Dienstag, 29. Juni 2021

Tag 16

Da meine ausgedehnte Sommerfrische andauert - unglaubliche fünf Urlaubstage -, hätte ich es auch einmal pünktlich zum Anpfiff der ersten Spielrunde schaffen können. Aber nein. Ich musste alle Vorurteile hormonell bedingter Ungeschicklichkeit bedienen (wäre ein Erntedankfest für den Ex gewesen). Akkuschrauberbits bei der ersten von vier Schrauben durch die Löcher des Balkonbodens verlieren, dann überlegen, wo ich ein lustiges Angelspiel herbekomme, daran scheitern und mir stattdessen mit Grillspießen und Pfannenwendern behelfen. Mir dumme Kommentare des Nachbarn oben anhören, der sich vermutlich auch bestätigt fand (siehe oben), Gießkannen vollflächig im Badezimmer auskippen, an jeder sich bietenden Ecke anstoßen usw. usf. Immerhin konnte ich die restlichen drei Schrauben dank meines erfolgreichen Küchenutensilieneinsatzes später halbwegs versenken. Die nächsten Tagesordnungspunkte verschieben sich um eine Stunde. Dafür war ich überraschend zeitig im EM-Studio. Anfangs mit etwas anderer internationaler Besetzung. Wieder einmal waren wir eher gegen eine Mannschaft als für die andere. Zwischenzeitlich lief alles nach Plan und Tipp. Spanien lag vorne. Zeitweilig sogar genau richtig, nämlich 2:1. Als es 3:1 stand, wünschten wir Tipper uns ein kroatisches Tor, um wenigstens mit der Tordifferenz zu punkten. Der Ausgleich ließ uns alles egal werden. Unbewusst und ohne Grund hielten wir plötzlich den eben noch unsympathischen Kroaten zu. Die Energien schwappten wohl nicht bis nach Kopenhagen herüber. 
Neues Spiel, neues Glück. Oder wie Kevin De Bruyne sagte: „Jetzt ist alles auf nix.“
Unsere Aufstellung war leicht verändert. Die auf dem Platz auch. Erstens befand sich der Platz nun in Bukarest, zweitens spielte nun Frankreich gegen die Schweiz. Ansonsten war es eine Wiederholung: wir feuerten entgegen unseren Tipps und zum Teil auch gegen unsere Überzeugung an. Unterdessen war selbst die Tochter virtuell beteiligt, da sie festgestellt hatte, dass „unser Mann“ für die Schweizer spielte (wir beide hatten Ricardo Rodriguez einmal live, also gegen Wolfsburg, gesehen und waren schockverliebt wegen seines Nackens und seiner schleichenden Bewegungen über den Platz). Nach seinem verschossenen Elfmeter schickte mir sie sehr viele weinende Emojis. Ich mutmaßte (vielleicht sogar richtig), dass er vor der Verlängerung ausgewechselt wurde, um beim Elfmeterschießen seiner Elf kein Hindernis zu sein. Ebenso wie ich vorhersagte, dass Mbappe verschießen würde. Auch wenn es unterdessen spät war und wir bettreif, waren wir begeistert, als es so eintraf. Wie gut, dass ich dieses Mal mit meinen echten Tipps ohnehin nicht Fuß gefasst habe, denn nun sind sie endgültig verloren. Nicht nur, dass ich ein dreckiges 1:0 für Frankreich getippt hatte, sie waren in meiner Prognose auch Halbfinalisten und gar Europameister. Viel größer ist ohnehin die Freude, dass die schweizerische Nummer 13 nun gegen Spanien alles geben kann. Laut der späteren Recherche der Tochter kommt sein Vater aus Spanien (seine Mutter übrigens aus Chile). Ricardo, Deine Chance die Scharte auszuwetzen!

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