Dienstag, 28. April 2020

St. Georg Open

Seit wir beschlossen haben, die St. Georg Open bei uns auszurichten (Wie wäre es mit dem Motto „Die Welt zuhause bei Freunden“? Das gab es, glaube ich, noch nicht.), trifft uns die Absage der Olympischen Spiele nicht mehr ganz so hart. Unser Trainingsvorsprung ist unterdessen so groß, dass selbst unsere minderen Tischtennisfähigkeiten nicht mehr ganz so schwer wiegen. Es gab schon vereinzelt Ballwechsel, die den Namen verdienten und nicht nach der Angabe gleich im Netz verendeten. Selbst der ansonsten überkritische Sohn bestätigte, unser Spielniveau liege über dem unserer Nachahmer. Auch ein blindes Huhn soll ja ab und an ein Korn finden. Einen Korn finden wir nicht, denn unsere Standards hinsichtlich eines Day Drinking-Verbots sind noch sehr hoch. Vielleicht erklärt sich unser relativ gutes Spiel auch dadurch. Der nachahmende Nachbar fürchtet sich laut eigener Aussage jedenfalls mehr vor der Dopingkontrolle als vor dem eigentlichen Wettbewerb. Ein typischer Fall männlicher Selbstüberschätzung seines spielerischen Könnens? Bleibt abzuwarten. Dass ich gestern an der Platte reüssierte, lag vor allem an meinem erhöhten Aggressionslevel. Kurz vorher war der Nachbar, der sich in letzter Zeit noch einmal besonders durch seine Balkonbauarbeiten zu unpassenden Zeiten und an verschiedenen maximal störenderen Orten der Gemeinschaftsfläche hervorgetan hatte, auf die Idee gekommen, einen Boxsack an einer baufälligen Konstruktion direkt neben der Tischtennisplatte aufzuhängen. Ich versuchte, ihm nahezubringen, dass ich erstens statische Bedenken habe und dass er zweitens doch vorher einmal fragen solle, ob die Hausgemeinschaft das Ganze auf und an ihrer Gemeinschaftsfläche in Ordnung finde. Seine Reaktion changierte zwischen „Ich erklär‘ dir mal die Welt, Mäuschen!“ (der Sack wiege doch bloß 15 Kilo) und „Was mischst du blöde Plunse dich überhaupt ein - underfucked oder was?“ (und überhaupt, wen er denn fragen solle). Ich fing nicht an, ihn über Torsionskräfte oder über mitteleuropäische Kommunikationsstandards zu belehren; geschweige denn, ihm zu sagen, er solle nicht immer von sich auf andere schließen. Das rechne ich meiner Selbstbeherrschung hoch an. Besonders, da ich es langsam leid bin, mich selbst an die Spielregeln zu halten (egal, wie sinnlos ich sie zum Teil finde) und als Dank oft und ungerne mit der Rücksichtslosigkeit anderer konfrontiert zu werden. Manchmal denke ich, wir leben gerade in einem groß angelegten Intelligenztest. Meinetwegen könnten wir die Feldphase jetzt beenden, wenn doch klar ist, dass wir ihn nicht bestanden haben.
Doch ich will nicht nur meckern - vor allem, um nicht oben genannte Vorurteile zu bestätigen. Neben dem Zuspruch der bekannten, netten Nachbarn bekomme ich auch unerwarteten Dank von anderen, die finden, mit meinen Pflanzbemühungen auf meinem Balkon und in der Peripherie meiner Wohnung säe ich viel Freude in einer eher spaßarmen Zeit. 

(Ich nenne es: Noch blüht die Mongolie, bald der Rhododingens)

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