Mittwoch, 22. Januar 2020

If Life Gives You Lemons...

... make a cake, wear a dress and drink champagne, war mein Motto des gestrigen Tages.



So sollte ich es öfter halten. Morgens ausschlafen, noch im Bett liegend ein Buch (ein gutes, selbstverständlich!) zu Ende lesen, dann in Ruhe Tee trinken und mir dabei überlegen, was ich an einem Tag wie diesem anziehe. Schließlich werde ich zum ersten Mal in meinem Leben vor Gericht sein. Ein neues Kleid für den Anlass zu besorgen, hatte ich vorher aus Finanzgründen verworfen. Als die endgültige Wahl auf das Zitronenkleid gefallen ist, backe ich einen entsprechenden Kuchen. So lässt sich gut Zeit verdaddeln und etwaige Nervosität im Keim ersticken. Es ist meiner Lebenserfahrung zuzuschreiben, dass ich mich erst danach im Badezimmer verbarrikadiere und dann wie geplant umziehe. Kleiner Downer: niemand außer mir wird wohl bemerken, dass ich die gleiche Unterwäsche wie zur Hochzeit trage. 
Der Weg zum Amtsgericht ist trotz Baustelle schnell zurückgelegt. Überraschend, dass ich bei einer Entfernung von 150 Metern Luftlinie noch nie in dem Gebäude war. An der Security-Schleuse treffe ich meine Anwältin. Das echte Flughafengefühl will sich nicht einstellen, da sie im Gegensatz zu mir mit ihrem „Dienstausweis“ nicht kontrolliert oder durchleuchtet wird. „Der Ausweis ist ein Grund, für den sich das Studium gelohnt hat.“, kommentiert sie. Das Amtsgericht besticht durch eine starke Betonung auf der ersten Silbe. Wir sind wider Erwarten in einem „Saal“ im Nachlassgericht einbestellt. „Passt doch auch.“, kommentiere ich. Wir drücken uns in irgendwelche entlegenen Gänge, um beim Warten möglichst spät der Gegenseite zu begegnen. Dass sie da ist, höre ich schon bald. Meine Anwältin nicht, weswegen ich äußere, „meine Schweine erkenne ich am Gang“. Wir begrüßen uns mit Handschlag. Als ob das nicht kurios genug wäre, nimmt der Gerade-Eben-Noch-Gatte meine Hand als Erstes, obwohl ich der Höflichkeit halber zuerst die seiner Anwältin schütteln wollte. Noch vor der Tür des Saales versucht die Anwältin der Gegenseite uns einzulullen, was meine wiederum mit einem forschen „Keine Erklärung!“ retourniert. Ohne die juristischen Finessen zu verstehen, merke ich an der Reaktion der Gegenseite, dass die Replik so gar nicht in deren Sinne ist. Im Saal, der sich ähnlich groß und einladend wie eine Amtsstube des  - sagen wir - Jugendamts des Bezirksamtes Hamburg-Mitte ausnimmt, werfen beide Anwältinnen ihre schwarzen Roben über. Es gibt eben doch Fasching in Hamburg. Das Kostüm meiner Vertreterin sieht besser aus, da kann sich die der Gegenseite noch so asymmetrisch-stylish ihre Cashmerestola darüber arrangieren. Noch besser sieht die Verkleidung der „Richter-Barbie“ aus, die originalverpackt auf einem Sideboard liegt und von meiner Anwältin gebührend bewundert wird. Jede Partei verzieht sich wie beim Boxkampf in die eigene Ecke. Die Stimmung ist nicht existent bis frostig. Kein Blickkontakt, kein Wortwechsel. Das Ding als solches ist schnell erledigt. Die Richterin hat merklich kein Interesse, sich anzuhören, dass ich die Scheidung zwar hinnehme, aber nicht wolle. Was ich als mangelnde Spracherkennung deute, erklärt meine Anwältin hinterher zum Formfehler, den wir aber großzügig ignorieren. Wieder verabschieden sich alle mit Handschlag. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, dass wir zur Scheidung mehr als nur ein Wort („Hallo!“) wechseln, aber so ist es auch gut, denn dann bleibt für eventuellen Wehmut kein Platz. Kaum sind wir für uns, freut sich meine Anwältin vielleicht wenig professionell, aber sehr ansteckend, dass sie es mit ihrer Weigerung zur Erklärung geschafft hat, das offizielle Ende der Ehe noch zwei Monate heraus zu zögern. Koste und bringe uns nichts, verprelle aber die Anderen. Ob ich gesehen habe, wie sehr sie sie damit verärgert habe? War nicht zu übersehen. Neben dieser kleinen Schadenfreude ist der Abschied von meiner Anwältin bisher der emotionalste Moment des Tages. Ich ärgere mich lediglich über die hohen Kosten, die die unnütze Veranstaltung verursacht. Endlich kommen wir zum guten Teil des Tages: Feiern mit  Besuch der Tochter, Kuchen und moldawischem Champagner. Mit anderen Mitteln wird die Feier am Abend fortgesetzt. 
Eine weitere Perspektive, dass sich am Ende das richtige Flughafengefühl einstellen wird, wenn ich am Folgetag den Anti-Honeymoon antreten werde.

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