Sonntag, 5. August 2018

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Für dieses Wochenende legt unser Dorf seine Beschaulichkeit ab. Sie nennen es CSD. Das heißt, es ist hier heiß (das wäre es wohl ohnehin), voll (in jedweder Hinsicht) und laut. Da schien es angebracht, Samstagvormittag schnell noch vieles zu besorgen und erledigen, um dann schnell zu flüchten. Nicht, weil ich anderen keinen Spaß gönnte oder weil es die falsche Art des Spaßes wäre, sondern weil laut und voll nicht meine Vorstellung von Spaß ist. Eine Einladung ins Outback passte deswegen noch besser. Der Einkauf im Dorf erwies sich wie erwartet beschwerlicher als sonst. Es war doch sehr voll. Dadurch hatte ich immerhin lange Gelegenheit, dem Gespräch des süddeutschen Paares hinter mir zu folgen. Endlich auf der Höhe der Quengelware angekommen fragte Er I: „Wollen wir noch Lakritz mitnehmen?“ Er II: „Ich bin nicht so der Lakritztyp.“ Er I: „Ist aber gut gegen Herpes.“ Man lernt so viel, nicht nur von den Kindern. Dann ärgerten sie sich, es dauere so lange, was denn da los sei? Ich verkniff mir zu sagen: „Na, dass dieses Wochenende ganz viele angereist sind und unser Dorf damit etwas überfordert ist.“ Sie waren ja nett, da will man nicht unhöflich wirken. Kurz vor der Kasse meinte Er II so: „Oh, ich hab‘ Rücken!“ Er I: „Das glaube ich. Er war ja höchstens 1,75 - mit Schuhen!“ Zu viel Nähe ist auch nicht immer gut. Nach dem Bezahlen löste sich die Wartegemeinschaft natürlich auf, ich wünschte den beiden noch freundlich viel Spaß und zog nach Hause. Um von dort aus möglichst bald in den Nordwesten zu gelangen. Dort herrschte der übliche Ruhestandard, nur später mit besserer Sicht auf den Sternenhimmel. Wir waren wohl weit und breit die Lautesten. Und die, die die längste Ausdauer hatten.
Immer noch etwas derangiert machte ich mich heute Mittag auf den Nachhauseweg. Am S-Bahnhof Elbgaustraße, gegen den „unser“ Berliner Tor übrigens wie ein erlesener Premium-Bahnhof wirkt, hörte ich im Vorbeigehen einen bärtigen jungen Mann mit orientalischem Migrationshintergrund zu seinen Buddies sagen: „Gestern war ich am Hauptbahnhof: die Schwulen sind überall, Bruder!“ Mag sein, aber warum auch nicht? 
Als ich dann an besagtem Premium-Bahnhof ausstieg und meines Weges ging, wusste ich, ich bin zuhause: Unser Dorf sieht genauso verwüstet aus wie ich mich fühle.

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