Sonntag, 9. November 2014

Es ist, wie es ist

Obwohl ich heute konsequent die Nachrichten umschiffe, geht mir das ganze Gedenken furchtbar auf den Wecker. Besonders wenn man ungefragt eine saublöde Sonderausgabe der Blöd-Zeitung in den Postkasten gesteckt bekommt. Wahrscheinlich muss ich mir gefallen lassen, dass ich unpatriotisch bin. Vielleicht kann ich zu meiner Ehrenrettung anführen, dass ich noch weiß, was ich vor 25 Jahren gemacht habe. Ich weiß sogar noch, dass es ein Donnerstag war. Genau für dieses verlängerte (goldene Studentenzeiten!) Wochenende war ich vorher mit einer Freundin von Berlin nach Endingen am Kaiserstuhl gefahren, um ihr mental am 50. Geburtstag ihrer Mutter beizustehen. Vom Abend ist mir mehr als alles andere in Erinnerung geblieben, dass ich luuuschtik fand, wie die Aborigines dort sprachen. Dem einen Gast, der sich beim Verabschieden wunderte, dass er nicht mehr in seinen Mantel passte, schallte ein weinseliges ("Dä Wie isch guad") "Isch au dei Kiddele nit!" entgegen. Dort schien mir eine Vereinigung fremderer Menschen vonstatten zu gehen (Antje und die Alemannen) als zwischen Ost- und West-Berlinern. Ich kann auch nicht sagen, dass ich unglaublich neidisch auf die in Berlin Gebliebenen gewesen wäre. Schließlich habe ich das nachfolgende Silvesterfest lieber auf dem Hochbett der Wohnung meines damaligen Freundes in Tiefwerder (Spandau) verbracht als am Brandenburger Tor, indem ich Unpässlichkeit vorschob.
Umso mehr nerven mich 25 Jahre später die allgegenwärtigen Fragen nach Unterschieden zwischen jungen Ost- und Westdeutschen, die Äußerungen irgendwelcher Jammer-Wessis zum beklagenswerten Zustand der westdeutschen Straßen im Vergleich zu den ostdeutschen oder zur fehlenden Dankbarkeit der Ostler den dukatenscheißenden Westlern ("Mein Solibeitrag!") gegenüber. Ich befürchte, der gleiche Kram wiederholt sich nächstes Jahr am 3. Oktober nochmal. Vielleicht haben wir das Glück, auch an diesem Gedenktag wieder schönes Wetter zu bekommen. Dann werde ich mit dem Sohn spazieren gehen können. Vielleicht kommentiert er auch wieder so nett wie im Vorjahr. Diesmal meinte er am euphemistisch "Alsterpark" genannten Grünstreifen zwischen Binnen- und Außenalster: "Was für ein schönes Fleckchen Erde!"

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