Sonntag, 24. März 2019

Mysteriös, mysteriös

In letzter Zeit musste ich innerhalb einer kurzen Spanne den Verlust zweier Bürsten hinnehmen. Sie waren einfach verschwunden. Als die erste abhanden kam, sah ich mich gezwungen, sie durch eine neue zu ersetzen. Ungebürstet zur Arbeit erhöht die Karrierechancen nicht. Bei der zweiten scheute ich die Investition in eine Ersatzbürste. Hatte ich mich doch kurz zuvor erst über die gängigen Preislagen informiert und mich nicht für die allergünstigste entschieden. Als mir letzthin also der Verlust des zweiten guten Stücks auffiel, wie üblich kurz vor meinem zeitverzögerten, hektischen Abflug zur Arbeit, war die schnellste Erklärung, den Sohn verantwortlich zu machen. Ich stürmte in sein Zimmer und riss ihn mit meinen Schmähungen aus dem Schlaf. Er versicherte, glaubhaft wie ich zugebe: „Mama, ich habe noch nie in meinem Leben eine Bürste benutzt.“ Meine Hoffnung, nein: Überzeugung, ist, dass er ausschließlich das Modell für die Haare meint. Ok, eine neue Erklärung musste her. Kurzzeitig spielte ich mit dem Gedanken, die gute, alte Strategie meines Vaters zu übernehmen. Er machte noch Jahre nach dessen Auszug meinen Bruder dafür verantwortlich, wenn Werkzeug unauffindbar war. Im Grunde weiß ich nicht, ob er sich den Verlust nicht immer noch so erklärt. Es wäre also ein leichtes gewesen, den Bürstenschwund der Tochter in die Schuhe zu schieben. Mutterliebe versperrte mir diesen Weg. Über diese Entscheidung war ich sehr froh, als ich einige Stunden später zwei Bürsten im Geheimfach des Rucksacks fand. Von dessen Existenz ich nichts wusste, weil ich den Rucksack vor längerem dem Sohn gemopst habe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen