Mittwoch, 29. Juli 2020

Trotzdem Deluxe

Eigentlich hätte es mein mondäner Montag werden sollen. Endlich der Corona-Matte Einhalt gebieten und in der Mittagspause zum Friseur gehen. Auch wenn die Tochter im Vorfeld anmerkte, „Mall Friseure gelten in den USA als die schlechtesten Billigfriseure“, fand ich meine Wahl erlesen. Ich konterte, die deutsche Entsprechung seien vermutlich eher Kaufhausfriseurketten. Und wirklich, ich fühlte mich rundum umsorgt. Die Friseurin war sehr zuvorkommend. Als ich ihr sagte, ein weiterer Grund, mich von vielem Haar zu trennen, liege in der Hoffnung, dass mit weniger verknoteten Haaren vielleicht nicht mehr so viele ausfielen, fragte sie mich, ob ich eine Vermutung habe, woran der Haarausfall liege. Ich antwortete nur kurz: „Das Alter.“ Darauf sie: es könne auch an der Schilddrüse liegen. Lieb gemeint, aber ist schon ok so. Beim Schneiden kam dann eine weitere Charmeoffensive. Ob das meine echte Haarfarbe sei. Ich war etwas perplex. Wer sollte sie sich so färben? Schließlich wurde mir doch schon relativ früh in meinem Erwachsenenleben von der Mutter eines Crushs attestiert, ihr Sohn sei ja blond, aber ich habe „eine Arme-Leute-Haarfarbe“. Unnötig zu erklären, dass ich in ihren Augen nicht genügte. Doch die Frage der Friseurin war ernst gemeint, denn sie lobte anschließend den schönen „Karamellton der hellen Strähnen“, das müsse sie sonst bei ihren Kundinnen immer „mühevoll faken“. Wieder etwas dazu gelernt. Beeindruckend fand ich wieder einmal die Ausdauer, die sie an den Tag legte. Nach kürzester Zeit hätte ich an ihrer Stelle gesagt, sieht ganz ok aus, lohnt nicht wirklich, jetzt noch weiter zu schneiden oder zu föhnen. Aber nein, sie machte hart gegen sich selbst weiter.
So kam es, dass ich mich sehr wohl und insgesamt aufgewertet fühlte, als ich mich wieder auf den Weg ins heimische Kontor machte. Bevor ich meine Arbeit wieder aufnahm, schickte ich dem Chef schnell noch eines meiner unrühmlichen Selfies, um die verlorenen 15-20 cm zu dokumentieren. Über seine Antwort „Siehst deutlich jünger aus. Sorry“ sinniere ich noch immer. Meint er, mit den kürzeren Haaren sehe ich im Jahre verjüngt aus? Oder dass ich in echt viel jünger wirke als auf dem blöden Selbstbild? Bestimmt beides. 



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