Freitag, 25. Juni 2021

Spielfrei I

Der Zufall wollte es, dass der erste spielfreie Tag und der erste Urlaubstag aufeinander fielen. Beides gab mir endlich wieder Zeit und Gelegenheit, entspannt zu lesen, ohne auf die Uhr gucken zu müssen. Den Wunsch auszuschlafen konnte ich noch nicht ganz wie vorgesehen umsetzen, da hier der rechte Abstand zur Arbeit fehlt. So machten sich morgens zur alltäglichen Weckzeit Arbeitsthemen im Kopf breit, die am Ende nicht anders als durch Lektüre zu vertreiben waren. Schlaf ging jedenfalls nicht mehr.
Ganz ließ sich der Beruf auch beim Lesen nicht unterdrücken, als ich später in einer unteren Ausgabe meines kumulierten Zeit-Stapels diese Perle der Anzeigenkunst entdeckte (zusätzlich bestimmt perfekt platziert in der Erinnerung an die Invasion Russlands vor 80 Jahren):

Es mag meinem wenig ausgeschlafenen Zustand oder der langen Entwöhnung zuzuschreiben sein. Erst am Nachmittag entsann ich mich der Möglichkeit, mir Urlaubsgefühl durch einen Cafébesuch zu bescheren. Ich fragte mich, ob es nur mir so geht oder ob jüngere Menschen vielleicht noch viel weniger auf die Idee kommen, ein Restaurant zu besuchen, weil ihr „vorheriges“ Leben so viel kürzer war als meins. Ich weiß es auch nach längerem Überlegen nicht. Meine (späte) Wahl fiel auf die portugiesische Pastelaria um die Ecke. Neben gutem Kaffee und Törtchen wird das mediterrane Gefühl gleich mitgeliefert. Die Rechnung ging nicht auf. Drinnen gibt es dort keine Möglichkeit Platz zu nehmen. Draußen war alles belegt, so dass ich mich mit Espresso und einem Pastel de Nata etwas abseits vom Geschehen, aber relativ dicht daran, an einen ungedeckten Tisch ohne Stühle stellte. Die Servicekraft ermahnte mich, dort dürfe ich nicht stehen, der Tisch gehöre nicht zu ihnen, sondern zum asiatischen Restaurant nebenan (dessen Tische, selbst die eingedeckten, um diese Zeit niemand - in Worten: null Personen - nutzte). Ich solle mich auf ihren Bierbänken irgendwo dazwischen klemmen. Klingt nach einem überzeugenden Hygienekonzept. Sie blieb neben mir stehen, um mich zum Weggang zu bewegen. Genervt tat ich ihr den Gefallen, wenngleich nicht ganz wie geplant: ich trank den Kaffee mit einem Schluck aus (wie umsichtig, dass ich keinen Milchkaffee geordert hatte), knallte die Tasse auf ihr Tablett und aß mein Törtchen im Gehen. Diesem Ausflug in die Gastronomie werde ich wohl nicht die Ehre eines Aufsatzes „Mein schönstes Urlaubserlebnis“ zuteil werden lassen. Die verpatzte Generalprobe gestern macht immerhin Mut für eine gelungene Premiere heute.

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