Dienstag, 11. Oktober 2016

Nie wieder Status Quo Ante

Normalerweise nehme ich die Spontanbesuche des Vaters meiner Kinder mit Gleichmut. Am Geburtstag des Sohnes finde ich sie sogar sinnvoll und bis zu einem gewissen Grad erfreulich. Und doch hatte ich gestern wieder einmal hart mit meiner asiatischen Gesichtsbeherrschung zu kämpfen. Als es abends an Tür klingelte und Papa vor ihr stand, war der Sohn mit seiner Freundin schon lange ausgezogen, um ein duftes Dinner beim Portugiesen seiner Wahl einzunehmen. Sein Vater stürmte wie üblich die Wohnung, guckte suchend um sich und fragte, wo denn der Geburtstagstisch sei. Da, wo der Kuchen und die Kerzen stehen, wo Parfum, Tyrannen-Quartett und die Schachtel des neuen Telefons liegen zum Beispiel, beantwortere ich seine Frage - zugegeben etwas schnippisch. Ach, das Telefon, auf das sich der Sohn - zwinker, zwinker - soooo gefreut habe. Ich nehme es stoisch, den Vater meines Sohnes daran erinnern zu müssen, ihm rechtzeitig ein Geschenk zu besorgen oder zumindest mit seinem Sohn Shoppen zu gehen. Ich nehme es allerdings krumm, wenn er meine Geschenke und meine Deko schlecht macht. Nicht einmal, weil sie mich fast das Zehnfache seiner Geschenke gekostet haben. Mehr, weil ich mir im Gegensatz zu ihm Gedanken gemacht habe.
Die Nettogerechtigkeit kam kurze Zeit später. Der Sohn und seine Freundin kehrten von ihrem opulenten Mahl zurück. Die weinrot verpackten Geschenke stachen beiden sofort ins Auge. Die Freundin: "DA-für musste er die Schuhe nochmal mit nach Hause nehmen?". Sie spielte darauf an, dass die Verpackung maximal dem Bastelniveau eines linkshändigen Vierjährigen entsprach. Das große Geschenk barg keine Überraschung, es waren wie erwartet die gemeinsam erstandenen Schuhe. Das kleine dagegen war ein Kracher: ein zerlesenes Exemplar des Meisterwerks "Männer auf der Suche - Sieben Schritte zur Befreiung" von Top-Autor Steve Biddulph. Wie gut er seinen Sohn doch kennt. Man solle nicht von sich auf andere schließen, konnte ich mir nicht verkneifen. 
Seine Sorge, er könne ein neues Telefon zum Geburtstag bekommen, bezog der Sohn übrigens nur darauf, dass seine Mutter zu viel Geld für ihn ausgeben könne. Sie tut es gerne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen