Donnerstag, 30. April 2020

Bilanz

Pünktlich kurz vor 18:00 Uhr ließ ich gestern den Griffel fallen. Ich hatte noch ein paar Besorgungen zu erledigen, die keinen Aufschub duldeten. Also schnell die Maske gepackt und im Schweinsgalopp ins Zentrum unseres beschaulichen Dorfes. Natürlich hat der blasierte Buchhändler geänderte Öffnungszeiten. Ist er im Normalbetrieb für die arbeitende Bevölkerung schon nahezu unmöglich zu erreichen, hat er es jetzt noch ein bisschen schwerer gemacht. Logisch. Der Besuch hat sich dennoch gelohnt, denn ich erhielt eine Adresse, um ihm eine Online-Buchbestellung zu schicken. Die automatische Replik war auch viel freundlicher als die Live-Behandlung. Na, bitte! Allerdings wäre die Eile nicht nötig gewesen. Eine weitere Feststellung: Maske und Smartphone-Nutzung sind nur bedingt kompatibel. Warum funktioniert die Gesichtserkennung eigentlich nicht ausschließlich über die Augen? Doch ich will nicht klagen, schließlich bekomme ich seither weniger Sprachnachrichten. Jammern möchte ich über anderes. Im Gegensatz zu manch‘ einem Theaterfredl lasse ich mir vorschreiben, mir sehr häufig die Hände zu waschen - und halte mich sogar daran. Leider hat es zur Folge, dass sie aussehen wie die einer hundertjährigen Leprakranken. Obwohl ich dazu übergegangen bin, nachts Fußmaskencreme (gegen rissige Haut) auf meinen Händen einwirken zu lassen. Gestern Abend passierte es demnach, dass mir nur durch Aufdrehen einer Flasche (nein, kein alkoholisches Getränk!) ein Finger zu bluten anfing. Wundmale an den Händen oder was? Jetzt fängt die Lage wirklich an, bedrohlich zu werden. 





(Mein aktueller Lieblings-Peanuts-Strip, dessen Quintessenz ich in meinem Umfeld zu dessen Leidwesen oft und gerne zitiere.)

Mittwoch, 29. April 2020

Aber jetzt!

In den vergangenen sieben Wochen gelang es mir relativ gut, mich zum Arbeiten und Durchhalten anzuhalten. Nun wird es immer schwieriger. Und das liegt nicht nur daran, dass ein Gutteil meiner Motivation durch Mittags- oder Kaffeepausen auf dem Balkon befördert wurde. 
So kann ich nicht arbeiten:

Als ich gestern Abend mit der Tochter vom Einkaufen kam, hatten die ersten Regentropfen zumindest noch den Charme, dass sie die Stadt wunderbar nach Sommerregen riechen ließen. Doch dieser Effekt hat sich schnell abgenutzt. Auch mein verzweifelter Versuch, die Vorteile für die Landwirtschaft und die Waldbrandprävention in den Vordergrund zu rücken, schafft für den eigenen Antrieb wenig. 
Denn die Wahrheit sieht anders aus: Wenn der Regen stärker wird, leckt es durch unser marodes Hallendach (ja, genau das, an das der kluge Nachbar seine Boxbirne anbringen wollte), auf dem Boden bilden sich Pfützen und beim Tischtennisspiel werde ich irgendwann im Eifer des Gefechts in einer ausrutschen. Immerhin, sagt die Zweckoptimistin in mir, dann werden Kurzarbeit und schlechtes Wetter meine geringsten Probleme sein.

Dienstag, 28. April 2020

St. Georg Open

Seit wir beschlossen haben, die St. Georg Open bei uns auszurichten (Wie wäre es mit dem Motto „Die Welt zuhause bei Freunden“? Das gab es, glaube ich, noch nicht.), trifft uns die Absage der Olympischen Spiele nicht mehr ganz so hart. Unser Trainingsvorsprung ist unterdessen so groß, dass selbst unsere minderen Tischtennisfähigkeiten nicht mehr ganz so schwer wiegen. Es gab schon vereinzelt Ballwechsel, die den Namen verdienten und nicht nach der Angabe gleich im Netz verendeten. Selbst der ansonsten überkritische Sohn bestätigte, unser Spielniveau liege über dem unserer Nachahmer. Auch ein blindes Huhn soll ja ab und an ein Korn finden. Einen Korn finden wir nicht, denn unsere Standards hinsichtlich eines Day Drinking-Verbots sind noch sehr hoch. Vielleicht erklärt sich unser relativ gutes Spiel auch dadurch. Der nachahmende Nachbar fürchtet sich laut eigener Aussage jedenfalls mehr vor der Dopingkontrolle als vor dem eigentlichen Wettbewerb. Ein typischer Fall männlicher Selbstüberschätzung seines spielerischen Könnens? Bleibt abzuwarten. Dass ich gestern an der Platte reüssierte, lag vor allem an meinem erhöhten Aggressionslevel. Kurz vorher war der Nachbar, der sich in letzter Zeit noch einmal besonders durch seine Balkonbauarbeiten zu unpassenden Zeiten und an verschiedenen maximal störenderen Orten der Gemeinschaftsfläche hervorgetan hatte, auf die Idee gekommen, einen Boxsack an einer baufälligen Konstruktion direkt neben der Tischtennisplatte aufzuhängen. Ich versuchte, ihm nahezubringen, dass ich erstens statische Bedenken habe und dass er zweitens doch vorher einmal fragen solle, ob die Hausgemeinschaft das Ganze auf und an ihrer Gemeinschaftsfläche in Ordnung finde. Seine Reaktion changierte zwischen „Ich erklär‘ dir mal die Welt, Mäuschen!“ (der Sack wiege doch bloß 15 Kilo) und „Was mischst du blöde Plunse dich überhaupt ein - underfucked oder was?“ (und überhaupt, wen er denn fragen solle). Ich fing nicht an, ihn über Torsionskräfte oder über mitteleuropäische Kommunikationsstandards zu belehren; geschweige denn, ihm zu sagen, er solle nicht immer von sich auf andere schließen. Das rechne ich meiner Selbstbeherrschung hoch an. Besonders, da ich es langsam leid bin, mich selbst an die Spielregeln zu halten (egal, wie sinnlos ich sie zum Teil finde) und als Dank oft und ungerne mit der Rücksichtslosigkeit anderer konfrontiert zu werden. Manchmal denke ich, wir leben gerade in einem groß angelegten Intelligenztest. Meinetwegen könnten wir die Feldphase jetzt beenden, wenn doch klar ist, dass wir ihn nicht bestanden haben.
Doch ich will nicht nur meckern - vor allem, um nicht oben genannte Vorurteile zu bestätigen. Neben dem Zuspruch der bekannten, netten Nachbarn bekomme ich auch unerwarteten Dank von anderen, die finden, mit meinen Pflanzbemühungen auf meinem Balkon und in der Peripherie meiner Wohnung säe ich viel Freude in einer eher spaßarmen Zeit. 

(Ich nenne es: Noch blüht die Mongolie, bald der Rhododingens)

Sonntag, 26. April 2020

Normal

Wie wahrscheinlich fast jeder Mensch, der aktuell noch ein bisschen Zeit für Spielereien hat, habe ich eine Corona-Playlist erstellt. Für ihr Cover schmücke ich mich mit fremden Federn, denn das Virus-Modell hat mein Bruder aus Lego gebaut. Wie viel sinnvoller als mit Musikzusammenstellung kann man die Lockdown-Zeit doch verbringen! Ich tröste mich damit, dass beides aus Selbstfürsorgegründen sinnvoll war.
War anfangs die Intention der Musikauswahl für gute Laune zu sorgen - daher auch keine Beteiligung von Element of Crime, um erstens die Stimmung nicht wieder zu drücken und zweitens den Sohn nicht zu erzürnen -, verfolgt die Zusammenstellung jetzt noch ein weiteres Ziel: den Krach zu übertönen, den einschlägige Nachbarn mit dem Umbau ihres Balkons ungeachtet der umliegenden Home Offices, Telefonkonferenzen, der Feiertage und des erhöhten Ruhebedürfnisses zu jeder erdenklichen Tageszeit verbreiten. (Ich sage nur: Wenn es selbst der tiefenentspannten Tochter zu laut wird...) So hat sich mit den Wochen auch die Musikfarbe etwas geändert: weniger Feelgood, mehr wummernde Bässe und durchdringende Stimmlagen. Wenn es so weitergeht, könnte ich mir gar eine Aggro-Playlist überlegen. Da dieses Genre als eigentlich friedliebender Mensch nicht zu meinen Masterfragen gehört, nehme ich gerne Vorschläge über The Clash, Nirvana, Type O Negative und Iggy Pop hinaus entgegen.

Eine kleine Änderung entgegen meiner oben genannten Maximen musste ich am Ende doch vornehmen: „Immer da wo du bist bin ich nie“ von Element of Crime hat es in die Auswahl geschafft. Es ist schließlich unser Table Tennis Theme.

Samstag, 25. April 2020

Hin und her

Umständehalber habe ich gestern ein Geburtstagspäckchen verschickt. Wofür ein nur mittelfreiwilliger Urlaubstag eben gut ist. Mehr oder weniger zeitgleich kam bei mir ein Päckchen an. Ein Carepaket meiner Eltern, in dem sie Spargel (geschält!) und Bärlauchbutter verschickten. Bei mir löste der Spargel besonders große Freude aus, beim Sohn die Butter. Zum Salat unseres gestrigen Mittagessens (das ansonsten der Sohn zubereitete) wollte ich Croutons machen und schlug vor, sie in besagter Bärlauchbutter zu rösten. Für dieses Ansinnen wurde ich gerügt: Omas beste Butter sei viel zu schade dafür, die wolle er pur genießen. Für diesen Zweck solle ich lieber meine eigene nutzen. Ein wenig pikiert fragte ich, worin genau denn der Unterschied zwischen den beiden selbstgemachten Buttern liege. Das sei doch klar: Omas Bärlauch komme aus dem Garten, meiner sei bloß gekauft. Wenn das so ist.
Am Abend dann wollte ich das Festessen zubereiten. Der Sohn hatte allerdings bereits dankend Abstand genommen; er verstehe diese Obsession für Stangenspargel nicht. Umso besser, dachte ich wenig mütterlich, dann bleibt mehr für mich, und machte mich gutgelaunt ans Werk. Die lange Abstinenz hatte jedoch zur Folge, dass die Routinen nicht mehr so richtig sitzen. Zwar wusste ich von Salz, Butter und Zucker im Wasser, aber für einen kurzen Moment war ich unsicher, ob alles zusammen aufgesetzt oder der Spargel erst ins kochende Wasser gegeben wird. Blöderweise stellte ich die Frage laut. Statt mir sachdienliche Hinweise zu geben, war die Reaktion des Sohnes: „Mama, für diese Frage wird dir die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt!“ Mir doch egal! Ich hatte in nächster Zeit ohnehin nicht vor zu reisen. Am Ende habe ich meine undeutsche Art sogar noch auf die Spitze getrieben: ich ließ die Stangen länger im kochenden Wasser als es für bissfesten Spargel zulässig ist. Mal was Verrücktes tun. Und was soll ich sagen? Auch die Tochter fand ihn weicher noch leckerer. An dieser Stelle kann ich wohl nicht sagen: von mir hat sie das nicht.

Freitag, 24. April 2020

Wenn Träume Wirklichkeit werden

Mit der dem Anlass gebotenen Zurückhaltung wundere ich mich über meine seherischen Fähigkeiten. Um ehrlich zu sein, bin ich fast ein wenig stolz, wie sehr die von mir vor vier Jahren im Traum vorhergesehene Handlung nun wirklich geworden ist. Eines kann ich außerdem aufklären: auch ohne ihm gewogen gewesen zu sein, bin ich jetzt betrübt. Wenn auch nicht ganz so sehr wie über die Nachricht seiner Querschnittlähmung, die ich vor nicht allzu langer Zeit in der Zeit las. Vielleicht ist es eine Befreiung.



Mittwoch, 22. April 2020

Prioritäten

Die gute Nachricht des gestrigen Tages: Immerhin sind die Stützen meines Haushalts mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen versorgt. 

Die weniger gute: Wenn ich diese beiden Strategen ab Montag zum Einkaufen schicke, wird es bei uns ab dann wahrscheinlich nur noch Smarties oder ähnlich ausgewogene Ernährung geben. 

Dienstag, 21. April 2020

Wie ein Urlaubstag

In letzter Zeit fühle ich mich oft zurückversetzt ins West-Berlin der Achtzigerjahre. Wahrscheinlich liegt es an meiner neuen Playlist, aber vielleicht auch an einer gewissen Isolation. In jedem Fall finde ich, dass ich für aktuelle Herausforderungen, die in unserer Lage zum Glück nicht so dramatisch sind, ganz gut gerüstet bin. Denn damals wie heute lebe ich gerne in der Stadt und bin nicht ständig von Natur- oder Einsamkeitssehnsucht geplagt. Noch besser wird es natürlich, wenn ein - zugegeben nicht hundertprozentig freiwilliger - Urlaubstag ansteht. Da kann einem schon einmal der gute, alte Slogan der Thermen an der Heerstraße einfallen. Wenn dann auch noch die Sonne scheint! Die Kinder habe ich nachhaltig beeindruckt, indem ich ihr Geburtstagsbuch mit über 580 Seiten „jetzt schon“ ausgelesen habe. Das hätte ich wohl auch unter normalen Bedingungen geschafft, aber so etwas muss ich nicht zwingend dazu sagen. Außerdem habe ich den freien Tag dazu verwenden können, nachbarschaftliche Angebote zu nutzen und auf diese Weise zwei Stühle und einen Tisch für den elterlichen Balkon geschenkt zu bekommen, über die sich sowohl die neuen Eigentümer als auch ihre aktuellen Nutzerinnen sehr freuen. Auf diese Aktion folgte der Vorschlag der Nachbarin, einen Ausflug in den Stadtpark zu unternehmen. Gesagt - getan. Mir fiel auf, dass ich unser beschauliches Dorf seit über drei Wochen nicht mehr verlassen habe. Dadurch, dass ich nicht allzu häufig dort bin - eigentlich finde ich die Bezeichnung Stadtpark für einen Park, der aus meiner Perspektive so wenig innerstädtisch ist, immer ein wenig ärgerlich - kam es mir vor, als wäre ich wirklich weit weg, in einer anderen Stadt, vielleicht sogar in einem anderen Land. Sich aus dem Weg zu gehen, fällt dort übrigens viel leichter als hier an der Alster. Selbst an der Bude, an der wir uns Kaffee holten, war es vergleichsweise leer. Die Wirtin meinte, wir seien aber braun geworden. Woher sie diese Erkenntnis nimmt, ohne uns vorher jemals gesehen zu haben, wird wohl ein Mysterium bleiben. Ich hoffe nur, braun war nicht ihre charmante Umschreibung für tomatenrot.
Um den Tag adäquat abzurunden, habe ich abends, als es zu kalt für den Aufenthalt draußen war, gut drei Stunden die Wohnung geputzt. Auf wundersame Weise hatte sie es nötig.

(Ich nenne es: Sinnbild - Hoffnung blüht überall)

Montag, 20. April 2020

Komm zurück

Meine kleinen Schritte zurück zur Normalität sind die, jetzt wieder Die Zeit zu lesen. Was ich fünf Wochen lang nicht mit meiner Gemütsverfassung vereinbar fand, ist nun wieder möglich. Wie gut, dass es sich um nachwachsende Rohstoffe handelt, die sich in meinem kalten Wohnzimmer befinden und die ich vergleichsweise mühelos auf den sonnigen Balkon befördern kann. Dazu noch eine Kanne Tee und etwas Musik (die Corona-Playlist, versteht sich!), um das Geblöke der Nachbarinnen über ihre Balkons hinweg bzw. ihr Gewerkel ebendort zu übertönen, und fast könnte ich mich im Urlaub im Süden wähnen. Wenn ich den Aussagen, der wenigen Menschen, die ich derzeit auf etwas geringere Distanz treffe, Glauben  schenken darf, sehe ich auch so aus, als ob ich länger dort gewesen wäre. Ich glaube, Hautalterung durch Sonneneinstrahlung ist im Moment eine nachgelagerte Sorge.



Freitag, 17. April 2020

So etwas wie Flamingofreitag

Langsam scheint uns das Im-Eigenen-Saft-Schmoren an die Nerven zu gehen. Ich schaffe es noch immer nicht, die nötige Distanz zwischen Arbeit und dem Rest eines Privatlebens zu wahren. Ist aber auch schwer, wenn zwischen Arbeits- und Schlafplatz ein Meter Luftlinie liegen. Zum buchstäblich ersten Mal in meinem Leben habe ich mitbekommen, dass sich Sohn und Tochter bei mir über jeweils die andere/den anderen beschwert haben. Zusätzlich verlangte die Tochter einen Salzstatus der Spülmaschine, genau zu dem Zeitpunkt, als ich mich nicht in eine wichtige Telefonkonferenz einwählen konnte. 
Um mich bei Laune zu halten, vergnüge ich mich mit dem Gedanken, wie es sein wird, wieder live Freunde zu treffen. Ich glaube, ich werde mich gerieren wie Miraculix in „Kampf der Häuptlinge“, nachdem er einen Hinkelstein abbekommen hat, und alle mit der Frage begrüßen: „Kennen wir uns?“



Mittwoch, 15. April 2020

Management Summary

Leider machte der Osterdienstag genau dort weiter, wo er Gründonnerstag aufgehört hatte: am Punkt „Zu viel Arbeit und nicht Wissen, an welcher Stelle anzufangen ist“. Natürlich passend, dass dazu auch noch das Damoklesschwert Kurzarbeit über uns hängt. 
Doch die Feiertage selbst hatten schließlich viele lichte Momente, schon allein, weil die Sonne recht verlässlich schien. Was ich mich seit dem verstärkten Aufkommen des Maskengebots, also in meiner Wahrnehmung seit Ostern, wirklich frage: Warum sollen die Schutzmasken gekocht und gebügelt werden? Wasche ich mir eigentlich zum Spaß alle naslang die Hände? Ich gestehe, dass ich sie mir nicht unter kochendem Wasser verbrühe. Sie haben es so schon schwer genug. Mein Verständnis war, dass Seife und vielleicht sogar Handcreme das Abtöten etwaiger Viren übernehmen, um damit für das kältere Wasser aufzukommen. Daher dachte ich außerdem, dass ich beim Wäschewaschen mit Waschmittel und sogar Laundry Sanitiser bei jeder Temperatur auf der sicheren Seite bin. Wenn das nicht richtig war, habe ich wohl ohne mein Wissen ein Leben an der Klippe verbracht (na, bitte! Also doch eine Urlaubsreise!). In letzter Zeit wünsche ich mir noch häufiger als sonst, Menschen könnten zur Abwechslung mal ihr Hirn einschalten. Wie zum Beispiel die Frau, die ich letzthin im Park sah, die sich mit ihren behandschuhten Finger ständig an Nase und Mund herumfuhrwerkte. Ich selbst will mich von dieser Aufforderung nicht ausnehmen. So funktionierte nach dem Erwerb eines neuen der gute, alte Wasserkocher doch wieder, nachdem ich die Zeit gefunden hatte, seine Kontakte zu reinigen. Jetzt habe ich eben einen schnellen Gebrauchskocher und einen stylischen Repräsentierkocher; auch gut.
Meine eigene Osterbilanz fällt in jedem Fall positiv aus, seit ich weiß, dass ich nächstes Jahr zwar am Montag Geburtstag haben werde, aber dieser Tag Ostermontag sein wird.

(Karfreitag doch Disco!)

Dienstag, 14. April 2020

Ostermontag 2020

Viel zu früh verließ uns Ostern schon wieder. Am Montag noch ein letztes Mal morgens anständig lange im Bett bleiben und Bücher (ja, Plural!) lesen, ehe die Werkbank wieder ruft. Mit dem Osterabgesangblues kam außerdem der kalte Wind. Auf dem Balkon - das Bücherlesen geht weiter - briet die Sonne mir zwar die in dunkler Hose gewandeten Beine, aber anschließend beim Spaziergang herrschte Nordseestimmung. Um eine übliche, hausgemachte Erkältung zu vermeiden, mit der ich mir derzeit sicherlich keine Freunde machte, zog ich gar geschlossene Schuhe und Strümpfe an. Keine übertrieben kluge Entscheidung, denn im Zusammenspiel mit überdurchschnittlich vielen Schritten führte es zu fetten Blasen an den Füßen. Davon redet Goethe natürlich nicht bei seinen Osterspaziergängen. Ohnehin lädiert konnte ich gleich ein bisschen arbeiten. Und das war auch gut so: etwas weggeschafft und außerdem festgestellt, dass sich ein Abgabetermin nach hinten verschoben hat. Vielleicht wird doch noch alles gut.



Montag, 13. April 2020

Ostersonntag 2020

Egal, wie die Umstände sind, was soll uns Ostern passieren? Wir haben schließlich unseren Osterbeagle. Der wiederum hat es hier neben dem saisonal hohen Arbeitsaufwand nicht leicht. Während ihm vor Ort die Damenwelt sehr gewogen ist, lässt der Sohn keine Gelegenheit aus, ihm eine zu drücken. Das allerdings ruft bei uns eine Welle des Mitleids und der Empörung hervor und bei mir die Frage auf, was ich in der Erziehung falsch gemacht haben könnte. Der Sohn erfreut sich an unserer Reaktion und drischt nur noch mehr auf den armen Hund ein. Ein echter Teufelskreis, und das zur Auferstehung des Herrn. 
Doch es gibt auch Positives zu berichten:
Unsere Tischtennisfähigkeiten haben sich ob des ausdauernden Trainings dahingehend verbessert, dass wir immer gezielter in die Armbeuge spielen können. So wichtig in diesen Zeiten. Apropos Fähigkeiten: Ich kann am Knittern der Verpackung blind erkennen, dass der Sohn ein Kinder Bueno verhaftet. Dass es nicht etwa ein Duplo, Kinder Country oder Hanuta ist. Auch hier bewährt sich das Training. Als weiteren Erfolg kann ich vermelden: wir haben schon das eine oder andere Bild in unserem EM-Album kleben. Was ist schon Übergewicht gegen eine so tolle Gemeinschaftsaktion? Wir sind schließlich im Auftrag der Herren unterwegs.



Samstag, 11. April 2020

Karsamstag 2020

Bereits heute gibt die Garniersche Kantine im beschaulichen Dorf ihren Speiseplan für die kommende Woche bekannt:
Montag: Duplo
Dienstag: Hanuta
Mittwoch: Kinder Riegel
Donnerstag: Kinder Country (bitte unbedingt „Kauntri“ aussprechen)
Freitag: Duplo White
Samstag: Hanuta
Sonntag: Kinder Bueno
Ausgewogene Ernährung, so wichtig. Wir spielen den ewigen Nudeln mit Klopapiersauce-Mist nämlich nicht mit. So! Wir müssen allerdings auch anderer Bestände Herr werden. Zugegeben, am Freitag werden wir in diesen sorglosen Zeiten ausnahmsweise einmal hart gegen uns selbst sein müssen. Aber wir haben höhere Ziele:

(Dank an Doc Schneider für den sachdienlichen Hinweis!)
Die weiteren, guten Aspekte dessen:
Die EM findet in diesem Sommer statt. Sagt schließlich nicht irgendwer, sondern Ferrero.
Durch den hohen Sammlerwert des Albums wird sich mühelos das WeightWatchers-Abo finanzieren lassen. So zumindest mein bauernschlauer Plan.

Freitag, 10. April 2020

Karfreitag 2020

Eigentlich wurde das Selbstgeißelungspotential in den vergangenen Wochen schon nahezu ausgeschöpft. Deswegen war es schwer, adäquates Tagesprogramm für heute zu finden. Meine Wahl zum Karfreitagsfrondienst fiel auf ausgiebigen Wohnungsputz. Ob das ausreichend Buße ist, können nur Menschen beurteilen, die mit kirchlichen Riten vertrauter sind als ich. Der Sohn wollte an diesem Tag wahrscheinlich sicherheitshalber noch zu meinem Leiden beitragen. Da die Friseure auf unbestimmte Zeit geschlossen haben, er den Aufsatz seiner Haarschneidemaschine nicht fand - und Suchen nie eine Option ist, beschloss er, sich seiner lästigen Kopfhaare in Gänze zu entledigen. Im Anschluss lief er wie eine Madonna durch die Wohnung, einen  schwarzen Pullover um Kopf und Gesicht drapiert. Meine Frage, ob er keine Cap habe, empfand er als uncharmant. Dabei wollte ich ihm doch bloß das Leben erleichtern. Wenn jemand diese „Frisur“ tragen kann, dann der Sohn. Aber blöd sieht es im Moment dennoch aus. 

(Wie gut, dass die Putzaktion nach dem Haarschnitt des Sohnes stattfand. „Mama, die Haare räume ich noch weg.“ Das immerhin stimmte.)
Das Gute am Karfreitag dieses Jahr: niemand beklagt sich über das Tanz- und Feierverbot.

Donnerstag, 9. April 2020

Gründonnerstag 2020

Der Charme dieses Tages erschließt sich nicht auf den ersten Blick, wenn die Pflicht so laut ruft, dass der Arbeitsplatz mehr als neun Stunden lang nicht verlassen werden kann. Wenn dann auch noch die Stärkung mit Tee ausfällt, weil der Wasserkocher pünktlich zu den Feiertagen seinen Geist aufgibt, stellt sich die Frage, ob der Karfreitag vielleicht ohne mein Wissen um einen Tag vorgezogen wurde. Die Stimmung steigt nicht unbedingt, wenn während einer Telefonkonferenz der Sohn anfängt, scheppernd und garantiert nicht geruchlos sein Essen zu braten, um sich zwischendrin lautstark zu erkundigen: „Mama, wo haben wir Sahne???“ Währenddessen laufen immer mehr Jobs auf - mit Timings die so eng sind wie die Hosen derzeit - und der Einkauf vor den Feiertagen rückt immer weiter in unerreichbare Ferne. 
Irgendwann beschließe ich, dass jetzt gut sein muss. Vielleicht auch besser, als wenn ich alle, mit denen ich telefoniere, durch den Hörer ziehe. Einmal aus dem Haus, wird alles besser. Bei den Warteschlangen vor real kann ich mir einbilden, ich warte auf Einlass in den angesagtesten Hipsterclub. Die Sonne scheint mir auf den Rücken, was die Ausgehillusion etwas zerstört. Am Ende bekomme ich sogar einen Wasserkocher mit Lightshow. Auf dem Rückweg schnappe ich auf, wie ein nicht mehr vollkommen nüchtern wirkender Vater zu seiner mit ihm einkaufenden Familie sagt: „Leude, die mit Mundschutz im Audo fohn, da fälld einen nichts mäa zu ein. Die ham doch ein anner Bärne!“ So kann ich Frieden machen mit diesem Tag.

(Wer hat‘s raus, die Osterglocken à point zu setzen? Die Magnolie aka Mongolie hat es zu meinem Geburtstag allerdings nicht mehr geschafft.)

Mittwoch, 8. April 2020

Was mit neuen Medien

Wäre ich technisch versierter und hätte mehr zu sagen, gäbe es jetzt auch von mir einen Podcast. Einen Namen hätte ich aus gegebenem Anlass zumindest: er hieße „Fett & Faltig“.
Da sich mein Interesse an Podcasts - wie übrigens auch an Hörbüchern - in Grenzen hält, bleibt es beim Gedanken und bei ein paar Sätzen zum gestrigen Tag.
Es ist erstaunlich, wie sehr du dich in das Sujet „Sibirischer Januar“ einarbeiten kannst, wenn du gut fünf Stunden festgetackert im Wohnzimmer vor dem Computer sitzt. Egal, wie viel heißen Tee du trinkst. Es ist umso erstaunlicher, dass du nur wenige Meter von dir entfernt eine vollkommen andere Klimazone entdeckst, wenn du eine Kaffeepause auf dem Balkon einlegst.
Die Tochter hielt sich gestern noch strikter als sonst an die Isolation. Der Grund lag in ihrem selbstlosen Experiment (Selbstversuch) zum Day Drinking am Vortag. Zur Apotheke schickte sie ihren Bruder.
Beim Tischtennisspiel verbessern sich unsere Fähigkeiten hauptsächlich im Bereich „Kontaktloses Spiel“. Das gehört in diesen Tagen zu den wichtigsten Skills. Als Kompetenzteam sind wir langsam doch betrübt über die Olympia-Absage. Dabei haben wir für den Athleteneinzug bereits unsere Hymne gefunden. Sie kommt - wie sollte es anders sein? - von Element of Crime und heißt natürlich „Immer da wo du bist bin ich nie“.



Montag, 6. April 2020

Unvergesslich

Der gestrige Tag war für mich wie Palmsonntag und Geburtstag in einem. So viele Liebesbekundungen, so viele Blumen und so viel Sonnenschein innerhalb so kurzer Zeit. Ja, natürlich wurde ich um die übliche Party gebracht; aber mal ernsthaft, was ist schon eine Feier gegen WhatsApp-Geburtstagsgrüße des Ex-Mannes, die nicht am 4. Mai kommen? Das wirkt fast schon ein wenig überkompensiert. Auch sonst wurde ich verwöhnt. Die Kinder haben für mich gebacken und gekocht, ich bin jetzt stolze Besitzerin eines Peanuts-Pyjamas (Team Springtime, mit ganz vielen Woodstocks darauf) - endlich gerüstet für Videokonferenzen! - und vieler anderer Geschenke. Sogar aushäusigen Besuch hatte ich - selbstverständlich unter Wahrung der zwei Meter Sicherheitsabstand. 
Selbst heute kann ich noch feiern. Mein Geschenk an mich: ein Urlaubstag, um mich vom Feiertag zu erholen. Ich feiere unseren Balkon, die Sonne, den nahtlosen Übergang von Wintermantel auf offene Schuhe und das entspannte Nichtstun. Schade nur, dass es nicht möglich war, das Jobtelefon von meinem Mobiltelefon auf die Kollegin umzustellen. Irgendwas ist ja immer.

(Das war nicht der Geburtstagsbesuch, den ich meinte, Schnupus - wie der Sohn sagt - wohnt schließlich bei uns.)

Samstag, 4. April 2020

Denkwürdiges

Was mir gestern früh beim Blick aufs Datum auffiel: Für Menschen meiner Alterskohorte  - momentan ist nicht alles schlecht: wir kommen, wenngleich ansonsten distanziert, in Kontakt mit vielen schönen Ausdrücken und Redewendungen. Obwohl ich etwas betrübt bin über den fast inflationären Gebrauch von „exponentiellem Wachstum“, aus einem Physikerhaushalt kommend gehörte das schon lange zu meinem aktiven Wortschatz, doch jetzt benutzt es jede/jeder - also Menschen wie mich, die in den Achtzigern aufgewachsen sind, war gestern sozusagen Führers Geburtstag. Denn da wäre Helmut Kohl 90 Jahre alt geworden. Irgendwie trifft es mich nicht allzu hart, dass dies im öffentlichen Interesse keine allzu große Rolle spielte. Meine letzthin meistgebrauchte Redewendung im Zusammenhang mit der Arbeit war übrigens: Ich kann gar nicht so viel putzen, wie ich kotzen muss. Da ist es zusätzlich folgerichtig, dass ich am Montag nach den orgiastischen Geburtstagsfeierlichkeiten am Sonntag einen Tag Urlaub genommen habe. Noch stolzer als auf meine  Arbeitsfloskel bin ich jedoch auf meinen Vergleich von heute, als wir beim Frühstück über Obst und Gemüse sprachen: „Die Aprikose ist die feine Leberwurst unter den Früchten.“ Meine Meinung.



Donnerstag, 2. April 2020

Goldene Zeiten

Wie tragisch, dass Harald Juhnke unser Glück nicht mehr erleben darf: „keine Termine und immer leicht einen sitzen“ beschreibt die aktuelle Lage vieler doch recht treffend. Doch will sich bei mir die wahre Freude nicht recht einstellen. Das mag daran liegen, dass eine Beschränkung aufs Häusliche im Winter leichter umzusetzen wäre als im Frühling. Denn letztere ist einfach die beste Jahreszeit. Dank Sommerzeit und Umlaufbahn lange hell, Freude über jeden Sonnenstrahl und jede bunte Blume, die uns aus diesem düsteren Schwarzweißfilm befreien, zwitschernde Vögel, Vorfreude auf laue Sommernächte, das schöne Hellgrün, Frühlingsgefühle eben. Heutzutage sagte man wohl: Ein Hurensohn, wer den Herbst besser findet.
Da dachte ich Anfang des Jahres, nach der Scheidung sei nun - anders als in den letzten zwölf Jahren - das erste Frühjahr, das mir nicht durch einen meinen Geburtstag ignorierenden, fremdgehenden, nicht-ausziehenden/ausziehenden, eklige Krankheiten unterjubelnden, intrigierenden, als-Vater-nicht-existenten Mann verhagelt wird. Merkwürdig, immer um diese Jahreszeit gab es die dicksten Brocken zu verkraften. 
Es bleibt die gute Gewissheit, dass ich nicht ganz falsch lag mit meiner Prognose. An ihm lag es dieses Jahr wirklich nicht.



Mittwoch, 1. April 2020

Sittenverfall

Wir verrohen, fürchte ich. 
Kurzzeitig wunderte sich die Tochter, warum DJ Koze, den sie in unserer Halle traf, sie nicht vorschriftsmäßig grüßte. Dann fiel ihr auf, dass sie mit offener Hose durch die Halle lief und wunderte sich nicht mehr. Immerhin zeigt es, dass sie nicht die Kontrolle über ihr Leben verloren hat und auch in diesen Zeiten nicht in Jogginghose unterwegs ist.
Ich fragte mich, ob es statthaft sei, am Vormittag die Fritteuse anzuwerfen und Pommes zu machen. Soul Food soll doch so wichtig sein. Die Tochter fand es richtig. Sie habe den Eindruck, im Netz trinken alle tagsüber Alkohol, dagegen sei fettiges Frühstück wohl nichts. Eine stringente Logik, von der ich mich gerne überzeugen ließ. Die Kartoffeln sind mir auch ziemlich gut gelungen. 
Das Tischtennisspiel zeigt auch immer weniger Regelkonformität. Die Spezialität dieser Tage: der kontaktlose Ballwechsel, der ohne lästige Berührung der Platte auskommt. Insgesamt hat unser Spiel nur bedingt an Qualität gewonnen. Wenn sich überhaupt ein Trainingseffekt bemerkbar macht, dann nur der, dass die Reaktionsfähigkeit etwas zugenommen hat. Die Bälle werden jetzt häufiger retourniert, wenn auch nicht in die richtige Richtung. Ein Augenschmaus ist es garantiert nicht, uns beim Spiel zuzusehen. Das erklärt die kurze Verweildauer etwaiger Beobachter. Die Hymne unseres Spiels kommt - wie sollte es anders sein? - von Element of Crime: „Immer da wo du bist, bin ich nie“.
Doch mein wahres Highlight kommt wieder einmal vom Sohn:

„Mama, das sind Mohnblumen, oder?“