Montag, 6. Dezember 2021

Zapfenstreich

Eine neue Ära hat begonnen. Ich habe die gute alte Zahnbürste zu den Akten gelegt und bin nun ins Geschäft des elektrischen Modells eingestiegen. Deutlich später als die Generation meiner Kinder. Wegen dieses Zeitverzugs fehlt mir ihre Expertise. Ich frage mich nach wie vor, wie es gehen soll, beim Zähneputzen nicht das ganze Badezimmer und vor allem meine Haare mit Zahnpastaspritzern zu überziehen. Wenn ich es mir recht überlege, gelingt es ihnen auch nicht richtig. Bin ich doch diejenige, die unter anderem die Badezimmerspiegel putzt.
Außerdem kann ich seit gestern der weiteren Wellen und Varianten etwas entspannter entgegensehen, denn ich bin geboostert. Am Ende war es sehr unkompliziert und sogar schon nach etwa fünf Monaten möglich. Fünf Minuten nach meinem Termin war ich fertig, zum Glück nicht im anderen Sinne.
Neben diesen bahnbrechenden Entwicklungen hat auch die Kanzlerin ihren Abschied gefeiert. Zu diesem Anlass fanden wir uns spontan zu einer Videoschalte zu dritt zusammen. Unser Kreis passte wunderbar zur Anzahl der Wunschtitel. Während der erste Kanzlerinnenwunsch ganz eindeutig dem einzigen mit 
Ostsozialisation zufiel („Wisst Ihr, worum es in dem Lied eigentlich geht?“), gehörte der letzte ebenso klar der einzigen mit einer Karriere in protestantischer Jugend. Textsicher konnten uns sämtliche neun Strophen von „Großer Gott“ virtuell und virtuos dargeboten werden. Blieb für mich also nur „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ übrig. Mit dieser Zuteilung war ich nicht unzufrieden. Wenngleich „mein“ Song in der Feier etwas zu kurz kam, fand ich. Mit Verruchtem tut sich eine Militärkapelle wahrscheinlich schwer, deswegen wollten sie es so kurz wie möglich halten. Der Miene der Kanzlerin nach war unsere Videoveranstaltung deutlich amüsanter.
Der wichtigste Punkt jedoch, weswegen sich ab jetzt alles zum Guten wendet: Im März 2020 hatten wir Karten für die Premiere des neuen Studio Braun-Theaterstücks im Schauspielhaus. Aus Gründen fand sie nicht statt. Mit nur 20 Monaten Verspätung war es am Samstag so weit. Und umso schöner. Wen kümmert da, dass der Saal entgegen der Ankündigung komplett ausgebucht war, wir trotzdem keine Plätze nebeneinander hatten und die Maske den ganzen Abend aufbleiben musste?



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