Montag, 27. Juli 2020

Kleineres Übel

Selten habe ich eine solche Todesverachtung gesehen wie im Blick einer Nachbarin, als sie sah, wie eine andere auf unserem Parkplatz ein Auto verkaufte. Es war so:
Freitagmittag, ich kochte Marmelade der Sorte „Kurzarbeit“. Da die Tätigkeit im wesentlichen aus minutenlangem Rühren besteht, konnte ich blockwärtinnengleich wunderbar beobachten, was auf dem Parkplatz vor sich ging. Eine Nachbarin verkaufte ein nicht mehr voll funktionsfähiges Auto an zwei tätowierte Polen. Den Kaufvertrag unterschrieben sie auf der Motorhaube. Dabei rollte der Kugelschreiber mehrfach auf den Boden, den der eine Käufer ihr stoisch immer wieder aufhob. Dann wechselten einige grüne Scheine den Besitzer resp. die Besitzerin. Während des Handels brachte die selbsterklärt einzige Öko-Hardlinerin unseres Hauses im üblichen Stechschritt die Biotonne geleert vom Straßenrand an ihren eigentlichen Aufenthaltsort zurück. Trotz hoher Geschwindigkeit bemerkte sie die Transaktion mit 3-in-1-Fehler (1. Auto, 2. Kapitalismus, 3. falsche Leute). Angeekelt musste sich nun unsere treue Öko-Genossin abwenden, um nicht Gefahr zu laufen, grüßen zu müssen. Egal wie knapp hätte ein Gruß nicht ihre ganze Verachtung ausdrücken können. Blöd nur, dass in 180°-Richtung die marmeladekochende Nachbarin stand, die sie normalerweise auch nicht grüßt, weil die zwar kein Auto hat, aber als Eigentümerin einer viel zu großen Altbauwohnung zum Schweinesystem gehört.
In der modernen Fassung von Scylla und Charybdis aus unserem beschaulichen Dorf bin ich somit zur besseren Variante erkoren worden. Gute Nachbarschaft, so wichtig.

(Apropos Nachbarn, dieses Bild nenne ich: Die meisten Unfälle passieren im Haushalt - und manchmal ist es auch gut so)

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