Montag, 26. März 2018

Überzüchtet

Das eine oder andere Mal wird mir auch heute noch bewusst, dass ich es bei der Spracherziehung meiner Kinder ein wenig übertrieben habe. Ich meine nicht die unterdessen verjährten Geschichten, als die Tochter im Kinderwagen Herrn (!) von Ribbeck auf Ribbeck rezitierte oder als der Sohn zweijährig den doppelt so alten Freund seiner Schwester korrigierte. Manchmal gibt es auch deutlich aktuellere Beispiele. Mir ist der mühsame, fast ihre gesamte Schulzeit andauernde Kampf in Erinnerung, in dem ich die Tochter fortwährend verbesserte, es müsse „Herrn“ und nicht „Herr“ heißen, wenn vom Unterricht eines Lehrers die Rede sei. Zugegeben, meine oftmals hinterher geschickte Erklärung, „Herrn“ immer dann zu verwenden, wenn der jeweilige Lehrer nicht Subjekt sondern Objekt sei, war recht akademisch. Wahrscheinlich auch verwirrend, denn in der Folge entschied sich die Tochter häufig, das N einfach immer anzuhängen. Als ich sie dann schon wieder korrigierte, meinte sie irgendwann, sie habe lieber Frauen als pädagogische Fachkräfte. Auch eine Lösung. 
Letzthin erzählte der Freund der Tochter Geschichten aus seiner anthroposophischen Schulzeit. Goldene Zeiten, damals vor anderthalb Jahren. Ich musste sehr an mich halten, ihn nicht uncharmant zu verbessern, als er vom „Unterricht von Herr Soundso“ sprach (in meiner Vorstellung wurden Lehrer auf Waldorfschulen nicht gesiezt, offensichtlich ein blödes Vorurteil meinerseits). Doch man bekommt so viel zurück: Die Tochter sah mich dabei feixend an, weil sie um mein inneres Leid wusste. Vielleicht war sogar etwas wie Stolz in ihrem Blick, dass ich es geschafft habe den Mund zu halten. Langsam werde wohl auch ich erwachsen. Aber richtig ist es nicht.

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