Mittwoch, 6. Januar 2021

Living on the Edge

Im Nachhinein war es noch sinnvoller, den Sonntag vor dem ersten Arbeitstag des Neuen Jahres auswärts zu verbringen. Wir entschieden uns für die Ostsee an der nächsten uns bekannten Stelle, an der sie schon als Meer und nicht als Binnengewässer auszumachen ist. Gebucht mit allen Schikanen: Sandwiches (zugegeben, Leftovers vom High Tea des Vortages), Tee und sogar einem Fähreneinsatz. Letzterer - beziehungsweise das Warten auf die Fähre - verhalf, Regenphasen zu überbrücken und die baltische Vogelwelt zu beobachten. Völlig anders als bei uns. Schwäne auf dem Trockenen, Lietzen und Enten, die auf dem kabbeligen Wasser wipperten, Krähen, die sich um essbare Schätze stritten und Möwen in der bewegten, wenngleich grauen Luft. Doch nicht nur ornithologisch kamen wir auf unsere Kosten, auch maritim hatte die Szenerie einiges zu bieten. Vom Erkenntnisgewinn ganz zu schweigen. Seit dem 3.1.2021 ist mir klar, warum wir die Briten nicht mehr in der EU haben wollen: Wenn sie uns Schiffe des Namens „Corona Sea“ aus London in unsere Gewässer schicken, müssen sie sich nicht wundern.

Wie gut, dass wir im Schutz des Autos saßen.
Am Strand tobte der Wind. Ich überlegte, aus Kältegefühl die Maske aufzusetzen, was ich am (voll isolierten) Kassenhäuschen der Fähre eben noch als Spleen der Schleswig-Holsteiner angetan hatte, aber selbstverständlich trotzdem befolgte. In jedem Fall war ich froh über die Plustemperaturen, fühlten doch sie sich schon wie Eisregen im Gesicht an. 

Kilometerweit stapften wir bei Gegenwind durch den Sand. Sogar an der Stelle vorbei, von der wir annahmen, sie könnte die Zonengrenze markiert haben. Ab dem Moment (undefiniert) befanden wir uns im illegalen Bereich. Akzeptierte doch Mecklenburg-Vorpommern keine Tagestouristen. Wir waren von der Nachbarin vorgewarnt, dass das Verbot durchaus ernst genommen werde und sie auch im Grenzgebiet Strafen verhängen. Wenn sie jedoch ihre unmenschliche Grenze nicht kennzeichnen, können sie sich eigentlich nicht beklagen. Es blieb ein Wagnis. Um unsere Nerven nicht überzustrapazieren, nahmen wir das Picknick lieber auf dem guten Alt-Bundesländer-Parkplatz ein. Da war es außerdem ein wenig windgeschützter.

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