Sonntag, 9. Oktober 2022

Der Lauf hält an

Überraschend eigentlich, wie lange ich gebraucht habe, um den Dreh zu finden, ein herkömmliches Wochenende gefühlt zu verlängern - und dass ich dafür ein erweitertes im Herbst brauchte, bekanntlich nicht meiner favorisierten Jahreszeit. Unbewusst habe ich den gleichen Trick wie beim letzten angewandt: einfach Erfreuliches und Entspannendes auf den Donnerstag und Freitag legen, dann können zumindest Teile dieser Tage gedanklich bereits der Freizeit angerechnet werden. Der Plan ging auch diesmal auf, Date am Donnerstag und Friseurbesuch am Freitag sei Dank. Dass er funktionierte, ist umso überraschender, als ich am Samstag ab 8 Uhr morgens auf Standby sein musste, da sich die Handwerker für restliche Arbeiten angekündigt hatten. Zu dieser Uhrzeit ist mein Biorhythmus normalerweise darauf getrimmt, vorsichtig ein Auge einen kleinen Spalt zu öffnen und ihn schnell wieder zu schließen. Nicht der unerheblichste Vorteil erwachsener Kinder. „Die Boys“ (der Sohn) erschienen auch nur mit einer Verspätung von vier akademischen Vierteln. Zeiten, von denen die Deutsche Bahn träumt, in denen mir dennoch der eine oder andere Seufzer ob des verpassten Schlafs über die Lippen ging. Um den Männern bei ihrer Arbeit nicht im Weg zu stehen, tat ich parallel ein gutes Werk und fegte draußen die am Boden liegenden Blätter rund ums Haus weg. Inmitten des braunen Blattwerks fand sich etwas Blaugrünes, das sich als Fünfeuroschein entpuppte. Das Geld liegt eben doch noch auf der Straße. „Der warme Regen“ (der Sohn, immer in Anführungszeichen, mich zitierend; letzthin meinte er, er sei in einem kalten Regen gekommen, was ich nicht sofort verstand und mich sorgte, er sei nass geworden, stattdessen nahm der Automat nur einen Bruchteil der Pfandflaschen an) kam am Vorvortag des Sohngeburtstages umso passender, als er der Meinung ist, Geburtstagskarten ohne Geldscheine seien eine Zumutung. Das wiederum tut mir weh, schließlich wähle ich Karte wie Worte immer mit viel Bedacht aus. Mit dem krumpeligen Minimalschein jedenfalls verliere ich nicht das Gesicht.
Derart beseelt konnte ich anschließend fast darüber hinwegsehen, dass dieses Jahr kein einziger Schnickschnackladen, Drogerie- oder Supermarkt auch nur irgendwelche orange Dekoration anbietet (es sei denn, es ist ein Fratzenkürbis). Wofür habe ich den Sohn so vergleichsweise kurz vor Halloween zur Welt gebracht, wenn nicht mal mehr funktioniert, Deko in der Allzeit-Lieblingsfarbe des Sohnes zu bekommen? Doch selbst dieser Kulturpessimismus kann mir die Wochenenderholung nicht nehmen.



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