Donnerstag, 13. Juli 2023

Work-Life-Balance

Es begann mit einem Urlaubstag. Ein verlängertes Wochenende in Berlin, das schon am Freitagmorgen startete. Mal was Verrücktes tun. Dieses Motto setzte sich fort. Gleich einer Gruppe alternder Kegelschwestern hatten wir eine Zugfahrt mit einem Piccolöchen (pro Person). Nicht direkt, aber doch anschließend kam eine ausgedehnte Shoppingtour durch West-Berlins entsprechende Meile. Der Erfolg waren unter anderem diverse Shirts und Wäsche (der Reiseleiter) sowie ein Kleid und drei Paar Schuhe (ich). Nach verschiedenen Stärkungen machten wir uns - zum Glück später als ein großer Teil der Schwarzgekleideten - noch tiefer in den Westen auf, um den übrig gebliebenen Herren Gahan und Gore zu huldigen. Das taten wir. Wenngleich etwas weniger als manch andere. Neben mir beispielsweise ein großflächig tätowierter Hüne gehobenen mittleren Alters, der in Tränen ausbrach, als sie auf der Leinwand Bilder des Kollegen Fletcher zeigten. Im Gedenken an ihn scheint sich Herr Gahan stärker durchgesetzt zu haben als Herr Gore, der auch in seinem eigenen Auftritt mehr zur Tränendrüsenvariante neigt. Toll, dass der Himmel über dem Olympiastadion eine zusätzliche Lightshow lieferte. Derart beseelt störte uns selbst die Rückfahrt in einer heißen S-Bahn (in der Dose gekochte Sardinen?) nicht weiter. Führte nur dazu, dass wir anschließend in der Bar unter anderem literweise Wasser tranken. 

Um die Stimmung in den nächsten Tag zu retten, stand am nächsten Morgen ein Frühstück im Schwarzen Café an. Einziger Minuspunkt dort: der früher so gefragte Balkon zur Kantstraße ist geschlossen. Wie mir scheint aus Sicherheitsgründen. Überhaupt konnte ich ein ganzes Wochenende im Westen verbringen, ohne dass es mir an irgendetwas mangelte. Richtig schön war‘s.

Erst mit Beginn der Arbeitswoche habe ich rübergemacht.
Ost-Berlin hat sicherlich seinen Reiz, doch leider ist er - zumindest mir - an vielen Stellen verbaut. An vielen Orten gibt es Berlin-typische Ecken, die dann durch unmotivierte Bebauung zu einem städteplanerischen Durcheinander verkommen. 

Die Hamburger Schanze nimmt sich waisenknäblich aus gegenüber den entsprechenden Hotspots in der Hauptstadt. Touristenfolklore wird im Osten Berlins groß geschrieben. So sehr ich mich über das bunte Sprachengewirr freue, so sehr nervt mich die Hipsterdichte. Ich frage mich ernsthaft, ob es in Mitte überhaupt noch Eingeborene geben darf, wenn sich an jeder Straßenecke mindestens vier gastronomische Angebote für eine global-urbane Jugend oder solche, die sich so fühlen, befindet. Fürs erfolgreiche Geschäft der Restaurationsbetriebe ist es unerlässlich, meist zusammenhanglos das Schlagwort „vegan“ prominent auf Angebotstafeln (oder gleich die Fassade) zu schreiben und Preise immer in der Version „Iced Oat Foam Latte 5.9“ anzugeben.
Doch egal, um diese Jahreszeit kann selbst die bauliche Rumpelkammer und Arbeit bei hohen Temperaturen nicht das Gefühl abwenden, dass alle fünf Tage in der Hauptstadt wieder rischtisch jut jewesen wa‘n und ich schon im Aussteigen am Hamburger Hauptbahnhof gleich wieder zurück möchte.



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