Neben uns ein Paar aus Scheeßel. Wegen des Platzmangels sie auf seinem Schoß. Angesichts der Promillezahl und der Tatsache, dass sie einen Becher mit Bier in der Hand hielt, kam das Manöver einem Hochseilakt gleich. Sie fragte ungefähr fünfzehnmal in die Runde, ob Alkoholtrinken während der Busfahrt erlaubt sei. Ebenso oft wurde ihr darauf mit Nein geantwortet, was sie entweder zu ignorieren beschloss oder ihrem Alkoholalzheimer anheimfiel. Selbst der benachbarte Busfahrer außer Dienst konnte mit seiner Aussage nicht in ihr Bewusstsein vordringen. Außerdem wusste sie genauso häufig zu berichten, sie sei aus dem Spreewald ("Ich bin eine Spreewaldgurke."), heiße nicht Mandy oder Doreen sondern Diana ("Nennt mich Lady Di.") und forderte alle auf, noch mit ins "Hunger und Durst" zu kommen ("Da gehen wir nach dem HSV immer hin."). Ein Mann namens Kevin wurde von ihr gefragt, ob er auch aus dem Osten komme (nein, auch waschechte Hamburger heißen wohl so) und ob er noch mitkomme. Auch das verneinte er, diesmal mit dem Argument, wenn er noch mehr trinke, müsse er kotzen. Ich war sehr dankbar, dass er es nicht an Ort und Stelle tat. In Stellingen stieg die Spreewaldgurke mitsamt ihrer Entourage aus. Eine himmlische, wenn auch langweilige Ruhe machte sich breit. Bis die beiden älteren Herren, die der spreewälder Scheeßelerin gegenübersaßen, darüber
debattierten, dass der Umzug vom Spreewald nach Scheeßel nicht als Aufstieg zu deuten sei. Wahr gesprochen, kämen sie nicht selbst aus Norderstedt. Das übrigens war mit Diana auch schon Thema gewesen: "Norderstedt, wo ist das denn?" "Am nördlichen Stadtrand Hamburgs." "Ach, da, wo die Marmelade herkommt?" "Nein, das ist Bad Schwartau, das ist ungefähr siebzig Kilometer entfernt."
Die Mauer ist vor vier Monaten gefallen, oder?
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