Samstag, 30. Januar 2021

Auch das noch

Als ob das übliche Päckchen nicht reichte, ließ sich der Besuch der vermeintlichen Architektin und ihres favorisierten Odd-Job-Handwerkers nicht weiter aufschieben. Gerade hatte ich die Heimarbeitsmaschinerie angeworfen - und das vor der Zeit, die mir mein Biorhythmus empfiehlt -, da standen sie gestern früh vor meiner Tür. Erst der polnische Handwerker und sein Landsmann, den er zur Unterstützung mitgebracht hatte. Dann Frau Bauleiterin. Sie war noch etwas länger damit beschäftigt, ihr Auto auf unserem Parkplatz so außerhalb der vorgesehenen Parkbuchten zu rangieren und letztlich abzustellen, dass es für die Durchfahrt anderer maximal ungünstig stand. Ein Unterfangen, das ihr fast perfekt gelang. Außerdem verzögerte sich ihre Ankunft noch etwas, weil sie ihre profunden Grundriss-Lesefähigkeiten dazu zwangen, nicht den naheliegenden Wohnungseingang (mit Glastür zum Parkplatz) zu nehmen sondern den, der bedeutet. einmal außen ums ganze Haus und einmal innen durch die gesamte Fläche zu laufen. Anschließend brauchte sie geraume Zeit, ihre FFP2-Maske aus dem Tütchen zu nesteln und passgerecht aufzusetzen. Als sie sich ebenso umständlich daran machen wollte, ihre Schnürstiefel auszuziehen, hielt ich sie ab. Schließlich sei die Wohnung nicht allzu sauber und die Handwerker vor Ort, um einige Quadratmeter Holzverschalung von der Wand zu reißen sowie sie danach neu zu verputzen. Wer gibt da einen Sechser auf Dreck aus Schuhprofilen? Sie begrüßte ihren Handwerker mit „Herr plus Vorname“, weil sie seinen  slawischen, nicht übertrieben konsonantlastigen, aber viersilbigen Hausnamen zu anspruchsvoll finde. Er rächte sich wie üblich, indem er sie analog mit „Frau Vorname“ anredete. Von und mit Nummer zwei wurde gar nicht gesprochen. Erst später erteilte ihm sein Kollege Direktiven auf polnisch. Trotz unterdessen mehrerer Begegnungen kenne ich das Gewerk des Chefs nicht. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, seine Auftraggeberin wisse es auch nicht so genau. Ist auch nicht so wichtig, es geht schließlich nur um die Innendämmung eines denkmalgeschützten Gebäudes. Ich musste etwas laut werden (wer mich kennt: ich neige nicht unbedingt dazu), als die beiden Strategen beschlossen, das Dämmmaterial direkt auf die Holzverkleidung aufzubringen. Dann können sie auch gleich alles einpacken und wieder gehen. Mit solchem Flickgeschustere handele ich mir mehr Probleme ein, als dadurch behoben werden. Endgültig verlor ich die Geduld, als Madame mit ihrem Lieblingsargument „Aus bauphysikalischen Gründen...“ kam. Mich könne sie damit nicht so leicht blenden, da meine Mutter Architektin (sogar eine echte!) und mein Vater Physiker sei. Natürlich ein wenig diplomatischer vorgetragen. Dass meine Vorbehalte weniger mit meiner Herkunft zu tun haben als mit Menschenverstand, musste ich ihr nicht auf die Nase binden. Gerade von Physik habe ich trotz Vater, Bruder und Ex-Mann dieses Metiers wirklich keine Ahnung. In jedem Fall wirkte meine Intervention. Es hieß, erst Entfernen, dann Dämmen. Dass ich es mit echten Fachleuten zu tun hatte, zeigte sich in den anschließenden Diskussionen. Meine Lieblingszitate daraus kommen, wenig überraschend, von Frau+Vorname: „Haben Sie das Redstone-Video gesehen? Da wird alles sehr gut erklärt.“ und „Darf man auf Styrodur direkt Redstone kleben? Das weiß ich nicht.“ Auf letzteres hatte der Fachmann für was auch immer keine Antwort, meinte ich doch körpersprachlich wahrzunehmen, dass er besagtes Erklärvideo entgegen seinen Beteuerungen noch nicht angesehen hatte. Macht immer wieder Spaß mit Profis zusammenzuarbeiten. Unterdessen ist mein Schlafzimmer zwar nicht mehr nutzbar, weil der Putz an den Wänden trocknen muss und der dortige Dreck auf dem Fußboden selbst vom Sohn als störend empfunden wird, aber was soll‘s. Meine Expertise besteht nicht zuletzt darin, im Wohnzimmer zu übernachten. Auch wenn das die Distanz zwischen Schlaf- und Arbeitsplatz auf ein Minimum von etwa einem Meter verringert. Somit kann ich mich arbeitend und schlafend an den schönen Blumen erfreuen. Es ist nicht alles schlecht.



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