Samstag, 25. Juli 2020

Ausgleichssport

Auch ohne konkret allzu viel geplant zu haben, habe ich mich sehr auf meine sturmfreie Zeit gefreut, denn es ist die erste seit etwa einem Jahr. Ich weiß, meine Freude klingt herzlos. Zumal die Kinder schon volljährig sind und ich sie an manchen Tagen in Summe vielleicht nur eine Viertelstunde sehe. Doch allein für zu wenig Kühlschrankinhalt oder das falsche Bewegtbildprogramm kritisiert zu werden, ist nicht jederzeit entspannend.
Zu letzterem: nachdem ich die Prime Time mit Wäsche der Lieblingsstücke verbrachte, die unbedingt mit zu Oma und Opa kommen mussten, versackte ich am späten Abend vor dem Fernseher. Mein unwirsches Zappen führte mich schließlich zu 3sat und „Scarface“, einem Film, den ich der Wahrheit die Ehre noch nie gesehen hatte. Was sich im Nachhinein nicht als Mangel herausstellte, fand ich. Selten einen gut besetzten Film gesehen, den ich weniger fesselnd, dermaßen vorhersehbar und schlecht gealtert fand. Nach Mitternacht sollte die Viertelstunde Zweisamkeit mit dem Sohn stattfinden. Während er durchs Bild huschte, war - wenn der Bildschirm für mich sichtbar gewesen wäre - Al Pacino von hinten in einer Unterhaltung mit irgendjemandem zu sehen. Nach flüchtigem Blick aufs Geschehen sagte der Sohn wie aus der Pistole geschossen „Ah, Scarface.“ und setzte sich aufs Sofa. Kurze Zeit später wusste er noch (ungestützt) den Titel des gerade laufenden, unglaublich schlechten Giorgio Moroder-Songs, den ich natürlich sofort wieder vergaß, sowie das Erscheinungsjahr des Films. Irgendwie schaffen sie es auch nach so vielen Jahren, immer wieder zu überraschen.
Ehe die Kinder heute abreisten, frühstückten wir noch gemeinsam. Anschließend räumte ich ihnen die Sachen hinterher, die sie auf der Reise nicht vergessen sollten. Später noch die herzliche Verabschiedung. Dann kamen fünf Minuten Ruhe, in denen ich mich fragen konnte, ob ich eher Leere oder Freiheit empfinde. Bis die Nachricht kam:

Damit wurde das Wochenende wirklich anstrengend. Wie gesagt nicht wegen des verpassten Programms, das hätte für den heutigen Tag ohnehin nur aus Entrümpelung meines Zimmers bestanden. Vielmehr wegen der asiatischen Gesichtsbeherrschung: die Genervtheit verbergen und sie meine Enttäuschung nicht allzu sehr spüren lassen, schließlich müssen sie mit ihrem eigenen „Scheitern“ fertig werden. Um meine Situation zu meistern, entschloss ich mich, drei Totholzäste mit einer Kindersäge in Kleinholz zu verarbeiten. Sehr zu empfehlen. Sollte ich die Zeit bis Montag (um welche Uhrzeit auch immer) nicht schaffen, bitte ich um Holzspenden. 

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