Donnerstag, 10. Dezember 2020

Inflation

Mein Alter ist nicht zu leugnen, ich schreibe noch recht viel mit der Hand. Ich bin sogar so alt, dass ich dafür am liebsten Bleistifte oder Füller nutze. Letzterer ist so antiquiert, dass er keine Patronen hat, sondern aus einem Tintenfass befüllt wird. Es begab sich, dass dieses leer war. Ziemlich lange muss ich mich wohl aus dem Geschäft zurückgezogen haben. Meine Erinnerungen an den letzten Tintenkauf sind noch mit alter Währung verbunden. Als ich noch kinderlos war. Nach getaner Heimarbeit zog ich los, um unter anderem Tinte zu kaufen, denn für meine altmodischen Weihnachtskarten könnte sie hilfreich sein. Demnächst muss ich dafür sogar Briefmarken (WTF?!) besorgen, was mit den eingeschränkten Öffnungszeiten der Post - sehr sinnvoll, wenn sie in der Hochphase möglichst dichtes Gedränge produzieren wollen - schwer wird. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich ging also in eines der noch vorhandenen Kaufhäuser. Noch so eine vorsintflutliche Angewohnheit. Nach längerem Umherirren fand ich die Tintenecke. Und fiel aus allen Wolken. 19 Euro wollen sie für ein nicht merklich vergrößertes Tintenfässchen. An dieser Stelle ist es vermutlich wichtig, mit hoher Stimme lauthals anzumerken: „Das sind fast vierzig Mark!“ In jedem Fall ist es ein Vielfaches dessen, was ich früher dafür zahlen musste. Anmerken möchte ich zur Sicherheit, dass ich nicht so ein Luxusding bin, das Premiumtinte mit Blattgoldpartikeln als Produkt der Wahl ansieht. Es handelt sich bei meiner Sorte um normale Tinte. Blauschwarz von Montblanc, die heutzutage allerdings fancy „Midnight Blue“ heißt und dennoch günstiger ist als entsprechende Produkte von Pelikan. Seit diesem Erlebnis frage ich mich, was erstens in den letzten zwanzig-dreißig Jahren in der Tintenforschung passiert ist, dass es sich heutzutage um ein Highend-Produkt handelt, was zweitens auf dem Markt der Tintenrohstoffe los gewesen ist und welche Werte ich vielleicht noch unerkannt in meinem Sekretär verborgen habe. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen