Sonntag, 2. November 2014

Doch ein Happy End?

Ich habe etwas Verrücktes getan. Gut, für meine Freunde ist es nicht rasend außerordentlich, denn sie selbst haben sich dem schon öfter unterzogen. Ich dagegen musste erst die Vierzig passieren, ehe ich mir das erste Mal die Wimpern färben ließ.
Buchstäblich von Geburt an bekommt der Sohn Komplimente für seine Wimpern. Und ich seit vierzehn Jahren immer wie das hässliche Entlein daneben, obwohl er meine geerbt hat - mit dem entscheidenden Unterschied, dass seine dunkler gefärbt sind. Ja, es gäbe die Möglichkeit zu tuschen, aber die blöden schwarzen Bröckchen klemmen sich immer zwischen Auge und Kontaktlinse und sind dann kein Spaß. Diese Schweinerei musste also eine andere werden.
Endlich löste ich den Geburtstags(!)-Gutschein fürs Wimpernfärben (nochmals Danke!) ein.
Im Grunde bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Allein die Reaktion der Kinder war ein wenig enttäuschend: die Tochter guckte mir am selben Abend tief in die Augen und fragte hochgradig ungläubig: "Hast du dich geschminkt?" Gerade so, als ob ich das nie im Leben täte. Immerhin fand sie - anders als der Sohn einen Tag später - das Ergebnis ansprechend ("Weil deine Wimpern nicht so geschwungen sind wie meine, sieht es aus, als hättest du Eyeliner benutzt." Na, danke.). Der Sohn stellte - wie gesagt etwas später; Jungs brauchen eben länger - original die gleiche Frage wie seine Schwester, nur dass in seinem Tonfall neben Unglauben auch noch Missfallen mitschwang. Ich hatte eine Art déjavu. Als Abiturientin jobbte ich in der Vorweihnachtszeit in einer Parfümerie und verpackte dort Geschenke. Eine der geschulten Fachkräfte mittleren Alters, selbst im gesamten Radius ihrer Brillengläser (und die waren groß!) pfauenaugengleich getüncht, fragte mich einmal, ob ich mich eigentlich nie schminke. Um sich selbst ihre Frage sofort mit "Ach, Sie sind ja mehr der sportliche Typ!" zu beantworten. Wobei sie durch ihren Tonfall klarmachte, dass besagter Typ, wenn überhaupt, nur marginal über der Batik- oder Ökoschlampe rangiert. Ein wenig verschämt gestehe ich, ich habe mich damals gerächt: 
Wir drogistisch Ungeschulten wurden von den Fachkräften immer wieder darauf hingewiesen, dass wir nur zum Verpacken angestellt seien und keine Verkaufstätigkeit ausüben dürften. Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dass der eine oder andere Kunde uns ansprach - es soll auch solche gegeben haben, die eher auf den sportlichen Typ standen. So kam ein Kunde einmal mit zwei Cremetiegeln auf mich zu und fragte, worin außer im Preis der Unterschied zwischen den beiden liege. Ich untersuchte die Informationen und fand heraus, dass die eine im Gegensatz zur anderen pH-neutral sei. Woraufhin Pfauenauge angeschossen kam, mir die Tiegel entriss und mich zu düpieren gedachte, in dem sie fragte, ob ich denn überhaupt wisse, was das bedeute. Dem Chemie-Grundkurs sei Dank antwortete ich: "Das bedeutet, dass der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration gleich Null ist." Der Kunde feixte, ihm gefiel der sportliche Typ zusehends besser, und die Fachverkäuferin presste sich ein spitzes "Oh, Sie wissen das aber genau!" ab.
Am Ende waren doch alle zufrieden: die Parfümerie gewann für den Kunden und mich an Unterhaltungswert und die Provision der Profi-Verkäuferin stieg durch den Erwerb des teureren, pH-neutralen Produktes.

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