Donnerstag, 23. Januar 2020

Abflug

Das Schicksal oder die IT der Swiss wollte es, dass ich auf dem Flug von Zürich nach Valencia neben einem älteren Paar saß, das genau wie ich knapp vorher aus Hamburg angekommen war. Einen kurzen Moment hatte ich die Hoffnung, eine Reihe für mich alleine zu haben, da kamen die beiden in letzter Sekunde noch ins Flugzeug. Er, Hans oder Heinz - genau konnte ich es nicht verstehen, obwohl seine Frau ihn oft genug ansprach - ungefähr achtzig, sie ein paar Jahre jünger, dafür zwei Köpfe größer und mit doppeltem Kampfgewicht. Mit ihnen kam Percy, ein vermutlich kleiner Hund, den sie, in eine Pseudo-Burberry-Tasche gesteckt, halb unter den Vordersitz ihres Mittelplatzes schob und mit dem sie liebevoller kommunizierte als mit dem Gatten. Den spanischen Fluggast vor sich wies sie etwas herrisch und ausschließlich auf Deutsch an, er möge ihre Jacke verstauen. Leider konnte ich nicht so tun, als ob ich sie nicht verstehe, da meine Lektüre unter anderem aus einem Hamburger Abendblatt bestand. Während ich noch überlegte, ob mein an Burberry-Percy angrenzender Unterschenkel verdächtig zu jucken anfing, zuppelte Hans-Heinz nun auch am Hundebehälter herum. „Lass‘ das nach, sonst meckert die wieder!“, krähte sie (zum Start war sie von der Maitre de Cabine darauf hingewiesen worden, sie müsse die Tasche ganz unter den Vordersitz schieben). Neben dem Hund galt sein Interesse dem Flugzeug bzw. den Flugzeugen. „Das ist jetzt ein Airbus.“, „Guck‘ mal, der hat nur zwei Motoren.“ und Ähnliches gab er zum besten, was sie mit keiner Reaktion quittierte. Zur Sicherheit übersetzte er ihr als Flugzeugexperte den Text auf ihrem Vordersitz, der besagte, dass der Tisch „during take-off, taxi and landing“ hochgeklappt sein müsse. „Table heißt Tisch“. Start und Landung erschlossen sich ihm auch noch, aber auf ihre Frage nach dem Taxi, war er mit seinem Latein am Ende. Sie mit ihrem, als der Snack gereicht wurde: eine Brokkoli-Quiche. Meine kommunikationsabweisenden Kopfhörer ignorierend fragte sie mich, was es gebe. Ich wollte Quiche sagen, weil ich dachte, sie habe es nicht gehört. Dann bekam ich mit, dass sie die schweizerische Flugbegleiterin wohl verstanden hatte, ihr das Wort jedoch nichts sagte. „Hans/Heinz, das ist so eine Pastete.“, wusste sie zu berichten, nachdem sie in die Schachtel geluschert hatte. Eine teilten sie sich, die andere verstauten sie in einer Swiss-Spucktüte, um sie für schlechte Zeiten aufzuheben. Die Getränkewahl war schon lange vorher Thema. Sie pries die Vorzüge des Apfelsafts, er zeigte sich davon unberührt. Auf ihre eher rhetorisch intendierte Frage, ob er Apfelsaft trinken wolle, antwortete er bockig, er werde Cola trinken. Bestellung: ein Apfelsaft, eine Cola. Am Ende stand auf ihrem Tisch eine Cola und auf seinem ein Saft. Das höhere Kampfgewicht konnte die Begegnung für sich gewinnen. Währenddessen sprach sie mich trotz der Kopfhörer ständig an oder sah beifallheischend zu mir, während sie mit dem Hund sprach. „Ja, du willst raus. Danach hast du sechs Wochen Ruhe.“ Thank God for His small mercies, ein Rückflug ohne die drei! Hans/Heinz meldete sich erst zur rumpeligen Landung (mit hochgeklapptem Tisch) wieder zu Wort, dafür aber umso lauter, damit auch alle Fluginsassen Freude an seinem Hamburger Zungenschlag haben konnten: „Da ist eine von British Airways! Der Tommy ist auch schon da.“ Flugscham der anderen Art. Ich war so dankbar, dem Ganzen entfliehen zu können, dass es mich kaum noch störte, in Valencia mit Regen empfangen zu werden.




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