Freitag, 28. Mai 2021

Aus dem Lebenslauf

Lange Zeit habe ich mich nicht mehr über die verfrühte Altglas-Container-Leerung nebenan beschwert. Ich bin nicht umgänglicher oder toleranter geworden. Die Container sind seit Monaten einfach nicht vor Ort. Sie mussten den Kanalbauarbeiten weichen, derentwegen auch die Straße direkt vor unsere Haustür umgeleitet wird. Ich bin positiv überrascht, dass noch nichts passiert ist, obwohl wir beim Verlassen des Hauses kaum anders können, als unbeabsichtigt auf der Fahrbahn zu stehen. Und die Geschwindigkeit vieler Autos nicht der schrägen Verkehrsführung und einer Baustelle angepasst ist. Das Gläserklirren jedenfalls ist durch den Sound von Presslufthammer, Bagger und Vergleichbarem ersetzt. Die Geräuschkulisse beginnt ähnlich früh wie die Containerleerung, erstreckt sich aber auf einen Gutteil des Tages. Außerdem füllt sich die Wohnung langsam auf unangenehme Weise mit allerlei Flaschen, Gläsern, Kartons und Altpapier. Der weite Weg zu den nächsten Containern fällt mir erstens zu spät ein - darüber könnte ich großzügig hinwegsehen - und zweitens immer erst dann, wenn alle anderen mit mehr Tagesfreizeit die Idee schon hatten, so dass ich mit meinem Pappmaché (Danke, Regen! Wir kennen uns unterdessen ausreichend gut, finde ich.) gespickt mit Marmeladengläsern und Sektflaschen unverrichteter Dinge zurückkehren muss. 
Überhaupt, das Wetter. Mit Mühe schafft das Thermometer im Laufe des Tages die Zweistelligkeit. Immerhin im positiven Bereich. Langsam hege ich Zweifel, ob in diesem Jahr der Tag kommen wird, an dem die morgendliche Antriebslosigkeit nicht zusätzlich durch Kälte befeuert wird. Klingt paradox, ist aber so. Jeden Morgen besticht das Bett schlichtweg durch Wärme. Jeden Morgen spiele ich mit dem Gedanken, nach dem Aufstehen die Badezimmerheizung anzuwerfen, ein Vollbad zu nehmen oder heißer als sinnvoll zu duschen. Jedesmal verwerfe ich ihn, weil mit zunehmendem Wachsein das schlechte Öko-Gewissen wächst. Da ich die Heizkörper auch außerhalb des Badezimmers ausgeschaltet habe, beginnen nach dem Duschen frostige Tage vor dem Bildschirm. Auf dem Papier mag es Ende Mai sein, gefühlte Jahreszeit: Spätherbst (vogelseitig mit überraschend viel Radau). Die offenen Schuhe habe ich nicht einmal gesucht, die Wintermäntel aus Gründen noch nicht weggeräumt. Immerhin kann ich nicht über fehlende Konstanten klagen.
Außer der Bewältigung des ewig gleichen Alltags kann ich mir keine in der Zeit erworbenen, neuen Fähigkeiten auf die Fahne schreiben. Anders der Sohn. Er hat gelernt, wie er sich in seinem Mund selbst Apfelschorle mischt. In einem Mundwinkel hat er die Selterflasche, im anderen die des Apfelsafts. Diese Technik meint er mit Bravour zu beherrschen - so gut, dass er dieses Kabinettstückchen Freundin und Freunden vorführt. Mein Urteil fällt etwas weniger euphorisch aus, da ich diejenige bin, die die, zugegeben nicht allzu zahlreichen, klebrigen Kleckser vom Fußboden wegwischen muss, die an der einen oder anderen Stelle wahlweise Saft oder Mische hinterlassen. Mein Kleingeist eben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen