Sonntag, 6. August 2017

Typisch

Trotz oder gerade wegen ihrer Begeisterung für Manchester (Home of The Smiths etc.) echauffierte sich die Tochter über mangelnde Ordnung und Sauberkeit. Auch mich wundern die in Großbritannien an jeder Ecke aufgestellten Schilder "No Littering - Maximum Penalty £500", die offenkundig niemand befolgt und die die Abwesenheit von Mülleimern oder ähnlichem umso schmerzlicher erscheinen lassen. Die Tochter regte sich jedenfalls besonders in der Nähe der Kultstätte aller Smiths-Jünger auf, dem Salford Lads Club. Dass man alles so verkommen lasse, man wolle sich doch in seinem Umfeld wohlfühlen usw. usf. In antrainierter Ruhe schwieg ich und wies sie nicht auf etwaige Parallelen zu ihrem Zimmer hin. Aber vielleicht fühlt sie sich dort ohnehin nicht wohl? Das erklärte einiges...
Als sie an unserem letzten Urlaubsmorgen ein - zugegeben extrem unsympathisches - deutsches (süddeutsches, wie ich betonen möchte - schwules, wie ich nur anmerke) Paar sah, das alle ziemlich offensichtlich musterte und nicht nur für uns verständlich abkanzelte (die Brut nennt es "judgen"), suchte die Tochter nach irgendwelchen positiven, typisch deutschen Eigenschaften. Und fand ob dieses abstoßenden Beispiels keine. Ich bot Sauberkeit, Ordnung und Mülltrennung an. Und erntete das übliche Mutter-Ist-Peinlich-Bis-Rassistisch-Gesicht. 
Gestern fragte meine Mutter die Tochter nach ihren Plänen, ab September ein wenig Geld zu verdienen. Sie antwortete, sie habe schon ein wenig recherchiert. Auf 450€-Basis könne man sich zum Beispiel als Zimmermädchen verdingen. Es mag an einer gewissen Familienähnlichkeit liegen, dass meine Mutter und ich nahezu synchron die Worte "Bock zum Gärtner" ausstießen. Unisono Empörung bei der Brut. Seit ewigen Zeiten sei das Zimmer seiner Schwester nicht mehr unordentlich (ist bestimmt schon vier Wochen her, dass ich die Zimmertür vor lauter Kram und Dreck auf dem Boden nicht aufbekam), ihr Zimmer sei ordentlicher als meins (Kunststück, wenn meine sauberen Sachen nach Strumpfhosen durchwühlt werden und wenn ihrer beider gesamte dreckige Wäsche auf dem Fußboden meines Zimmers platziert wird). Sie könnten schon aufräumen und sauber machen. Ich retournierte, dass für mich und meine Position bei ihnen Nicht-Wollen eigentlich schlimmer als Nicht-Können sei. Wegen so viel mütterlicher und großmütterlicher Boshaftigkeit und Ungerechtigkeit weinte die Tochter schließlich. Dies hatte vorwurfsvolle Blicke des Sohnes in meine Richtung zur Folge. Ich muss wohl mehr Rücksicht auf die Gefühle meiner Kinder nehmen. Vielleicht ganz gut, dass ich eine Woche niemanden aus meiner Familie verletzen kann. Eine Woche Comfort Zone für sie. Unter uns: für mich auch - wenn auch in den Augen der Brut völlig unverdient.

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