Dienstag, 21. August 2018

Spätsommer

Schön ist es, an einem Sommerabend nach getaner Arbeit und erfolgreichem Einkauf im dörflichen Edeka durch den Park nach Hause zu gehen. Da die Sommerferien vorbei sind, stand zu erwarten, jemand Bekanntes zu treffen. Und so war es dann auch. Eine Nachbarin lief mit ihrem Hackenporsche vorbei und murmelte „96, 97, 98...“. Mit einem langen Schritt kam sie zum Stehen. Sie entschuldigte sich, sie könne nicht mit mir sprechen, sie müsse Schritte zählen, um ihren neuen Zähler zu überprüfen. Mir hätte ein beiläufiges Winken vollkommen genügt, meinetwegen hätte sie nicht anhalten müssen. Doch genau das, was sie befürchtete, trat ein: sie war durcheinandergebracht (sie kennt sich eben schon etwas länger) und fragte sich, an welcher Stelle sie sei. Ich sagte ihr „98“. Man hilft gerne, wenn man kann. 
Noch schöner, wenn später besagte Nachbarin an der Tür klingelt, um sich zu entschuldigen, sie habe sich „vorhin unmöglich benommen“. Neben den Zahlen sei ihr die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt, hoffentlich treffe sie jetzt niemanden, den sie kenne. In unserem beschaulichen Dorf ein eher naiver Wunsch. Der Wahrheit die Ehre hatte ich die Begebenheit zuhause schon vergessen. Immerhin weiß sie jetzt, sie braucht 500 Schritte, um zu Edeka zu kommen. Die gute Erziehung verbot mir, ihr zu erklären, nahezu jedes Smartphone besitze unterdessen einen Schrittzähler.
Am schönsten, wenn ein Freund aus der guten alten Zeit anruft, um sich nach dem Befinden zu erkundigen. Wen kümmert es da, einen eher trüben Abend als sturmfreien erwischt zu haben und durch das mehr als einstündige Telefonat vom Projekt „Betrinken“ angebracht zu werden?

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