Freitag, 1. August 2014

Kinder und Botanik

Wiedersehensfreude ist ein zartes Pflänzchen, das über Nacht verdörren kann. 
Gestern Abend war es noch in prächtigem Zustand, als ich ein nicht mehr ganz kleines, dreizehnjähriges Stinktier am Flughafen in Empfang nehmen durfte. Die kleinen Ärgernisse kamen eher von außen, als sich sein Vater kurzfristig entschloss, sich in unser Taxi einzuzecken und dann die Unterhaltung monologisch zu bestreiten. Geschenkt. Es erstrahlte zur vollkommenen Pracht, als der Sohn nach der Taxifahrt gar nicht bis zur Wohnung abwarten konnte, um mir seine Mitbringsel zu überreichen. So stand ich nächtens reich mit Parmaschinken, Parmesankäse und Pasta beschenkt auf unserer Straße. Endlich Zuhause angekommen musste natürlich sofort der ritualisierte Kühlschrankcheck stattfinden. Dieser muss sehr ernüchternd gewesen sein, denn außer einem Viertel Wassermelone befand sich darin nichts, das unter Dreizehnjährigen als essenswert gilt. Egal, ein wenig Obst kurz vor Mitternacht hat noch keinem geschadet - das klägliche Kilo wurde in Bestzeit verhaftet.
Ersten Schaden nahm das Pflänzchen, als meine Monologe über Bettruhe, Zahnpflege, Schlafbekleidung und Lichtausschalten abgerufen werden mussten. Gegen Morgen zur Aufstehenszeit befand es sich bereits in einem kritischen Zustand, als ich bemerkte, dass die ganze Wohnung trotz sonniger Verhältnisse unter Flutlicht stand und der Fernseher im unbemannten Wohnzimmer lief. Gänzlich verödet ist es dann, als mir bewusst wurde, in welchem Umfeld sich der Sohn stattdessen befand: er hatte sich in unserem wirklich kleinen Gästebad mit meinem Küchenstuhl, seiner Bettdecke, seinem Kissen (auf dem Boden - versteht sich!) und seinem Mobiltelefon ein schickes Lager bereitet, das keinerlei Intervention von außen duldete. Auch meine schäbigen Argumente, ich wolle an meine Kontaktlinsen, wurden mit einem Grunzen abgebügelt.
Man darf gespannt sein, wie lange das zweite Pflänzchen überleben wird, das Mitte August mit der Rückkehr der Tochter erwartet wird.

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