essen - wir beobachten das. Es gibt nichts Sauberes mehr anzuziehen - wir beobachten das. Dreck und Unordnung in der Wohnung nehmen überhand - wir beobachten das. Steuer oder Gebühren müssen bezahlt oder beglichen werden - wir beobachten das. Wie lange ich dieses Experiment wohl überlebe?

Sonntag, 8. März 2020

Es geht wieder los

It‘s this time of the year again: neben sonstigen Malessen zieren mich wieder Pusteln überall. Außerdem habe ich - entgegengesetzt zum einsetzenden Frühling - das Stricken aufgenommen. Schließlich gilt es die Kollegen für die EM auszurüsten. Apropos Fußball-Event: das mit Corona ist wirklich schlimm, aber richtig bitter wäre es doch, wenn deswegen der Panini-Sticker-Tausch ausfallen müsste. Wirklich apokalyptische Szenarien momentan.



Donnerstag, 5. März 2020

Groß oder klein?

Kleine Sünden bestrafe der liebe Gott sofort, hieß es. Ich kann jetzt darüber nachdenken (klingt schon authentisch protestantisch-spaßbefreit), welches Ausmaß meine Sünden haben, wenn die Strafe für den Sonntag nicht auf den Fuß sondern mit etwa einem Tag Zeitverzug folgt. Das Gelenk quakt. Zum Arzt zu gehen, ist in Zeiten von Corona keine Option. Also heißt es Erdulden (!) und darauf hoffen, dass der Zorn der Götter bald erloschen ist. Währenddessen natürlich zur Betäubung Alkohol trinken. Mag ein Teufelskreis sein, aber eine echte Alternative fällt mir nicht ein. Vielleicht ist die Erklärung für die Schmerzen ohnehin nicht so transzendental wie angenommen. Schließlich sieht der Kollege, der zwar fastet, aber hausintern offensiv gegen das sechste Gebot verstößt, überhaupt nicht leidend aus. Wahrscheinlich ist er einfach nur jünger. Als zweite Möglichkeit, die Situation zu verbessern, baue ich auf selbstlosen Einsatz: einen 1A-Kuchen für die Kollegin zu fabrizieren, die zwar Geburtstag, aber gekündigt hat. Was soll da noch schief gehen?



Dienstag, 3. März 2020

Living on the Edge

Verrückt, dieses Leben zurzeit. Erst trug ich Sonntag ein Wickelkleid. Etwas, das ich mich bei der Arbeit nie traute, da dort diese Nische anderweitig besetzt und besser ausgefüllt ist. Dann - eigentlich vorher - beschloss ich, mich meinem protestantisch angehauchten Umfeld zu beugen und dieses Jahr mal ein wenig beim Fasten mitzuspielen. Sagen wir so: bis zu ebendiesem Wickelkleidsonntag blieb ich standhaft. Doch wenn mir zu besonderem Anlass eine Flasche Crémant geöffnet und ein Glas angeboten wird, werde ich nicht die puritanische Prohibitions-Plunse (sorry, diese Alliteration musste raus!) geben. Zumal es mir in der Situation einigermaßen bigott vorgekommen wäre. Und doch scheint mich dieser Cheat Evening nachhaltig beschäftigt zu haben, denn heute Nacht träumte ich unter anderem, ohne Not zweieinhalb Gläser (genau diese Größenordnung träumte ich!) Rotwein getrunken zu haben und mich wegen des Konsums schlecht zu fühlen („Bald mehr Ausnahmen als anständige Tage.“). Ist das geträumte Vergehen schon Fastenbrechen? Aus einem agnostischen Haushalt kommend habe ich darauf keine Antwort. So oder so, viereinhalb Tage habe ich wirklich ohne Probleme geschafft.

Sonntag, 1. März 2020

Geschenkte Zeit

Gestern war schon einmal Frühling; laue Temperaturen und Sonnenschein. Und am Wochenende sogar Zeit, ihn zu nutzen. Übrigens: in herkömmlichen Jahren wäre der Leap Day (der Sohn: „Nee, heute ist Cheat Day... obwohl... eigentlich ist bei mir jeden Tag Cheat Day“) schon März gewesen - und dessen Sonne bräunt bekanntlich am besten. Derart beseelt gingen die üblichen Einkäufe besser von der Hand. Zumindest, wenn ich ein Schild um den Hals gehabt hätte, auf dem gestanden hätte: „In meinem Haushalt wohnt ein männlicher Teenager.“ So geriet ich in den Verruf, mich an den allgemeinen Hamsterkäufen zu beteiligen. Geht doch gar nicht: vegane Hamsterkäufe! Pünktlich zum Frühjahr sagte der Sohn, er habe neuerdings „craving“  nach tierischem Eiweiß. Als zurückhaltende Mutter habe ich mich anzüglicher Kommentare enthalten. Es muss genügen, dass sich meine Vermutungen zu seinem häufigen Aufenthaltsort zu hundert Prozent bestätigt haben. Ich bin wohl nicht der Teil seiner Eltern mit den kaputten Gefühlen. Auch des lauthalsen Lachens bin ich fähig. Als ich von meinem Nicht-Hamster-Sondern-Normalen-Wochenendkäufen zurückkam, alles Nötige im Kühlschrank verstaute und gerade eine Flasche Saft in der Hand hielt, fragte mich der Sohn auf dem Sofa chillend, ob ich eigentlich wisse, welches die höchste Auszeichnung im Softgetränke-Bereich sei. Wusste ich  nicht. „Der Punica-Preis“ (gesprochen natürlich „Punitza“, kommt geschrieben leider nicht so gut). „Krakauer“ kann er. Woher er das bloß hat?