Sonntag, 7. Juli 2019

Wahre Kultur

Am Donnerstag beschloss der Sohn, zum Friseur zu gehen. Er wünschte sich einen Haarschnitt wie Eden Hazard. Er zeigte mir das entsprechende Foto. Wahrscheinlich weil er wieder - zu unrecht! - befürchtete, die antiquierte Mutter werde „selbst Bilder auf Wikipedia suchen“. 

Ich überlegte, ob ich vielleicht mit paradoxer Intervention am besten zum gewünschten Effekt kommen könnte, befürchtete aber das schlaue Kind werde mich durchschauen. Also ließ ich ihn nahezu kommentarlos gewähren. Erkundigte mich, zu welchem Friseur er gehen wolle und gab ihm gar Geld für sein Vorhaben. Seine Wahl fiel auf „Berber Exzellenz“ auf dem Steindamm. Ein Fachgeschäft, das in geraumer Vorzeit bereits seine Schwester entstellt hatte. Damals war der Gatte mit dem knapp anderthalbjährigen Kind dorthin gegangen und hatte in der ihm eigenen Art nur „Kurz!“ geordert, ohne dazuzusagen, es handele sich bei dem Kind um ein Mädchen. Sagen wir so, sie hatte anschließend einen anständigen Vierzigerjahre-Façonschnitt, bei dem viel Ausrasieren im Spiel war. Entsprechend war meine Erwartungshaltung. Doch ich wurde enttäuscht. Die beauftragte Fachkraft hat das Wunder vollbracht, die „freshe Frise“ zwar ähnlich, aber an den entscheidenden Stellen weniger martialisch umzusetzen, so dass sie sogar mehr wurde als „Einen schönen Menschen kann nichts entstellen“. Ein nicht unwesentlicher Vorteil ist allerdings auch, dass in der Umsetzung beim Sohn der Bart fehlt. Der Sohn gefällt sich selbst nun noch besser. Seiner Schwester berichtete daher gestern, er habe einen neuen Haarschnitt. Ihr Begehren, er möge ihr ein Bild schicken, verneinte er vehement. Er präsentierte sich lieber live vor Ort. Vorher kommentierte er jedoch noch lakonisch die Musik seiner Mutter - Element of Crime:/Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang: „Läuft auch ein Tatort.“ Damit glaubt er wahrscheinlich meine kulturellen Unsitten trefflich vereint.

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