Freitag, 1. März 2019

Richtigstellung

Mir ist nicht klar, woher gerade jetzt der Drang in mir kommt - schließlich haben wir weder ein gerades Jahr noch die klimatischen Verhältnisse, aber es wird Zeit, mit einem Mythos aufzuräumen. Das Sommermärchen 2006 war gar keines. Damit meine ich nicht die sterbenslangweiligen Korruptionsgeschichten. Die sind doch bei und vor allem vor jeder Großveranstaltung mit eingepreist. Ich meine, dass diese WM für uns gar nicht so toll war. Der Sohn widerspräche vielleicht; kann er sich nach meinem Gefühl an jede Begegnung, jeden Torschützen und jeden Halbzeitstand erinnern. Ich wiederum habe mehr irgendein Fußballspiel im Vorfeld in Erinnerung, als er wieder einmal unter Beweis stellte, dass er sich fünfjährig das Lesen beigebracht hatte, indem er die Bandenwerbung der Tapete „Erfurt“ kommentierte: „Erfurt, da ist Clemens Fritz geboren.“ Und dann auf meine nicht ernst gemeinte Frage auch noch das Geburtsdatum herbeten konnte. 
Meine zentrale Assoziation mit dem vermeintlichen Sommermärchen ist neben einer bereits kriselnden Ehe Freitag, der 30. Juni 2006. Die Tochter kehrte von ihrer ersten Klassenfahrt zurück. Zur Begrüßung meinte sie, sie fühle sich nicht so wohl. Netterweise hatte sie sich während der Woche wacker gehalten, um dann den dort allseits grassierenden Magen-Darm-Virus erst zuhause auszuleben. So verbrachte ich den ohnehin aufregenden Abend um das Elfmeterschießen zwischen Deutschland und Argentinien hauptsächlich damit, im möglichst rechten Moment eine Schüssel unter das spuckende Kind zu halten. Das Ganze musste natürlich vor dem Fernseher stattfinden. Denn die Tochter suchte Nähe. Weniger krankheitsbedingt als vielmehr, weil ich ihr hatte unterbreiten müssen, dass sie am folgenden Tag kein gern gesehener Gast auf dem sechsten Geburtstag ihres Kindergartenfreundes wäre und deswegen nicht teilnehmen werden könne. Ich hatte schon Schwierigkeiten, ihren Bruder weiter auf der Gästeliste zu belassen. Was die Sache auch nicht besser machte. Spannung, Kotzen und Heulen. Man dächte, die Stimmung sei auf dem Nullpunkt. Doch dann kam auch noch die Nachricht vom Tod Robert Gernhardts. Wie soll man so etwas ernsthaft Märchen nennen? Albtraum trifft es eher.

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